Falsche Angaben des Ausführers in der Ausfuhrerklärung; Nichteinhaltung von materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs
Leitsatz
[1] Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom geänderten Fassung ist dahin auszulegen, dass die dort vorgesehene Sanktion gegen einen Ausführer, der eine Ausfuhrerstattung für eine Ware beantragt hat, verhängt werden kann, wenn diese Ware infolge des betrügerischen Verhaltens seines Vertragspartners nicht ausgeführt worden ist.
Gesetze: Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 Art. 11 Abs. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 3665/87 der Kommission vom über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 351, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2945/94 der Kommission vom (ABl. L 310, S. 57; Berichtigung: ABl. 1995, L 132, S. 22) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 3665/87).
2 Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der AOB Reuter & Co. (im Folgenden: AOB Reuter) und dem Hauptzollamt Hamburg-Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) wegen der Verhängung von Sanktionen infolge der Zahlung einer Erstattung, die auf der Grundlage von Papieren gewährt wurde, die von einem Dritten gefälscht worden waren.
Rechtlicher Rahmen
3 Die Erwägungsgründe 1 bis 3 und 5 der Verordnung Nr. 2945/94 lauten:
"Nach der geltenden Gemeinschaftsregelung werden Ausfuhrerstattungen einzig und allein anhand objektiver Kriterien gewährt, die insbesondere Quantität, Art und Merkmale des Ausfuhrerzeugnisses sowie seine geografische Bestimmung betreffen. Da aufgrund der bisherigen Erfahrungen insbesondere zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker bekämpft werden sollten, müssen zu Unrecht gezahlte Beträge zurückgefordert und Sanktionen vorgesehen werden, welche die Ausführer veranlassen, das Gemeinschaftsrecht einzuhalten.
Damit die Ausfuhrerstattungen ordnungsgemäß gewährt werden, müssen Sanktionen unabhängig vom Anteil subjektiver Schuld verhängt werden. Von der Verhängung einer Sanktion sollte jedoch insbesondere dann abgesehen werden, wenn es sich um einen offensichtlichen, von der zuständigen Behörde anerkannten Irrtum handelt. Vorsatz ist jedoch stärker zu ahnden.
Die Angaben eines Ausführers könnten, sofern der wahre Sachverhalt nicht erkannt wird, unrechtmäßige Zahlungen zur Folge haben. Wird der wahre Sachverhalt festgestellt, so erscheint es angemessen, den Ausführer nach Maßgabe des Betrags zu bestrafen, den er sonst zu Unrecht erhalten hätte. Bewusst falsche Angaben sollten billigerweise noch schärfer geahndet werden.
...
Die bisher gesammelten Erfahrungen, die in diesem Zusammenhang festgestellten Unregelmäßigkeiten und insbesondere die Betrugsfälle zeigen, dass eine solche Maßnahme sowohl erforderlich als auch angemessen ist, dass sie hinreichend abschreckend sein wird und dass sie in allen Mitgliedstaaten einheitlich angewandt werden muss."
4 Art. 4 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 bestimmt:
"Unbeschadet der Artikel 5 und 16 ist die Zahlung der Ausfuhrerstattung von dem Nachweis abhängig, dass die Erzeugnisse, für welche die Ausfuhranmeldung angenommen wurde, spätestens sechzig Tage nach dieser Annahme das Zollgebiet der Gemeinschaft in unverändertem Zustand verlassen haben."
5 Art. 11 der Verordnung Nr. 3665/87 sieht vor:
"(1) Wird festgestellt, dass ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, so entspricht die für die betreffende Ausfuhr geschuldete Erstattung der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung, vermindert um einen Betrag in Höhe
a) des halben Unterschieds zwischen der beantragten Erstattung und der für die tatsächliche Ausfuhr geltenden Erstattung,
b) des doppelten Unterschieds zwischen der beantragten und der geltenden Erstattung, wenn der Ausführer vorsätzlich falsche Angaben gemacht hat.
Als beantragte Erstattung gilt der Betrag, der anhand der Angaben gemäß Artikel 3 bzw. Artikel 25 Absatz 2 berechnet wird. Richtet sich die Höhe des Erstattungssatzes nach der jeweiligen Bestimmung, so ist der differenzierte Teil der Erstattung anhand der Angaben gemäß Artikel 47 zu berechnen.
Die unter Buchstabe a) genannte Sanktion entfällt:
- im Falle höherer Gewalt,
- für Ausnahmefälle aufgrund von vom Ausführer nicht zu vertretenden Umständen, die nach Annahme der Ausfuhranmeldung oder der Zahlungserklärung durch die zuständigen Behörden eingetreten sind. Ein Ausnahmefall liegt nur vor, wenn der Ausführer die zuständigen Behörden unmittelbar nach dem Erkennen dieser Umstände, jedenfalls aber innerhalb der Frist gemäß Artikel 47 Absatz 2 darüber in Kenntnis setzt, es sei denn die zuständigen Behörden haben schon selbst festgestellt, dass der beantragte Erstattungsbetrag unrichtig war,
- im Falle eines offensichtlichen, von der zuständigen Behörde im Zusammenhang mit der beantragten Erstattung anerkannten Irrtums,
...
Ergibt sich aus der unter den Buchstaben a) oder b) genannten Verminderung ein Negativbetrag, so hat der Ausführer diesen Betrag zu zahlen.
Haben die zuständigen Behörden festgestellt, dass die beantragte Erstattung nicht zutrifft und dass die betreffende Ausfuhr nicht erfolgt ist, dass also eine Kürzung der Erstattung nicht möglich ist, so zahlt der Ausführer den der Sanktion gemäß Buchstabe a) bzw. b) entsprechenden Betrag. ...
...
Die Sanktionen finden unbeschadet zusätzlicher Sanktionen Anwendung, die nach dem nationalen Recht vorgesehen sind.
...
(3) Unbeschadet der Verpflichtung, gemäß Absatz 1 vierter Unterabsatz einen negativen Betrag zu berücksichtigen, wenn eine Erstattung unrechtmäßig gewährt wird, zahlt der Begünstigte den unrechtmäßig erhaltenen Betrag - einschließlich aller nach Absatz 1 erster Unterabsatz fälligen Sanktionen - zuzüglich Zinsen für die Zeit zwischen der Gewährung der Erstattung und ihrer Rückzahlung zurück. ..."
Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefrage
6 AOB Reuter meldete in der Zeit vom 18. Oktober bis 12. Dezember 1995 Weißzucker in insgesamt 24 Fällen beim Hauptzollamt Landshut zur Ausfuhr nach Malta an und beantragte die Zahlung der entsprechenden Ausfuhrerstattungen. Diese wurden ihr nach Vorlage der Ausgangsbestätigungen in Höhe von insgesamt 230 102,37 Euro gewährt.
7 AOB Reuter nahm die Ausfuhr nicht selbst vor, sondern unter Vermittlung seiner italienischen Handelspartner, die ihrerseits Zwischenhändler einsetzten. Die Erfüllung der vertraglichen Hauptleistungspflicht - der Ausfuhr des Zuckers aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft - ließ sie sich jeweils durch Stellung einer Bankgarantie sichern. Diese Sicherheiten gab sie am frei, nachdem sie die Nachweise über die ordnungsgemäß durchgeführte Ausfuhr in Gestalt der abgestempelten Zollpapiere erhalten hatte und diese vom Hauptzollamt anerkannt worden waren.
8 Am stellte das Zollkriminalamt Köln die Fälschung der Ausgangsbestätigungen auf den Zollpapieren fest. Das Hauptzollamt forderte deshalb mit Berichtigungsbescheiden vom die Ausfuhrerstattungen zurück, die AOB Reuter erhalten hatte. Diese zahlte den Rückforderungsbetrag.
9 Am erließ das Hauptzollamt 24 Sanktionsbescheide gegen AOB Reuter, die am hiergegen Einspruch erhob. Da ihr Einspruch zurückgewiesen wurde, erhob sie am Klage beim Finanzgericht Hamburg auf Aufhebung der betreffenden Sanktionsbescheide.
10 Nach Ansicht des Finanzgerichts Hamburg hat AOB Reuter keine falschen Angaben in seiner Ausfuhranmeldung gemacht, da sie lediglich ihre Absicht erklärt habe, die Ware, für die die Erstattung gezahlt worden sei, nach Malta ausführen zu wollen. Gescheitert sei die Ausfuhr am betrügerischen Verhalten des Vertragsspartners von AOB Reuter. Die in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion könne daher nur dann gegen sie verhängt werden, wenn die Nichteinhaltung der Voraussetzung, dass die Ware das Zollgebiet der Gemeinschaft verlassen habe, für die Anwendung dieser Sanktion genüge.
11 Da nach Auffassung des Finanzgerichts Hamburg die Verhängung einer solchen Sanktion von der Auslegung des Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 abhängt, hat es beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:
Sind ausschließlich falsche Angaben des Ausführers in der Ausfuhrerklärung nach Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 sanktioniert oder ist allein die Nichteinhaltung von materiellen Voraussetzungen des Erstattungsanspruchs Gegenstand der Sanktion?
Zur Vorlagefrage
12 Mit seiner Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, ob Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Sanktion gegen einen Ausführer, der eine Ausfuhrerstattung für eine Ware beantragt hat, verhängt werden kann, wenn diese Ware infolge des betrügerischen Verhaltens seines Vertragspartners nicht ausgeführt worden ist.
13 Vorab ist daran zu erinnern, dass das System der Ausfuhrerstattungen dadurch gekennzeichnet ist, dass eine gemeinschaftliche Beihilfe nur gewährt wird, wenn der Ausführer sie beantragt, und dass es durch den Gemeinschaftshaushalt finanziert wird (Urteil vom , Fleisch-Winter, C-309/04, Slg. 2005, I-10349, Randnr. 31).
14 In Bezug auf den betreffenden Ausführer hat der Gerichtshof im Zusammenhang mit der Verordnung Nr. 3665/87 und ihrem Sanktionssystem bereits entschieden, dass eine Beihilfe nach einer gemeinschaftlichen Beihilferegelung nur zu gewähren ist, wenn ihr Empfänger volle Gewähr für Redlichkeit und Zuverlässigkeit bietet (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Käserei Champignon Hofmeister, C-210/00, Slg. 2002, I-6453, Randnr. 41, und Urteil Fleisch-Winter, Randnr. 31).
15 Zum Gemeinschaftshaushalt heißt es im ersten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2945/94: "Da aufgrund der bisherigen Erfahrungen insbesondere zu Lasten des Gemeinschaftshaushalts gehende Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle stärker bekämpft werden sollten, müssen ... Sanktionen vorgesehen werden, welche die Ausführer veranlassen, das Gemeinschaftsrecht einzuhalten."
16 Welchen Charakter die in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion hat, ergibt sich eindeutig sowohl aus dessen Wortlaut als auch aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu dieser Bestimmung.
17 Nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2945/94 "müssen Sanktionen unabhängig vom Anteil subjektiver Schuld verhängt werden". Tatsächlich steigt gemäß Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 3665/87 im Fall einer vorsätzlichen Handlung nur der Betrag der Sanktion, doch ist die in Unterabs. 1 Buchst. a vorgesehene Sanktion selbst dann anwendbar, wenn den Ausführer kein Verschulden trifft. Im zuletzt genannten Fall entfällt die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 vorgesehene Sanktion nur in den in Unterabs. 3 abschließend aufgezählten Fällen.
18 Im Urteil Käserei Champignon Hofmeister hat der Gerichtshof festgestellt, dass es sich bei der Sanktion um eine spezifische Handhabe für die Verwaltung handelt, die Bestandteil der Beihilferegelung ist und dazu dient, die ordnungsgemäße Verwaltung der öffentlichen Mittel der Gemeinschaft sicherzustellen (Randnr. 41), und dass ihr kein strafrechtlicher Charakter zugesprochen werden kann (Randnr. 44).
19 Aus den beiden vorstehenden Randnummern ergibt sich, dass die Haftung, auf die die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion gestützt wird, im Wesentlichen objektiven Charakter hat.
20 Zur Ermittlung der Voraussetzungen für die Verhängung der betreffenden Sanktion sind sämtliche Bestimmungen des Art. 11 der Verordnung Nr. 3665/87 zu prüfen.
21 Nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 wird eine Sanktion gegen einen Ausführer verhängt, der eine höhere als die ihm für die tatsächliche Ausfuhr zustehende Erstattung beantragt hat.
22 Der Gerichtshof hat im Zusammenhang mit der Verordnung (EG) Nr. 800/1999 der Kommission vom 15. April 1999 über gemeinsame Durchführungsvorschriften für Ausfuhrerstattungen bei landwirtschaftlichen Erzeugnissen (ABl. L 102, S. 11; Berichtigung: ABl. 1999, L 180, S. 53), mit der die Verordnung Nr. 3665/87 ersetzt und aufgehoben, deren Inhalt insoweit aber nicht geändert worden ist, festgestellt, dass die Wendung, wonach "ein Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Ausfuhrerstattung beantragt hat", dahin auszulegen ist, dass die Beantragung einer höheren Ausfuhrerstattung durch den Ausführer, als ihm zusteht, nicht nur dann anzunehmen ist, wenn sich aus der Verwertung seiner Angaben ein nicht geschuldeter Differenzbetrag ergibt, sondern auch dann, wenn sich herausstellt, dass kein Erstattungsanspruch besteht, dieser also gleich null ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Elfering Export, C-27/05, Slg. 2006, I-3681, Randnr. 27).
23 Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich, dass es für die Feststellung, ob ein Ausführer eine höhere als die ihm für die tatsächliche Ausfuhr zustehende Erstattung beantragt hat, nicht genügt, auf den Sachverhalt abzustellen, der den zuständigen Behörden zum Zeitpunkt der Prüfung des Erstattungsantrags bekannt war. Vielmehr ist auch der Sachverhalt zu berücksichtigen, der sich nach der Antragstellung zugetragen hat, insbesondere derjenige, der bei den von diesen Behörden durchgeführten Kontrollen aufgedeckt worden ist.
24 Wäre dem nicht so, könnten im Übrigen die Daseinsberechtigung und die Wirksamkeit der Kontrollen durch die zuständigen Stellen in Frage gestellt werden.
25 Soweit sich herausstellt, dass die Ausfuhr des Erzeugnisses, für das eine Erstattung gewährt worden ist, nicht stattgefunden hat, ist offensichtlich, dass der Ausführer eine höhere als die ihm zustehende Erstattung beantragt hat, da mangels tatsächlicher Ausfuhr überhaupt keine Erstattung geschuldet wird.
26 In einem solchen Fall kann die zu verhängende Sanktion somit auf Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 gestützt werden.
27 Aber auch andere Bestimmungen dieses Artikels verlangen ausdrücklich, dass aufgrund von Feststellungen nach Annahme der Ausfuhranmeldung eine Sanktion gegen den Ausführer verhängt wird.
28 So hat der Ausführer nach Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 5 der Verordnung Nr. 3665/87, wenn die zuständigen Behörden festgestellt haben, dass die betreffende Ausfuhr nicht erfolgt ist, also eine Kürzung der Erstattung nicht möglich ist, den der Sanktion gemäß Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a oder b entsprechenden Betrag zu zahlen. Gemäß Art. 11 Abs. 3 muss der Begünstigte, wenn eine Erstattung unrechtmäßig gewährt wird, den unrechtmäßig erhaltenen Betrag einschließlich aller nach Abs. 1 Unterabs. 1 fälligen Sanktionen zurückzahlen.
29 Den Akten, die das vorlegende Gericht dem Gerichtshof übermittelt hat, ist zu entnehmen, dass der Ausfuhrvorgang, für den AOB Reuter eine Erstattung erhalten hat, nicht stattgefunden hat und daher deren Zahlung unrechtmäßig erfolgt ist. Das Unternehmen bestreitet im Übrigen auch nicht, dass es die betreffende Erstattung unrechtmäßig erhalten hat.
30 Unter diesen Umständen ist die Verhängung der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Sanktion zwingend, es sei denn, einer der in Abs. 1 Unterabs. 3 abschließend definierten Befreiungstatbestände ist erfüllt.
31 Daher kann nicht der Auffassung gefolgt werden, wonach ausschließlich falsche Angaben des Ausführers in seiner Ausfuhrerklärung die Verhängung der betreffenden Sanktion rechtfertigen können.
32 Aus den Akten geht nicht hervor, dass im Ausgangsverfahren einer der in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehenen Befreiungstatbestände erfüllt wäre.
33 Das vorlegende Gericht stellt sich jedoch die Frage, ob im Hinblick auf das Gebot rechtmäßigen Handelns sowie die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens eine Sanktion verhängt werden darf. AOB Reuter, die sich auf dieselben Grundsätze beruft, meint, sie habe sich im vorliegenden Fall durch Stellung einer Bankgarantie sorgfältig gegen mögliche Versäumnisse ihrer Vertragspartner geschützt.
34 Erstens ist zu dem Gebot rechtmäßigen Handelns und dem Grundsatz der Rechtssicherheit festzustellen, dass Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 eine klare und hinreichende Rechtsgrundlage für die Verhängung der Sanktion darstellt.
35 Zweitens ist zu dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu bemerken, dass der Gesetzgeber im fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 2945/94 die gesammelten Erfahrungen sowie insbesondere die im Zusammenhang mit den Ausfuhrerstattungen festgestellten Unregelmäßigkeiten und Betrugsfälle erwähnt. Der Gerichtshof hat bereits festgestellt, dass die in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 1 Buchst. a der Verordnung Nr. 3665/87 vorgesehene Sanktion verhältnismäßig ist, indem er entschieden hat, dass sie nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstößt, da sie weder als zur Verwirklichung des von der Gemeinschaftsregelung verfolgten Zieles, nämlich der Bekämpfung von Unregelmäßigkeiten und Betrugsfällen, ungeeignet betrachtet werden kann noch über das zur Erreichung dieses Zieles Erforderliche hinausgeht (Urteile Käserei Champignon Hofmeister, Randnr. 68, und vom 14. April 2005, Käserei Champignon Hofmeister, C-385/03, Slg. 2005, I-2997, Randnr. 31).
36 Zu der von AOB Reuter angeführten Rechtfertigung genügt drittens der Hinweis, dass der abschließenden Liste in Art. 11 Abs. 1 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 3665/87 kein neuer, namentlich auf mangelndes Fehlverhalten des Ausführers gestützter, Befreiungstatbestand hinzugefügt werden kann und dass der Gerichtshof entschieden hat, dass das Fehlverhalten oder der Irrtum eines Vertragspartners zu den normalen Geschäftsrisiken gehört und im Rahmen der Geschäftsbeziehungen nicht als unvorhersehbar betrachtet werden kann. Der Ausführer kann seine Vertragspartner frei wählen; es ist seine Sache, geeignete Vorkehrungen zu treffen, indem er entsprechende Klauseln in die Verträge aufnimmt, die er mit ihnen schließt, oder eine besondere Versicherung abschließt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom , Käserei Champignon Hofmeister, Randnr. 80 und die dort angeführte Rechtsprechung).
37 Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 3665/87 dahin auszulegen ist, dass die dort vorgesehene Sanktion gegen einen Ausführer, der eine Ausfuhrerstattung für eine Ware beantragt hat, verhängt werden kann, wenn diese Ware infolge des betrügerischen Verhaltens seines Vertragspartners nicht ausgeführt worden ist.
Kostenentscheidung:
Kosten
38 Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
LAAAC-81937
1Quelle: Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in L-2925 Luxemburg