BFH Urteil v. - I R 56/07

Keine erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen (hier: bei Betrieb eines Schwimmbades)

Leitsatz

Die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags für Grundstücksunternehmen gem. § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG ist nicht zu gewähren, wenn eine Tätigkeit außerhalb des in der Vorschrift ausdrücklich angeführten "erlaubten" Bereichs ausgeübt wird. Die mit der entgeltlichen Überlassung von Nutzungszeiten eines Schwimmbads einhergehende Tätigkeit geht über den Kreis einer vermögensverwaltenden Tätigkeit hinaus, wenn das Grundstücksunternehmen an Dritte eine einem unternehmerischen Schwimmbadbetrieb vergleichbare (Gesamt-)Leistung erbringt, die über die bloße Gebrauchsüberlassung einer Räumlichkeit hinausgeht.

Gesetze: GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Streitig ist, ob die so genannte erweiterte Kürzung für Grundstücksunternehmen gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) zu gewähren ist.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine eingetragene Genossenschaft (eG), erzielt als Körperschaft des privaten Rechts kraft Rechtsform gewerbliche Einkünfte durch die Vermietung eigenen Grundbesitzes (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG). Der Grundbesitz der Klägerin wird von ihren Genossenschaftsmitgliedern vorwiegend zu eigenen Wohnzwecken genutzt. Ein Teil des Grundbesitzes (unter 0,18 % der vermietbaren Flächen von insgesamt über 370 000 qm) diente im Streitjahr 2001 der gewerblichen Betätigung von Genossenschaftsmitgliedern. Außerdem unterhielt die Klägerin ein (Hallen-)Schwimmbad, dessen (entgeltliche) Nutzung in erster Linie den Genossenschaftsmitgliedern sowie deren Angehörigen vorbehalten war. Für den Schwimmbadbetrieb waren von der Klägerin behördliche Genehmigungen eingeholt worden; sie war darüber hinaus für die Einhaltung der Sicherheits- und Gesundheitsbestimmungen, für die Gestellung der Badeaufsicht, das Bereithalten der Dusch-, Desinfektions- und Umkleidegelegenheiten sowie für die Vereinnahmung der Entgelte der Badegäste zuständig. Darüber hinaus wurde das Schwimmbad im Streitjahr stundenweise an drei weitere Nutzer vermietet, die dort im Rahmen ihrer eigenen beruflichen/gewerblichen Betätigung (ohne Badeaufsicht durch die Klägerin) für ihre Kunden bzw. Patienten Schwimmunterricht erteilten bzw. Kurse in Wassergymnastik und therapeutische Schwimmübungen abhielten. Das auf die gesamte Schwimmhallennutzung entfallende wirtschaftliche Ergebnis war stets defizitär.

Dem Antrag der Klägerin, bei der Ermittlung des Gewerbeertrages im Rahmen der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu berücksichtigen, entsprach der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht (Bescheid vom ; Feststellung des vortragsfähigen Gewerbeverlustes zum auf . DM unter Berücksichtigung einer Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG in Höhe von . DM). Die Klage blieb erfolglos (Finanzgericht —FG— Berlin-Brandenburg, Urteil vom 12 K 6372/04 B, Entscheidungen der Finanzgerichte —EFG— 2007, 1717).

Die Klägerin rügt die Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den vortragsfähigen Gewerbeverlust unter Berücksichtigung des Kürzungsbetrages des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG auf ./. . DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat die Anwendung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG zu Recht ausgeschlossen.

1. Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können u.a. solche Unternehmen, die ausschließlich eigenen Grundbesitz oder neben eigenem Grundbesitz eigenes Kapitalvermögen verwalten und nutzen, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes (dazu § 9 Nr. 1 Satz 1 GewStG) um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt (so genannte erweiterte Kürzung). Die Regelung des § 9 Nr. 1 GewStG hat den Zweck, Doppelbelastungen innerhalb des Rechts der Realsteuern (durch Grundsteuer und Gewerbesteuer) zu vermeiden und insbesondere Kapitalgesellschaften, sowie Erwerbs- und Wirtschaftsgenossenschaften, die —wie auch die Klägerin— kraft Rechtsform gewerbesteuerpflichtig sind (§ 2 Abs. 2 Satz 1 GewStG), hinsichtlich ihrer gewerbesteuerlichen Belastung solchen Einzelpersonen oder Personengesellschaften, die eine nicht gewerbesteuerpflichtige Grundstücksverwaltung betreiben, gleichzustellen (, BFHE 192, 100, BStBl II 2001, 359; vom VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 45, jeweils m.w.N.). Die Klägerin hat einen Antrag auf Anwendung der Kürzungsregelung gestellt.

2. Der persönliche Anwendungsbereich der gesetzlichen Regelung ist jedoch insoweit eingeschränkt, als ein Steuerpflichtiger die begünstigte Tätigkeit der Verwaltung und Nutzung eigenen Grundbesitzes „ausschließlich” ausüben muss bzw. daneben nur die Verwaltung eigenen Kapitalvermögens bzw. die Errichtung und Veräußerung bestimmter Wohngebäude (§ 9 Nr. 1 Sätze 2 und 3 GewStG) betreiben darf; eine Tätigkeit außerhalb des ausdrücklich angeführten „erlaubten” Bereichs führt zum Ausschluss der Begünstigung.

a) Das Betreiben des Schwimmbades ist entgegen der Revision im Rahmen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG von Bedeutung. Die mit der entgeltlichen Überlassung von Nutzungszeiten eines Schwimmbades einhergehende Tätigkeit geht über den Kreis einer vermögensverwaltenden Tätigkeit hinaus. Insoweit unterscheidet sich der Streitfall von der im Senatsurteil vom I R 50/75 (BFHE 122, 534, BStBl II 1977, 778) entschiedenen Konstellation der Vermietung eines Bewegungsschwimmbades an eine Mieterin, die dort ein Schlankheits- und Schönheitsinstitut betrieb. Der damals zu beurteilende Sachverhalt war dadurch geprägt, dass die Steuerpflichtige ihren Tätigkeitsumfang auf eine reine Vermietung der Fläche beschränkt hatte; so konnten zwar die Wohnungsmieter der Steuerpflichtigen das Schwimmbad auch nutzen, aber nur gegen Zahlung eines Entgelts an die Instituts- und Schwimmbadbetreiberin. Im Streitfall hingegen hat die Klägerin das Schwimmbad selbst betrieben. Zwar hatten die gewerblichen/beruflichen (Fremd-)Nutzer die Badeaufsicht während ihrer Nutzungszeiten inne; die Klägerin hatte aber die für den gesamten Badebetrieb erforderliche Genehmigung eingeholt und das Einhalten badehygienischer Vorschriften (z.B. Wasserqualität) lag während der gesamten Betriebszeit in ihrer Verantwortung, ebenso z.B. die Raum- und Anlagenreinigung. Damit hat die Klägerin an Dritte eine einem unternehmerischen Schwimmbadbetrieb vergleichbare (Gesamt-)Leistung erbracht, die über die bloße Gebrauchsüberlassung einer Räumlichkeit hinausgeht (s. zur Schädlichkeit „besonderer Dienstleistungen” auch Güroff in Glanegger/Güroff, GewStG, 6. Aufl., § 9 Nr. 1 Rz 22a; Roser in Lenski/Steinberg, GewStG, § 9 Nr. 1 Rz 144 f.).

Dass mit den Nutzern langfristige Verträge abgeschlossen wurden (Ausschluss einer kurzfristigen Überlassung an wechselnde Mieter), ändert an diesem Ergebnis nichts. Denn ausschlaggebend ist nicht eine mit einem häufigen Nutzerwechsel verbundene Organisationslast, sondern die nutzungsunabhängige Betreibertätigkeit der Klägerin. Diese hat damit eine Tätigkeit ausgeübt, die einen „gewerblichen Charakter” (Senatsurteil vom I R 66/88, BFHE 162, 437, BStBl II 1991, 249) aufweist, ohne dass es insoweit entscheidend ist, ob mit dieser Tätigkeit alle Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfüllt sind (s. insoweit insb. Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 73; Glanegger/ Güroff, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 23; Steuererlasse in Karteiform —StEK—, GewStG § 9 Nr. 26; in der Sache auch StEK GewStG § 9 Nr. 52 [zum Betrieb von Photovoltaikanlagen]; a.A. Roser in Lenski/Steinberg, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 129).

b) Das Betreiben des Schwimmbades ist nicht dem begünstigten Tätigkeitsbereich der Grundstücksverwaltung zuzuordnen. Zwar hat die Rechtsprechung in den Begriff der Grundstücksverwaltung auch „Nebengeschäfte” einbezogen, zugleich aber diesen Bereich nur auf Geschäfte erstreckt, die der Grundstücksnutzung und -verwaltung im eigentlichen Sinne dienen und als „zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung und -nutzung angesehen werden” können (z.B. Senatsurteil vom I R 214/75, BFHE 122, 531, BStBl II 1977, 776; , BFH/NV 1994, 338; Senatsbeschluss vom I R 24/01, BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355; BFH-Urteil in BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778). Hierzu zählt insbesondere der Betrieb notwendiger Sondereinrichtungen für die Mieter und von notwendigen Sondereinrichtungen im Rahmen der allgemeinen Wohnungsbewirtschaftung, etwa die Unterhaltung von zentralen Heizungsanlagen, Gartenanlagen und Ähnlichem (BFH-Urteil in BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778). Auch wenn die Überlassung eines Schwimmbades, sofern es ausschließlich den Mietern (Genossenschaftsmitgliedern) zur Verfügung steht und diese hierfür kein gesondertes Entgelt entrichten müssen, einbezogen wird (Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 71; Hofbauer, Deutsches Steuerrecht 1983, 598, 600 f.), gehört die entgeltliche Überlassung an Dritte (in dieser Zeit unter Ausschluss einer Nutzung durch die Genossenschaftsmitglieder) nicht dazu. Nicht jede zweckmäßige, in der Praxis häufiger vorkommende und positive Einkünfte generierende (bzw. negative Einkünfte verringernde) Vereinbarung ist zwingend notwendiger Teil einer wirtschaftlich sinnvoll gestalteten eigenen Grundstücksverwaltung.

3. Mit diesen Maßgaben für die Auslegung des § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG wird nicht in verfassungswidriger Weise in die Rechtsposition der Klägerin eingegriffen. Indem § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG —abweichend von § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG, aber auch z.B. von der in § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG enthaltenen, kürzungsschädlichen Einschränkung— die Ausschließlichkeit der begünstigten sowie der im Einzelnen aufgeführten nicht begünstigten, aber erlaubten Tätigkeiten verlangt, belässt die Vorschrift insofern keine Auslegungsspielräume. Ausnahmen wegen Geringfügigkeit sind auch nicht aufgrund des verfassungsrechtlich gewährleisteten Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) geboten. Der Gesetzgeber ist grundsätzlich darin frei, tatbestandliche Voraussetzungen und Erfordernisse zu normieren, die erfüllt sein müssen, um in den Genuss einer steuerlichen Vergünstigung zu gelangen. Er kann daher den Regelungszweck der rechtsformunabhängigen Freistellung der grundbesitzverwaltenden Tätigkeit auf solche Steuersubjekte beschränken, die ihre Geschäftstätigkeit auf diesen Bereich konzentrieren. Der Senat verbleibt insoweit bei dieser schon in seinem Beschluss in BFHE 200, 54, BStBl II 2003, 355, sowie in seinen Urteilen vom I R 89/03 (BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080) und vom I R 54/04 (BFH/NV 2006, 1148) geäußerten Auffassung (s. auch , BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659; Blümich/Gosch, § 9 GewStG Rz 69 f., 72; Glanegger/Güroff, a.a.O., § 9 Nr. 1 Rz 23; Herlinghaus, EFG 2005, 1291 f.). Davon abgesehen sind Einnahmen aus der Schwimmbadnutzung in Höhe von ca. . DM dem absoluten Betrag nach nicht geringfügig.

4. Der Senat kann auf dieser Grundlage offenlassen, ob ein Ausschluss der erweiterten Kürzung im Streitfall auch aus dem Umstand folgt, dass Teile des Grundbesitzes gewerblichen Zwecken von Genossenschaftsmitgliedern dienen (§ 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG). Jedenfalls wäre die Geringfügigkeit der überlassenen Grundfläche insoweit kein Hindernis (, BStBl II 2007, 893).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1359 Nr. 8
BFH/PR 2009 S. 260 Nr. 7
EStB 2008 S. 276 Nr. 8
HFR 2008 S. 1157 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 43/2008 S. 14
SAAAC-83306