BGH Urteil v. - IX ZR 111/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: Richtlinie 2005/29/EG Art. 31; BGB § 661a; InsO § 39 Abs. 1 Nr. 4

Instanzenzug: LG Offenburg, 2 O 445/05 vom OLG Karlsruhe, 14 U 6/07 vom

Tatbestand

Der Kläger hat gegen eine "S. & G. B.V." und gegen eine "EMO E. M. O. Limited" titulierte Ansprüche aus Gewinnzusagen. Mit der Behauptung, die insolvente O. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin) habe die Gewinnmitteilungen entweder selbst versandt oder deren Versendung verantwortlich veranlasst, begehrt er die Eintragung seiner titulierten Forderungen nebst Kosten und Zinsen in die Insolvenztabelle. Der Beklagte hat als Insolvenzverwalter die Forderungsanmeldungen des Klägers bestritten. Das Landgericht hat die Klage auf Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle abgewiesen. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Feststellungsbegehren weiter.

Gründe

Die Revision ist unbegründet.

1. Der Senat hat bereits mit Urteil vom , das den Beteiligten bekannt ist, entschieden, der Anspruch des Verbrauchers auf Erfüllung einer Gewinnzusage in der Insolvenz des Versenders könne nur als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden (, ZInsO 2008, 505). An dieser Entscheidung, die mit dem Charakter der Gewinnzusage als unentgeltliche Leistung begründet worden ist, hält der Senat fest.

2. Der Hinweis der Revision auf die Richtlinie 2005/29/EG vom über unlautere Geschäftspraktiken gibt keine Veranlassung, Forderungen aus Gewinnzusagen entgegen der Entscheidung vom als entgeltliche Leistungen anzusehen, die zu einer nicht nachrangigen Insolvenzforderung führen.

a) Ob die hier in Rede stehende Werbung unmittelbar in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG vom fällt, ist fraglich. Es geht um Gewinnzusagen, die dem Kläger im Jahre 2001 gemacht worden sind. Der unmittelbaren Anwendung der Richtlinie auf den vorliegenden Fall könnte deshalb das Rückwirkungsverbot entgegenstehen, das auch für die Anwendung von Richtlinien der EU gilt ( Adeneler u.a. Slg. 2006, I-6057 = ZIP 2006, 2141, 2142; jeweils Rn. 110; Hofmann ZIP 2006, 2113, 2114). Andererseits ist der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs davon ausgegangen, eine Werbemaßnahme vom Spätjahr 2004 falle in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2005/29/EG (Vorlagebeschluss v. - I ZR 4/06, GRUR 2008, 807 ff Rn. 17 - Millionen-Chance). Die Frage kann hier offen bleiben.

b) Denn nach Ablauf der Umsetzungsfrist am ist das nationale Recht richtlinienkonform auszulegen (BGHZ 138, 55, 59 f; aaO Rn. 16 ff; Hofmann aaO S. 2114; Lutter JZ 1992, 593, 605; Roth ZIP 1992, 1054, 1056; jeweils m.w.N.). Die Auslegung - und zwar auch des unveränderten, bei Erlass der Richtlinie schon bestehenden nationalen Rechts - muss sich an Wortlaut und Zweck der Richtlinie ausrichten, um zu gewährleisten, dass die damit verfolgten Ziele des Gemeinschaftsrechts erreicht werden (EuGH aaO Rz. 111).

c) Auch eine solche Auslegung führt aber nicht zu einer geänderten insolvenzrechtlichen Einordnung des Anspruchs aus einer Gewinnzusage.

aa) Die Richtlinie 2005/29/EG enthält keine Aussage zu der insolvenzrechtlichen Einstufung von Ansprüchen aus Gewinnzusagen. Dass es sich bei der Versendung von Gewinnzusagen der vorliegenden Art um aggressive Geschäftspraktiken handelt (Nr. 31 Anhang 1 der Richtlinie), die die wirtschaftlichen Interessen der Verbraucher beeinträchtigen (Erwägungsgrund 8 der Richtlinie) wird durch das Urteil vom nicht in Frage gestellt.

bb) Die Richtlinie gibt keine Veranlassung, von der Einstufung der Gewinnzusage als unentgeltliche Zuwendung abzurücken. Ob die Haftung aus § 661a BGB rechtsgeschäftsähnlichen oder deliktischen Charakter hat, ist für den Schutz des Verbrauchers unerheblich. Entscheidend ist, dass der Verbraucher bei einer entsprechenden Gewinnzusage - auch wenn diese möglicherweise nicht ernst gemeint ist (BGHZ 165, 172, 179; Palandt/Sprau, BGB 67. Aufl. § 661a Rn. 2) - Anspruch auf Auszahlung des Gewinns hat. Das ändert aber nichts daran, dass die Zusage auf Freigiebigkeit des Versenders beruht.

cc) Die Richtlinie enthält keine bestimmte Vorgabe für die Umsetzung in nationales Recht. Gemäß Erwägungsgrund Nr. 22 ist es notwendig, dass die Mitgliedstaaten Sanktionen für Verstöße gegen die Richtlinie festlegen und für deren Durchsetzung sorgen. Die Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Wie diese Sanktionen ausgestaltet sein sollen, ist in der Richtlinie nicht näher bestimmt.

dd) Allein schon die Anerkennung einklagbarer Erfüllungsansprüche aus Gewinnzusagen im Sinne des § 661a BGB (BGHZ 153, 82, 90 f; 165, 172, 181 f) stellt eine empfindliche Sanktion des Versands derartiger Zusagen dar. Der Versender riskiert regelmäßig die Insolvenz seines Unternehmens, weil er seine Gewinnzusagen, wegen derer er vom Verbraucher beim Wort genommen werden kann, nicht wird einlösen können. Eine Bekämpfung entsprechender Geschäftspraktiken ist mithin auch dann gewährleistet, wenn man den Anspruch aus § 661a BGB nicht als deliktischen Schadensersatzanspruch einstuft, sondern als Erfüllungsanspruch, wie vom Gesetzgeber konzipiert (BGHZ 165, 172, 179 f). Der Marktaustritt entsprechender Unternehmen ist damit vorgegeben. Die schärfste Sanktion, die ein wettbewerbswidrig handelndes Unternehmen treffen kann, wird mittelbar auch durch den einklagbaren Erfüllungsanspruch aus einem gesetzlichen Schuldverhältnis erreicht.

Im Übrigen weist der Beklagte mit Recht darauf hin, dass ein effektiver Rechtsschutz auch durch wettbewerbs- und strafrechtliche Sanktionen (BGHSt 52, 227) - etwa die Strafbarkeit nach § 16 UWG, die Anordnung des Verfalls von Kaufpreiszahlungen für Waren, zu deren Bestellung der Verbraucher durch strafbare Werbung veranlasst worden ist, und die Zuerkennung von Schadensersatzansprüchen aus unerlaubter Handlung in Höhe der gezahlten Kaufpreise - erreicht werden kann. § 661a BGB ist demgemäß nicht die einzige Regelung, durch die der Inhalt der Richtlinie umgesetzt wird.

ee) Der Hinweis der Revision auf die Anfechtbarkeit unentgeltlicher Zuwendungen, die die Gewinnzusage nach § 661a BGB erheblich entwerte und im Gegensatz zu den Intentionen der Richtlinie stehe, kann für die rechtliche Einordnung der Gewinnzusage nicht entscheidend sein. Diese erhält ihren typischen Unrechtsgehalt daraus, dass sie in der Regel nicht erfüllt wird. Dies wird von der Revisionsbegründung selbst ausgeführt. Die Anfechtung kommt deshalb nur in Betracht, wenn ausnahmsweise - um nicht jede Glaubwürdigkeit zu verlieren - einzelne Gewinne ausgezahlt werden. Greift dann die Schenkungsanfechtung durch, ist das in der Tat die Folge einer Freigiebigkeit im Einzelfall. Im Übrigen sind Verbraucher vor einer Rückforderung der anfechtbar erlangten unentgeltlichen Zuwendung in gewissem Umfang auch durch § 11 Abs. 2 Satz 1 AnfG und § 143 Abs. 2 Satz 1 InsO geschützt. Nach beiden Vorschriften sind anfechtbar empfangene unentgeltliche Leistungen nur zurückzugewähren, soweit der Empfänger noch bereichert ist. "Gewinne" werden aber häufig für Luxusausgaben verwendet.

Die Einstufung als nachrangige Insolvenzforderung im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO führt nicht zu einer diskriminierenden Entwertung der Forderung. Die Regelung gilt für jegliche Forderungen auf unentgeltliche Leistung des Schuldners. Sie ist nicht speziell auf Gewinnzusagen zugeschnitten.

d) Da § 39 Abs. 1 Nr. 4 InsO den Vorgaben der Richtlinie 2005/29/EG offensichtlich genügt, besteht keine Pflicht zur Vorlage der Sache zur Vorabentscheidung nach Art. 234 Abs. 3 EGV.

2. Die Rüge des Klägers, das Berufungsgericht habe es zu Unrecht abgelehnt, die Anmeldung der Rechtsverfolgungskosten aus den Vorprozessen unter dem Gesichtspunkt der Anmeldung von Forderungen aus unerlaubter Handlung zu prüfen, greift nicht. Der Kläger hat seine Anmeldung lediglich auf die Gewinnzusagen gestützt, die als nachrangige Verbindlichkeiten nur unter den Voraussetzungen des § 174 Abs. 3 Satz 1 InsO angemeldet werden konnten (HmbKomm-InsO/Preß/Henningsmeier, 2. Aufl. § 174 Rn. 31; Kübler/Prütting/Pape, InsO § 174 Rn. 38). Diese waren nicht gegeben.

Bezüglich der Anmeldung der Kosten der Vorprozesse kann sich der Kläger nicht auf Ansprüche aus unerlaubter Handlung berufen. Er hat solche Ansprüche nicht zur Insolvenztabelle angemeldet. Als Grund seiner Forderungsanmeldungen ist nach den beglaubigten Auszügen aus der Insolvenztabelle jeweils nur die Gewinnzusage genannt. Die Anmeldung des Forderungsgrundes der unerlaubten Handlung, die die Angabe eines entsprechenden Lebenssachverhalts vorausgesetzt hätte (BGHZ 173, 103, 106 Rn. 12), ist unterblieben. Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Klage auf Feststellung einer zur Tabelle angemeldeten Forderung unzulässig, wenn sie auf einen anderen als den in der Anmeldung angegebenen Anspruchsgrund gestützt wird (BGHZ aaO; , ZIP 2001, 2099; v. - IX ZR 165/02, ZIP 2003, 2379, 2382).

Der Kläger kann entgegen der Auffassung der Revision einen Sachverhalt, aus dem sich ein Anspruch aus unerlaubter Handlung ergibt, auch nicht im Feststellungsprozess nachschieben. Dies gilt unabhängig von der Frage, ob der beklagte Verwalter wusste, aus welchem Lebenssachverhalt die Forderung hergeleitet wird ( aaO). Eine Forderungsfeststellungsklage ohne vorausgehendes Prüfungsverfahren ist unzulässig ( aaO; Graf-Schlicker, InsO § 179 Rn. 3; Kübler/Prütting/Pape, aaO § 179 Rn. 4).

Fundstelle(n):
WM 2009 S. 126 Nr. 3
ZIP 2009 S. 37 Nr. 1
JAAAD-02305

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein