BGH Urteil v. - I ZR 164/06

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: HGB § 407; HGB § 439 Abs. 1; BGB § 204 Abs. 1; EGBGB Art. 229 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Saarbrücken, 5 U 437/05 44 vom LG Saarbrücken, 7 O 81/02 vom

Tatbestand

Die Klägerin nimmt die Beklagte aus abgetretenem Recht ihres Sohnes auf Zahlung von Frachtvergütungen sowie auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Vereinbarung über den Einsatz von zwei Transportfahrzeugen in der Zeit von Januar bis Juli 2001 in Anspruch.

Die Klägerin unterhielt bis zum ein Transportunternehmen in H. . Unter der identischen Anschrift wurde am ein Transportunternehmen auf ihren Sohn angemeldet. Im Dezember 2000 kam es zwischen dem Ehemann der Klägerin, der im Betrieb der Klägerin tätig war, und der Beklagten zu Vertragsverhandlungen über den täglichen Einsatz von zwei Transportfahrzeugen für die Beklagte. Die Fahrzeuge sollten jeweils kurzfristig telefonisch geordert werden. Mit Faxschreiben vom teilte die Beklagte der "Firma W. " mit, dass ab dem täglich ein Lkw mit einer Nutzlast von 3,5 to eingesetzt werde. In einem weiteren Faxschreiben vom bestätigte die Beklagte der "Firma W. " die zusätzliche tägliche Disponierung eines Planensattelzugs mit einer Länge von 13,6 m ab dem . Die Beklagte rief die Fahrzeuge vom an ab, wobei die Anforderungen jedoch nicht täglich erfolgten und im Juli 2001 überwiegend ausblieben.

Am stellte die "Firma Lasten-Express W. " der Beklagten für 84 Ladestellen in der Zeit von Januar bis Juli 2001 insgesamt 7.795,20 DM in Rechnung. Mit anwaltlichem Schreiben vom wurde die Beklagte erfolglos aufgefordert, den Rechnungsbetrag bis zum auszugleichen und für Lkw-Standtage in der Zeit vom 2. Januar bis insgesamt 106.082 DM an die Klägerin zu zahlen.

Die Klägerin beantragte am für die "Firma M. W. " den Erlass eines Mahnbescheids über eine Hauptforderung "Frachtausfall gemäß Rechnung vom " in Höhe von 39.945,19 EUR nebst Zinsen und Kosten, der am erlassen und der Beklagten am zugestellt wurde. Die Beklagte legte gegen den Mahnbescheid Widerspruch ein. Mit Schriftsatz vom beantragte die Klägerin, ihr für die Durchführung des streitigen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Die Sache wurde daraufhin am vom Mahngericht an das im Mahnbescheid benannte Landgericht Saarbrücken abgegeben, das der Klägerin mit Beschluss vom Prozesskostenhilfe bewilligte. Der Bewilligungsbeschluss wurde der Klägerin am zugestellt. Die Begründung des mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Anspruchs ging am beim Landgericht Saarbrücken ein.

Die Klägerin hat vorgebracht, sie sei zur Geltendmachung der streitgegenständlichen Forderungen berechtigt, da ihr Sohn, der ihren Betrieb für 100.000 DM übernommen habe, seine Ansprüche gegen die Beklagte Ende Juli 2001 an sie abgetreten habe, weil er nicht mehr zur Zahlung der Raten für den Übernahmebetrag im Stande gewesen sei. Da sie den Mahnbescheid aus eigenem Recht beantragt habe, sei die Klageforderung nicht verjährt. Der Schadensersatzanspruch ergebe sich daraus, dass die Beklagte nicht - wie vereinbart - täglich beide Fahrzeuge geordert habe. Die Beklagte schulde daher Schadensersatz in Höhe der vereinbarten Vergütung abzüglich 30% für ersparte Aufwendungen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 34.864,05 EUR nebst Zinsen zu zahlen.

Die Beklagte hat eine Zahlungsverpflichtung schon dem Grunde nach in Abrede gestellt und zudem die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Landgericht hat die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen zur Zahlung von 28.127,92 EUR nebst Zinsen verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage wegen Verjährung der erhobenen Ansprüche insgesamt abgewiesen.

Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

I.

Das Berufungsgericht hat angenommen, dass die streitgegenständlichen Frachtvergütungs- und Schadensersatzansprüche verjährt seien. Dazu hat es ausgeführt:

Die mit Rechnung vom geltend gemachten Vergütungsansprüche seien gemäß §§ 407, 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt. Dem Mahnbescheid vom komme zwar verjährungsunterbrechende oder -hemmende Wirkung zu, da die Forderung in dem Mahnbescheidsantrag hinreichend individualisiert und der Mahnbescheid von der Klägerin als Berechtigter beantragt worden sei. Die mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Ansprüche seien jedoch nicht innerhalb eines Jahres nach Beendigung der Verjährungsunterbrechung bzw. -hemmung begründet worden. Im Zeitpunkt der Einreichung der Anspruchsbegründung am sei die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB bereits abgelaufen gewesen. Es könne entgegen der Ansicht des Landgerichts nicht angenommen werden, dass bei einer vorsätzlichen rechtswidrigen Pflichtverletzung, wie sie in der Nichtzahlung von Frachtlohn liege, die besondere Verjährungsfrist von drei Jahren gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB gelte.

Soweit die Klägerin Schadensersatz wegen des nicht täglichen Abrufs ihrer Fahrzeuge bis einschließlich verlange, seien auch diese Ansprüche gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt. Zwar stelle der unterlassene Abschluss von Einzelverträgen eine positive Vertragsverletzung dar, auf die in der Regel die dreijährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB Anwendung finde. Etwas anderes gelte jedoch dann, wenn Ersatzansprüche wirtschaftlich die Funktion eines Vergütungsanspruchs hätten. In einem solchen Fall gelte die für den ursprünglichen Anspruch maßgebliche Verjährungsvorschrift auch für den Ersatzanspruch, der wirtschaftlich ganz oder teilweise an die Stelle des ursprünglichen Anspruchs getreten sei und damit einen sekundären Erfüllungsanspruch darstelle. Die Klägerin fordere der Sache nach letztlich Frachtlohn für die Tage, an denen die Transportfahrzeuge entgegen der vertraglichen Vereinbarung nicht abgerufen worden seien. Hierfür gelte die einjährige Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB.

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Das Berufungsgericht hat die von der Beklagten erhobene Einrede der Verjährung zu Unrecht durchgreifen lassen.

1.

Die Annahme des Berufungsgerichts, der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch in Höhe von 3.985,62 EUR für durchgeführte Transporte und die von der Klägerin erhobenen Ansprüche wegen des nicht täglich erfolgten Abrufs von zwei Transportfahrzeugen in der Zeit von Anfang Januar bis Ende Juli 2001 seien gemäß § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB verjährt, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

a)

Entgegen der Auffassung der Revision unterliegen die aus dem streitgegenständlichen Rahmenvertrag resultierenden Frachtvergütungsansprüche nicht den allgemeinen Verjährungsregelungen gemäß § 196 Abs. 1 und 2 BGB a.F. bzw. § 195 BGB, sondern der frachtrechtlichen Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB. In dem zwischen der "Firma W. " und der Beklagten geschlossenen Rahmenvertrag wurde ein frachtvertragliches Dauerschuldverhältnis vereinbart, in dem bereits alle wesentlichen Vertragsbedingungen, insbesondere der Einsatz konkreter Fahrzeuge und die Höhe der von der Beklagten zu zahlenden Vergütung, festgelegt waren. Die Klägerin hat ihren Frachtvergütungsanspruch auch nicht damit begründet, dass das Transportunternehmen W. der Beklagten Transportmittel und Personal zur Verfügung gestellt hätte. Sie hat die Forderung in Höhe von 3.985,62 EUR in ihrer Anspruchsbegründung vom vielmehr darauf gestützt, dass 84 Beförderungen ab S. oder mit Zuladungen in S. durchgeführt worden seien, für die die Beklagte eine zusätzliche Frachtvergütung in Höhe von jeweils 80 DM schulde. In der Rechnung des Transportunternehmens W. vom ist auch von "Transportübernahmen" die Rede, was ebenfalls dafür spricht, dass die Klägerin Frachtlohn für durchgeführte Beförderungen (§ 407 Abs. 2 HGB) beansprucht. Die Beklagte hat dem Transportunternehmen W. die jeweiligen Einzelaufträge als Unterfrachtführerin erteilt. Der Unterfrachtvertrag stellt - ebenso wie der Hauptfrachtvertrag - einen Frachtvertrag gemäß § 407 HGB dar.

Das Berufungsgericht hat auch mit Recht angenommen, dass die von der Klägerin erhobenen Schadensersatzansprüche der Verjährungsvorschrift des § 439 Abs. 1 HGB unterliegen. Der streitgegenständliche Rahmenvertrag enthält konkrete frachtvertragliche Einzelabreden und unterfällt damit dem § 407 HGB. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB beruht darauf, dass die im Rahmenvertrag vorgesehenen Einzelaufträge von der Beklagten nicht erteilt wurden. Damit resultieren die Schadensersatzansprüche aus den den §§ 407 bis 452 HGB unterliegenden Beförderungen (vgl. , TranspR 2000, 214, 217 f.).

b)

Ob die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche der dreijährigen Verjährungsfrist gemäß § 439 Abs. 1 Satz 2 HGB unterliegen, wie die Revision meint, kann im Streitfall offenbleiben, da die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB entgegen der Annahme des Berufungsgerichts bei Einreichung der Anspruchsbegründung am noch nicht abgelaufen war.

aa)

Das Berufungsgericht ist mit Recht davon ausgegangen, dass die streitgegenständlichen Forderungen im Mahnbescheidsantrag der Klägerin vom hinreichend individualisiert worden sind und dass die Klägerin nach ihrem Vortrag aufgrund einer mit ihrem Sohn vereinbarten Abtretung berechtigt war, ein Mahnbescheidsverfahren gegen die Beklagte einzuleiten.

bb)

Dementsprechend wurde die Verjährungsfrist mit der Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids bei Gericht am gemäß § 209 Abs. 2 Nr. 1 BGB a.F. i.V. mit § 693 Abs. 2 ZPO a.F. unterbrochen. Der am erlassene Mahnbescheid wurde der Beklagten am zugestellt. Da durch die Zustellung des Mahnbescheids die Verjährung unterbrochen werden sollte, trat die Wirkung gemäß § 693 Abs. 2 ZPO a.F. bereits mit der Einreichung des Antrags auf Erlass des Mahnbescheids ein. Das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I S. 3138) führt zu keiner anderen Beurteilung. Soweit sich zwischen dem Antrag und der Zustellung des Mahnbescheids die Sach- und Rechtslage ändert und sich hierdurch die Voraussetzungen des Eintritts der Verjährung zum Nachteil des Gläubigers verschlechtern, ist nach Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 3 EGBGB das Bürgerliche Gesetzbuch in der vor dem geltenden Fassung anzuwenden. Demgemäß kann auch ein nach dem zugestellter Mahnbescheid die Unterbrechung der Verjährung herbeiführen, wenn sein Erlass bis zum beantragt wurde. Die Unterbrechung endet dann mit Ablauf des und setzt sich ab dem gemäß Art. 229 § 6 Abs. 2 EGBGB als Hemmung fort (vgl. , NJW 2008, 1674 Tz. 13 f.).

Die nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB ausgelöste Hemmung der Verjährung endet im Mahnverfahren gemäß § 696 Abs. 1 ZPO mit der Abgabe der Sache an das Streitgericht (Palandt/Heinrichs, BGB, 67. Aufl., § 204 Rdn. 36). Die Beklagte hat gegen den Mahnbescheid am Widerspruch eingelegt. Mit Verfügung vom wurde der Klägerin die Einlegung des Widerspruchs seitens der Beklagten mitgeteilt. Danach geriet das Verfahren in Stillstand. In einem solchen Fall endet die Hemmung der Verjährung gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 und 2 BGB sechs Monate nach Zugang der letzten gerichtlichen Verfügung, im Streitfall also sechs Monate nach Zugang der Verfügung vom .

Vor Ablauf der durch den Antrag auf Erlass eines Mahnbescheids eingetretenen Hemmung hat die Klägerin am Prozesskostenhilfe beantragt, dadurch wurde die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 14, Abs. 2 BGB erneut gehemmt. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endet die Hemmung wiederum sechs Monate nach der formell rechtskräftigen gerichtlichen Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag. Maßgebend ist der Zugang der Entscheidung (MünchKomm.BGB/Grothe, 5. Aufl., § 204 Rdn. 106; Palandt/ Heinrichs aaO § 204 Rdn. 45). Der Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vom wurde der Klägerin am zugestellt. Gemäß § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB endete die Hemmung der Verjährung sechs Monate nach Ablauf der Frist des § 127 Abs. 3 ZPO. Unter Berücksichtigung der sechsmonatigen Frist des § 204 Abs. 2 Satz 1 BGB war die einjährige Verjährungsfrist des § 439 Abs. 1 Satz 1 HGB daher zum Zeitpunkt der Einreichung der Anspruchsbegründung am noch nicht abgelaufen.

2.

Das die Klage abweisende Urteil des Berufungsgerichts kann danach keinen Bestand haben. Eine Entscheidung in der Sache ist dem Senat verwehrt. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Klägerin gegen die Beklagte grundsätzlich die ihr vom Landgericht zuerkannten Ansprüche - 3.985,62 EUR gemäß § 407 Abs. 2 HGB für durchgeführte Beförderungen und 24.142,23 EUR als Schadensersatz wegen Nichterfüllung des am 5./ geschlossenen Rahmenvertrags - aus abgetretenem Recht ihres Sohnes zustehen. Die insofern von der Beklagten in der Berufungsbegründung erhobenen Einwände hat das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - nicht geprüft. Dies ist nunmehr nachzuholen.

Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Fundstelle(n):
IAAAD-13486

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein