Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 349 Abs. 2; StPO § 349 Abs. 4; StPO § 354; StGB § 46 Abs. 3; StGB § 177 Abs. 1 Nr. 1; StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1; StGB § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2; JGG § 31 Abs. 1; JGG § 31 Abs. 2 Satz 1; JGG § 31 Abs. 3; JGG § 105 Abs. 2
Instanzenzug: LG Marburg, vom
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten K. wegen Vergewaltigung zu einer Jugendstrafe von drei Jahren, den Angeklagten I. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit vorsätzlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten haben in dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen sind sie unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.
1. Die Urteilsformel ist dahin zu berichtigen, dass der Angeklagte K. nicht wegen Vergewaltigung, sondern wegen sexueller Nötigung verurteilt ist. Nach den Feststellungen des Landgerichts war der Angeklagte K. zwar an der Gewaltausübung, nicht aber an den sexuellen Handlungen gegenüber der Geschädigten Ko. beteiligt. Das Landgericht hat dies für den Angeklagten K. zwar rechtlich zutreffend als gemeinschaftlich begangene Straftat nach § 177 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB gewertet. Die Bezeichnung als "Vergewaltigung" im Urteilstenor ist jedoch fehlerhaft, da der Begriff der Vergewaltigung in § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB legal definiert ist und nur die dort genannten eigenen sexuellen Handlungen des Täters umfasst. Der Schuldspruch bei dem hier vorliegenden Regelbeispiel nach § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 StGB erfolgt (nur) "wegen sexueller Nötigung" (siehe Fischer StGB 55. Aufl. § 177 Rdn. 75 m.N.).
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass nach der Urteilsformel die angewendeten Vorschriften nach Paragraph, Absatz, Nummer, Buchstabe und mit der Bezeichnung des Gesetzes aufzuführen sind (§ 260 Abs. 5 Satz 1 StPO).
2. Der Strafausspruch bei dem Angeklagten K. hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts kommt eine Richtigstellung der Urteilsformel dahingehend, dass der Angeklagte K. "wegen Vergewaltigung" unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Frankenberg vom - 1 Js 13006/04 - zu einer Einheitsjugendstrafe von drei Jahren verurteilt ist, nicht in Betracht. Das Landgericht führt hierzu zwar aus, dass das betreffende Urteil vom zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten wegen Diebstahls und wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in die Jugendstrafe von drei Jahren "nach dem Willen der Kammer ... gemäß § 31 Abs. 1 JGG einbezogen sein" sollte, bei der Abfassung des Urteilstenors "die Einbeziehung jedoch aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen unterblieben und nicht bemerkt worden" sei. Daraus ergibt sich jedoch lediglich, dass die Strafkammer das betreffende Urteil einbeziehen wollte. Für die Berichtigung eines offensichtlichen Versehens durch den Senat analog § 354 StPO ist jedoch zusätzlich erforderlich, dass sich die rechtlichen Voraussetzungen für eine solche nach den §§ 31 Abs. 2 Satz 1, 31 Abs. 3, 105 Abs. 2 JGG grundsätzlich zulässige Einbeziehung eindeutig aus den Urteilsgründen ergeben und ihr Vorliegen vom Senat überprüft werden kann. Dies ist hier jedoch aus mehreren Gründen nicht der Fall.
a) Die Einbeziehung setzt zunächst allgemein voraus, dass sich die Sachverhaltsdarstellung auf das einbezogene Urteil erstreckt, da nur so die Sanktionsbegründung nachvollziehbar ist. Das bedeutet, dass die früheren Taten kurz dargestellt und die Strafzumessungserwägungen kurz mitgeteilt werden (BGH StV 1998, 344; BGHR JGG § 31 Abs. 2 Einbeziehung 3). Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Zwar werden hinsichtlich des Angeklagten K. in knapper, noch ausreichender Form die Sachverhalte wieder gegeben, die der Verurteilung des Amtsgerichts Frankenberg vom (oder vom - UA 4) zugrunde liegen, wobei allerdings für die Straftat des Fahrens ohne Fahrerlaubnis mit dem eine Tatzeit angegeben wird, die zeitlich nach den verschiedenen in den Urteilsgründen aufgeführten Urteilszeitpunkten liegt. Jedoch fehlt es vollständig an den die frühere Verurteilung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten tragenden Zumessungserwägungen. Dies ist hier von besonderer Bedeutung, da nach Einschätzung des Landgerichts die "beratene Einbeziehung ... einen nicht unwesentlichen Teil der Begründung der Höhe der vorliegend ausgesprochenen Einheitsjugendstrafe" enthält.
b) Darüber hinaus erfordert die Verhängung einer Einheitsjugendstrafe unter Einbeziehung eines auf Freiheitsstrafe lautenden Urteils eine Neubeurteilung der früheren Taten, ob aufgrund neuer Erkenntnisse für sie Jugendstrafe anwendbar ist. Diese Neubeurteilung muss aufgrund einer Gesamtbewertung der bereits abgeurteilten und der neuen Taten erfolgen (BGHSt 37, 35, 37). Auch daran fehlt es hier. Die Erwägung des Landgerichts, dass "die fehlende Reife ... nach den heutigen und besseren Erkenntnissen zweifellos auch zur Zeit der in jenen Entscheidungen abgehandelten Taten" bestand, ist floskelhaft und genügt den Anforderungen an eine Neubewertung der einzubeziehenden und ihrer Gesamtbetrachtung mit den neu abzuurteilenden Taten nicht. Die Anwendung von Jugendstrafrecht auf die früheren Taten verstand sich vorliegend mit Rücksicht darauf, dass gegen den zur Tatzeit 20 Jahre und 10 Monate alten Angeklagten zuvor bereits drei Verurteilungen nach Erwachsenenstrafrecht ergangen waren, auch nicht von selbst. Es ist außerdem nicht dargelegt und nicht ersichtlich, dass der vom Landgericht vor allem zur Begründung der Anwendung von Jugendstrafrecht auf die hier abgeurteilte Tat herangezogene Umstand, der Angeklagte habe erkennbar schwer und lange unter den verworrenen und verwirrenden Verhältnissen seiner Eltern zu leiden gehabt und lange gebraucht, um sich in seiner Rolle als Sohn zurecht zu finden, nicht schon bei den früheren Urteilen hätte berücksichtigt werden können.
3. Auch der Strafausspruch hinsichtlich des Angeklagten I. begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das Landgericht hat zu Lasten des zur Tatzeit 26 Jahre alten Angeklagten I. gewertet, dass "die Gesinnung, die aus der Tat spricht ... eine nur ichbezogene" gewesen sei, "welche das angetrunkene und deshalb eher hilflose Opfer als bloßes Objekt der eigenen sexuellen Begierde betrachtet". Diese Erwägung ist rechtsfehlerhaft. Sie verstößt gegen das Verbot des § 46 Abs. 3 StGB, Umstände, die schon Merkmale des gesetzlichen Tatbestandes sind, bei der Strafzumessung zu berücksichtigen. Denn der Schutz des Opfers vor nötigender Durchsetzung des Bedürfnisses des Täters nach sexueller Befriedigung durch - besonders erniedrigende - sexuelle Handlungen ist der Strafgrund des § 177 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 StGB und darf daher nicht strafschärfend berücksichtigt werden. Daran ändert auch nichts, dass die Kammer innerhalb dieser Wendung den Zustand des Opfers als "angetrunken" und "eher hilflos" bezeichnet; denn dies ist nur ein erläuternder Zusatz, der weder den Aussagegehalt der Wendung berührt, noch mit Rücksicht auf das festgestellte Tatgeschehen besondere Umstände darlegt, die über die Erfüllung des Tatbestandes der Vergewaltigung hinausgehen.
Die strafschärfende Erwägung des Landgerichts, ein Bemühen um Schadenswiedergutmachung sei nicht erkennbar, ist ebenfalls zu beanstanden. Zwar ist es nicht grundsätzlich ausgeschlossen, das Unterlassen einer Schadenswiedergutmachung zu Lasten eines geständigen Täters zu berücksichtigen (BGHSt 34, 345; BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 12). Das setzt jedoch voraus, dass der Täter durch eine Wiedergutmachung seine Verteidigungsposition nicht in Frage stellt (BGHR StGB § 46 Abs. 2 Nachtatverhalten 22). Die Begründung des Landgerichts, eine solche Wiedergutmachung hätte darin bestehen können, die Geschädigte "nicht dadurch, dass er ihre Angaben für unwahr hinstellte, in die Vernehmung zu zwingen oder sich bei ihr - in ihrem Beisein - zu entschuldigen", lässt jedoch besorgen, dass die Kammer dem Angeklagten, der nach den Urteilsfeststellungen erst am Ende der Beweisaufnahme geständig war, rechtsfehlerhaft zulässiges Verteidigungsverhalten angelastet hat. Denn ebenso wenig wie das Fehlen eines Geständnisses strafschärfend gewertet werden darf, darf bei der Strafzumessung zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden, dass er die Tat nicht schon früher gestanden hat.
Der Senat kann angesichts dessen trotz der an sich nach den getroffenen Feststellungen maßvoll bemessenen Strafe nicht mit Sicherheit ausschließen, dass bei Vermeidung der bezeichneten Rechtsfehler auf eine geringere Strafe erkannt worden wäre.
Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass Leerformeln wie die Bewertung der "Beweggründe und Ziele" des Angeklagten als "ausschließlich ichbezogen" sowie moralisierende Beschreibungen seines Verhaltens als "sehr schäbig", regelmäßig nicht geeignet sind, den Strafausspruch zu tragen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
UAAAC-83849
1Nachschlagewerk: nein