BGH Beschluss v. - 3 StR 164/08

Leitsatz

[1] Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist grundsätzlich erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die Organisation bedarf es nicht. Ein tatbestandliches Handeln scheidet aber dann aus, wenn sich aus den Gesamtumständen der Verwendung des Kennzeichens eindeutig ergibt, dass diese dem Schutzzweck des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht zuwider läuft.

Gesetze: StGB § 86 Abs. 1 Nr. 2; StGB § 86 a Abs. 1 Nr. 1; StGB § 86 a Abs. 2 Satz 2

Instanzenzug: OLG Nürnberg,

Gründe

Die Vorlegungssache betrifft die Frage, ob der objektive Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch dann erfüllt ist, wenn das stilisierte Keltenkreuz oder ein diesem zum Verwechseln ähnliches Kennzeichen isoliert, d. h. ohne konkreten Hinweis auf dessen Zuordnung zu der unanfechtbar verbotenen Organisation "Volkssozialistische Bewegung Deutschlands - Partei der Arbeit" (im Folgenden: VSBD/PdA), öffentlich verwendet wird.

I.

1. Das Amtsgericht Straubing hatte den Angeklagten vom Vorwurf des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen (§ 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB) in zwei Fällen freigesprochen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Regensburg verworfen. Zu der Tat, die zur Vorlegung der Sache an den Senat geführt hat, hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

Der Angeklagte, der einen Versandhandel mit Devotionalien der rechten Szene betreibt, hielt sich am Vormittag des zunächst auf einem öffentlichen Platz in Straubing auf, um die Aufmerksamkeit der Passanten auf das von ihm getragene grüne T-Shirt zu lenken, auf dessen Brustseite ein in gelber Farbe gehaltenes, etwa kopfgroßes stilisiertes so genanntes Keltenkreuz - ein gleichschenkliges Balkenkreuz um dessen Schnittpunkt ein Ring gelegt ist - abgebildet war. Nach einiger Zeit begab er sich zu einer Polizeidienststelle und erstattete Selbstanzeige zur Klärung, ob er sich durch das öffentliche Tragen dieses T-Shirts strafbar gemacht hat.

Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts wurde das Keltenkreuz ausschließlich in stilisierter Form von der im Jahr 1971 gegründeten und durch Verfügung des Bundesministers des Inneren vom i. V. m. der Entscheidung des gemäß § 3 Vereinsgesetz unanfechtbar verbotenen verfassungsfeindlichen VSBD/PdA als Emblem verwendet. Das Keltenkreuz hatte für die Vereinigung, die sich insbesondere zu Hitler und zur NSDAP bekannte, die demokratische Staatsform verächtlich machte, die Rassenlehre propagierte und eine entsprechende "Revolution" anstrebte, eine hohe progammatische und symbolische Bedeutung. Es war für die VSBD/PdA ein Zeichen des Kampfes gegen einen vermeintlichen Angriff auf die "nordische Rasseneinheit" und gegen eine vermeintliche politische Fremdbestimmung. Die verbotene Vereinigung hatte das stilisierte Keltenkreuz in starker Anlehnung an die Symbole der NSDAP in unterschiedlicher Weise als Emblem verwendet:

- in einem auf einer Spitze stehenden Rhombus mit aufsitzendem Adler mit und ohne Unterschrift "VSBD",

- als Fahne, die das Keltenkreuz in weißem Kreis auf rotem Grund zeigte,

- in einem roten bzw. schwarzen Quadrat (inverse Darstellung) und

- als selbstständiges Symbol in schwarzer Darstellung ohne schriftliche oder bildliche Zusätze.

Das Landgericht hat eine Strafbarkeit des Angeklagten aus Rechtsgründen verneint. Das auf dem T-Shirt aufgedruckte Emblem sei wegen seiner Farbgebung (gelb auf grünem Grund) mit keinem der von der VSBD/PdA verwendeten Kennzeichen identisch. Es sei diesen auch nicht zum Verwechseln ähnlich im Sinne des § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB, weil ein Bezug zu der verbotenen Organisation nicht hergestellt sei. Ein solcher Hinweis sei jedoch erforderlich, da das Keltenkreuz seit dem 8. Jahrhundert vor allem in Irland und Schottland als christliches Symbol Verwendung finde und überdies auch nach dem Verbot der VSBD/PdA in mehreren europäischen Ländern von - nicht verbotenen - rechten Gruppierungen, unter anderem der Skinhead-Szene in Deutschland, allgemein als ein Zeichen einer nationalistischen und rassistischen internationalen Bewegung benutzt werde. Ob dem Angeklagten, was dieser bestritten hat, die Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes durch die verbotene VSBD/PdA bekannt war, könne daher offen bleiben.

2. Gegen das Berufungsurteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und die Verletzung sachlichen Rechts gerügt.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hält die Revision der Staatsanwaltschaft für begründet, soweit der Angeklagte in dem oben dargestellten Fall freigesprochen worden ist. Es möchte das angefochtene Urteil insoweit aufheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer zur Klärung der subjektiven Tatseite zurückverweisen. In objektiver Hinsicht erachtet das Oberlandesgericht den Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB als erfüllt. Es ist der Ansicht, das Landgericht habe an die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "zum Verwechseln ähnlich" zu hohe Anforderungen gestellt. Das auf dem T-Shirt des Angeklagten abgebildete Keltenkreuz sei vielmehr wegen der wesentlich übereinstimmenden Stilisierungselemente trotz der anderen Farbgebung dem auch isoliert verwendeten Originalkennzeichen der VSBD/PdA zum Verwechseln ähnlich. Eines zusätzlichen Hinweises auf die verbotene Organisation oder eines sonstigen Umstandes, der auf diese Vereinigung hindeute, bedürfe es entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht. Denn bereits durch das öffentliche Zurschaustellen des stilisierten Keltenkreuzes, das von der verbotenen Organisation als rassistisch-politisches Kampfzeichen verstanden worden sei, seien die Schutzzwecke des § 86 a StGB tangiert, insbesondere eine Wiederbelebung der verbotenen Vereinigung sowie der von ihr verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen zu besorgen. Auf den Bekanntheitsgrad der verbotenen Organisation in der Bevölkerung komme es dabei nicht an.

An der beabsichtigten Entscheidung sieht sich das Oberlandesgericht durch die Beschlüsse des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom (5St RR 87/98), des (NStZ-RR 1998, 10) und des Oberlandesgerichts Bamberg vom (2 Ss 43/07) gehindert. Die Entscheidungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts und des Oberlandesgerichts Karlsruhe betreffen die Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes. Beide Gerichte vertreten wegen der Mehrdeutigkeit des Symbols die Rechtsauffassung, das isolierte Verwenden eines Keltenkreuzes ohne konkreten Hinweis auf die verbotene Organisation VSBD/PdA erfülle nicht den objektiven Tatbestand des § 86 a StGB, wobei das Bayerische Oberste Landesgericht im Fall des Tragens des Kennzeichens auf der Oberbekleidung das Tatbestandsmerkmal "zum Verwechseln ähnlich" für nicht gegeben erachtet, während das Oberlandesgericht Karlsruhe beim Tragen eines kleinen unscheinbaren Ringes, auf dem das isolierte Keltenkreuz abgebildet war, "jedenfalls" ein "öffentliches Verwenden" des Kennzeichens der verbotenen Organisation verneint hat. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg befasst sich hingegen mit dem Verwenden einer auch von Unterorganisationen der NSDAP als Emblem benutzten Lebensrune. Das Oberlandesgericht Bamberg hat den äußeren Tatbestand des § 86 a StGB in jenem Fall ebenfalls wegen Fehlens eines Hinweises auf eine nationalsozialistische Organisation abgelehnt.

Das Oberlandesgericht Nürnberg hat die Sache dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung folgender Rechtsfrage vorgelegt:

"Ist der objektive Tatbestand des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen gemäß § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB auch dann erfüllt, wenn das stilisierte Keltenkreuz und/oder diesem zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) der verbotenen 'Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands - Partei der Arbeit (VSBD/PdA)' isoliert, nämlich ohne konkreten tatsächlichen Hinweis auf die verbotene Organisation und/oder ohne Vorliegen von sonstigen auf die verbotene Organisation hindeutenden Umständen öffentlich verwendet werden?"

3. Der Generalbundesanwalt hat beantragt die Vorlegungsfrage zu bejahen und wie folgt zu beschließen:

"Der objektive Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 86 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist erfüllt, wenn das von der verbotenen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands/Partei der Arbeit (VSBD/PdA) als Symbol benutzte stilisierte Keltenkreuz oder diesem zum Verwechseln ähnliche Kennzeichen (§ 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB) öffentlich verwendet werden. Eines zusätzlichen Hinweises auf die verbotene Organisation bedarf es nicht."

II.

Die Vorlegungsvoraussetzungen nach § 121 Abs. 2 GVG sind erfüllt.

1. Ob eine die Vorlegungspflicht begründende Divergenz zwischen der Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts Nürnberg und den angeführten, andere Fallgestaltungen betreffenden Entscheidungen des Oberlandesgerichts Karlsruhe und des Oberlandesgerichts Bamberg besteht, kann dahinstehen. Denn jedenfalls stimmt der dem Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom zugrunde liegende Sachverhalt mit dem hier zu beurteilenden in den maßgeblichen Punkten überein. Die von diesem Gericht zu den objektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 86 a StGB geäußerte Rechtsansicht war auch mit entscheidungserheblich. Das vorlegende Oberlandesgericht Nürnberg kann deshalb über die Revision der Staatsanwaltschaft nicht entscheiden, ohne von den tragenden Erwägungen des Bayerischen Obersten Landesgerichts abzuweichen.

2. Der Vorlagepflicht nach § 121 Abs. 2 GVG steht nicht entgegen, dass dieses Gericht durch das Gesetz zur Auflösung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Staatsanwaltschaft dieses Gerichts vom (BayObLGAuflG; BayGVBl 2004, S. 400 ff.) mit Wirkung zum , aufgelöst worden ist. Sie entfällt auch nicht deshalb, weil das vorlegende Gericht eines der Nachfolgegerichte des Bayerischen Obersten Landesgerichts ist.

a) Der Senat schließt sich der in der Literatur mehrheitlich vertretenen Auffassung an, dass eine Divergenzvorlage grundsätzlich auch dann zu erfolgen hat, wenn ein Oberlandesgericht beabsichtigt, von einer nach dem ergangenen Entscheidung eines aufgelösten, gleich geordneten Gerichts abzuweichen (vgl. Eb. Schmidt, Lehrkommentar zur StPO und zum GVG III § 121 Rdn. 23; derselbe in MDR 1958, 815, 816; Franke in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 121 GVG Rdn. 44; Kissel, GVG 5. Aufl. § 121 Rdn. 10; Hannich in KK 6. Aufl. § 121 GVG Rdn. 17; Frister in SK-StPO 50. Lfg. § 121 GVG Rdn. 18; Katholnigg, GVG 3. Aufl. § 121 Rdn. 14; Meyer-Goßner, StPO 51. Aufl. § 121 Rdn. 6; aA Nüse JR 1956, 437). Der dem § 121 Abs. 2 GVG zugrunde liegende Gedanke, im Bereich des Strafrechts voneinander abweichende höchstrichterliche Rechtsprechung zu vermeiden, um die Rechtsanwendung voraussehbar zu machen und damit Rechtssicherheit und Rechtseinheitlichkeit zu gewährleisten, gilt in diesen Fällen gleichermaßen. Denn durch die Auflösung eines Oberlandesgerichts verlieren dessen Judikate weder ihre Geltung noch ihre Bedeutung für die Rechtsanwendung, so dass sich ohne Klärung im Vorlageverfahren - zumindest temporär - widersprechende höchstrichterliche Entscheidungen gegenüberstünden und sich den unteren Gerichten zur Auslegung des Rechts anböten.

b) Das Vorlageverfahren ist auch nicht deshalb entbehrlich, weil das vorlegende Oberlandesgericht Nürnberg ein Nachfolgegericht des aufgelösten Gerichts ist, von dem es abzuweichen beabsichtigt. Die früher beim Bayerischen Obersten Landesgericht konzentrierten Aufgaben in strafrechtlichen Revisionsverfahren wurden allen drei Bayerischen Oberlandesgerichten im Rahmen der jeweiligen örtlichen Zuständigkeit übertragen (§ 2 Nr. 3 BayObLGAuflG; BayLTDrucks. 15/1061 S. 12). Diese Gerichte sind deshalb gleichberechtigt in die Kontinuität der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts eingetreten. Mithin kommt die beabsichtigte Abweichung des Oberlandesgerichts Nürnberg einer Abweichung von der Rechtsprechung der beiden anderen Nachfolgegerichte des Bayerischen Obersten Landesgerichts gleich und bedarf auch aus diesem Grund zur Klärung der Divergenz des Vorlageverfahrens nach § 121 Abs. 2 GVG (vgl. Hanack, Der Ausgleich divergierender Entscheidungen in der oberen Gerichtsbarkeit, 1962, S. 299 ff., 308, s. auch BayLTDrucks. 15/1061 S. 12). Ob es sich anders verhielte, wenn ein Oberlandesgericht von einer Entscheidung eines anderen Oberlandesgerichts abzuweichen gedenkt, dessen Nachfolge es allein übernommen hat, bedarf hier keiner Entscheidung (bejahend Franke aaO; Katholnigg aaO).

III.

Die Vorlagefrage ist zu bejahen. Jedoch bedarf die hierdurch eröffnete grundsätzliche Anwendbarkeit des § 86 a StGB wegen der mit dem Symbol des Keltenkreuzes verbundenen Besonderheiten einer anderweitigen tatbestandlichen Einschränkung.

1. Das Bayerische Oberste Landesgericht vertritt in Übereinstimmung mit der Literatur die Auffassung, das öffentliche Verwenden eines (isolierten) stilisierten Keltenkreuzes erfülle wegen seiner Mehrdeutigkeit und mit Blick auf den geringen Bekanntheitsgrad der VSBD/PdA nur dann die Voraussetzungen des objektiven Tatbestandes des § 86 a StGB, wenn aufgrund eines konkreten Hinweises ein Bezug zu der verbotenen Organisation hergestellt werde. Fehle ein solcher Hinweis, unterfalle das Symbol bereits nicht dem Kennzeichenbegriff des § 86 a Abs. 1 und 2 StGB (vgl. Laufhütte/Kuschel in LK 12. Aufl. § 86 a Rdn. 7; Steinmetz in MünchKomm-StGB § 86 a Rdn. 10; Paeffgen in NK-StGB 2. Aufl. § 86 a Rdn. 11; Fischer, StGB 55. Aufl. § 86 a Rdn. 6; wohl auch Stree/Sternberg-Lieben in Schönke/Schröder, StGB 27. Aufl. § 86 a Rdn. 4, allerdings bei den Erläuterungen zu § 86 a Abs. 2 Satz 2 StGB).

Für eine derart generalisierende, über den Einzelfall hinausgehende Einschränkung des äußeren Tatbestandes des § 86 a StGB bietet jedoch weder der Wortlaut der Vorschrift Anhaltspunkte noch entspräche sie dem Schutzzweck der Norm. Sie stünde überdies nicht mit den von der Rechtsprechung bisher entwickelten Grundsätzen zur Restriktion dieses Tatbestands in Einklang (vgl. BGHSt 25, 30, 34; 51, 244; BVerfG NJW 2006, 3052 f.).

Der Kennzeichenbegriff ist für sich genommen einer einschränkenden Auslegung nicht zugänglich. Kennzeichen, wie sie beispielhaft in § 86 a Abs. 2 StGB aufgezählt sind, sind sicht- oder hörbare Symbole, deren sich die in § 86 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB aufgeführten Organisationen bedienen oder bedient haben, um propagandistisch auf ihre politischen Ziele und die Zusammengehörigkeit ihrer Anhängerschaft hinzuweisen (Rudolphi in SK-StGB 53. Lfg. § 86 a Rdn. 2). Zur Begründung der Kennzeicheneigenschaft ist deshalb allein erforderlich, dass sich die Vereinigung ein bestimmtes Symbol durch einen Autorisierungsakt - sei es durch formale Widmung, sei es durch schlichte Übung - zu eigen gemacht hat, so dass dieses Symbol zumindest auch als Zeichen der verbotenen Organisation erscheint (vgl. BGH NJW 1999, 435, 436).

Ist dies der Fall, so ist darüber hinaus eine Unverwechselbarkeit des Symbols nicht erforderlich. Dass das Kennzeichen auch unverfängliche Verwendung in anderem Zusammenhang findet und von der Organisation lediglich übernommen wurde, ist für den Kennzeichenbegriff nicht von Bedeutung. Von solchen außerhalb des Symbols liegenden tatsächlichen Umständen kann die Feststellung, ob es sich bei ihm um das Kennzeichen einer verbotenen Organisation handelt, ohne nachteilige Folgen für die Rechtssicherheit und Bestimmtheit des Tatbestands nicht abhängig gemacht werden (vgl. BGH NJW 1999, 435, 436). Ob ausnahmsweise etwas anderes gilt, wenn sich die verbotene Vereinigung ein rein staatliches Hoheitssymbol oder ein Symbol einer Weltreligion in unveränderter Form als Kennzeichen zu eigen macht, braucht der Senat nicht zu entscheiden (bejahend: Steinmetz aaO Rdn. 11; Fischer aaO Rdn. 4; vgl. VGH Mannheim NVwZ 2006, 935; Stegbauer NStZ 2008, 73, 76 f.; offen gelassen in BGHSt 28, 394, 395). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

Da das stilisierte Keltenkreuz als Symbol jedenfalls auch für die verbotene VSBD/PdA steht, unterfällt es somit ohne jede Einschränkung dem Kennzeichenbegriff des § 86 a StGB. Dem steht nicht entgegen, dass das Keltenkreuz - wenn auch weitgehend gerade nicht in stilisierter Weise, sondern in vielfältigen künstlerischen Gestaltungsformen - auch unabhängig von einem Bezug zu dieser Organisation namentlich zu kultisch-religiösen Zwecken, in kulturhistorischen Zusammenhängen oder auch als reiner Schmuck dargestellt sowie gebraucht wurde und wird. Aus der Senatsentscheidung BGH NStZ 1996, 81 ergibt sich nichts anderes. Denn im dortigen Fall war das Keltenkreuz in der Form eines realistischen Grab- oder Gedenksteins und gerade nicht in der stilisierten Weise dargestellt, wie sie die VSBD/PdA verwendet hatte; ob das derart stilisierte Keltenkreuz die Voraussetzungen des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt, hat der Senat in diesem Urteil ausdrücklich offen gelassen.

2. Dem Umstand, dass - von Fällen der Sozialadäquanz abgesehen (§ 86 a Abs. 3 i.V.m. § 86 Abs. 3 StGB) - bei wortgetreuer Auslegung des § 86 a StGB damit jedweder Gebrauch eines solchen Kennzeichens - mithin aufgrund seiner Mehrdeutigkeit auch jede unverfängliche Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes - dem objektiven Tatbestand unterfiele, muss mit Blick auf die Grundrechte namentlich der Meinungs- und Bekenntnisfreiheit durch eine anderweitig restriktive Auslegung der Vorschrift Rechnung getragen werden.

a) Das kann aber nicht in der Weise geschehen, dass eine tatbestandsmäßige Verwendung des Kennzeichens nur dann bejaht wird, wenn dieses durch einen mit ihm verbundenen Hinweis oder durch die Umstände seines Gebrauchs in einen konkreten Bezug zu der verbotenen Organisation gestellt wird. Eine derartige Tatbestandseinschränkung wäre mit dem weit gespannten Schutzzweck des § 86 a StGB nicht vereinbar.

aa) Die Vorschrift richtet sich zunächst gegen eine Wiederbelebung verfassungswidriger Organisationen und der von ihnen verfolgten verfassungsfeindlichen Bestrebungen, auf die das Kennzeichen symbolhaft hinweist. Es soll bereits jeder Anschein vermieden werden, in der Bundesrepublik Deutschland gebe es eine rechtsstaatswidrige politische Entwicklung in dem Sinne, dass verfassungsfeindliche Bestrebungen in der durch das Kennzeichen symbolisierten Richtung geduldet würden (vgl. BGHSt 25, 30, 33; 31, 383, 387; 51, 244, 246). Die öffentliche Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation begründet deshalb grundsätzlich die Gefahr einer solchen Wiederbelebung, weil in ihr ein werbendes Bekenntnis zu der Organisation und deren verfassungsfeindlichen Zielen zu sehen ist.

Dagegen lässt sich nicht mit Erfolg einwenden, dass das Keltenkreuz wegen seiner vielfältigen Verwendung als kulturhistorisches und religiöses Symbol in der Öffentlichkeit nicht als Erkennungszeichen der weithin unbekannten VSBD/PdA wahrgenommen werde, mithin die Gefahr einer propagandistischen Wirkung für die verbotene Organisation allenfalls gering sei (vgl. Stegbauer JR 2002, 182, 185). Eine solche Sichtweise lässt schon außer Betracht, dass das Keltenkreuz als kulturhistorisches oder religiöses Symbol regelmäßig in unterschiedlichen künstlerischen Gestaltungs- und Darstellungsformen verwendet, dagegen kaum in der stilisierten Weise gebraucht wird, die die VSBD/PdA benutzt hat. Im Übrigen ist der Senat einer an den Bekanntheitsgrad der Organisation bzw. der ihr zuzuordnenden Kennzeichen anknüpfenden Argumentation bereits in seinem Beschluss vom nicht gefolgt (BGHSt 47, 354), nicht zuletzt mit Blick darauf, dass es sich bei § 86 a StGB um ein abstraktes Gefährdungsdelikt handelt und eine wie auch immer geartete konkrete Gefährdung des politischen Friedens zur Verwirklichung des Tatbestandes nicht erforderlich ist (BGHSt aaO S. 359).

bb) Die vom Bayerischen Obersten Landesgericht und in der Literatur vertretene Auffassung würde jedoch vor allem nicht dem Zweck des § 86 a StGB gerecht, die von der Verwendung des Kennzeichens einer verfassungswidrigen Organisation ausgehende gruppeninterne Wirkung zu unterbinden. Neben der werbenden Wirkung nach außen erfüllen Kennzeichen eine wichtige gruppeninterne Funktion als sichtbares Symbol geteilter Überzeugungen. Ihre Verwendung erlaubt es Gleichgesinnten, einander zu erkennen und sich als eine von den "anderen" abgrenzbare Gruppe zu definieren (BGHSt 47, 354, 359; Hörnle NStZ 2002, 113, 114). Der Gefahr einer gruppeninternen Verwendung des Kennzeichens und einer damit einhergehenden Verfestigung der Bindungen von Gleichgesinnten kann durch eine Auslegung des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB, die die Verwendung des von der VSBD/PdA gebrauchten stilisierten Keltenkreuzes nur dann unter den Tatbestand subsumiert, wenn ein auch für außenstehende Dritte erkennbarer Bezug des Symbols zu dieser Organisation hergestellt wird, nicht wirksam entgegengetreten werden. Vielmehr liegt es nahe, dass sich gerade Anhänger der verbotenen Organisation die nach Auffassung des Bayerischen Obersten Landesgerichts und der Literatur bestehende Möglichkeit, das Kennzeichen auch straflos gebrauchen zu können, für ihre Zwecke zu Nutze machen würden und sich auf diese Weise das verbotene Kennzeichen im politischen Leben der Bundesrepublik Deutschland wieder als Symbol der VSBD/PdA Organisation etablieren könnte.

b) Für eine einschränkende Auslegung des Tatbestands des § 86 a StGB ist deshalb ein anderer Lösungsansatz zu wählen.

Nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert die weite Fassung des § 86 a StGB eine Restriktion des Tatbestands in der Weise, dass solche Handlungen, die dem Schutzzweck der Norm eindeutig nicht zuwiderlaufen oder sogar in seinem Sinne wirken, nicht dem objektiven Tatbestand unterfallen (vgl. BGHSt 25, 30, 32 ff.; 25, 133, 136 f.; 51, 244, 246 ff.). Dies ist bislang für Fälle anerkannt, in denen das Kennzeichen in einer Weise dargestellt wird, die offenkundig gerade zum Zweck der Kritik an der verbotenen Vereinigung oder der ihr zugrunde liegenden Ideologie eingesetzt wird (vgl. BGHSt 25, 30, 34; 51, 244) oder erkennbar verzerrt, etwa parodistisch verwendet wird (vgl. BGHSt 25, 133, 136 f.). Mit dieser Rechtsprechung wird einerseits dem Anliegen, verbotene Kennzeichen grundsätzlich aus dem Bild des politischen Lebens zu verbannen, andererseits den hohen Anforderungen, die das Grundrecht der freien Meinungsäußerung an die Beurteilung solcher kritischen Sachverhalte stellt, Rechnung getragen (vgl. BVerfG NJW 2006, 3052). Sie ist für den hier in Rede stehenden Fall fortzuentwickeln.

Allerdings kann hier für die Prüfung, ob die Verwendung des stilisierten Keltenkreuzes dem Schutzzweck des § 86 a StGB eindeutig nicht zuwiderläuft, nicht auf die Darstellung des Symbols selbst zurückgegriffen werden; denn dieses lässt bei isoliertem Gebrauch gerade nicht erkennen, ob es als Kennzeichen der verbotenen Organisation oder - trotz der Stilisierung - zu völlig anderen, etwa religiösen oder rein dekorativen Zwecken verwendet wird. Ebensowenig lässt sich der Darstellung eine offenkundige Gegnerschaft zu der VSBD/PdA entnehmen. Anzuknüpfen ist vielmehr an die Fälle, in denen ein (offensichtlich) "verbotenes" Kennzeichen in einem mehrdeutigen Zusammenhang gebraucht wird. Hierzu hat der Senat bereits entschieden, dass für die Beantwortung der Frage, ob die konkrete Kennzeichenverwendung dem Schutzzweck des § 86 a StGB erkennbar nicht zuwiderläuft, die gesamten Umstände der Tat zu berücksichtigen sind (BGHSt 25, 30, 34: "Hitler-Gruß" bei Polizeikontrolle). Nichts anderes kann gelten, wenn die potentielle Mehrdeutigkeit des Geschehens schon aus dem Kennzeichen selbst entspringt. Daher kann den Anforderungen, die die Grundrechte der Meinungs- und Bekenntnisfreiheit, aber auch der allgemeinen Handlungsfreiheit an eine verfassungskonforme Auslegung des Tatbestands stellen, hier nur in der Weise Rechnung getragen werden, dass der mit dem Gebrauch des Kennzeichens verbundene Aussagegehalt anhand aller maßgeblichen Umstände des Falles ermittelt wird. Ergibt dies, dass der Schutzzweck der Norm in seinen oben dargestellten Ausprägungen eindeutig nicht berührt wird, so fehlt es an einem tatbestandlichen Verwenden des Kennzeichens, da dieses nicht als solches der VSBD/PdA zur Schau gestellt wird. Sind die äußeren Umstände dagegen nicht eindeutig, so ist der objektive Tatbestand der Norm erfüllt; es bedarf dann aber besonders sorgfältiger Prüfung, ob sich der Täter bewusst war, das Kennzeichen einer verbotenen Organisation zu verwenden und daher auch die subjektive Tatseite gegeben ist.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2009 S. 928 Nr. 13
ZAAAC-97610

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