Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: BetrVG § 1 Abs. 1; BetrVG § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1; BetrVG § 18 Abs. 2; BetrVG § 19
Instanzenzug: ArbG Frankfurt (Oder), 8 BV 15/05 vom LAG Brandenburg, 23 TaBV 1/06 vom LAG Brandenburg, 23 TaBV 4/06 vom
Gründe
A. Die Beteiligten streiten über die Betriebsratsfähigkeit der von der Arbeitgeberin betriebenen Einzelhandelsfilialen und über die Rechtswirksamkeit der für alle Filialen gemeinsam durchgeführten Betriebsratswahl vom .
Die Arbeitgeberin ist aus der E Handelsgesellschaft B hervorgegangen, die in den Jahren 2004 und 2005 in die E Zentralverwaltungsgesellschaft, die EH, die M und die Arbeitgeberin aufgespalten wurde. Die Arbeitgeberin betreibt in B und in Br eine Vielzahl von Einzelhandelsfilialen, in denen jeweils zwischen sieben und 45 Arbeitnehmern beschäftigt sind. Der Sitz der Geschäftsführung und die zentrale Verwaltung (im Folgenden: Zentrale) der Arbeitgeberin befinden sich in G, Ortsteil F. Am Standort F beschäftigen die Arbeitgeberin, die EH, die M und die E Zentralverwaltungsgesellschaft ca. 150 Arbeitnehmer, die in personellen und sozialen Angelegenheiten von dem Personalleiter der E Zentralverwaltungsgesellschaft betreut werden.
Von der in der Zentrale in F befindlichen Verwaltung werden die in den Filialen abzusetzenden Waren bestellt und auf die einzelnen Filialen verteilt. Der Verkauf der Waren findet ausschließlich in den Filialen statt. In den Filialen werden Marktleiter eingesetzt, die die Arbeitseinteilung der Mitarbeiter vornehmen und diesen arbeitstechnische Weisungen erteilen. Die Marktleiter sind außerdem für die Umsetzung der Hygiene- und Ordnungsvorschriften verantwortlich. Die Marktleiter unterstehen Bezirksleitern, die die Arbeit der Marktleiter unterstützen und überwachen sowie ihnen Anordnungen erteilen. Die Bezirksleiter sind der Zentrale in F zugeordnet. In der Zentrale sind außerdem Fachberater und Verwaltungsmitarbeiter beschäftigt.
Die von der Arbeitgeberin betriebenen Filialen liegen mindestens 22 km und höchstens 146 km von F entfernt. Die Entfernung zwischen den Filialen beläuft sich zum Teil auf über 200 km. Die Fahrtzeit von den Filialen zu der Zentrale in F beträgt mit dem Pkw zwischen 23 Minuten und 2 Stunden 22 Minuten, mit öffentlichen Verkehrsmitteln zwischen 55 Minuten und mehr als 4 Stunden zuzüglich der für den Fußweg von und zu den jeweiligen Haltestellen erforderlichen Zeit.
Im Betrieb der E Handelsgesellschaft B bestand ein Betriebsrat, der auch nach der Aufspaltung des Unternehmens im Amt blieb. Am wählten die in F beschäftigten Arbeitnehmer der Arbeitgeberin, der E Zentralverwaltungsgesellschaft, der EH und der M den zu 3) beteiligten Betriebsrat.
Nachdem die Arbeitgeberin im Jahr 2004 ua. von der O GmbH und der O Supermarkt GmbH einige Einzelhandelsfilialen übernommen hatte, bestellte der bei der O GmbH/O Supermarkt GmbH bestehende Betriebsrat am einen Wahlvorstand für die Wahl eines Betriebsrats für alle Filialen der Arbeitgeberin mit Ausnahme der Zentrale.
Mit der am beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragsschrift hat die Arbeitgeberin die Feststellung begehrt, dass es sich bei den Filialen um betriebsratsfähige Organisationseinheiten handle und dass der Wahlvorstand verpflichtet sei, die Wahl nicht fortzuführen. Nach der Durchführung der Betriebsratswahl am , aus der der zu 2) beteiligte Betriebsrat hervorging, und der Bekanntmachung des Wahlergebnisses am hat sie das Verfahren gegen den zu 2) beteiligten Betriebsrat fortgesetzt und statt Unterlassung die Anfechtung der Wahl geltend gemacht.
Die Arbeitgeberin hat die Auffassung vertreten, bei den Einzelhandelsfilialen handle es sich um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG, zumindest seien die Filialen Betriebsteile der Zentrale in F, die wegen ihrer räumlichen Entfernung von F nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständige Betriebe anzusehen seien. Die Betriebsratswahl vom sei unwirksam, da sie unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt sei. Außerdem sei der Wahlvorstand zur Durchführung der Wahl nicht legitimiert gewesen. Er habe ferner zu Unrecht für die gesamte Wahl schriftliche Stimmabgabe beschlossen und die Wahl von 13 statt 15 Betriebsratsmitgliedern veranlasst. Des weiteren seien ausgeschiedene Mitarbeiter an der Wahl beteiligt und neu eingestellte Mitarbeiter von der Wahl ausgeschlossen worden.
Die Arbeitgeberin hat beantragt,
1. festzustellen, dass die nachfolgend im Einzelnen aufgeführten Filialen der Beteiligten zu 1. betriebsratsfähige Organisationseinheiten sind und deshalb in den einzelnen Filialen Betriebsräte zu wählen sind:
1.1 Filiale Bee,
1.2 Filiale Bern, A,
1.3 Filiale Bern, H
1.4 Filiale E,
1.5 Filiale S,
1.6 Filiale F,
1.7 Filiale Fi,
1.8 Filiale B, H
1.9 Filiale B, J,
1.10 Filiale B, B,
1.11 Filiale B, R,
1.12 Filiale B, F
1.13 Filiale B, E,
1.14 Filiale B, M
1.15 Filiale B, Fr,
1.16 Filiale B, W,
1.17 Filiale M,
1.18 Filiale P,
1.19 Filiale E,
1.20 Filiale L,
1.21 Filiale O,
1.22 Filiale C,
1.23 Filiale M,
1.24 Filiale Sc,
1.25 Filiale G,
1.26 Filiale Bi,
1.27 Filiale A,
1.28 Filiale Po,
1.29 Filiale Le,
1.30 Filiale Mü,
1.31 Filiale Po-E,
1.32 Filiale T,
1.33 Filiale Bl,
1.34 Filiale F, R,
1.35 Filiale R,
1.36 Filiale N,
1.37 Filiale Bern, B,
1.38 Filiale Lü,
1.39 Filiale Ei,
1.40 Filiale W,
1.41 Filiale Se,
1.42 Filiale Mül,
1.43 Filiale Bel, 2. die Betriebsratswahl für unwirksam zu erklären.
Der zu 2) beteiligte Betriebsrat hat die Zurückweisung der Anträge beantragt.
Das Arbeitsgericht hat die Betriebsratswahl entsprechend dem Antrag zu 2) für unwirksam erklärt und dem Antrag zu 1) mit Ausnahme der Filialen Mül, Bel, O, Er, B - Fr, B - R, B - E, M, Bern, Bi, Po, T, Bl und Ei stattgegeben. In Bezug auf die Filialen Bern, B - R , B - E, Mi, Bi, Po, T, Bl und Ei hat es den Antrag zu 1) abgewiesen. In Bezug auf die Filialen Mül, Bel, O, Er und B - Fr hat das Arbeitsgericht keine Entscheidung getroffen. Gegen den erstinstanzlichen Beschluss haben sowohl die Arbeitgeberin als auch der zu 2) beteiligte Betriebsrat Beschwerde eingelegt. Die Arbeitgeberin und der zu 2) beteiligte Betriebsrat haben den Antrag zu 1) in Bezug auf die inzwischen geschlossenen oder veräußerten Filialen B - H, B - E, B - W, Bl, Bern - He, Bern - Bö und P für erledigt erklärt. Hinsichtlich der neu eröffneten oder neu übernommenen Filialen B - P, B - G, B - Hel, Po - A und B - We hat die Arbeitgeberin den Antrag zu 1) erweitert. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des zu 2) beteiligten Betriebsrats zurückgewiesen und auf die Beschwerde der Arbeitgeberin die Betriebsratsfähigkeit auch der weiteren noch im Streit befindlichen Filialen festgestellt. Mit der Rechtsbeschwerde begehrt der zu 2) beteiligte Betriebsrat die Zurückweisung der Anträge. Die Arbeitgeberin beantragt die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat den Anträgen zu Recht stattgegeben. Es hat rechtsfehlerfrei festgestellt, dass es sich bei den 35 noch im Streit befindlichen Filialen der Arbeitgeberin um eigenständige betriebsratsfähige Organisationseinheiten handelt. Die am für alle seinerzeit bestehenden Filialen gemeinsam durchgeführte Wahl des zu 2) beteiligten Betriebsrats ist daher unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt. Dies führt zur Unwirksamkeit der Wahl. Es kann daher offenbleiben, ob die Wahl auch aus anderen Gründen unwirksam ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 1), mit dem die Arbeitgeberin die Feststellung der Betriebsratsfähigkeit der einzelnen von ihr betriebenen Filialen begehrt, zu Recht stattgegeben. Die noch im Streit befindlichen 35 Filialen sind entweder Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG oder Betriebsteile eines Hauptbetriebs in Freienbrink, die nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständige Betriebe gelten.
1. Der Antrag zu 1) betrifft in der Rechtsbeschwerde noch 35 Filialen, nämlich die Filialen Bee, Bern - A, E, S, F, Fi, B - J, B - B, B - R, B - F, B - M, M, L, C, Mi, Sc, G, Bi, A, Po, Le, Mü, Po-E, T, F - R, R, N, Lü, Ei, W, Se, B - P, B - He, Po - A, B - We. Hinsichtlich der Filialen B - H, B - E, B - W, Bl, Bern -He, Bern - Bö und P haben die Arbeitgeberin und der zu 2) beteiligte Betriebsrat das Verfahren übereinstimmend für erledigt erklärt. Über die erstinstanzlich im Streit befindlichen zwischenzeitlich geschlossenen oder veräußerten Filialen B -Fr, Er, O, Mül und Bel hat das Arbeitsgericht keine Sachentscheidung getroffen. In Bezug auf diese Filialen wurde das Verfahren von den Beteiligten nicht für erledigt erklärt. Da die Beteiligten innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung des erstinstanzlichen Beschlusses keinen Antrag auf Ergänzung des Beschlusses gestellt haben, ist die Rechtshängigkeit insoweit nach § 321 Abs. 2 ZPO, der auch für das arbeitsgerichtliche Beschlussverfahren gilt ( - BAGE 4, 268 = AP ArbGG § 81 Nr. 2, zu II a der Gründe), erloschen.
2. Der Antrag zu 1) ist zulässig.
a) Nach § 18 Abs. 2 BetrVG kann bei Zweifeln darüber, ob eine betriebsratsfähige Organisationseinheit vorliegt, ua. der Arbeitgeber eine Entscheidung des Arbeitsgerichts beantragen. Mit diesem Verfahren wird die Möglichkeit eröffnet, unabhängig von einer konkreten Betriebsratswahl verbindlich klären zu lassen, ob Betriebe oder Betriebsteile selbständig sind oder einem Hauptbetrieb zugeordnet werden müssen. Ziel dieses Verfahrens ist es zum einen, Streitigkeiten über die Zuständigkeit eines gewählten oder noch zu wählenden Betriebsrats oder Meinungsverschiedenheiten über den Umfang von Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechten des Betriebsrats, die zum Teil von der Anzahl der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer abhängen, zu entscheiden. Zum anderen dient das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG dazu, die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße künftige Betriebsratswahl zu schaffen. Das Verfahren nach § 18 Abs. 2 BetrVG klärt daher eine für die gesamte Betriebsverfassung grundsätzliche Vorfrage, indem verbindlich festgelegt wird, welche Organisationseinheit als der Betrieb anzusehen ist, in dem ein Betriebsrat gewählt wird und in dem er seine Beteiligungsrechte wahrnehmen kann ( - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2; - 1 AZR 488/90 - BAGE 68, 1 = AP BetrVG 1972 § 18 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 18 Nr. 7, zu II 2 c der Gründe).
b) Der Arbeitgeber hat das erforderliche Interesse an einer Feststellung nach § 18 Abs. 2 BetrVG, wenn im Unternehmen streitig ist, ob für mehrere Betriebsratsstätten des Unternehmens ein gemeinsamer Betriebsrat zu wählen ist oder ob jede Betriebsratsstätte für sich genommen betriebsratsfähig ist. So verhält es sich im Streitfall. Zwischen den Betriebspartnern sind diese Rechtsfragen umstritten.
3. Der Antrag zu 1) ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zutreffend erkannt, dass die 35 noch im Streit befindlichen Filialen betriebsratsfähige Organisationseinheiten sind. Bei den Filialen handelt es sich entweder um selbständige Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG oder um Betriebsteile, die wegen ihrer räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständige Betriebe gelten.
a) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist ein Betrieb iSd. BetrVG eine organisatorische Einheit, innerhalb derer der Arbeitgeber zusammen mit den vom ihm beschäftigten Arbeitnehmern bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortgesetzt verfolgt. Dazu müssen die in der Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt und die menschliche Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert werden ( - BAGE 68, 67 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 6, zu B II 1 der Gründe; - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 1 a der Gründe; - 7 ABR 57/03 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 15 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 1, zu B I 2 a der Gründe; - 7 ABR 63/05 - Rn. 15, AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 18 = EzA BetrVG 2001 § 4 Nr. 2). Ein Betriebsteil ist dagegen auf den Zweck des Hauptbetriebs ausgerichtet und in dessen Organisation eingegliedert, ihm gegenüber aber organisatorisch abgrenzbar und relativ verselbständigt ( - aaO). Für die Abgrenzung von Betrieb und Betriebsteil ist der Grad der Verselbständigung entscheidend, der im Umfang der Leitungsmacht zum Ausdruck kommt. Erstreckt sich die in der organisatorischen Einheit ausgeübte Leitungsmacht auf alle wesentlichen Funktionen des Arbeitgebers in personellen und sozialen Angelegenheiten, handelt es sich um einen eigenständigen Betrieb iSv. § 1 BetrVG. Für das Vorliegen eines Betriebsteils iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG genügt ein Mindestmaß an organisatorischer Selbständigkeit gegenüber dem Hauptbetrieb. Dazu reicht es aus, dass in der organisatorischen Einheit überhaupt eine den Einsatz der Arbeitnehmer bestimmende Leitung institutionalisiert ist, die Weisungsrechte des Arbeitgebers ausübt ( - BAGE 68, 67 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 5 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 6, zu B II 2 der Gründe; - 7 ABR 59/94 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 8 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 7, zu B I 2 der Gründe; - 1 ABR 26/01 - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 1 a der Gründe; - 7 ABR 57/03 - aaO; - 7 ABR 63/05 - aaO). Unter den Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG gilt ein Betriebsteil als eigenständiger Betrieb. Liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 BetrVG nicht vor, gehört der Betriebsteil betriebsverfassungsrechtlich zum Hauptbetrieb.
b) Diese Grundsätze hat das Landesarbeitsgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Seine tatsächlichen Feststellungen tragen zwar nicht ohne weiteres die Würdigung, dass die Filialen Betriebsteile eines Hauptbetriebs in F sind. Vielmehr kann nicht ausgeschlossen werden, dass es sich bei den Filialen mangels organisatorischer Zusammenfassung der Filialen um Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG handelt. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ist jedoch im Ergebnis zutreffend. Sollten die Filialen Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG sein, wäre jede Filiale für sich genommen betriebsratsfähig. Sollte die Annahme des Landesarbeitsgerichts zutreffen, dass die Filialen Betriebsteile eines Hauptbetriebs in F sind, wäre die Würdigung, dass sie wegen der räumlichen Entfernung vom Hauptbetrieb nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG als selbständige Betriebsteile gelten, rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
aa) Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts beruht auf der Annahme, dass die Arbeitgeberin in F die Zentrale als Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG unterhält und die Filialen Betriebsteile dieses Hauptbetriebs sind. Diese Würdigung wird von den tatsächlichen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht getragen. Die Filialen sind zwar von der Zentrale in F organisatorisch abgrenzbar und zumindest relativ verselbständigt, da sie von Marktleitern geführt werden, die die Arbeitseinteilung der in der jeweiligen Filiale tätigen Arbeitnehmer vornehmen und ihnen arbeitstechnische Weisungen erteilen. Die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts rechtfertigen allerdings nicht die Annahme, dass die Filialen organisatorisch in einen Hauptbetrieb eingegliedert sind.
(1) Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG ist der Betrieb, in dem Leitungsfunktionen des Arbeitgebers für den Betriebsteil wahrgenommen werden. Dies entspricht dem Grundsatz, dass Mitbestimmung dort ausgeübt werden soll, wo die mitbestimmungsrelevanten unternehmerischen Entscheidungen getroffen werden (vgl. etwa -, zu B II 1 b der Gründe).
(2) Das Landesarbeitsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die für die Filialen maßgeblichen Arbeitgeberentscheidungen in betriebsverfassungsrechtlich relevanten Angelegenheiten in einem Hauptbetrieb in F getroffen werden. Das Landesarbeitsgericht hat lediglich - ohne Darstellung näherer Einzelheiten - festgestellt, dass die in F von der Arbeitgeberin, der EH, der M und der E Zentralverwaltungsgesellschaft beschäftigten 150 Arbeitnehmer in personellen und sozialen Angelegenheiten von dem Personalleiter der E Zentralverwaltungsgesellschaft geleitet werden. Dies spricht zwar für das Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs in F. Das Landesarbeitsgericht hat aber nicht festgestellt, dass die Arbeitgeberentscheidungen in personellen und sozialen Angelegenheiten auch für die in den 35 Filialen beschäftigten Arbeitnehmer von dem Personalleiter der E Zentralverwaltungsgesellschaft getroffen werden, so dass die Filialen Betriebsteile eines Gemeinschaftsbetriebs in F wären. Nach dem erstinstanzlichen Vorbringen des zu 2) beteiligten Betriebsrats werden diese Entscheidungen von der Geschäftsleitung der Arbeitgeberin getroffen. Sollte die Leitungsmacht in personellen und sozialen Angelegenheiten für die Mitarbeiter der Filialen nicht von dem Personalleiter der E Zentralverwaltungsgesellschaft S, sondern unabhängig von dem Gemeinschaftsbetrieb unmittelbar von den Geschäftsführern der Arbeitgeberin K und Sc ausgeübt werden, wäre der in F bestehende Gemeinschaftsbetrieb in Bezug auf die Filialen nicht Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG.
bb) Das Fehlen eines Hauptbetriebs iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG in Bezug auf die Filialen führte allerdings nicht dazu, dass alle Filialen zusammengenommen einen Betrieb bilden. Allein der Umstand, dass die maßgeblichen Arbeitgeberentscheidungen in betriebsverfassungsrechtlich relevanten Angelegenheiten für die Filialen von den Geschäftsführern der Arbeitgeberin getroffen werden, reicht dazu nicht aus. Es fehlt vielmehr an der erforderlichen organisatorischen Zusammenfassung der Filialen zu einer betrieblichen Einheit. Deshalb wäre jede Filiale für sich genommen ein Betrieb iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG, so dass die angefochtene Entscheidung im Ergebnis zutreffend wäre.
cc) Bestünde in F - wie das Landesarbeitsgericht meint - ein Hauptbetrieb iSv. § 4 Abs. 1 BetrVG, wäre die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts ebenfalls zutreffend, da es rechtsfehlerfrei die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG bejaht hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts werden in jeder der 35 Filialen mindestens fünf wahlberechtigte und drei wählbare Arbeitnehmer beschäftigt. Die Filialen erfüllen daher die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrVG. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, die Filialen seien räumlich weit von dem Hauptbetrieb in F entfernt, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden.
(1) Betriebsteile sind iSd. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG vom Hauptbetrieb räumlich weit entfernt, wenn wegen dieser Entfernung eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaft des Betriebsteils durch einen beim Hauptbetrieb ansässigen Betriebsrat nicht mehr gewährleistet ist ( - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 1, zu III 4 der Gründe; - 6 ABR 64/81 - BAGE 41, 403 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 4, zu II 2 b der Gründe; - 7 ABR 26/03 -, zu B II 1 b der Gründe). Der Zweck der Regelung des § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG besteht darin, den Arbeitnehmern von Betriebsteilen eine effektive Vertretung durch einen eigenen Betriebsrat zu ermöglichen, wenn wegen der räumlichen Trennung des Hauptbetriebs von dem Betriebsteil die persönliche Kontaktaufnahme zwischen einem dortigen Betriebsrat und den Arbeitnehmern im Betriebsteil so erschwert ist, dass der Betriebsrat des Hauptbetriebs die Interessen der Arbeitnehmer nicht mit der nötigen Intensität und Sachkunde wahrnehmen kann und sich die Arbeitnehmer nur unter erschwerten Bedingungen an den Betriebsrat wenden können ( -, zu II 1 b bb der Gründe; - 7 ABR 26/03 -, aaO) oder Betriebsratsmitglieder, die in dem Betriebsteil beschäftigt sind, nicht kurzfristig zu Sitzungen im Hauptbetrieb gelangen können. Maßgeblich ist sowohl die leichte Erreichbarkeit des Betriebsrats aus Sicht der Arbeitnehmer wie auch umgekehrt die Erreichbarkeit der Arbeitnehmer für den Betriebsrat. Eine Bestimmung des unbestimmten Rechtsbegriffs allein nach Entfernungskilometern kommt daher nicht in Betracht. Es ist vielmehr eine Gesamtwürdigung aller für die Erreichbarkeit des Hauptbetriebs in Betracht kommenden Umstände vorzunehmen ( - BAGE 40, 163 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 3 = EzA BetrVG 1972 § 1 Nr. 3, zu III 2 e der Gründe; - 7 ABR 26/03 - aaO).
(2) Bei dem Tatbestandsmerkmal der räumlich weiten Entfernung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, dessen Anwendung durch das Landesarbeitsgericht in der Rechtsbeschwerdeinstanz nur daraufhin überprüfbar ist, ob das Landesarbeitsgericht den Rechtsbegriff verkannt, gegen Denkgesetze, anerkannte Auslegungs- oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände nicht berücksichtigt hat ( - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 13 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 8, zu B II 2 der Gründe; - 7 ABR 26/03 -, zu B II 1 a der Gründe). Dem Landesarbeitsgericht steht bei der Gesamtwürdigung, ob die Voraussetzungen des Rechtsbegriffs im Einzelfall erfüllt sind, ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Nutzung rechtsbeschwerderechtlich ebenfalls nur eingeschränkt überprüfbar ist ( - AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 4 Nr. 1, zu III 4 der Gründe; - 6 ABR 64/81 - BAGE 41, 403 = AP BetrVG 1972 § 4 Nr. 4, zu II 2 b der Gründe; - 2 AZR 783/94 -, zu II 1 b aa der Gründe; - 7 ABR 26/03 -, zu B II 1 a der Gründe).
(3) Dieser Überprüfung hält die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts stand. Das Landesarbeitsgericht hat weder den unbestimmten Rechtsbegriff der räumlich weiten Entfernung verkannt noch Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt. Das Landesarbeitsgericht hat auch keine für die Beurteilung wesentlichen Umstände außer Acht gelassen.
Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, dass nach § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG die räumliche Entfernung der Filialen vom Hauptbetrieb in F maßgeblich ist und nicht die Entfernung der Filialen von dem Büro des zu 2) beteiligten Betriebsrats in C. Das Landesarbeitsgericht hat auch zutreffend nicht ausschließlich auf die Erreichbarkeit des Hauptbetriebs mit dem Pkw abgestellt, weil einer nicht unerheblichen Anzahl der in den Filialen beschäftigten Arbeitnehmer nicht dauerhaft ein Pkw zur Verfügung steht, um bei Bedarf kurzfristig den Betriebsrat in F aufsuchen zu können und auch kein Zubringerdienst von den einzelnen Filialen in die Zentrale in F eingerichtet ist. Das Landesarbeitsgericht hat daher zu Recht angenommen, dass es auch auf die Erreichbarkeit der Zentrale mit öffentlichen Verkehrsmitteln ankommt. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts beträgt der Zeitaufwand für die Zurücklegung der einfachen Strecke zwischen den Filialen und der Zentrale in F mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 55 Minuten zuzüglich der Zeit für den Weg zur jeweiligen Haltestelle, so dass sich für die Hin- und Rückfahrt ein Mindestzeitaufwand von mehr als zwei Stunden ergibt. Die Würdigung des Landesarbeitsgerichts, auf Grund dieser Umstände sei eine ordnungsgemäße Betreuung der Belegschaften in den Filialen durch den Betriebsrat eines Hauptbetriebs in F nicht mehr gewährleistet, ist rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde ist die Erreichbarkeit des im Hauptbetrieb in F bestehenden Betriebsrats per Post oder Telefon oder mit Hilfe moderner Kommunikationsmittel für die Beurteilung der Frage, ob die Filialen räumlich weit vom Hauptbetrieb entfernt sind, unerheblich. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG stellt allein auf die räumliche Entfernung der Betriebsteile vom Hauptbetrieb ab. Dadurch soll eine jederzeitige persönliche Erreichbarkeit des Betriebsrats für die Arbeitnehmer und der Arbeitnehmer für den Betriebsrat gewährleistet werden. Deshalb kommt es auch nicht darauf an, ob für die in den Betriebsteilen beschäftigten Arbeitnehmer bei Teilbelegschafts- und Belegschaftsversammlungen die Möglichkeit der Kontaktaufnahme mit dem Betriebsrat besteht.
II. Das Landesarbeitsgericht hat dem Antrag zu 2), mit dem die Arbeitgeberin die am durchgeführte Betriebsratswahl angefochten hat, zu Recht stattgegeben. Bei der Wahl wurde gegen wesentliche Wahlgrundsätze verstoßen, da die Wahl unter Verkennung des Betriebsbegriffs erfolgt ist. Es kann deshalb dahin stehen, ob die Wahl auch aus anderen Gründen unwirksam ist.
1. Nach § 19 BetrVG kann die Betriebsratswahl ua. vom Arbeitgeber innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses beim Arbeitsgericht angefochten werden, wenn gegen wesentliche Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit oder das Wahlverfahren verstoßen worden ist und eine Berichtigung nicht erfolgt ist, es sei denn, dass durch den Verstoß das Wahlergebnis nicht geändert oder beeinflusst werden konnte.
2. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Arbeitgeberin hat die Betriebsratswahl vom rechtzeitig angefochten. Das Wahlergebnis wurde am bekannt gegeben. Der Wahlanfechtungsantrag ging am beim Arbeitsgericht ein. Bei der Betriebsratswahl wurde gegen wesentliche Wahlvorschriften verstoßen. Da die einzelnen Filialen entweder Betriebe iSv. § 1 Abs. 1 BetrVG oder selbständige Betriebsteile iSv. § 4 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BetrVG sind, hätte kein gemeinsamer Betriebsrat für alle Filialen gewählt werden dürfen. Dies führt zur Unwirksamkeit der Wahl.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1113 Nr. 21
IAAAC-90018
1Für die amtliche Sammlung: nein; Für die Fachpresse: nein