BFH Beschluss v. - IX B 27/08

Keine Divergenz bei anders gelagertem Sachverhalt; Rüge fehlerhafter Rechtsanwendung; Verfügungsberechtigter hat bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids Eigentum am Restitutionsobjekt

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 76, FGO § 96, EStG § 21

Instanzenzug:

Gründe

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Zum Teil entspricht ihre Begründung nicht den Darlegungsanforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO); im Übrigen liegen die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vor.

1. Es bleibt dahingestellt, ob die an die Grundstückgemeinschaft adressierten Feststellungsbescheide gemäß § 125 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) nichtig sind, weil sie sich —so das Finanzgericht (FG)— an eine nicht existierende Bruchteilsgemeinschaft richten. Entgegen der Ansicht der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) liegt mit Blick auf die vom FG angenommene Nichtigkeit der Bescheide die gerügte Divergenz zu den Entscheidungen des (BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183) und vom I R 309/82 (BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) nicht vor. Denn abweichend vom Streitfall wird in den BFH-Entscheidungen aufgrund anders gelagerter Sachverhalte die Frage der Nichtigkeit von Bescheiden anhand des Verwaltungshandelns einer unzuständigen Behörde (in BFHE 151, 354, BStBl II 1988, 183) und der Unbestimmtheit wegen einer ihrer Art nach nicht festgesetzten Steuer (in BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42) erörtert. Ein Fall des § 125 Abs. 5 AO ist zudem ersichtlich nicht gegeben; denn weder hat der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) eine Nichtigkeitsfeststellung nach Ermessen („kann”) getroffen noch haben die Kläger sie beantragt. Mit der ihrer Ansicht nach unzutreffenden Umsetzung des (BFHE 122, 400, BStBl II 1977, 737) auf die Besonderheiten des Streitfalls rügen die Kläger lediglich eine (vermeintlich) fehlerhafte Rechtsanwendung, also einen materiell-rechtlichen Fehler, womit aber die Zulassung der Revision nicht erreicht werden kann (vgl. z.B. , BFH/NV 2007, 715, m.w.N.). Im Übrigen wird das angegriffene FG-Urteil von einer —auch von den Klägern erkannten— Alternativ-Begründung getragen (dazu folgend unter 2. und 3.).

2. a) Die hinsichtlich des Treuhandverhältnisses und der Vermietungsabsicht als grundsätzliche Bedeutung geltend gemachten Divergenzen erfordern keine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechsprechung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO. Denn insoweit gehen die Kläger von einem aus ihrer Sicht nachgewiesenen und damit anderen Sachverhalt aus, während das FG einerseits mit der Restitution des streitbefangenen Grundstücks Frau H als Alleineigentümerin ansah und ein Treuhandverhältnis mit ihr als Treuhänderin nicht anerkannte und andererseits aufgrund der Einzelfall-Umstände, insbesondere der beabsichtigten und später erfolgten Veräußerung, eine auf Dauer angelegte Vermietungsabsicht ab der Restitution des Grundstücks verneinte. Insoweit rügen die Kläger im Kern die unzutreffende Umsetzung der BFH-Rechtsprechung sowie eine unzureichende Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das FG, rügen also eine fehlerhafte Rechtsanwendung, mithin materiell-rechtliche Fehler, die aber die Zulassung der Revision nicht rechtfertigen (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 104/07, BFH/ NV 2007, 2144; vom VIII B 172/05, BFH/NV 2006, 799, m.w.N.).

b) Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO; denn die aufgeworfene Rechtsfrage nach dem maßgebenden Zeitpunkt für die Vermietungsabsicht in Restitutionsfällen ist durch die BFH-Rechtsprechung (Urteil vom IX R 66/03, BFHE 209, 87, BStBl II 2005, 480, unter II. c; s.a. Urteile vom IX R 15/03, BFHE 209, 77, BStBl II 2005, 477, unter II. 2. a, und IX R 50/03, BFHE 209, 83, BStBl II 2005, 456, unter II. 1. a; Beschluss vom IX B 157/04, BFH/NV 2006, 727) hinreichend geklärt. Danach hat bis zur Bestandskraft des Rückübertragungsbescheids allein der Verfügungsberechtigte —und nicht (auch) der (Restitutions-)Berechtigte— das Eigentum am (Restitutions-)Objekt sowie die Rechtsstellung als Vermieter inne und entsprechenden Einfluss auf das Mietverhältnis, nur er erzielt demnach Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes. Auf dieser Basis war der Streitfall auch mit Blick auf die Vermietungsabsicht des Berechtigten so zu entscheiden, wie es das FG getan hat.

3. Eine Verletzung der Sachaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) als (verzichtbarem) Verfahrensmangel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) durch Übergehen von Beweisanträgen (vgl. BFH-Beschlüsse vom X B 115/97, BFH/NV 1999, 630; vom IX B 209/05, BFH/NV 2007, 80, m.w.N.) oder durch Unterlassen einer Amtsermittlung (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 136/03, BFH/NV 2005, 43; vom VIII B 187/05, BFH/NV 2007, 74) ist nicht gegeben. Zwar haben die Kläger die Beweise und Beweisangebote hinreichend bezeichnet; jedoch haben sie in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausweislich des Sitzungsprotokolls (zu dessen Beweiskraft s. § 94 FGO i.V.m. § 165 der ZivilprozessordnungZPO—) entsprechende Anträge nicht gestellt, also rügelos zur Sache verhandelt und damit durch bloßes Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge ihr Rügerecht verloren (§ 155 FGO i.V.m. § 295 ZPO; vgl. BFH-Beschlüsse vom IV B 98/01, BFH/NV 2003, 326; in BFH/NV 2007, 80, unter 3. b). Zudem ist nicht dargetan, warum dies nicht schon in der mündlichen Verhandlung vor dem FG geltend gemacht wurde oder weshalb die Rüge nicht möglich war (vgl. , BFH/NV 2007, 1179). Im Übrigen musste sich dem FG angesichts dessen maßgebenden materiell-rechtlichen Standpunkts (vgl. , BFH/NV 2005, 1065) eine weitere Sachaufklärung durch Beweiserhebung oder Aktenbeiziehung auch nicht aufdrängen.

Gleiches gilt für die gerügte Verletzung des rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 des GrundgesetzesGG—, § 96 Abs. 2 FGO) als (verzichtbaren) Verfahrensmangel. Zudem ist grundsätzlich davon auszugehen, dass das Gericht das von ihm entgegengenommene Vorbringen eines Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat; insbesondere ist das FG nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in der Begründung seiner Entscheidung ausdrücklich zu befassen oder gar der Ansicht eines Beteiligten zu folgen (vgl. , BFH/NV 2007, 1094, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1490 Nr. 9
YAAAC-86778