BFH Beschluss v. - I B 205/07

Rüge mangelnder Sachaufklärung; keine Revisionszulassung bei fehlerhafter Anwendung der BFH-Rechtsprechung; Darlegung einer klärungsfähigen Rechtsfrage

Gesetze: FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist, ob die Auflösung einer Pensionsrückstellung einkommenserhöhend oder einkommensneutral (als Einlage) zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin), eine GmbH, hatte ihrem vormals alleinigen Gesellschafter-Geschäftsführer X eine Versorgungszusage erteilt. Im Streitjahr 1998 veräußerte X seine Geschäftsanteile an der Klägerin. In diesem Zusammenhang kam es zwischen der Klägerin und X —vor dem Erreichen des in der Versorgungszusage der Klägerin angeführten Pensionierungsalters— zu einer (für X entschädigungslosen) „Aufhebungsvereinbarung”, die auch „sämtliche Ansprüche aus der Pensionsvereinbarung” umfasste. Nach einer Außenprüfung behandelte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) die dementsprechend aufgelöste Pensionsrückstellung als einkommenserhöhend und stellte auf dieser Grundlage den Gewerbesteuermessbetrag fest. Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht —FG— Münster, Urteil vom 9 K 6502/04 G).

Die Klägerin ist der Meinung, es liege ein Verfahrensfehler vor; darüber hinaus habe die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung und die Revision sei auch zur Sicherung der Rechtseinheit erforderlich. Sie beantragt, die Revision gegen das FG-Urteil zuzulassen.

Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Beschwerde ist unzulässig und durch Beschluss zu verwerfen (§ 132 der FinanzgerichtsordnungFGO—). Die Klägerin hat die von ihr geltend gemachten Gründe für eine Zulassung der Revision nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechend dargelegt.

1. Grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) kommt einer Rechtssache zu, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits von einer bisher ungeklärten Rechtsfrage abhängt, deren Beantwortung aus Gründen der Rechtssicherheit, der Rechtseinheitlichkeit und/oder der Rechtsentwicklung im allgemeinen (abstrakten) Interesse liegt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und im Streitfall klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2008, 216). Die von der Klägerin formulierte Rechtsfrage stellt sich im Streitfall nicht.

Die Klägerin sieht eine grundsätzliche Bedeutung darin, dass die Rechtsfrage, ob das Fehlen einer Regelung zur (Un-)Verfallbarkeit dazu führe, dass eine ungeschriebene jederzeitige Verfallbarkeit unterstellt werde, vom BFH bisher nicht geklärt sei. In der angefochtenen Entscheidung hat das FG eine Verfallbarkeit der Pensionsverpflichtung aber nicht unterstellt. Es hat vielmehr als entscheidungserheblich angesehen, ob eine Unverfallbarkeit und die Höhe der bei vorzeitigem Ausscheiden aus der Klägerin an X zu zahlenden Versorgung hinreichend klar und eindeutig vertraglich geregelt wurde; bei einer Nichterweislichkeit trage die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen die objektive Beweislast (Feststellungslast) für die Tatsachen, welche die Annahme einer für die Klägerin steuerlich günstigen Einlage rechtfertigen könnte. Insoweit hat das FG aus den konkreten Sachumständen die Überzeugung gewonnen, dass eine Unverfallbarkeit nicht nachgewiesen wurde.

2. Für die Darlegung, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO), müssen rechtserhebliche abstrakte Rechtssätze in den jeweiligen Entscheidungen so genau bezeichnet werden, dass die Abweichung erkennbar ist. Diesem formellen Erfordernis wird die Klägerin mit dem Hinweis, dass das FG von BFH-Rechtsprechung (, BFHE 189, 45, BStBl II 2001, 612; vom I R 29/98, BFH/NV 1999, 972) abgewichen sei, weil es die außerhalb der Vertragsurkunde liegenden Umstände nicht gewürdigt und damit die BFH-Rechtsprechung nicht angewendet habe, nicht gerecht. Auch wenn eine fehlerhafte Anwendung der BFH-Rechtsprechung im konkreten Einzelfall vorliegen sollte, begründet dies (allein) nicht die Zulassung der Revision (z.B. , BFH/NV 2008, 239, m.w.N.).

3. Die Klägerin hat vorgetragen, das FG habe zu Unrecht angenommen, dass die Zusage eine Regelungslücke aufweise. Für eine sachgerechte Auslegung der Pensionszusage hätte das FG zumindest weitere Sachverhaltsaufklärung betreiben, z.B. die Auskunft sachverständiger Zeugen (Versicherungsmathematiker) oder von X über den Willen der Parteien bei Vertragsschluss einholen müssen. Dass das FG aus dem Fehlen einer ausdrücklichen Unverfallbarkeitsklausel auf eine Verfallbarkeit geschlossen habe, sei wegen mangelnder Sachaufklärung (Verstoß gegen § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verfahrensfehlerhaft. Mit diesem Vortrag wird ein Verfahrensfehler (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) nicht in der gebotenen Form dargelegt.

So fehlt es mit dem Vortrag, das FG habe weitere Sachaufklärung „z.B. (durch) die Auskunft sachverständiger Zeugen (Versicherungsmathematiker)” betreiben müssen, schon an einer genauen Bezeichnung des vermeintlich zu erhebenden Beweises (zu diesem Erfordernis z.B. , BFH/NV 2008, 576, m.w.N.). Im Übrigen hat das FG die Versorgungszusage, die betrieblichen Pensionsordnungen und den Sachvortrag der Klägerin einschließlich der von ihr präsentierten gutachterlichen Stellungnahmen einer ausführlichen Würdigung unterzogen, um letztlich die bestehenden Zweifel an einer Unverfallbarkeit der Zusage der Klägerin nach den allgemeinen Grundsätzen über die objektive Beweislast (Feststellungslast) aufzubürden. Der Angriff der Klägerin richtet sich letztlich gegen diese Sachverhaltswürdigung des FG. Darin liegt aber die Rüge falscher materieller Rechtsanwendung, die (als solche) nicht zur Zulassung der Revision führt.

Fundstelle(n):
JAAAC-87353