BFH Beschluss v. - XI B 192/07

Übertragung eines Unternehmens im Ganzen auch wenn einzelne Betriebsgrundlagen auf den Fortführer nicht übertragen werden

Gesetze: UStG § 1 Abs. 1a, Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8, Richtlinie 77/388/EWG Art. 6 Abs. 5

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde ist nicht begründet.

Gemäß § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) erfordert oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision müssen innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des Urteils dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 FGO).

Wird die Beschwerde —wie im Streitfall— mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache begründet, so muss in der Beschwerdebegründung eine bestimmte —abstrakte— klärungsbedürftige und in dem angestrebten Revisionsverfahren auch klärbare Rechtsfrage herausgestellt und —unter Berücksichtigung von Rechtsprechung und Literatur— deren Bedeutung für die Allgemeinheit substantiiert dargetan werden; kein Klärungsbedarf besteht im Allgemeinen mehr, wenn eine Rechtsfrage bereits vom BFH geklärt worden ist (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 116 Rz 26, 32, m.w.N.; , BFH/NV 2002, 217, m.w.N.).

1. Der von der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) als grundsätzlich bedeutsam bezeichneten Rechtsfrage, „ob bei mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften über sämtliche wesentliche Betriebsgrundlagen an verschiedene Erwerber eine Betriebsveräußerung im Ganzen ausgeschlossen ist, wenn zwischen den Kausalgeschäften ein enger sachlicher und zeitlicher Zusammenhang besteht”, kommt auf der Grundlage des vom Finanzgericht (FG) festgestellten Sachverhalts und der zu § 1 Abs. 1a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergangenen Rechtsprechung keine grundsätzliche Bedeutung zu.

a) Vor dem FG war streitig, ob es sich bei dem Erwerb von vier Beschriftungslasern durch die Klägerin um eine Geschäftsveräußerung im Ganzen gehandelt hat und der Klägerin deshalb gemäß § 1 Abs. 1a UStG kein Recht zum Vorsteuerabzug zusteht.

Das FG ist zu dem Ergebnis gelangt, die die Maschinen veräußernde KG habe mit dem Verkauf ihren Geschäftsbetrieb auf die Klägerin übertragen und diese habe an Stelle der KG die Geschäftstätigkeit aufgenommen. Den Umstand, dass eine von ursprünglich fünf Beschriftungsmaschinen nicht von der Klägerin übernommen wurde, sondern kurz zuvor an die X-GmbH verkauft worden war, hat das FG als für die Frage einer Geschäftsfortführung nicht maßgeblich angesehen, weil eine Geschäftsfortführung auch mit den vier Geräten möglich gewesen sei. Die Zugehörigkeit auch der fünften Beschriftungsmaschine zum übernommenen Betrieb sei schon deshalb nicht erforderlich, weil der Veräußerer den Betrieb zunächst —wenn auch nur über kurze Zeit— verkleinert und mit den vier Maschinen fortgeführt habe. Da demnach eine nicht steuerbare Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG vorliege, sei der Klägerin der begehrte Vorsteuerabzug zu versagen.

b) Nach § 1 Abs. 1a UStG unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht um und ist richtlinienkonform auszulegen.

Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG bezweckt, die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften —EuGH— vom Rs. C-497/01 —Zita Modes—, Slg. 2003, I-14393, Randnr. 32). Er erfasst daher die Übertragung der Geschäftsbetriebe und der selbständigen Unternehmensteile, die jeweils materielle und immaterielle Bestandteile umfassen, die zusammengenommen ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann. Der Erwerber muss darüber hinaus die Absicht haben, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben (EuGH-Urteil in Slg. 2003, I-14393, Randnrn. 39 f. und 44).

Im Hinblick auf die nach der EuGH-Rechtsprechung erforderliche Absicht des Erwerbers, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben, kommt es maßgeblich darauf an, ob die übertragenen Vermögensgegenstände ein hinreichendes Ganzes bilden, um die Fortsetzung einer bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit zu ermöglichen, und der Übernehmer diese Tätigkeit ausübt. Um dies zu ermitteln, sind der Vorgang und seine Begleitumstände einer Gesamtbewertung zu unterziehen, bei der insbesondere die Art der übertragenen Vermögensgegenstände und der Grad der Übereinstimmung oder Ähnlichkeit zwischen den vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten zu berücksichtigen sind (, BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447; vom V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165; vom V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, und vom V R 10/01, BFHE 199, 66, BStBl II 2004, 662). Eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalls obliegt in erster Linie dem FG als Tatsacheninstanz (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 1643).

Die Beurteilung des FG entspricht der Rechtsprechung des BFH und EuGH. Danach steht es der Annahme einer Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a UStG nicht entgegen, wenn im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Geschäftsaufgabe durch den Veräußerer und der Fortführung der Geschäftstätigkeit durch den Erwerber einzelne Betriebsgrundlagen nicht mitübertragen werden.

c) Aus dem (BFHE 200, 97, BStBl II 2004, 626), auf das sich die Klägerin beruft, ergibt sich insoweit nichts anderes. Danach kann eine Geschäftsveräußerung i.S. des § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG auf mehreren zeitlich versetzten Kausalgeschäften beruhen, wenn diese in einem engen sachlichen und zeitlichen Zusammenhang stehen und die Übertragung des ganzen Vermögens auf einen Erwerber zur Beendigung der bisherigen gewerblichen Tätigkeit offensichtlich ist. Daraus ergibt sich aber nicht der von der Klägerin sinngemäß geltend gemachte Umkehrschluss, der Tatbestand des § 1 Abs. 1a UStG sei dann nicht erfüllt, wenn im Rahmen einer Geschäftsveräußerung einzelne Betriebsgrundlagen nicht auf den Fortführer übertragen werden. Eine solche Auslegung würde den Anwendungsbereich des § 1 Abs. 1a UStG weitgehend einschränken und stünde im Widerspruch zur Zielsetzung des Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG. Entscheidend ist vielmehr, dass mit den vier Maschinen eine Fortführung des Geschäfts möglich war und dieses auch fortgeführt wurde.

2. Die von der Klägerin darüber hinaus als grundsätzlich bedeutsam vorgetragene Rechtsfrage, „ob bei einem Pachtrecht als wesentliche Betriebsgrundlage der bisherige Pächter an einem Eintritt des Erwerbers in den bisherigen Pachtvertrag mit dem Verpächter positiv mitwirken muss”, ist für den Streitfall nicht klärungsbedürftig. Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des FG ist die Klägerin in den die Geschäftsräume betreffenden Pachtvertrag mit den Vermietern eingetreten. Der übernommene Geschäftsbetrieb konnte demnach in den bisherigen Betriebsräumen auf rechtlich gesicherter Grundlage fortgeführt werden.

3. Im Kern richtet sich die Beschwerde der Klägerin gegen die tatrichterlichen Feststellungen und die daran anknüpfende rechtliche Wertung (vgl. § 118 Abs. 2 FGO). Die tatrichterliche Überzeugungsbildung, die Tatsachen- bzw. Sachverhaltswürdigung sowie Schlussfolgerungen tatsächlicher Art sind aber einer Nachprüfung durch den BFH weitgehend entzogen. Die tatrichterliche Überzeugungsbildung der Vorinstanz (§ 96 Abs. 1 FGO) ist nur insoweit revisibel, als Verstöße gegen die Verfahrensordnung, gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze vorliegen (vgl. , BFH/NV 2006, 530, m.w.N.). Solche Verstöße sind jedoch im Streitfall nicht erkennbar.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 2065 Nr. 12
UAAAC-94755