BFH Urteil v. - VI R 13/07

Kosten für eine Sprachreise als Werbungskosten

Leitsatz

Bei einer nicht am Wohnort stattfindenden Fortbildungsveranstaltung setzt der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist u. a. der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zugrunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet. Diese Voraussetzungen können im Einzelfall auch erfüllt sein, wenn ein Sprachlehrgang zum Erwerb oder zur Sicherung eines Arbeitsplatzes erforderlich ist oder auf die besonderen beruflichen oder betrieblichen Interessen des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist. Auch die in einer Fremdsprache vermittelten fachspezifischen Informationen, etwa in Form wirtschaftswissenschaftlicher Vorlesungen, können der Erweiterung der Sprachkompetenz förderlich und damit beruflich veranlasst sein.

Gesetze: EStG § 9

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Nach einem abgeschlossenen Studium als Wirtschaftsingenieur war der Kläger bis zum zunächst als angestellter Unternehmensberater tätig. Seit ist er bei . Deutschland (Arbeitgeber) und dort als Berater im IT-Bereich tätig.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2000 machte der Kläger bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit u.a. Aufwendungen für einen Auslandssprachkurs in Höhe von 10 691 DM als Werbungskosten geltend. Nach den vorgelegten Unterlagen hielt sich der Kläger vom 1. Mai bis zum in England auf und besuchte in dieser Zeit das . College. Gegenstand der Unterlagen waren auch ein Wochenstundenplan (Timetable) und eine Zusammenfassung der Themenschwerpunkte (Topics Course Program) sowie ein Zertifikat des London Chamber of Commerce Examinations Board (LCCIEB) vom Juni 2000, wonach der Kläger eine Prüfung in „English for Business” bestanden hat. Zudem legte der Kläger u.a. vor:

- Flugtickets für den Hin- und Rückflug am 1. Mai und ;

- Nachweise über die Zahlung einer Kursgebühr in Höhe von insgesamt 1 170 brit. Pfund an das College vom 13. April und ;

- Nachweis über die Zahlung einer Prüfungsgebühr vom .

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid die geltend gemachten Aufwendungen nicht. Er vertrat u.a. die Auffassung, ein Inlandssprachkurs hätte den gleichen Erfolg gehabt. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 110 veröffentlichten Gründen ab.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Die Kläger beantragen sinngemäß, das Urteil des Hessischen aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid des FA vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahin zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten in Höhe von 10 691 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

1. Der von den Klägern ordnungsgemäß gerügte Verfahrensmangel ist gegeben. Das FG hat § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO dadurch verletzt, dass es dem Beweisantritt der Kläger nicht gefolgt ist und den Zeugen R nicht vernommen hat.

Das FG darf auf die von einem Beteiligten beantragte Beweiserhebung im Regelfall nur verzichten, wenn das Beweismittel für die zu treffende Entscheidung unerheblich ist, wenn die in Frage stehende Tatsache zugunsten des Beweisführenden als wahr unterstellt werden kann, wenn das Beweismittel unerreichbar ist oder wenn das Beweismittel unzulässig oder absolut untauglich ist (, BFH/NV 2006, 753, m.w.N.). Keiner der genannten Gründe lag im Streitfall vor.

Die unter Beweis gestellte Tatsache, dass die Beherrschung der englischen Sprache Voraussetzung für die Einstellung beim Arbeitgeber sei, war ausgehend vom materiell-rechtlichen Standpunkt des FG rechtserheblich. Nach der auch im angefochtenen Urteil zitierten Rechtsprechung des BFH, der sich das FG angeschlossen hat, setzt bei einer nicht am Wohnort stattfindenden Fortbildungsveranstaltung der Abzug von Reisekosten als Werbungskosten voraus, dass die Reise ausschließlich oder nahezu ausschließlich der beruflichen Sphäre zuzuordnen ist. Das ist u.a. der Fall, wenn der Reise ein unmittelbarer beruflicher Anlass zu Grunde liegt und die Verfolgung privater Reiseinteressen nicht den Schwerpunkt der Reise bildet (, BFHE 200, 250, BStBl II 2003, 369; vom VI R 89/02, BFH/NV 2006, 934). Diese Voraussetzungen können im Einzelfall auch erfüllt sein, wenn ein Sprachlehrgang zum Erwerb oder zur Sicherung eines Arbeitsplatzes erforderlich ist (, BFH/NV 2006, 1075).

Da das FG vor Durchführung der Zeugenvernehmung nicht wissen konnte, welche konkreten Angaben der Zeuge R zur Bedeutung von Fremdsprachenkenntnissen als Einstellungskriterium machen würde, und nicht ausgeschlossen werden konnte, dass hierdurch die vom FG gewürdigten Umstände —wozu auch die von diesem in Frage gestellte Nachweisführung zählt— in einem anderen Licht erschienen, war der Verzicht auf die beantragte Vernehmung nicht zulässig. Mit der Begründung, R sei nicht in der Personalabteilung des Arbeitgebers tätig und damit auch nicht für Einstellungen zuständig, so dass sich seine Einvernahme erübrige, hat das FG eine unzulässige vorweggenommene Würdigung des von den Klägern angebotenen Beweises vorgenommen (vgl. dazu , BFH/NV 2001, 1281).

Die Kläger haben ihr Rügerecht nicht verloren. Zwar handelt es sich bei dem Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung um einen solchen, auf dessen Rüge verzichtet werden kann (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der Zivilprozessordnung). Auch geht bei verzichtbaren Verfahrensmängeln das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG, sondern auch durch das bloße Unterlassen einer rechtzeitigen Rüge verloren. Dies gilt jedoch nicht, wenn sich der gerügte Verfahrensverstoß erst aus den Entscheidungsgründen selbst ergibt, den Beteiligten daher eine rechtzeitige Rüge in der mündlichen Verhandlung nicht möglich war (, BFH/NV 2008, 219, m.w.N.).

2. In materiell-rechtlicher Hinsicht weist der Senat darauf hin, dass es nach seiner Rechtsprechung ausreicht, wenn der Sprachkurs auf die besonderen beruflichen oder betrieblichen Interessen des Steuerpflichtigen zugeschnitten ist (, BFHE 199, 347, BStBl II 2003, 765). Deshalb können auch die in einer Fremdsprache vermittelten fachspezifischen Informationen etwa in Form wirtschaftswissenschaftlicher Vorlesungen der Erweiterung der Sprachkompetenz förderlich und damit beruflich veranlasst sein.

3. Der Senat hält es für angezeigt, die Streitsache an den zuständigen Vollsenat des FG zurückzuverweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:




Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1356 Nr. 8
EStB 2008 S. 276 Nr. 8
NWB-Eilnachricht Nr. 32/2008 S. 9
YAAAC-82773