BGH Beschluss v. - NotZ 130/07

Leitsatz

[1] a) In die Würdigung, ob bei einem Notar eine die Interessen der Rechtsuchenden gefährdende Art der Wirtschaftsführung vorliegt, können außer den gegen den Notar betriebenen Maßnahmen der Zwangsvollstreckung weitere, sein geschäftliches Verhalten betreffende Umstände (z.B. Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen, Verletzung von Mitteilungs- und Mitwirkungspflichten in der Insolvenz) einfließen.

b) Der Insolvenzschuldner ist verpflichtet, bereits erteilte Auskünfte unverzüglich und in eigener Initiative zu ergänzen oder richtigzustellen, wenn er erkennt, dass sich nicht unwesentliche Änderungen ergeben haben; ein besonderes Auskunftsverlangen des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ist nicht erforderlich.

Gesetze: BNotO § 50 Abs. 1; BNotO § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2; InsO § 20; InsO § 20 Abs. 1; InsO § 97; InsO § 97 Abs. 1

Instanzenzug: OLG Dresden, DSNot 14/07 vom

Gründe

Der 1940 geborene Antragsteller wurde 1972 in den höheren Justizdienst des Landes B. übernommen. Er war dort sei 1986 als Notar tätig. 1991 wurde er in S. zum Notar mit Amtssitz in D. bestellt.

Nachdem es zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen den Antragsteller gekommen war, kündigte der Antragsgegner ihm mit Bescheid vom an, ihn seines Amtes als Notar zu entheben, weil er in Vermögensverfall geraten sei und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährde. Den darauf von dem Antragsteller erhobenen Antrag, gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 BNotO festzustellen, dass die Voraussetzungen für die Amtsenthebung nicht vorliegen, wies das Oberlandesgericht Dresden durch Beschluss vom - DSNot 23/03 - zurück. Nachdem der Antragsteller während des Verfahrens der sofortigen Beschwerde (NotZ 18/04) einen Teil seiner Schulden getilgt und Ratenzahlungsvereinbarungen getroffen hatte, kam es am zu einer vergleichsweisen Regelung mit dem Antragsgegner.

Im zweiten Halbjahr 2006 ergingen gegen den Antragsteller Vollstreckungsbescheide; Maßnahmen der Zwangsvollstreckung schlossen sich an. Am stellte der Antragsteller Insolvenzantrag. Das Insolvenzverfahren wurde am eröffnet und führte zu einem am gerichtlich bestätigten Insolvenzplan.

Zuvor - durch Bescheid vom - hatte der Antragsgegner dem Antragsteller mitgeteilt, er beabsichtige, ihn seines Amtes zu entheben. Denn der Antragsteller sei in Vermögensverfall geraten und durch seine wirtschaftlichen Verhältnisse sowie durch die Art seiner Wirtschaftsführung würden die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet. Hiergegen hat der Antragsteller gemäß § 50 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BNotO beantragt, disziplinargerichtlich festzustellen, dass die Voraussetzungen der Amtsenthebung nicht vorliegen. Das Oberlandesgericht hat diesem Antrag durch Beschluss vom stattgegeben.

Durch Bescheid vom enthob der Antragsgegner den Antragsteller vorläufig seines Amtes. Auf Ersuchen des Antragstellers hat das die Vollziehung der vorläufigen Amtsenthebung "bis zum Termin der mündlichen Verhandlung in der Hauptsache" ausgesetzt. Durch den vorgenannten Beschluss vom hat das Oberlandesgericht den die Amtsenthebung anordnenden Bescheid des Antragsgegners vom aufgehoben.

Mit der sofortigen Beschwerde begehrt der Antragsgegner, die Anträge des Antragstellers zurückzuweisen.

B.

Die sofortige Beschwerde ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zu der Feststellung, dass bei dem Antragsteller die Voraussetzungen für die Amtsenthebung vorliegen, weil seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährden (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO) (I.). Ferner ist der gegen die vorläufige Amtsenthebung (Bescheid vom ) gestellte Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückzuweisen (II.).

Durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers werden in Verbindung mit der Art seiner Wirtschaftsführung die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet.

1.

a)

Eine Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse eines Notars, durch die die Interessen der Rechtsuchenden gefährdet werden, ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn gegen ihn Zahlungsansprüche in erheblicher Größenordnung bestehen oder gerichtlich geltend gemacht werden, Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse gegen ihn erlassen, fruchtlose Pfändungsversuche unternommen, Verfahren zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gemäß § 807 ZPO eingeleitet oder Haftbefehle zur Erzwingung dieser Versicherung gegen ihn erlassen worden sind. Dies gilt insbesondere, wenn die Abtragung einer erheblichen Schuldenlast nicht innerhalb eines überschaubaren Zeitraums zu erwarten ist. Schon als solche nicht hinnehmbar ist im Übrigen eine Wirtschaftsführung des Notars, die Gläubiger dazu zwingt, wegen berechtigter Forderungen Zwangsmaßnahmen zu ergreifen. Ohne Belang ist dabei, ob diese Zwangsmaßnahmen wegen schlechter wirtschaftlicher Verhältnisse, Vermögenslosigkeit oder Überschuldung des Notars erforderlich werden (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom - NotZ 50/05 - ZNotP 2006, 269 Rn. 5; Beschluss vom - NotZ 73/07 - [...] Rn. 6 f).

Derartige Umstände belegen in aller Regel die von § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO vorausgesetzte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden. Die Verschuldung eines Notars gefährdet seine Integrität und stellt seine Unabhängigkeit in Frage. Sie lässt besorgen, dass er fremde Vermögensinteressen nicht mit der gebotenen Sorgfalt wahrnimmt und Versuchen Dritter, seine Amtsführung sachwidrig zu beeinflussen, nicht mit dem erforderlichen Nachdruck entgegentreten will oder kann. Darüber hinaus begründen Zahlungsschwierigkeiten des Notars und insbesondere gegen ihn geführte Maßnahmen der Zwangsvollstreckung die Gefahr, dass er etwa Kostenvorschüsse nicht auftragsgemäß verwendet oder gar zur Tilgung eigener Schulden auf ihm treuhänderisch anvertraute Gelder zurückgreift. Eine solche abstrakte Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden genügt. Es ist nicht erforderlich, dass sich bereits in einem konkreten Fall Anhaltspunkte ergeben haben, der Notar könnte aufgrund seiner wirtschaftlichen Zwangslage sachwidrigen Einflüssen auf seine Amtsführung nicht entgegengetreten sein oder habe gar Fremdgeld weisungswidrig für sich verbraucht. Dies folgt daraus, dass die Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden in den beiden ersten Tatbestandsvarianten des § 50 Abs. 1 Nr. 8 BNotO nur allgemein aus den wirtschaftlichen Verhältnissen des Notars bzw. der Art seiner Wirtschaftsführung resultieren muss, während die zweite tatbestandliche Alternative dieser Vorschrift demgegenüber gerade an konkrete Amtstätigkeiten des Notars anknüpft, indem sie als Amtsenthebungsgrund die durch die Durchführung von Verwahrungsgeschäften bedingte Gefährdung der Rechtsuchenden normiert. Hinzu kommt, dass die Interessen der Rechtsuchenden auch ohne Zutun des Notars durch ausgebrachte Vollstreckungsmaßnahmen seiner Gläubiger beeinträchtigt werden können; denn es sind ohne weiteres Fallgestaltungen denkbar, in denen seine Gläubiger auf ihm anvertraute Fremdgelder Zugriff nehmen können, bevor sie auf ein Notaranderkonto eingezahlt sind (vgl. Senatsbeschluss vom aaO Rn. 6 und Senatsbeschluss vom aaO Rn. 7).

b)

Eine die Amtsenthebung begründende außer Ordnung geratene Wirtschaftsführung des Notars (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO) liegt nicht allein dann vor, wenn Gläubiger gezwungen sind, ihre berechtigten Forderungen mit Zwangsmitteln beizutreiben. Es geht bei diesem Amtsenthebungsgrund um den allgemeinen Tatbestand der Unzuverlässigkeit wegen der Art der Wirtschaftsführung (vgl. Senatsbeschluss vom - NotZ 1/02 - NJW 2002, 2791, 2792) . Deswegen können bei der Würdigung, ob eine ordentliche notarielle Wirtschaftsführung gegeben ist (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO), weitere, das geschäftliche Verhalten betreffende Umstände einfließen. In Betracht kommen insoweit etwa falsche oder unvollständige Angaben gegenüber den Gläubigern oder gegenüber den (Insolvenz- oder Zwangsvollstreckungs-)Gerichten, die Vernachlässigung sonstiger insolvenzrechtlicher Mitwirkungspflichten (vgl. §§ 20, 97 InsO) oder das Vorenthalten der für die Kanzleiangestellten zu entrichtenden Sozialversicherungsbeiträge. Ein solches geschäftliches Verhalten kann ebenfalls eine unzuverlässige Art der Wirtschaftsführung indizieren. Denn es gehört zum Notar, dass er auch in einer wirtschaftlichen Krise die für sein Amt unverzichtbare Integrität wahrt (vgl. - allgemein zur Pflicht des Notars zu uneingeschränkter Wahrhaftigkeit und Redlichkeit - Senatsbeschluss vom - NotZ 22/96 - DNotZ 1997, 894, 895 f m.w.N.).

2.

Die Zerrüttung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Unzuverlässigkeit seiner Wirtschaftsführung ergeben sich aus folgenden Tatsachen:

a)

Bei dem Antragsteller trat bereits im Jahr 2003 eine Gefährdungslage ein, die den Antragsgegner veranlasste, ihm mit Bescheid vom die Amtsenthebung wegen Vermögensverfalls und wegen Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch seine wirtschaftlichen Verhältnisse und die Art seiner Wirtschaftsführung anzukündigen. Insgesamt geriet ein Betrag von mindestens 139.259,32 EUR in Vollstreckung. Die L. betrieb wegen rückständiger Abgaben in Höhe von 19.256 EUR mehrere Zwangsvollstreckungsverfahren, darunter auch solche, die bereits auf die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung gerichtet waren. Ferner ging es um titulierte Mietzinsforderungen in Höhe von 10.229,76 EUR und - vor allem - um Steuerschulden in Höhe von insgesamt 109.773,46 EUR. Das ergibt sich aus den Feststellungen, die das Oberlandesgericht Dresden in dem Beschluss vom - DSNot 23/03 ... (Beschlussumdruck S. 2 f, 9 bis 15) getroffen und die der Antragsteller nicht angegriffen hat. In der gegen den vorgenannten Beschluss erhobenen sofortigen Beschwerde (NotZ 18/04) ist er vielmehr - die Differenzen sind zu vernachlässigen - von Verbindlichkeiten in der genannten Höhe ausgegangen (vgl. Beschwerdeschrift vom S. 3, 6 f in NotZ 18/04); dass Zwangsvollstreckungsmaßnahmen gegen ihn ergriffen wurden, hat er nicht in Zweifel gezogen.

Dem Antragsteller gelang es, durch die Veräußerung einer Immobilie, durch die Verwendung einer Lebensversicherung und durch den Abschluss einer Reihe von Ratenvereinbarungen (vgl. S. 2 ff der Beschwerdeschrift vom , Schriftsätze von Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof Dr. H. vom und in NotZ 18/04) weitere Vollstreckungsmaßnahmen zu verhindern. Am kam es zu einer vergleichsweisen Regelung: Das ... Ministerium der Justiz nahm den Bescheid vom zurück. Das Verfahren wurde übereinstimmend für erledigt erklärt. Der Antragsteller übernahm sämtliche Gerichtskosten; außergerichtliche Kosten wurden nicht erstattet (vgl. Schriftsatz des ... Ministeriums der Justiz vom , Schriftsatz von Rechtsanwältin beim Bundesgerichtshof Dr. H. vom und Senatsbeschluss vom - NotZ 18/04).

b)

Mit der vorgeschilderten vergleichsweisen Regelung im April 2006 war die wirtschaftliche Situation des Antragstellers indessen nicht bereinigt. Vielmehr ging es nahezu nahtlos damit weiter, dass Gläubiger des Antragstellers selbst wegen kleiner und kleinster Beträge Titel gegen ihn erwirken und Zwangsmaßnahmen einleiten mussten, um ihre berechtigten Forderungen durchzusetzen:

aa)

Bereits am - nur wenig mehr als zwei Monate nach der am zustande gekommenen vergleichsweisen Regelung des ersten Verfahrens auf Feststellung der Voraussetzungen der Amtsenthebung - erließ das Amtsgericht Coburg auf Antrag des Verlages ... einen Vollstreckungsbescheid gegen den Antragsteller über 223,65 EUR. Die Vollstreckung ist seit dem erledigt.

bb)

Auf Antrag der O. GmbH erließ das Amtsgericht Stuttgart am einen Vollstreckungsbescheid über 45,24 EUR. Die Forderung ist seit dem erledigt.

cc)

Auf Antrag des Verbandes der Miteigentümer des Grundstücks S. Straße in D. erließ das Amtsgericht Dresden (582 M 19393/06) am einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zur Vollstreckung einer durch Vollstreckungsbescheid titulierten Forderung über 1.892,80 EUR zuzüglich Kosten.

dd)

Wegen einer Forderung der D. AG in Höhe von 42.948,52 EUR zuzüglich Kosten ordnete das Amtsgericht Mannheim (1 K 2/07 unter 1 L 1/07) gegen den Antragsteller die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung bezüglich seines in M. gelegenen Grundbesitzes an; dieselben Zwangsmaßnahmen erfolgten in den Verfahren 1 K 3/07 und 1 L 2/07 Amtsgericht Mannheim wegen einer weiteren Forderung der D. AG in Höhe von 56.369,93 EUR zuzüglich Kosten.

ee)

Am wurde dem Antragsteller von der Gerichtsvollzieherin E. in D. ein auf Antrag der A. AG erlassener Vollstreckungsbescheid zugestellt (DR I-0283/07).

ff)

Am erließ das Amtsgericht Dresden (505 M 2298/07) auf Antrag der AOK S. wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 1.704,10 EUR eine Durchsuchungsanordnung.

gg)

Am erließ das Amtsgericht Dresden (183 B 01608/07) auf Antrag des vorgenannten Verbandes der Miteigentümer S. ...Straße einen Vollstreckungsbescheid über 2.929,72 EUR gegen den Antragsteller.

hh)

H. , die frühere Ehefrau des Antragstellers, betrieb gegen ihn die Zwangsvollstreckung, um rückständigen Unterhalt in Höhe von 45.562,65 EUR zu erhalten. Auf ihren Antrag hin erging am gegen den Antragsteller ein Haftbefehl des Amtsgerichts Mannheim (218 M 70985/06), um die Abgabe der eidesstattlichen Versicherung zu erzwingen. Die eidesstattliche Versicherung legte der Antragsteller schließlich am ab (DR II 9/07 der Gerichtsvollzieherin A. , M. ).

Am wurde dem Antragsteller von der Gerichtsvollzieherin E. in D. (DR I-0896/07) ein von H. erwirkter Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zugestellt.

ii)

Mit einem dem Amtsgericht Dresden am zugegangenem Anwaltsschreiben vom stellte der Antragsteller Insolvenzantrag wegen Zahlungsunfähigkeit. Das Amtsgericht Dresden eröffnete am das Insolvenzverfahren (531 IN 1669/07). In dem Insolvenzverfahren wurden Forderungen gegen den Antragsteller in Höhe von insgesamt 945.592,24 EUR festgestellt; dem stand ein Vermögen in Höhe von 78.342,34 EUR gegenüber (vgl. S. 12 des von dem Antragsteller am eingereichten Insolvenzplans). Das Insolvenzgericht bestätigte am den Insolvenzplan (in der Fassung vom selben Tage), der eine Quote von 4 % der festgestellten Forderungen vorsah. Der Antragsteller erfüllte - unter Mithilfe seiner Ehefrau, die von ihr finanzierte 20.000 EUR zuschoss, - den Insolvenzplan durch Zahlung von 38.583,71 EUR (= 4 % der insgesamt festgestellten Forderungen in Höhe von 964.592,24 EUR). Durch Beschluss des Insolvenzgerichts vom wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben.

c)

Auch nach der Durchführung des Insolvenzverfahrens blieben - bis in die jüngste Zeit - die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers zerrüttet und seine Wirtschaftsführung ungeordnet:

aa)

Am , keine zwei Wochen nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens am , erging gegen den Antragsteller ein Versäumnisurteil des Amtsgerichts Dresden (151 C 7753/07) wegen einer Hausgeldforderung der Wohnungseigentümergemeinschaft S. Straße in D. über 2.741,69 EUR nebst Zinsen.

bb)

Am ordnete das Amtsgericht Dresden (513 K 440/08) wegen eines dinglichen Anspruchs der C. AG in Höhe von 427.818,88 EUR nebst Zinsen die Zwangsversteigerung von Wohnungseigentum des Antragstellers in Dresden an.

d)

Aufgrund der vorgenannten Feststellungen sind die Amtsenthebungsgründe des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO anzunehmen. Jedenfalls seit Januar 2007 bis in die jüngste Zeit sind die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftführung durchgängig in einer die Interessen der Rechtsuchenden gefährdenden Unordnung

Die Unzuverlässigkeit der Wirtschaftsführung (§ 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 2 BNotO) wird zusätzlich belegt durch sein im Folgenden geschildertes, die gesetzlichen Pflichten missachtendes geschäftliches Verhalten in der wirtschaftlichen Krise:

aa)

Der Antragsteller gab am eine unvollständige eidesstattliche Versicherung ab. In dem der eidesstattlichen Versicherung beigefügten Vermögensverzeichnis (Ergänzungsblatt II zu Nrn. 25 und 26 des Vermögensverzeichnisses) führte er lediglich das Wohnungseigentum in D. an, nicht hingegen seine Eigentumswohnungen in M. (Grundbuchamt M. Bl. ... , vgl. S. 24 des in dem Insolvenzverfahren erstatteten Gutachtens der Rechtsanwälte W. vom ).

bb)

Der Antragsteller verheimlichte im Insolvenzverfahren, dass ihm eine Kostenforderung in Höhe von rund 32.000 EUR zustand.

Am beurkundete der Antragsteller einen Kaufvertrag mit Auflassung, der einen Geschäftswert von 5.800.000 EUR hatte. Aufgrund der Beurkundung hatte er von der T. GmbH Kosten i.H.v. 32.029,45 EUR zu beanspruchen, von denen jedenfalls die Vertragsgebühr i.H.v. 16.138 EUR (netto) sofort fällig war. Er stellte der T. GmbH jedoch zunächst keine Kosten in Rechnung. Die Kostenrechnung "vom " - KRG 641/2007 - fertigte er am - nach der gerichtlichen Bestätigung des Insolvenzplans am . Die T. GmbH zahlte den Betrag am .

Dieser Sachverhalt ergibt sich aus der vorbezeichneten Kostenrechnung. Der Antragsteller hat dazu in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat erklärt, der Insolvenzverwalter habe von der Möglichkeit einer "größeren Beurkundung" gewusst und ihn vor dem gefragt, ob sie stattgefunden habe. Er habe (zutreffend) verneint. Der Insolvenzverwalter habe weder damals noch später ergänzende Angaben verlangt. Deshalb habe er den Insolvenzverwalter auch nicht am oder danach von der inzwischen erfolgten Beurkundung unterrichtet.

Der Antragsteller verletzte insolvenzrechtliche Mitwirkungspflichten.

Der Insolvenzschuldner ist gemäß § 20 Abs. 1, § 97 Abs. 1 InsO verpflichtet, bereits erteilte Auskünfte unverzüglich und in eigener Initiative zu ergänzen oder richtig zu stellen, wenn er erkennt, dass sich nicht unwesentliche Änderungen ergeben haben; ein besonderes Auskunftsverlangen des Insolvenzverwalters oder des Gerichts ist nicht erforderlich (vgl. - [...] Rn. 11; MünchKommInsO-Schmahl 2. Aufl. 2007 § 20 Rn. 28 und 38; s. auch - GA 1956, 123, 124). Dem entsprechend hätte im vorliegenden Fall der Antragsteller dem Insolvenzverwalter (sowie dem Insolvenzgericht und dem Gläubigerausschuss) von sich aus die aus der Beurkundung vom ergebende erhebliche Kostenforderung anzeigen müssen. Sie war, wie der Antragsteller wusste, in dem von ihm am , drei Wochen zuvor, eingereichten Insolvenzplan naturgemäß noch nicht berücksichtigt. Es handelte sich auch um eine wesentliche nachträgliche Änderung seiner Vermögenslage. Das lag für den Antragsteller bei einer nachträglich entstandenen (werthaltigen) Forderung in Höhe von rund 32.000 EUR und einer freien Insolvenzmasse von rund 79.000 EUR auf der Hand.

cc)

In den Monaten August 2006 bis Mai 2007 führte der Antragsteller auf die Gehälter seiner Kanzleiangestellten zu entrichtende Sozialversicherungsbeiträge nicht ab. Ließ das Bankguthaben die Zahlung der üblichen Gehälter und der darauf entfallenden Sozialversicherungsbeiträge nicht zu, hätte er seinen finanziellen Möglichkeiten entsprechende (gekürzte) Gehälter einschließlich Sozialversicherungsbeitrag zahlen müssen.

3.

Nachdem aufgrund der getroffenen Feststellungen die Amtsenthebungsgründe des § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO vorliegen, kann dahingestellt bleiben, ob sich der Antragsteller darüber hinaus in Vermögensverfall (§ 50 Abs. 1 Nr. 6 BNotO) befindet.

Die Anordnung der vorläufigen Amtsenthebung ist gerechtfertigt. Denn die endgültige Amtsenthebung ist jedenfalls wegen der Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden durch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers und die Art seiner Wirtschaftsführung zu erwarten (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nr. 8 Fall 1 und 2 BNotO). Der Antragsgegner hat sein unter diesen Voraussetzungen gegebenes Ermessen rechtsfehlerfrei ausgeübt. Die vorläufige Maßnahme ist - auch mit Blick auf sein die persönliche Zuverlässigkeit in Frage stellendes geschäftliches Verhalten in der wirtschaftlichen Krise (siehe oben unter I. 2. d) - zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter geboten und wahrt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit.

Fundstelle(n):
DB 2009 S. 451 Nr. 9
DNotZ 2009 S. 310 Nr. 4
NJW-RR 2009 S. 783 Nr. 11
ZIP 2009 S. 675 Nr. 14
SAAAD-03621

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja