BGH Urteil v. - X ZR 129/06

Leitsatz

[1] a) Die Eignungsprüfung dient im System der VOB/A bei öffentlicher Ausschreibung bzw. bei offenem Verfahren dazu, die Unternehmen zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Bauleistung nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen und die unzureichend qualifizierten Bieter auszusondern. Dem Angebot eines für geeignet befundenen Bieters darf dasjenige eines Konkurrenten nicht maßgeblich wegen dessen höher eingeschätzter Eignung vorgezogen werden (Bestätigung von BGHZ 139, 273).

b) Möchte ein Bieter die Bauzeit proportional der verlängerten Zuschlags- und Bindefrist anpassen, kann sein Angebot nur ausgeschlossen werden, wenn der Auftraggeber berechtigterweise erwarten konnte, dass der ursprüngliche Fertigstellungstermin trotz des verzögerten Baubeginns eingehalten wird. Ob das der Fall ist, hängt im Wesentlichen von einer Gesamtschau der Umstände des Einzelfalls einschließlich der beiderseitigen Interessen ab.

Gesetze: VOB/A § 25 Nr. 2 Abs. 1

Instanzenzug: LG Frankfurt/Main, 2/31 O 17/05 vom OLG Frankfurt/Main, 11 U 2/06 vom

Tatbestand

Der beklagte Turnverein machte im April 2004 als öffentliche Ausschreibung nach der VOB/A den schlüsselfertigen Neubau inklusive Baunebenleistungen (Werk- und Detail- sowie Tragwerksplanung, Bauleitung) einer Zweifeld-Sporthalle mit Nebenräumen und Hausmeisterwohnung mit geschätztem Gesamtauftragsvolumen von ca. 3,5 Mio. € bekannt. Das Vorhaben wurde von der Stadt F. mit einem Betrag von ca. 700.000,-- € und vom Land H. mit ca. 50.000,-- € gefördert. Die Zuschlags- und Bindefrist war bis zum bemessen; als Ausführungsfrist war der Zeitraum von Juni 2004 bis August 2005 vorgesehen. Das preislich günstigste Angebot war das der Klägerin. Am suchte der vom Beklagten mit der Durchführung des Vergabeverfahrens beauftragte Architekt um Zustimmung zur Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist bis zum nach, lud die Klägerin zugleich zu einem Bietergespräch ein und bat, ihm vorab unter anderem einen vorläufigen Bauzeitenplan zu übersenden. Der von der Klägerin darauf übersandte Plan sah eine Ausführung bis zum vor.

In seiner Sitzung vom entschied sich der Beklagte für das Angebot der preislich an zweiter Stelle stehenden Z. AG und unterrichtete die Klägerin davon mit Schreiben vom folgenden Tag.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, der Auftrag hätte bei vergaberechtskonformer Wertung an sie vergeben werden müssen und den Beklagten vor dem Landgericht auf Zahlung von 172.029,40 € entgangenen Gewinns nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin, mit der sie die Klage auf 333.156,20 € erweitert hat, ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter.

Gründe

Die Revision hat Erfolg und führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Der geltend gemachte Anspruch stünde der Klägerin nur dann zu, wenn ihr bei vergaberechtskonformer Durchführung des Vergabeverfahrens zwingend der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Das sei nicht der Fall. Der Beklagte habe innerhalb des ihm zustehenden Wertungsspielraums gehandelt, als er das Angebot von Z. demjenigen der Klägerin trotz dessen günstigeren Preises vorgezogen habe. Bei der Ermittlung des wirtschaftlichsten Angebots nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 und 3 VOB/A sei der Preis nur ein Gesichtspunkt neben vielen anderen, die in eine vergleichende Betrachtung einzustellen und gegeneinander abzuwägen seien. Dem Beklagten sei es maßgeblich auf Erfahrungen des Auftragnehmers im Bau von Sporthallen angekommen. Z. , die auch keine Verschiebung des Endtermins ins Auge gefasst habe, habe dafür, anders als die Klägerin, Referenzen vorlegen können und bessere Gewähr für die den Vorstellungen des Beklagten entsprechende technische sowie sonstige bestmögliche Ausführung des Bauvorhabens geboten. Der Beklagte habe mit Z. Offerte das für ihn "sicherste" Angebot auswählen können und nicht die Klägerin beauftragen müssen. Gegen das Verbot, die Eignung eines Bieters nach abgeschlossener Prüfung seiner Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit auf der zweiten Wertungsstufe im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung abweichend zu beurteilen, habe der Beklagte nicht verstoßen. Er habe die Eignung vor dem für ihn erforderlichen Aufklärungsgespräch auf der zweiten Stufe ersichtlich noch nicht abschließend geprüft, sondern diese erst im Anschluss daran bewertet. Der geltend gemachte Schadensersatzanspruch sei der Höhe nach nicht ausreichend nachvollziehbar.

II. Die dagegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg. Nach den bislang getroffenen Feststellungen kann ein Schadensersatzanspruch der Klägerin nicht verneint werden.

1. Einem Bieter, der in einem nach der VOB/A durchgeführten Vergabeverfahren bei der Vergabeentscheidung übergangen worden ist, kann, wovon auch das Berufungsgericht ausgegangen ist, ein auf das positive Interesse gerichteter Schadensersatzanspruch gegen den öffentlichen Auftraggeber zustehen, wenn ihm bei rechtmäßigem Ablauf des Vergabeverfahrens der Zuschlag hätte erteilt werden müssen. Die gleiche Rechtsfolge gilt, wenn sich, wie hier, ein Privater bei einer Ausschreibung den Regeln der VOB/A unterstellt hat (Sen.Urt. v. - X ZR 39/03, VergabeR 2006, 889).

Der Beklagte bzw. ein von ihm eingeschalteter Dritter, für dessen etwaiges Fehlverhalten der Beklagte nach dem Gedanken des § 278 BGB einzustehen hat (BGHZ 139, 280), hatte deshalb bei der Wertung § 25 VOB/A anzuwenden. Dagegen sind die Bestimmungen des Vierten Teils des GWB und § 13 VgV entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts unabhängig von der Regelung des - bei Ausschreibungsbeginn ohnehin noch nicht geltenden - § 98 Nr. 5 GWB schon deshalb nicht einschlägig, weil der Beklagte den geschätzten Auftragswert zutreffend unterhalb des maßgeblichen Schwellenwertes angesiedelt hatte.

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Beklagte habe das Angebot von Z. nach § 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 und 3 VOB/A als das wirtschaftlichste werten dürfen, hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Nach den getroffenen Feststellungen hat der Beklagte Z. den Zuschlag wegen eines "Mehrs an Eignung" erteilt und damit das berechtigte Vertrauen der Klägerin auf Einhaltung der Regeln der VOB/A enttäuscht.

a) Nach § 25 VOB/A hat der Auftraggeber die Wertung der Angebote grundsätzlich in mehreren aufeinander folgenden Stufen vorzunehmen (BGHZ 139, 273; vgl. auch Beck'scher VOB-Komm./Brinker/Ohler, § 25 VOB/A Rdn. 2 f.; Ingenstau/Korbion/Kratzenberg, VOB-Komm., 16. Aufl. § 25 VOB/A Rdn. 3; Kapellmann/Messerschmidt-Dähne, VOB, Teile A und B 2. Aufl. § 25 VOB/A Rdn. 2; vgl. auch Dittmann in: Kulartz/Marx/Portz/Prieß, Komm. zur VOL/A, § 25 Rdn. 1). Die Abfolge der einzelnen Prüfungsschritte ist in § 25 VOB/A folgerichtig festgelegt und deshalb nach allgemeiner Ansicht zwingend einzuhalten. Nach § 25 Nr. 1 Abs. 1 VOB/A auszuschließende Angebote werden ohne inhaltliche Prüfung ausgeschieden, die Angebote ungeeigneter Bieter oder solche mit einem unangemessen hohen oder niedrigen Preis gelangen gar nicht erst in die engere Wahl (vgl. Brinker/Ohler aaO, § 25 Rdn. 22 ff.; Dähne aaO Rdn. 2). Hiervon zu trennen ist die in der Literatur als vereinfachter Wertungsvorgang bezeichnete Praxis, Angebote, von denen klar zu erkennen ist, dass sie nach den anzuwendenden Wertungskriterien keine Aussicht auf den Zuschlag haben, vorab auszusondern um den Prüfungsaufwand zu begrenzen (vgl. Heiermann/Riedl/Rusam, Handkommentar zur VOB 10. Aufl. A § 25 Rdn. 67). Diese Rationalisierung ändert nichts daran, dass die Wertung grundsätzlich die einzelnen Prüfungsebenen zu durchlaufen hat.

b) Die Eignungsprüfung dient im System der VOB/A bei öffentlicher Ausschreibung bzw. beim offenen Verfahren dazu, die Unternehmen zu ermitteln, die zur Erbringung der konkret nachgefragten Bauleistung nach Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit generell in Betracht kommen und die unzureichend qualifizierten Bieter auszusondern. Sie dient dabei nicht der Ermittlung qualitativer Unterschiede zwischen den einzelnen Bewerbern (vgl. Gröning, NZBau 2003, 86, 90; Dähne, aaO Rdn. 36). Wie der Senat bereits in seinem Urteil vom entschieden hat, ist es mit dem System der Wertungsvorschriften insbesondere nicht zu vereinbaren, unterschiedliche Eignungsgrade von Bietern bei der Entscheidung über den Zuschlag im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung in der Weise zu berücksichtigen, dass dem Angebot eines für geeignet befundenen Bieters dasjenige eines Konkurrenten maßgeblich wegen dessen höher eingeschätzter Eignung vorgezogen wird (BGHZ 139, 273).

c) Von dieser Rechtsprechung abzuweichen ist nicht angezeigt. Dass Eignung und Wirtschaftlichkeit nach § 25 VOB/A und § 25 VOL/A unabhängig voneinander zu prüfen sind, hat Gründe, die in der Natur der Sache liegen. Die Eignungsprüfung ist eine unternehmensbezogene Untersuchung, mit der prognostiziert werden soll, ob ein Unternehmen nach seiner personellen, sachlichen und finanziellen Ausstattung zur Ausführung des Auftrags in der Lage sein wird. Die Wirtschaftlichkeitsprüfung bezieht sich dagegen nicht auf die konkurrierenden Unternehmen, sondern auf ihre Angebote (vgl. Gröning, NZBau 2003, 86, 90 f.). Bewertet werden mit Gesichtspunkten wie dem Preis, der Ausführungsfrist, Betriebs- und Folgekosten, der Gestaltung, Rentabilität oder dem technischem Wert Eigenschaften der angebotenen Leistung, nicht aber des Anbieters (§ 25 Nr. 3 Abs. 3 Satz 2 VOB/A). Dem Anliegen öffentlicher Auftraggeber, eine besondere Eignung der Bewerber zu berücksichtigen, kann nach dem System der VOB/A, wie der Senat bereits ausgeführt hat (BGHZ 139, 273), durch Wahl der Vergabeart Rechnung getragen werden, also insbesondere durch Durchführung einer beschränkten Ausschreibung bzw. eines nicht offenen Verfahrens nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb (§ 3 Nr. 3 Abs. 2 lit. a VOB/A; § 101 Abs. 3 GWB), sofern die Voraussetzungen dafür vorliegen.

d) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts konnte der Beklagte sich einen Weg, die angenommene bessere Eignung von Z. bei der Wirtschaftlichkeitsprüfung zu berücksichtigen, nicht dadurch erschließen, dass er alle Wertungsstufen bis nach dem für erforderlich erachteten Bietergespräch offenließ. Zwar schließt das von § 25 VOB/A vorgegebene Prüfungsschema, in die nächstfolgende Wertungsstufe nach Abschluss der vorangegangenen überzugehen, nicht aus, dass übersehene oder erst später bekannt gewordene Mängel nachträglich berücksichtigt werden dürfen (vgl. Vavra in: Völlink/Kehrberg, VOB/A, § 25 Rdn. 3 m.w.N.). Der bloße Aufschub einzelner Wertungsschritte, um den es hier geht, kann aber nichts daran ändern, dass diese in der vorgesehenen Reihenfolge voneinander abgesetzt und ohne Vermischung der Prüfungsgegenstände zu vollziehen sind.

3. Soweit das Berufungsgericht die Zurückweisung der Berufung auch auf die Erwägung gestützt hat, der Schaden sei in der geltend gemachten Höhe nicht nachvollziehbar berechnet, hält auch dies der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

Der Nichtzulassungsbeschwerde unterliegende Berufungsurteile müssen, ebenso wie die Revision zulassende Entscheidungen, erkennen lassen, von welchem Sach- und Streitstand das Berufungsgericht ausgegangen ist und welche tatsächlichen Feststellungen seiner Entscheidung zugrunde liegen (BGHZ 156, 216; , WRP 2007, 955 - Fachanwälte). Diesen Mindestanforderungen genügt das angefochtene Urteil in Bezug auf die Schadenshöhe nicht. In dem die Sachverhaltsschilderung betreffenden Teil der Gründe hat das Berufungsgericht tatsächliche Feststellungen zum Komplex der Schadenshöhe ebenso wenig getroffen wie das Landgericht in seinem in Bezug genommenen Urteil. Dort ist zur Schadenshöhe lediglich auf Passagen in Schriftsätzen der Klägerin verwiesen, die zwangsläufig die in zweiter Instanz erweiterte Klage nicht in vollem Umfang betreffen können. Den rechtlichen Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe sind ebenfalls keine für eine revisionsrechtliche Überprüfung ausreichenden tatsächlichen Feststellungen zu entnehmen. Aus ihnen ergibt sich lediglich, dass dem Berufungsgericht unklar war, wie die Kalkulation der Klägerin im Einzelnen zustande gekommen ist und inwieweit diese mit der Urkalkulation und dem Angebot der Klägerin tatsächlich übereinstimmte; ferner, dass der Beklagte bemängelt hatte, bei verschiedenen Positionen des Leistungsverzeichnisses habe die Klägerin keinen Lohnanteil in Ansatz gebracht, weshalb auch die Frage der Auskömmlichkeit nicht zuverlässig beantwortet werden könne, und schließlich, dass das Berufungsgericht der Auffassung war, die Klägerin hätte hierzu nochmals im Einzelnen vortragen müssen. Diese Ausführungen lassen, wie die Revision zu Recht rügt, bereits nicht erkennen, aus welchen rechtlichen und tatsächlichen Gründen das Berufungsgericht sich nicht in der Lage gesehen hat, auch nur einen Mindestschaden zu schätzen (§ 287 ZPO).

4. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Für die erneute Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

a) Die vom Berufungsgericht offengelassene Frage, ob die Klägerin durch Einreichung des von der Ausschreibung abweichenden Bauzeitenplans die Verdingungsunterlagen in einer den Ausschluss ihres Angebots rechtfertigenden Weise geändert hat (§ 21 Nr. 1 Abs. 2, § 25 Nr. 1 Abs. 1 lit. b VOB/A), ist zu verneinen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war ein Bauzeitenplan kein konstitutiver Bestandteil der vom Bieter abzugebenden Angebote. Dem im Submissionstermin vorliegenden Angebot der Klägerin kann deshalb nicht nachträglich aufgrund des später eingereichten Bauzeitenplans der Inhalt beigelegt werden, dass sie sich nur zu einer Fertigstellung Ende Oktober 2005 verpflichten wollte. Vielmehr bezog sich das Angebot auf die bekannt gemachten Vergabebedingungen und damit auch auf den dort vorgesehenen Fertigstellungszeitpunkt.

Soweit der Beklagte den Ausschluss des Angebots der Klägerin auf die von ihr begehrte Bauzeitanpassung stützen möchte, ist zu berücksichtigen, dass zwischen der von den Bietern zugesagten Einhaltung des Fertigstellungstermins und dem in den Ausschreibungsunterlagen genannten Zeitpunkt für den Baubeginn eine Wechselwirkung besteht, zumal dieser für die Bieter regelmäßig ein wesentlicher Parameter bei der Angebotskalkulation ist. Ebenso, wie sie die Einhaltung des Fertigstellungstermins zusagen, muss der Auftraggeber die Aufnahme der Arbeiten zu dem bekannt gemachten Termin ermöglichen. Gibt ein Bieter, wie hier, zu erkennen, dass er eine Verlängerung der Bauzeit in Anspruch nehmen will, die proportional zur erwarteten Verzögerung des Baubeginns infolge der Verlängerung der Zuschlags- und Bindefrist bemessen ist, berechtigt das den Auftraggeber nicht ohne Weiteres, diesen Bieter - wegen Unzuverlässigkeit oder mangelnder Leistungsfähigkeit - auszuschließen. Der Ausschluss wäre vielmehr allenfalls dann gerechtfertigt, wenn der Auftraggeber berechtigterweise erwarten konnte, dass der ursprüngliche Fertigstellungstermin trotz des verzögerten Baubeginns eingehalten wird und der Bieter gleichwohl auf der Bauzeitanpassung beharrt und deshalb zu befürchten ist, dass der anfängliche Termin nicht eingehalten würde. Ob der Auftraggeber zu Recht trotz Verschiebung des Baubeginns auf der Einhaltung der anfangs vorgesehenen Bauzeit bestehen darf, hängt im Wesentlichen von den Umständen des Einzelfalls ab. Bei der vom Berufungsgericht dafür vorzunehmenden Abwägung aller Aspekte einschließlich der beiderseitigen Interessen wird insbesondere in Erwägung zu ziehen sein, ob die vorgesehene Bauzeit für das Vorhaben eher großzügig oder knapp bemessen war, ferner, dass die im Streitfall ursprünglich vorgesehene Zuschlags- und Bindefrist mit zwei Wochen eher kurz bemessen war (vgl. § 19 Nr. 2 VOB/A); schließlich und vor allem wird zu berücksichtigen sein, dass die Klägerin bei ihrer weiteren Planung ersichtlich mit einer vollen Ausschöpfung der verlängerten Zuschlagsfrist gerechnet hat. Der Zuschlag konnte indes bereits am erteilt werden, so dass davon auszugehen ist, dass die Arbeiten unmittelbar im Anschluss daran aufgenommen werden konnten. Aufgrund des durch die Ausschreibungsteilnahme begründeten vorvertraglichen Vertrauensverhältnisses wäre der Beklagte verpflichtet gewesen, sich erneut mit der Klägerin über die Bauzeit ins Benehmen zu setzen, bevor er sie wegen der zuvor kalkulierten Bauzeitenanpassung ausschloss. Dazu Vortrag zu halten werden die Parteien im wiedereröffneten Berufungsrechtszug Gelegenheit haben.

Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass der Umstand, dass Z. trotz verzögerten Baubeginns keine Verlängerung der Bauzeit ins Auge gefasst hatte, nicht unter dem in § 25 Nr. 3 Abs. 3 VOB/A genannten Gesichtspunkt der Ausführungsfrist bei der Wertung berücksichtigt werden darf. Es handelt sich dabei bereits nicht um ein von vornherein vorgesehenes Wertungskriterium und im Übrigen auch in der Sache nicht um eine von Z. angebotene kürzere Ausführungsfrist i. S. der Vorschrift.

Dass im Streitfall andere Kriterien als die - untaugliche - bessere Eignung für den Sporthallenbau festgelegt waren, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Gegenrügen dagegen sind nicht erhoben. Jedenfalls auf der Grundlage der bislang getroffenen Feststellungen ist deshalb davon auszugehen, dass im Vergabeverfahren keine zulässigen Wirtschaftlichkeitskriterien bestimmt waren. Unter solchen Voraussetzungen ist für die Zuschlagsentscheidung der Angebotspreis maßgeblich. Der Preis ist ein neutraler Gesichtspunkt, der sich in jedem Fall, unabhängig vom Gegenstand des einzelnen Vergabeverfahrens, eignet, um das wirtschaftlichste Angebot zu ermitteln, und mit dessen Maßgeblichkeit jeder Bieter immer dann rechnen muss, wenn keine anderen Kriterien angegeben sind.

Soweit ein Auftraggeber in den Vergabeunterlagen die Einreichung von Referenzen fordert, handelt es sich typischerweise, worauf der Senat vorsorglich hinweist, nur um die Anforderung eines Eignungsnachweises (§ 8 Nr. 3 Abs. 1 lit. b, § 10 Nr. 5 Abs. 2 lit. l, § 17 Nr. 1 Abs. 2 lit. s VOB/A).

b) Das Berufungsgericht hat offengelassen, ob das Angebot der Klägerin, wie vom Beklagten geltend gemacht, nicht auskömmlich war.

Mit diesem Einwand kann zum einen gemeint gewesen sein, bei der Offerte der Klägerin handle es sich um ein zwingend auszuschließendes (vgl. Rusam aaO Rdn. 41) Angebot mit unangemessen niedrigem Preis (§ 25 Nr. 3 Abs. 1 VOB/A), zum anderen kann geltend gemacht worden sein, die materiellen Voraussetzungen für den auf Erstattung des positiven Interesses gerichteten Schadensersatzanspruch seien nicht gegeben. Zu beiden Einwänden fehlen, wie ausgeführt, jegliche Feststellungen.

Soweit zwischen den Parteien die Frage eines materiellen Schadens der Klägerin streitig ist, weist der Senat darauf hin, dass eine entgangene Verlustminderung durch fehlende Deckungsbeiträge einem entgangenen Gewinn nach § 252 BGB, § 287 ZPO gleichsteht (Sen.Urt. v. - X ZR 117/04, WRP 2007, 550 - Meistbegünstigungsvereinbarung).

Fundstelle(n):
RAAAC-80723

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja