Entstehung eines neuen Wirtschaftsguts durch Umbaumaßnahmen und Modernisierungsmaßnahmen an einem Gebäude
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb im Jahr 1968 von seinem Vater im Wege der Schenkung den hälftigen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, auf dem sich ein im Jahr 1939 errichtetes Einfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss befand. Der andere hälftige Miteigentumsanteil wurde dem Kläger 1990 unentgeltlich von seiner Mutter unter Vorbehalt eines lebenslänglichen Nießbrauchsrechts am Grundstück übertragen. Die Mutter bewohnte bis zu ihrem Tod Anfang Januar 1996 das Erdgeschoss, der Kläger bis einschließlich 1995 das Dachgeschoss des Hauses.
In den Jahren 1996 bis 1998 führte der Kläger umfangreiche Baumaßnahmen an dem Gebäude durch, wodurch im Erd- und Dachgeschoss zwei separate Wohnungen entstanden. Nach ihrer Fertigstellung im Juli 1998 wurden die beiden Wohnungen fremdvermietet. Die Aufwendungen betrugen insgesamt ca. ... DM.
In den unter Vorbehalt der Nachprüfung ergangenen Einkommensteuerbescheiden für 1997 und 1998 gewährte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) zunächst Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) mit einem Abschreibungssatz von 40 v.H. Im ebenso unter Vorbehalt stehenden Einkommensteuerbescheid für 1999 berücksichtigte das FA Absetzungen für Abnutzung (AfA) wie folgt: für das Erdgeschoss eine Restwert-AfA nach § 4 Abs. 3 FördG und für das Dachgeschoss eine lineare AfA nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes.
Im Verlauf der Einspruchsverfahren gegen die Einkommensteuerbescheide 1997 bis 1999 (Streitjahre) gelangte das FA zu der Ansicht, nach Art und Umfang der durchgeführten Baumaßnahmen sei ein neues Wirtschaftsgut entstanden. Sonderabschreibungen für das Gebäude könnten gemäß § 4 FördG nur in Höhe von jeweils 25 v.H. für 1997 und 1998 gewährt werden; ab 1999 sei die lineare AfA von 2 v.H. anzusetzen, und erließ entsprechend geänderte Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1028) und gewährte Sonderabschreibungen nach § 4 FördG in Höhe von 40 v.H. Durch die Modernisierungs- und Umbaumaßnahmen an dem Gebäude sei kein neues Wirtschaftsgut (Gebäude) im Sinne eines bautechnischen Neubaus geschaffen worden. Auch hätten die Baumaßnahmen nicht zu einer Funktionsänderung geführt, weil das Gebäude nach wie vor im einheitlichen Nutzungs- und Funktionszusammenhang, nämlich zu fremden Wohnzwecken, genutzt werde. Der Umstand, dass durch den Umbau aus einem Einfamilienhaus mit ausgebautem Dachgeschoss ein Zweifamilienhaus entstanden sei, führe nicht zur Schaffung eines neuen anderen Wirtschaftsguts.
Mit der Revision rügt des FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 3 i.V.m. § 4 Abs. 2, Abs. 3 FördG). Durch die Baumaßnahmen sei aus einem Einfamilienhaus unter dessen Einbeziehung ein Zweifamilienhaus und damit aufgrund der Wesensänderung ein neues Wirtschaftsgut entstanden.
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er ist mit dem FG der Ansicht, dass die Umbaumaßnahmen als Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungskosten an einem vorhandenen Wirtschaftsgut zu qualifizieren seien und daher weder ein Neubau noch ein anderes Wirtschaftsgut entstanden sei. Insbesondere eine Wesensänderung sei im Streitfall nicht gegeben, da das Gebäude weiterhin zu fremden Wohnzwecken genutzt werde. Im Übrigen handele es sich bei dem Gebäude um eine bauliche Besonderheit (Landhaus oder Stadtvilla), die (seit je her) die Unterbringung von zwei Haushalten ermöglicht habe; entsprechend sei das Gebäude auch genutzt worden. Daher sei auch nicht erst mit dem Umbau ein Zweifamilienhaus als neues Wirtschaftsgut entstanden.
II. Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Entscheidung in der Sache selbst durch Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zu Unrecht Sonderabschreibungen für begünstigungsfähige Modernisierungs- und nachträgliche Herstellungsarbeiten gewährt und dadurch §§ 3, 4 FördG verletzt. Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz sind nur in Höhe von 25 v.H. zu gewähren.
1. Gemäß § 3 Satz 1 FördG sind sowohl die Anschaffung und die Herstellung von (1. Alternative) wie auch Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungskosten an (2. Alternative) abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsgütern begünstigt. Der Umfang der Begünstigung ist in § 4 FördG geregelt (vgl. , BFHE 199, 388, BStBl II 2002, 758; vom IX R 37/04, BFH/NV 2006, 1067, unter II. 2.). Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. § 4 Abs. 2 Sätze 2 und 3 FördG kann der Steuerpflichtige Sonderabschreibungen von bis zu 40 v.H. nur für Modernisierungsmaßnahmen und andere nachträgliche Herstellungsarbeiten in Anspruch nehmen, bei Anschaffung oder Herstellung von Wohnzwecken dienenden Wirtschaftsgütern indes nur bis zu 25 v.H. bzw. 20 v.H. (§ 4 Abs. 2 Satz 2 FördG).
Nach dem für das Fördergebietsgesetz ebenso wie für das Eigenheimzulagengesetz geltenden Begriff der Herstellung in § 255 Abs. 2 des Handelsgesetzbuches (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 9/06, BFH/NV 2007, 447; vom IX B 1/07, BFH/NV 2007, 2085) bedeutet Herstellen eines Wirtschaftsguts das Schaffen eines neuen, bisher nicht vorhandenen Wirtschaftsguts (hier: Gebäude, Wohnung); darunter ist —neben der Zweitherstellung und der Funktions-/Wesensänderung jeweils vorhandener Wirtschaftsgüter insbesondere— die Neu- oder Erst-Herstellung eines Wirtschaftsguts zu verstehen (vgl. BFH-Urteil vom 23. November 2004 IX R 59/03, BFH/NV 2005, 543 ; Beschluss in BFH/NV 2007, 447, unter 3. a, m.w.N.). So verhält es sich, wenn der Steuerpflichtige mit Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen nicht an einem Gebäude, sondern —auch unter Verwendung vorhandener Bausubstanz— zur Fremdvermietung vorgesehene Wohneinheiten (Wohnungen) erstmals erstellt. In diesem Fall kommt es nicht darauf an, ob die durchgeführten Baumaßnahmen bautechnisch zu einem Neubau (eines Gebäudeteils) geführt haben.
2. Nach diesen Grundsätzen kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben. Das FG hat zu Unrecht die Voraussetzungen einer Sonderabschreibung von 40 v.H. gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. b i.V.m. Abs. 2 Satz 3 FördG angenommen; denn der Kläger hat nach den tatsächlichen Feststellungen des FG mit den Baumaßnahmen unter Verwendung der vorhandenen Bausubstanz des ehemaligen Einfamilienhauses zwei bisher nicht vorhandene, baulich getrennte und in sich abgeschlossene Wohneinheiten hergestellt und damit zwei neue Wohnungen geschaffen.
3. Die Sache ist spruchreif. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des FG entscheidet der Senat in der Sache selbst: die Klage ist unter Aufhebung der Vorentscheidung abzuweisen. Der Kläger hat Anspruch auf eine Sonderabschreibung gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 FördG nur bis zu 25 v.H. Auf die Frage der zutreffenden Tenorierung braucht danach nicht weiter eingegangen zu werden.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
StuB-Bilanzreport Nr. 23/2008 S. 927
RAAAC-90148