BGH Beschluss v. - II ZR 141/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 543 Abs. 2; AktG § 111 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug: LG Stuttgart, 39 O 67/06 vom OLG Stuttgart, 20 U 14/06 vom

Gründe

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Das Berufungsurteil wirft entgegen der Ansicht des Klägers weder zum Unterlassungsbegehren (I) noch zum Antrag auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom über die Zustimmung zu Anteilserwerben und weiteren Strukturmaßnahmen (II) noch zum Antrag auf Vorlage von Vertragsunterlagen an den Aufsichtsrat (III) entscheidungserhebliche, höchstrichterlich klärungsbedürftige Fragen auf und ist insoweit auch frei von zulassungsrelevanten, das rechtliche Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG betreffenden Verfahrensfehlern.

I. Hinsichtlich des vom Kläger als Mitglied des Aufsichtsrats der Beklagten von dieser mit dem Klageantrag zu 2 begehrten Unterlassung von Anteilserwerben und weiteren Strukturmaßnahmen stellen sich keine entscheidungserheblichen Grundsatzfragen zur Zulässigkeit einer actio pro socio des einzelnen Aufsichtsratsmitglieds, weil die Klageabweisung insoweit jedenfalls von der rechtsfehlerfreien (materiellrechtlichen) Hilfserwägung des Berufungsgerichts getragen wird, der Kläger habe die Nachteiligkeit der einzelnen beanstandeten Umstrukturierungen im Rahmen des (qualifiziert) faktischen Konzerns nicht substantiiert vorgetragen.

1. Unbegründet ist die hierzu vom Kläger erhobene Gehörsrüge, das Berufungsgericht habe dessen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen, wonach er sich gegen eine Mehrzahl von Strukturmaßnahmen wende, die einen isolierten Nachteilsausgleich im Einzelfall unmöglich machten; insoweit reiche die Bezugnahme des Berufungsgerichts auf die Urteilsgründe im Parallelverfahren - 20 U 12/06 (= II ZR 133/07) nicht aus, weil jenes Urteil nicht zwischen den Parteien des vorliegenden Rechtsstreits ergangen sei.

Beide Verfahren sind in einer mündlichen Berufungsverhandlung gemeinsam verhandelt worden; der Kläger war persönlich anwesend, und zwar im Parallelverfahren zugleich in seiner Eigenschaft als (geschäftsführender) Gesellschafter und damit Vertreter der dortigen Klägerin, der L. GbR. Aufgrund seiner maßgeblichen Stellung bei der Klägerin des Parallelverfahrens ist davon auszugehen, dass der hiesige Kläger ohne weiteres von dem Urteil in der Parallelsache Kenntnis nehmen konnte und auch Kenntnis genommen hat; dementsprechend macht er auch nicht geltend, über jenes Parallelverfahren - und damit auch über die Entscheidungsgründe des in jenem Verfahren ergangenen Berufungsurteils - nicht im Einzelnen unterrichtet zu sein. Da die Bezugnahme im vorliegenden Berufungsurteil hinsichtlich der vom Kläger beanstandeten, namentlich aufgeführten Maßnahmen auf die entsprechenden detaillierten, inhaltlich identischen Ausführungen im Berufungsurteil des Parallelverfahrens lediglich die Wiederholung durch "Abschreiben" oder "Einrücken" ersetzt, steht der Kläger insofern im Hinblick auf seine Kenntnis von jenen Urteilsgründen nicht anders, als wenn das Berufungsgericht die entsprechenden Passagen inhaltsgleich in sein hiesiges Urteil übernommen hätte. Angesichts dessen stellt die Berufung des Klägers darauf, nicht formal als Partei an jenem Parallelverfahren beteiligt gewesen zu sein, sich als unzulässige Ausübung einer formalen Rechtsposition dar.

2. Das Berufungsurteil weist auch keine unter dem Blickwinkel des § 543 Abs. 2 ZPO beachtlichen inhaltlichen Rechtsfehler in Bezug auf die vom Berufungsgericht angenommene fehlende substantiierte Darlegung der Nachteiligkeit der vom Kläger beanstandeten einzelnen Umstrukturierungsmaßnahmen sowie die angebliche Nichtausgleichsfähigkeit derartiger Eingriffe im Rahmen des (qualifiziert) faktischen, von der S. SE beherrschten Konzerns auf.

Das Berufungsgericht ist vielmehr zutreffend von der allgemeingültigen ungeschriebenen Grundregel der Darlegungs- und Beweislast ausgegangen, nach der jede Partei, die den Eintritt einer Rechtsfolge geltend macht, die Voraussetzungen des ihr günstigen Rechtssatzes darzulegen und zu beweisen hat. Hinsichtlich der Anforderungen an die Substantiierungspflicht entspricht es gesicherter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass es vom Einzelfall abhängt, in welchem Maße die Partei ihr Vorbringen durch die Darlegung konkreter Einzeltatsachen (weiter) substantiieren muss (vgl. nur , NJW 2000, 3286 f.); ein solcher Fall weitergehender Substantiierungspflicht liegt insbesondere dann vor, wenn - wie hier - der Gegenvortrag dazu Anlass bietet. Diese allgemeinen Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall rechtsfehlerfrei angewandt.

a) Unabhängig davon, ob der Kläger als einzelnes Aufsichtsratsmitglied von der Gesellschaft selbst Unterlassung bestimmter Umstrukturierungen verlangen kann, trifft ihn jedenfalls eine Pflicht zur detaillierten Darlegung der angeblichen Nachteiligkeit der von der Gesellschaft beabsichtigten Maßnahmen, wenn er - wie hier - deren Rechtswidrigkeit mit einer angeblich konzernrechtlich unzulässigen Maßnahme begründen will. Wie schon aus der Formulierung der einzelnen Unterlassungsanträge hervorgeht, geht es insoweit nicht um eine sog. Waschkorblage, bei der eventuell die Darlegungslast des Klägers in Bezug auf die Konkretisierung ausnahmsweise geringer wäre.

b) Im Übrigen folgt entgegen der Ansicht des Klägers aus der früheren Senatsrechtsprechung zum qualifiziert faktischen GmbH-Konzern (vgl. dazu: BGHZ 122, 123 - TBB; aufgegeben seit BGHZ 149, 10 - Bremer Vulkan; zum neuen Haftungskonzept der Existenzvernichtungshaftung aus § 826 BGB: , ZIP 2007, 1552 - TRIHOTEL, z.V.b. in BGHZ 173, 246) in Bezug auf die Darlegungs- und Beweislast - sofern diese Grundsätze überhaupt sinngemäß auf den von einem einzelnen Aufsichtsratsmitglied im Rechtsstreit mit der Gesellschaft behaupteten Konflikt zwischen abhängiger Gesellschaft und beherrschendem Unternehmen im sog. qualifiziert faktischen Aktienrechtskonzern übertragbar sind - nichts anderes. Auch nach jenen - überholten - Rechtsprechungsgrundsätzen oblag den klagenden (außenstehenden) Gläubigern grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast für die objektiv missbräuchliche Beeinträchtigung der Belange der Gesellschaft durch eine - nicht dem Einzelausgleich zugängliche - Nachteilszufügung (BGHZ 122 aaO); mit Recht hat das Berufungsgericht es abgelehnt, auf der Grundlage dieses - nur hypothetischen - Ansatzes die vom Senat in jener Entscheidung zugunsten außenstehender Gläubiger für möglich erachteten Substantiierungserleichterungen im vorliegenden Fall dem Kläger als Organmitglied und damit "Insider" im Rechtsstreit mit der Gesellschaft um die angebliche Nachteiligkeit einer Konzernmaßnahme zugute kommen zu lassen.

c) In Anwendung dieser Darlegungs- und Beweislastgrundsätze hat das Berufungsgericht in einwandfreier tatrichterlicher Würdigung angenommen, dass der Sachvortrag des Klägers schon in erster Instanz unsubstantiiert war, weil er sich darauf beschränkte, lediglich die - nie ganz auszuschließende - abstrakte Gefahr von Nachteilen für die Beklagte durch die beabsichtigten Strukturmaßnahmen darzustellen. Die weitere Annahme, es wäre angesichts des umfangreichen, detaillierten Gegenvortrags der Beklagten zur Vorteilhaftigkeit dieser Maßnahmen erforderlich gewesen, zumindest konkrete Anhaltspunkte darzulegen und ggf. unter Beweis zu stellen, die die Annahme nahe gelegt hätten, dass durch die beschlossenen Maßnahmen im Hinblick auf das Konzerninteresse die Belange der (abhängigen) Gesellschaft über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzelmaßnahmen hinaus beeinträchtigt worden seien, ist revisionsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden wie die abschließende Feststellung, auch in zweiter Instanz habe der Kläger seiner diesbezüglichen Darlegungslast nicht genügt.

Angesichts der detaillierten Auseinandersetzung des Berufungsgerichts in dem in Bezug genommenen Parallelverfahren mit den in den einzelnen Unterlassungsanträgen genannten Umstrukturierungsmaßnahmen kann - entgegen der Behauptung des Klägers - keine Rede davon sein, dass etwa das Berufungsgericht sich unter Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG nicht hinreichend mit dem konkreten Sachverhalt auseinandergesetzt hätte.

II. Auch hinsichtlich des Klageantrags zu 1 auf Feststellung der Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses vom über die Zustimmung zu bestimmten Strukturmaßnahmen besteht kein Zulassungsgrund.

1. Soweit die Beschwerde die behauptete Nichtigkeit des Aufsichtsratsbeschlusses, der sich auf die schon mit den Unterlassungsanträgen zu 2 bekämpften Umstrukturierungen bezieht, aus den identischen Rügen abzuleiten versucht, bleibt sie aus den vorstehenden Gründen zu I. erfolglos. Da demnach auch der entsprechende Aufsichtsratsbeschluss insbesondere an keinem inhaltlichen, etwa zur Nichtigkeit führenden Mangel unter dem Blickwinkel einer unzulässigen faktischen Konzernierung leidet, stellen sich entscheidungserhebliche Grundsatzfragen zur Zulässigkeit der prozessualen Geltendmachung durch ein einzelnes Aufsichtsratmitglied auch im Organstreit mit dem (restlichen) Aufsichtsrat nicht.

2. Entgegen der Ansicht des Klägers stellt sich im vorliegenden Fall auch nicht die Grundsatzfrage einer etwaigen Anwendbarkeit der sog. Relevanztheorie des Senats im Zusammenhang mit der Anfechtbarkeit von Aufsichtsratsbeschlüssen im Rahmen von Organstreitigkeiten. Insoweit hat der Senat die Frage nach der Anfechtbarkeit von Aufsichtsrats- bzw. Vorstandsbeschlüssen bei Mitwirkung nicht stimmberechtigter Organmitglieder im Sinne seiner bisherigen Rechtsprechung (BGHZ 47, 341, 346) mit Urteil vom (II ZR 325/05, ZIP 2007, 1057 Tz. 13) in Anwendung der Kausalitätstheorie entschieden; damit steht das Berufungsurteil in Einklang.

3. Hinsichtlich des angeblichen Informationsdefizits des Aufsichtsrats anlässlich des Zustimmungsbeschlusses ist ein Zulassungsgrund nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat einen Anspruch auf Vorlage weiterer Unterlagen mit vertretbarer Begründung verneint. Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht darin, dass das Berufungsgericht insoweit der vom Kläger vertretenen Auffassung nicht gefolgt ist.

III. Auch hinsichtlich des Antrags auf Vorlage bestimmter Vertragsunterlagen an den Gesamtaufsichtsrat ist ein Zulassungsgrund nicht erkennbar. Zutreffend hat das Berufungsgericht entschieden, dass § 111 Abs. 2 AktG nur dem Aufsichtsrat als Gesamtgremium einen Anspruch auf Urkundenvorlage und Einsicht gibt, nicht hingegen dem Kläger als einzelnem Mitglied. Auch im Wege einer actio pro socio kann das einzelne Aufsichtsratsmitglied eine nur von ihm geltend gemachte Urkundenvorlage nicht durchsetzen.

IV. Von einer weiteren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2, 2. Halbsatz ZPO abgesehen.

V. Streitwert: 1 Mio. €

Fundstelle(n):
UAAAC-92156

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