BFH Urteil v. - V R 41/06 BStBl 2009 II S. 2

Verzinsung der Vergütung abziehbarer Vorsteuerbeträge an in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmer

Leitsatz

Der Steuervergütungsanspruch nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 i.V.m. §§ 59 ff. UStDV 1993 beruht auf einer „Festsetzung der Umsatzsteuer” i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO und ist deshalb nach näherer Maßgabe des § 233a AO zu verzinsen.

Gesetze: UStG 1993 § 15UStG 1993 § 16UStG 1993 § 18 Abs. 1 bis 4UStG 1993 § 18 Abs. 9UStDV 1993 §§ 59 ff.AO § 37 Abs. 1AO § 150 Abs. 1AO § 155 Abs. 1AO § 155 Abs. 6 a.F.AO § 167 Abs. 1AO § 168AO § 233aEGV Art. 52, 58, 59EG Art. 43, 48, 49

Instanzenzug: (EFG 2006, 1870) (Verfahrensverlauf)

Gründe

I.

Streitig ist, ob die Vergütung von Vorsteuerbeträgen an ein in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaft ansässiges Unternehmen gemäß § 233a der Abgabenordnung (AO) zu verzinsen ist.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein in Österreich ansässiges Unternehmen und Gesamtrechtsnachfolgerin der…Ges.m.b.H. (C), welche ebenfalls in Österreich ansässig war.

Die C beantragte beim Bundesamt für Finanzen (BfF) im April 1999 die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in Höhe von 256 000 DM für den Vergütungszeitraum Januar bis März 1999.

Der gegen den Ablehnungsbescheid vom eingelegte Einspruch der C hatte Erfolg. Mit Änderungsbescheid vom wurde die Vergütung der Vorsteuerbeträge antragsgemäß festgesetzt.

Im Oktober 2003 legte die C gegen diesen Bescheid mit der Begründung Einspruch ein, dass eine Festsetzung von Erstattungszinsen unterblieben sei; hilfsweise beantragte sie den Erlass eines Zinsbescheides.

Das BfF verwarf den Einspruch als unzulässig und lehnte den Antrag auf Festsetzung von Zinsen durch Bescheid vom ab.

Der gegen den Ablehnungsbescheid durch die Klägerin eingelegte Einspruch hatte —ebenso wie die Klage, in deren Verfahren mit Wirkung vom an die Stelle des bisherigen BfF der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Bundeszentralamt für Steuern —BZSt—) getreten ist (Art. 1 und Art. 6 des Gesetzes zur Neuorganisation der Bundesfinanzverwaltung und zur Schaffung eines Refinanzierungsregisters vom , BGBl I 2005, 2809)— keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seines in „Entscheidungen der Finanzgerichte” (EFG) 2006, 1870 veröffentlichten Urteils im Wesentlichen aus, § 233a Abs. 1 Satz 1 AO sei auf das Vergütungsverfahren nicht anwendbar, da die Festsetzung einer Vorsteuervergütung keine Umsatzsteuerfestsetzung sei. Das Vergütungsverfahren solle eine zügige Vorsteuervergütung ermöglichen. Es bedürfe daher keiner Regelung über eine Verzinsung. Diese Auslegung verstoße auch nicht gegen die Grundfreiheiten des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV; nunmehr des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen Gemeinschaften sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte —EG—, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften —ABlEG— Nr. C-340/1).

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 233a AO). Im Wesentlichen trägt sie vor, der Antrag auf Vorsteuervergütung sei eine Steueranmeldung, die zu einer Steuerfestsetzung führe, so dass § 233a Abs. 1 Satz 1 AO bereits seinem Wortlaut nach anwendbar sei. Eine unterschiedliche Behandlung von im Ausland ansässigen Unternehmen gegenüber im Inland ansässigen Unternehmen verstoße im Übrigen gegen Art. 49 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft i.d.F. des Vertrages von Nizza (EG) vom (konsolidierte Fassung, ABlEG Nr. C-325/1).

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG sowie den Bescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das BZSt zu verpflichten, Erstattungszinsen in Höhe von 18 973,25 € festzusetzen.

Das BZSt beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen und führt zur Begründung aus:

Selbst wenn es sich bei dem Verfahren zur Festsetzung der Vorsteuervergütung um ein Besteuerungsverfahren handeln sollte, sei nicht zwingend jede „in einem Besteuerungsverfahren ermittelte Größe” eine Steuerfestsetzung i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO. Auch stütze die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) in den Urteilen vom III R 66/03 (BFHE 212, 386, BStBl II 2006, 741), vom III R 64/04 (BFHE 212, 416, BStBl II 2007, 240) und vom I R 122/04 (BFHE 212, 426, BStBl II 2006, 737) die Auffassung, dass Vorsteuervergütungsansprüche im Verfahren nach § 18 Abs. 9 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) i.V.m. §§ 59 ff. der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV 1993) nicht nach § 233a AO zu verzinsen seien.

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Verpflichtung des BZSt, die Zinsen antragsgemäß festzusetzen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, § 121 Satz 1 i.V.m. § 101 Satz 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Entgegen der Auffassung des FG hat die Klägerin nach § 233a AO Anspruch auf die Verzinsung ihres Steuervergütungsanspruchs nach § 18 Abs. 9 UStG 1993.

1. § 233a Abs. 1 Satz 1 AO bestimmt: Führt die Festsetzung u.a. der Umsatzsteuer zu einem Unterschiedsbetrag i.S. des § 233a Abs. 3 Satz 1 AO, ist dieser zu verzinsen. Für die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen ist nach § 233a Abs. 1 Satz 2 AO eine Verzinsung ausgeschlossen. Der Steuervergütungsanspruch nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 beruht auf einer „Festsetzung der Umsatzsteuer” i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO und ist deshalb nach näherer Maßgabe des § 233a AO zu verzinsen.

a) Gemäß § 155 Abs. 1 AO werden Steuern, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, von der Finanzbehörde durch Steuerbescheid festgesetzt. Nach § 16 i.V.m. § 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1993 hat der Steuerpflichtige in der Umsatzsteuererklärung die Steuer selbst zu berechnen, sog. Steueranmeldung (§ 150 Abs. 1 AO). Eine Steueranmeldung steht einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 Satz 1 AO). Führt die Steueranmeldung zu einer Steuervergütung (§ 37 Abs. 1 AO), so gilt Satz 1 erst, wenn die Finanzbehörde zustimmt (§ 168 Satz 2 AO). In beiden Fällen ist eine Festsetzung durch einen von der Finanzbehörde gefertigten Steuerbescheid i.S. des § 155 AO nicht erforderlich, wenn sie nicht zu einer abweichenden Steuer führt (§ 167 Abs. 1 AO).

Führt die Berechnung der Steuer in der Umsatzsteuererklärung für das Kalenderjahr (vgl. § 18 Abs. 3 und 4 UStG 1993) zu einem Überschuss zugunsten des Steuerpflichtigen, beruht dieser Erstattungsanspruch auf einer Umsatzsteuerfestsetzung i.S. des § 233a AO. Dieser ist —anders als der auf einer Umsatzsteuervoranmeldung (§ 18 Abs. 1 und 2 UStG 1993) beruhende Anspruch (§ 233a Abs. 1 Satz 2 AO)— nach näherer Maßgabe des § 233a AO zu verzinsen (, BFHE 179, 248, BStBl II 1996, 660; vom V R 62/94, BFHE 181, 188, BStBl II 1996, 662). Ohne Bedeutung ist insoweit, ob der vom Unternehmer berechnete Erstattungsanspruch darauf beruht, dass die Summe der Vorsteuerbeträge (§ 16 Abs. 2 UStG) höher ist als die Summe der für Umsätze im Besteuerungszeitraum entstandenen Steuer (§ 16 Abs. 1 UStG), oder darauf, dass der Unternehmer im Besteuerungszeitraum zwar Vorsteuerbeträge geltend machen kann, für Umsätze im betreffenden Besteuerungszeitraum aber keine Steuer entstanden ist.

b) Der Vergütungsanspruch des Unternehmers nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 i.V.m. §§ 59 ff. UStDV 1993 beruht auf einer Umsatzsteuerfestsetzung und ist deshalb gemäß § 233a AO zu verzinsen.

aa) Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG 1993 kann zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens das Bundesministerium der Finanzen (BMF) mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung die Vergütung der Vorsteuerbeträge (§ 15 UStG 1993) an im Ausland ansässige Unternehmer, abweichend von § 16 UStG 1993 und von § 18 Abs. 1 bis 4 UStG 1993, in einem besonderen Verfahren regeln. Hiervon hat das BMF in §§ 59 ff. UStDV 1993 Gebrauch gemacht. Der Vergütungsantrag ist gemäß § 18 Abs. 9 Satz 3 UStG 1993 binnen sechs Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres zu stellen, in dem der Vergütungsanspruch entstanden ist. Der Unternehmer hat nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 i.V.m. §§ 59 ff. UStDV 1993 in dem auf amtlich vorgeschriebenen Vordruck zu stellenden Vergütungsantrag die Vergütung selbst zu berechnen und die Vorsteuerbeträge durch Vorlage von Rechnungen und Einfuhrbelegen im Original nachzuweisen (§ 18 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993).

bb) Für die Festsetzung einer Steuervergütung gelten die für Steuerfestsetzungen geltenden Vorschriften entsprechend (§ 155 Abs. 6 AO a.F., nunmehr § 155 Abs. 4 AO). Der Vergütungsantrag ist eine Steueranmeldung i.S. des § 150 Abs. 1 Satz 2 AO, die nach Zustimmung durch die Finanzbehörde (§ 168 Sätze 1 und 2 AO) einer Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht (Birkenfeld, Umsatzsteuer-Handbuch, § 214 Rz 116; Schmid in Offerhaus/Söhn/Lange, § 18 UStG Rz 339; Walkenhorst in Peter/Burhoff/Stöcker, Umsatzsteuer, Kommentar, § 18 Rz 368; Kronthaler in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz 125; ebenso ausdrücklich noch Absch. 243 Abs. 3 Satz 2 der Umsatzsteuer-Richtlinien 1996UStR 1996— sowie Abschn. 243 Abs. 4 UStR 2002).

Steueranmeldung ist nach der gesetzlichen Definition (§ 150 Abs. 1 Satz 2 AO in der im Streitjahr geltenden Fassung —a.F.—) eine Steuererklärung, in der der Steuerpflichtige die Steuer selbst zu berechnen hat, soweit dies —wie in § 18 Abs. 9 Satz 4 UStG 1993— gesetzlich vorgeschrieben ist. Steuererklärung ist eine formalisierte, innerhalb einer bestimmten Frist abzugebende Auskunft des Steuerpflichtigen oder seines Vertreters, die dem Finanzamt (FA) die Festsetzung der Steuer oder die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen ermöglichen soll und in der Regel zum Erlass eines Steuerbescheides führt (z.B. , BFH/NV 1987, 704; vom X R 84/95, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203; BTDrucks VI/1982, zu § 94 AO 1974, S. 128; Pahlke/ Koenig/Cöster, Abgabenordnung § 149 Rz 7). Der formalisierte, fristgebundene Antrag des Unternehmers nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 ist danach eine Steuererklärung (, BFHE 190, 239, BStBl II 2000, 214, unter 3.). Entgegen der zum Teil vertretenen Auffassung (Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 18 Rz 690 im Anschluss an , EFG 1998, 1367; Bülow in Vogel/Schwarz, UStG, § 18 Rz 267) ist insoweit ohne Bedeutung, dass der Unternehmer zur Abgabe des Antrags in dem zur Vereinfachung geregelten Besteuerungsverfahren nach § 18 Abs. 9 UStG 1993, der nur zu einer Erstattung zu seinen Gunsten führen kann, nicht verpflichtet ist.

cc) Dass die Zustimmung zur Steueranmeldung und damit zum Antrag auf Steuerfestsetzung (§ 155 Abs. 1 Satz 3 AO i.V.m. § 155 Abs. 6 AO) —wie im Streitfall— erst aufgrund des Einspruchs gegen den Ablehnungsbescheid erteilt worden ist, ist insoweit ohne Bedeutung.

dd) Die Möglichkeit der Festsetzung einer Steuererstattung („negative Umsatzsteuer”) ist eine Besonderheit des Umsatzsteuerrechts, die jedoch nichts daran ändert, dass Umsatzsteuer festgesetzt wird (vgl. Birkenfeld, a.a.O., § 214 Rz 117; a.A. Krabbe, Vollverzinsung im Steuerrecht, 2. Aufl., S. 24; Kögel in Beermann/Gosch, § 233a AO Rz 5.19; Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 233a AO Rz 21; Klein/Rüsken, Abgabenordnung, 9. Aufl., § 233a Rz 6; Pahlke/Koenig, a.a.O., § 233a Rz 13; Schwarz in Schwarz, AO, § 233a Rz 9; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 233a AO Rz 10). Dass § 18 Abs. 9 UStG 1993 ein vereinfachtes Besteuerungsverfahren eröffnet für die Vergütung von Vorsteuerbeträgen in den Fällen, in denen ein nicht im Inland ansässiger Unternehmer zwar die Vergütung von Vorsteuerbeträgen (§ 15 UStG 1993) beanspruchen kann, aber keine oder nur die in § 59 UStDV 1993 bezeichneten Umsätze ausgeführt hat, ändert nichts daran, dass es sich um eine Umsatzsteuerfestsetzung i.S. des § 233a AO handelt. Der Vorsteuervergütungsanspruch nach § 18 Abs. 9 UStG 1993 ist deshalb nach § 233a AO zu verzinsen.

c) Den vorstehenden Grundsätzen stehen —entgegen der Auffassung des BZSt— weder die genannten Entscheidungen des I. noch des III. Senats des BFH entgegen. Denn diese Entscheidungen betreffen Sachverhalte, die mit der vorliegenden Fallgestaltung nicht vergleichbar sind.

aa) Im Urteil in BFHE 212, 426, BStBl II 2006, 737 hat der I. Senat entschieden, dass ein Erstattungsbetrag gemäß § 11 Abs. 2 des Außensteuergesetzes a.F. nicht zu verzinsen sei, weil es sich dabei um ein vom steuerlichen Festsetzungsverfahren unabhängiges Erstattungsverfahren gemäß § 37 Abs. 2 AO und nicht um eine (eigenständige) Steuerfestsetzung (bzw. deren Änderung) handele und es deshalb an einer Steuerfestsetzung i.S. des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO fehle. Denn die ursprüngliche Steuerfestsetzung bleibe unberührt und bilde als solche nach wie vor den Rechtsgrund für die Zahlung. Festgesetzt werde insofern —lediglich— der betreffende Erstattungsbetrag nach Maßgabe der Besteuerungsverhältnisse im Erstattungszeitpunkt, nicht aber der Verhältnisse für den betreffenden Veranlagungszeitraum.

Der Beschluss des I. Senats vom I R 15/05 (BFHE 219, 1, BStBl II 2008, 332) betrifft die Erstattung des Steuerabzugsbetrages nach § 49 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes 1996 i.V.m. § 50 Abs. 5 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997). Hierzu führt der I. Senat aus, der festgesetzte Steuererstattungsbetrag (§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG 1997) sei deswegen nicht zu verzinsen, weil der Gesetzgeber eine Verzinsung von Vorauszahlungen und Steuerabzugsbeträgen in § 233a Abs. 1 Satz 2 AO ausdrücklich ausgeschlossen habe.

Beide Entscheidungen des I. Senats betreffen danach —anders als die gemäß § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG 1993 im Vergütungsverfahren festgesetzte Umsatzsteuervergütung— keine —lediglich im vereinfachten Besteuerungsverfahren erfolgte— Steuerfestsetzung i.S. des § 233a AO.

bb) Gleiches gilt für die genannten Urteile des III. Senats, wonach Investitionszulage (BFHE 212, 386, BStBl II 2006, 741) bzw. Kindergeldnachzahlungen (BFHE 212, 416, BStBl II 2007, 240) nach § 31 Satz 3 EStG nicht zu verzinsen sind, weil es sich dabei nicht um eine Steuerfestsetzung handelt und deshalb der Verzinsungsanspruch weder aus einer direkten noch aus einer analogen Anwendung des § 233a Abs. 1 Satz 1 AO abgeleitet werden kann.

d) Eine andere Entscheidung ließe sich im Übrigen, soweit Vergütungsansprüche von Unternehmern betroffen sind, die in einem anderen Mitgliedstaat ansässig sind —wie im Streitfall die Klägerin—, nicht mit Gemeinschaftsrecht (Art. 52 und Art. 58 sowie Art. 59 EGV —nunmehr Art. 43 und Art. 48 sowie Art. 49 EG—) vereinbaren, da der Verzinsungsausschluss nur nicht im Inland ansässige Unternehmer beträfe.

aa) § 18 Abs. 9 UStG 1993 regelt das Verfahren zur Erstattung der Mehrwertsteuer an nicht im Inland ansässige Steuerpflichtige. Die Vorschrift beruht hinsichtlich der Vorsteuererstattung an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige —wie hier die Klägerin— auf der Achten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 79/1072/EWG (ABlEG Nr. L 331/11) und hinsichtlich der Erstattung an nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige auf der Dreizehnten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 86/560/EWG (ABlEG Nr. L 326/40).

bb) Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH)

hat bereits mit Urteil vom Rs. C-330/91, Commerzbank AG (Slg. 1993, I-4017, Neue Juristische Wochenschrift 1994, 35 Randnrn. 18 und 20) entschieden, dass eine nationale Regelung, die einer nicht im Inland aber in einem Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft eine gesetzliche Entschädigung in Form von Zinsen (ein sogenannter „Zuschlag zur Rückzahlung”) verweigere, auf den ansässige Gesellschaften stets einen Anspruch hätten, eine nach Art. 52 und 58 EGV (nunmehr Art. 43 und 48 EG) verbotene diskriminierende Ungleichbehandlung enthalte. Auch der Umstand, dass die Steuerbefreiung, die zu der Rückzahlung geführt habe, den nichtansässigen Gesellschaften vorbehalten sei, rechtfertige eine allgemeine Ausschlussvorschrift nicht.

Darüber hinaus hat der EuGH zu einer nationalen Regelung, wonach für die Verzinsung von Ansprüchen auf Erstattung von Mehrwertsteuer unterschiedliche Voraussetzungen galten je nachdem, ob der Steuerpflichtige im Inland oder in einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist, im Urteil vom Rs. C-390/96, Lease Plan (Slg. 1998, I-2553, Umsatzsteuer-Rundschau 1998, 343 Randnr. 41) ausdrücklich entschieden, dass Art. 59 EGV (nunmehr Art. 49 EG) „einer nationalen Regelung entgegensteht, wonach nicht in einem Mitgliedstaat ansässigen Steuerpflichtigen, die gemäß der Achten Richtlinie eine Mehrwertsteuererstattung beantragen, Zinsen erst vom Zeitpunkt der Inverzugsetzung dieses Mitgliedstaats an und zu einem niedrigeren Satz als dem gewährt werden, der für Zinsen gilt, die in diesem Staat ansässige Steuerpflichtige nach Ablauf der gesetzlichen Erstattungsfrist ohne weiteres erhalten”. Danach ließe sich eine Regelung, die eine unterschiedliche Verzinsung von Umsatzsteuererstattungsansprüchen zur Folge hätte je nachdem, ob der Unternehmer im Inland oder in einem Mitgliedstaat ansässig ist, nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbaren.

2. Nach diesen Grundsätzen verletzt die angefochtene Entscheidung § 233a Abs. 1 Satz 1 AO, denn das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der Klägerin kein Anspruch auf Verzinsung der erstatteten Vorsteuerbeträge gemäß § 233a Abs. 1 Satz 1 AO zusteht. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Die Klägerin hat Anspruch auf die Verzinsung ihres Vergütungsanspruchs. Hinsichtlich der Höhe der beantragten Zinsen besteht zwischen den Beteiligten kein Streit. Das BZSt war danach zu verpflichten, Zinsen in Höhe von 18 973,25 € festzusetzen (§ 101 Satz 1 FGO).

Fundstelle(n):
BStBl 2009 II Seite 2
AO-StB 2008 S. 328 Nr. 12
BBK-Kurznachricht Nr. 23/2008 S. 1225
BFH/NV 2008 S. 2078 Nr. 12
BFH/PR 2009 S. 23 Nr. 1
BStBl II 2009 S. 2 Nr. 1
DB 2008 S. 2576 Nr. 47
DStRE 2008 S. 1487 Nr. 23
HFR 2009 S. 61 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 16289 Nr. 12
NWB-Eilnachricht Nr. 45/2008 S. 4183
SJ 2008 S. 11 Nr. 25
StB 2008 S. 434 Nr. 12
StBW 2008 S. 5 Nr. 23
StuB-Bilanzreport Nr. 22/2008 S. 892
StuB-Bilanzreport Nr. 23/2008 S. 897
UR 2008 S. 858 Nr. 22
UStB 2008 S. 331 Nr. 12
UVR 2008 S. 358 Nr. 12
HAAAC-94781