BGH Beschluss v. - VIII ZB 67/07

Leitsatz

[1] Hat das Gericht Prozesskostenhilfe versagt, weil die Kosten der Prozessführung voraussichtlich vier Monatsraten um ca. 50 € unterschreiten, kann im Verfahren der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist dem Antragsteller nicht entgegengehalten werden, er habe vernünftigerweise nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen.

Gesetze: ZPO § 115 Abs. 4; ZPO § 233 B

Instanzenzug: AG Aschaffenburg, 19 C 2980/06 vom LG Aschaffenburg, 2 S 75/07 vom

Gründe

I.

Der Beklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts Aschaffenburg vom , ihm zugestellt am , zur Zahlung von 2.253,21 € verurteilt worden. Mit einem am (Montag) beim Landgericht Aschaffenburg eingegangenen Schriftsatz vom hat der Beklagte Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug beantragt.

Mit Beschluss vom hat das Landgericht Aschaffenburg den Antrag auf Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Kammer ausgeführt, bei den vom Beklagten im Fall einer Bewilligung zu leistenden Monatsraten in Höhe von 250 € würden die zu erwartenden Kosten der Prozessführung (952,96 €) vier Monatsraten nicht übersteigen (§ 115 Abs. 4 ZPO).

Dieser Beschluss ist dem Beklagten nicht vor dem mitgeteilt worden. Mit Schriftsatz vom , eingegangen bei Gericht am nächsten Tag, hat der Beklagte Berufung eingelegt und gleichzeitig Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist beantragt.

Mit Beschluss vom hat die Berufungskammer den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung des Beklagten verworfen. Gegen diesen am zugestellten Beschluss richtet sich die am (Montag) eingegangene Rechtsbeschwerde.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft nach § 522 Abs. 1 Satz 4 i.V.m. § 238 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Sie ist nach § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO auch zulässig, weil die Versagung der Wiedereinsetzung den Anspruch des Beklagten auf wirkungsvollen Rechtsschutz verletzt (vgl. etwa , NJW 2004, 367, unter II 1 bb).

2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in die versäumte Berufungsfrist zu Unrecht abgelehnt. Der Beklagte hat die Frist zur Einlegung der Berufung ohne Verschulden versäumt (§ 233 ZPO). Nach allgemeiner Ansicht beginnt die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung nach beantragter Prozesskostenhilfe für die Rechtsmitteleinlegung grundsätzlich (erst) mit dem Zugang der Entscheidung über die Prozesskostenhilfe. Allerdings setzt dies voraus, dass die antragstellende Partei vernünftigerweise annehmen darf, sie sei bedürftig im Sinne der Kriterien zur Beurteilung der Prozesskostenhilfe (Musielak/Grandel, ZPO, 6. Aufl., § 233 Rdnr. 30). Das war hier der Fall. Die Gewährung von Prozesskostenhilfe hing hier von zwei Faktoren ab, die der Beklagte im Voraus nicht hinreichend sicher einschätzen konnte: einmal von der Frage, ob und in welcher Höhe das Gericht bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe Ratenzahlungen anordnen würde, und zweitens davon, ob die Gerichtskosten sodann vier Monatsraten voraussichtlich übersteigen würden. Nach der Berechnung des Landgerichts überschreiten vier anzunehmende Monatsraten die voraussichtlichen Gerichtskosten (ohne Kosten einer eventuellen Beweisaufnahme) nur um knapp 50 €. Bei diesen Unwägbarkeiten kann dem Beklagten nicht entgegengehalten werden, er habe vernünftigerweise nicht mit der Gewährung von Prozesskostenhilfe rechnen dürfen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 1238 Nr. 17
OAAAC-83209

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja