BGH Beschluss v. - VI ZB 2/08

Leitsatz

[1] Dem Rechtsanwalt obliegt eine Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende von seiner Fachangestellten richtig ermittelt worden ist, wenn ihm die Akten - etwa auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (Anschluss an Senat, Beschlüsse vom VI ZB 16/98 BRAK-Mitt. 1998, 269 und vom VI ZB 3/99 VersR 1999, 866; BGH, Beschlüsse vom VIII ZB 12/94 NJW 1994, 2831 und vom VIII ZB 19/01 VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.).

Gesetze: ZPO § 233 Fa

Instanzenzug: LG Detmold, 12 O 39/07 vom OLG Hamm, 13 U 159/07 vom

Gründe

I.

Der Kläger hat nach einem Verkehrsunfall von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schmerzensgeld sowie Ersatz materiellen Schadens von insgesamt 16.072,05 € nebst Zinsen begehrt. Das Landgericht hat einen geringen Teilbetrag zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellte Urteil hat der Kläger am Montag, den Berufung eingelegt. Mit Schriftsatz vom , beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, hat er die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist um einen Monat bis wegen urlaubs- und krankheitsbedingter Ausfälle im Büro seines Prozessbevollmächtigten beantragt. Auf den Hinweis des Berufungsgerichts vom (zugegangen am ), dass der Antrag erst nach Ablauf der Frist zur Begründung der Berufung eingekommen sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zugleich die Berufung begründet. Die seit Jahren beanstandungsfrei für seinen Prozessbevollmächtigten arbeitende Fachangestellte J. habe den Ablauf der Frist zur Berufungseinlegung auf , den der Frist zur Berufungsbegründung jedoch irrig auf notiert. Da in der einwöchigen Vorfrist vor Ablauf der notierten Berufungsbegründungfrist die Bearbeitung der Berufungsbegründung wegen einer nicht vorhersehbaren Arbeitsüberlastung durch krankheits- und urlaubsbedingte Ausfälle im Büro nicht habe erfolgen können, habe der Prozessbevollmächtigte am Tag des eingetragenen Fristablaufs die Mitarbeiterin G. angewiesen, die Begründungsfrist um einen Monat verlängern zu lassen. Diese habe irrtümlich den Auslauf der verlängerten Begründungsfrist auf Montag, den angenommen.

Mit Beschluss vom hat das Berufungsgericht den Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zurückgewiesen und die Berufung des Klägers als unzulässig verworfen. Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Prozessbevollmächtigte habe die von ihm selbst für erforderlich erachtete Kontrolle der mit der Notierung der Fristen beauftragten Fachangestellten nicht innerhalb der vorgesehenen Frist von zwei Monaten durchgeführt, sonst habe ihm der Falscheintrag im Fristenkalender zu dem Ablauf der Begründungsfrist am auffallen müssen. Aus welchem Grund dies unterblieben sei, trage der Kläger nicht vor. In Urlaubs- und Krankheitsfällen habe er jedoch die rechtzeitige Bearbeitung von Fristsachen sicherstellen müssen. Er habe auch nach Vorlage der Akten im Rahmen der Vorfrist nicht die notwendige Sorgfalt walten lassen. Wenn er schon die Mitarbeiterin J. nicht im Rahmen der vorgesehenen Frist habe überprüfen wollen, habe er doch die korrekte Fristnotierung prüfen müssen.

Gegen diesen, seinem Prozessbevollmächtigten am zugestellten Beschluss hat der Kläger am Rechtsbeschwerde eingelegt und diese innerhalb verlängerter Frist am begründet.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§§ 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 238 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die hier maßgeblichen Rechtsfragen durch Entscheidungen des Bundesgerichtshofs geklärt sind und das Berufungsgericht hiernach im Ergebnis zutreffend entschieden hat.

2. Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag des Klägers zu Recht zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Der Kläger hat die Berufungsbegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt. Das Versäumnis beruht auf dem Verschulden seines Prozessbevollmächtigten, das er sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat die Frist zur Berufungsbegründung schuldhaft versäumt, weil er die gebotene Fristenkontrolle nicht ausgeführt hat, als ihm die Akten zu der notierten Vorfrist (vgl. Senat, Beschluss vom - VI ZB 43/01 - VersR 2002, 506, 507; - NJW-RR 1997, 1289; vom - XII ZB 99/06 - FamRZ 2007, 275, 276) vorgelegt worden sind.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs obliegt einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden ist, wenn ihm die Akten - wie hier auf Vorfrist - zur Bearbeitung vorgelegt werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom - VI ZB 16/98 - juris Rn. 5 und vom - VI ZB 3/99 - VersR 1999, 866, 867; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 12/94 - NJW 1994, 2831, 2832 und vom - VIII ZB 19/01 - VersR 2002, 1391 f., jeweils m.w.N.). Diese Prüfung muss zwar nicht sofort erfolgen, weil die Vorfrist gerade den Sinn hat, dem Rechtsanwalt einen gewissen Spielraum zur Bearbeitung bis zum endgültigen Ablauf der Frist zu verschaffen. Sie kann daher auch noch am folgenden Tag vorgenommen werden (vgl. Senat, Beschlüsse vom - VI ZB 3/99 - aaO und vom - VI ZB 22/99 - VersR 2000, 202, 204; - aaO, S. 1392). Soll die Prüfung Sinn machen, darf sie jedoch nicht zurückgestellt werden, bis der Rechtsanwalt - ggf. erst am letzten Tag der Frist (vgl. Senat, Beschluss vom - VI ZB 10/97 - VersR 1997, 1252, 1253) - die eigentliche Bearbeitung der Sache vornimmt. Vielmehr entsteht die Prüfungspflicht mit Vorlage der Akten unabhängig davon, ob sich der Rechtsanwalt daraufhin zur sofortigen Bearbeitung der Sache entschließt (vgl. Senat, Beschlüsse vom - VI ZB 16/98 - aaO und vom - VI ZB 5/06 - VersR 2008, 233, 234; BGH, Beschlüsse vom - VIII ZB 38/91 - NJW 1992, 841; vom - VIII ZB 12/94 - aaO; vom - I ZB 50/96 - NJW 1997, 1708, 1709; vom - VIII ZB 19/01 - aaO). Dementsprechend muss sich der Rechtsanwalt, der die eigentliche Sachbearbeitung zurückstellen will, bei der Vorlage auf Vorfrist davon überzeugen, ob ihm am Tag des Fristablaufs noch Zeit für die Anfertigung der Rechtsmittelbegründung oder für einen Antrag auf Verlängerung der Begründungsfrist verbleibt (Senat, Beschlüsse vom - VI ZB 10/97 - und vom - VI ZB 16/98 - aaO). Auch hat der Senat bereits früher ausgeführt, der Rechtsanwalt habe jedenfalls dann Anlass zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das Fristende richtig ermittelt und festgehalten sei, wenn ihm die Sache anlässlich des bevorstehenden Fristablaufs vorgelegt werde; dass diese Verpflichtung auch und gerade dann entstehe, wenn dem Rechtsanwalt die Akten auf Vorfrist zur Anfertigung der Rechtsmittelbegründung vorgelegt werden, sei im Hinblick auf die Warnfunktion der Vorfrist selbstverständlich und bedürfe deshalb keiner näheren Darlegungen (vgl. Senat, Beschluss vom - VI ZB 16/98 - aaO).

Entscheidend ist, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers, nachdem ihm die Akte zur Vorfrist vorgelegt worden war, die Bearbeitung der Berufungsbegründung auf den letzten Tag der notierten Frist verschoben hat, ohne die notierte Frist auf ihre Richtigkeit zu überprüfen.

Da dem Antrag auf Wiedereinsetzung nicht stattzugeben war, hat das Berufungsgericht die Berufung des Klägers wegen Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht als unzulässig verworfen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 3439 Nr. 47
DAAAC-84442

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: nein