Keine Wiedereinsetzung in die Beschwerdebegründungsfrist wegen erschwerter Kommunikation des Prozessbevollmächtigten mit dem inhaftierten Mandanten; Arbeitsüberlastung kein entschuldbarer Hinderungsgrund
Gesetze: FGO § 56
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin zu 2.) firmierte zuletzt unter dem Namen X-GmbH & Co. KG. Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Komplementär-GmbH sowie alleiniger Kommanditist der Klägerin zu 2. (Klägerin) war der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger zu 1.). Der Kläger zu 1. (Kläger) wurde wegen versuchter Steuerhinterziehung in zwei Fällen, Unterschlagung in drei Fällen und Betruges in 37 Fällen rechtskräftig zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er zurzeit in der Justizvollzugsanstalt A verbüßt.
In den beim Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) eingereichten Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre (1997 bis 1999) erklärte die Klägerin für 1997 einen Verlust von . DM, für 1998 einen Verlust von . DM und für 1999 ein Betriebsergebnis von . DM.
Nach einer Außenprüfung vertrat das FA die Auffassung, dass die Klägerin weder am wirtschaftlichen Verkehr teilgenommen noch eine Gewinnerzielungsabsicht gehabt habe. Dementsprechend erließ es für die Streitjahre negative Feststellungsbescheide.
Die dagegen nach durchgeführtem Einspruchsverfahren erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die Klage betreffend 1999 mangels Beschwer als unzulässig und im Übrigen als unbegründet ab.
Das Urteil wurde dem Prozessbevollmächtigten der Kläger am zugestellt.
Am legten die Kläger gegen die Nichtzulassung der Revision Beschwerde ein und kündigten deren Begründung mit gesondertem Schriftsatz an. Mit Schriftsatz vom beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die Begründungsfrist für die Beschwerde bis zum zu verlängern. Gleichzeitig bat er um die Gewährung von Akteneinsicht, die auf telefonische Nachfrage beim Amtsgericht B erfolgen sollte.
Mit Verfügung vom verlängerte der Vorsitzende des erkennenden Senats die Begründungsfrist antragsgemäß bis zum . Dies wurde dem Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom mitgeteilt.
Am übersandte die Geschäftsstelle des erkennenden Senats die Verfahrensakten an das Amtsgericht B mit der Bitte, dem Prozessbevollmächtigten Akteneinsicht zu gewähren. Nach einer Mitteilung des Amtsgerichts B nahm der Prozessbevollmächtigte am Akteneinsicht.
Mit Schriftsatz vom , der am selben Tag um 14.52 Uhr per Fax beim Bundesfinanzhof (BFH) einging, bat der Prozessbevollmächtigte, die Begründungfrist um eine Woche bis zum zu verlängern. Hierzu führte er aus, dass aufgrund entsprechender Arbeitsüberlastung die Einsichtnahme in die umfangreichen Akten erst am habe erfolgen können. Der Mandant habe den entsprechenden Informationseingang noch abwarten wollen und habe nunmehr, erst am um 11.00 Uhr, einen handschriftlichen Schriftsatzentwurf mit einem Umfang von 15 Seiten und 19 Anlagen für die insgesamt vier schwebenden Verfahren vor dem erkennenden Senat zur Verfügung gestellt. Die Ausführungen seien zu überarbeiten und in das Textverarbeitungssystem zu übertragen, was innerhalb der am (Freitag) ablaufenden Frist aufgrund der vorhandenen Schreibkapazitäten nicht machbar sei. Mit der Übertragung werde aber am Montag begonnen.
Am ging die Beschwerdebegründung beim erkennenden Senat ein.
Mit Telefonat vom war der Prozessbevollmächtigte von der Senatsgeschäftsstelle darauf hingewiesen worden, dass eine weitere Verlängerung von Gesetzes wegen nicht in Betracht komme.
Daraufhin beantragte der Prozessbevollmächtigte am , den Klägern Wiedereinsetzung in die Versäumung der Begründungsfrist zu gewähren. Zur Begründung führte er aus, dass die Bürokräfte infolge erheblicher Arbeitsüberlastung einen bereits vorbereiteten Begründungsschriftsatz nicht rechtzeitig zum hätten fertig stellen können. Aus den gleichen Gründen habe er, der Prozessbevollmächtigte, die erforderliche Schriftsatzentwurfprüfung nicht mehr rechtzeitig vornehmen können. Zudem seien einige Schreiben des Mandanten auf dem Postweg verloren gegangen und teilweise sehr spät angekommen. Dies habe der Mandant nicht zu vertreten. Eine weitergehende Begründung werde nachgereicht.
Mit Schriftsatz vom bat der Prozessbevollmächtigte ihm nachzulassen, den Antrag auf Wiedereinsetzung bis zum zu begründen und innerhalb dieser Frist eine (weitere) Beschwerdebegründung vorzulegen. Der Kläger wolle die Beschwerde noch weiter begründen und habe sich deswegen einen Kommentar zur Abgabenordnung (AO) in die Justizvollzugsanstalt bestellt, der erst nach Intervention durch ihn, den Prozessbevollmächtigten, umfänglich zur Verfügung gestellt worden sei. Da ein Schriftsatz des Klägers bei ihm, dem Prozessbevollmächtigten, nicht angekommen sei, habe eine Grobprüfung des vom Kläger verfassten Schriftsatzes noch nicht stattfinden können.
Der Senatsvorsitzende teilte dem Prozessbevollmächtigten unter dem mit, dass eine Verlängerung der Frist nach § 56 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht möglich sei.
Unter Hinweis auf das Vorsitzendenschreiben beantragte der Prozessbevollmächtigte mit Schriftsatz vom , von einer Entscheidung im Verfahren bis zum abzusehen, um dem Kläger zu ermöglichen, bis dahin den Wiedereinsetzungsantrag und die vorgetragenen Beschwerdegründe zu ergänzen. Mit weiteren Schriftsätzen vom , , und kündigte der Prozessbevollmächtigte sodann einen Schriftsatzeingang zunächst bis zum , sodann bis zum und zuletzt bis zum an.
II. Die Beschwerde ist unzulässig.
1. Die Beschwerde ist nicht innerhalb der Frist des § 116 Abs. 3 Sätze 1 und 4 FGO begründet worden. Gemäß § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO ist die Beschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründungsfrist kann von dem Vorsitzenden auf Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden (Satz 4 der Vorschrift). Das Urteil ist den Klägern am zugestellt worden. Die am auslaufende Frist ist auf den fristgerechten Antrag der Kläger von dem Senatsvorsitzenden um einen Monat bis zum Ablauf des verlängert worden. Die am beim BFH eingegangene Beschwerdebegründung ist mithin nicht fristgerecht eingereicht worden.
2. Den Klägern kann auch für die Fristversäumnis keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 FGO) gewährt werden. Nach dieser Vorschrift ist jemandem, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (Absatz 1). Verschuldet ist eine Fristversäumnis, wenn die gebotene und nach den Umständen zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen wird, wobei bereits einfache Fahrlässigkeit die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2005, 1821). Das Verschulden ihres Bevollmächtigten müssen sich die Kläger zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung —ZPO—).
Der Antrag ist binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Die Tatsachen zur Begründung sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (Absatz 2). Erforderlich ist eine substantiierte, in sich schlüssige Darstellung aller entscheidungserheblichen Tatsachen innerhalb der Monatsfrist des § 56 Abs. 2 Satz 1 2. Halbsatz FGO (vgl. , BFH/NV 1997, 40, m.w.N.). Daran fehlt es im Streitfall.
Die innerhalb der Monatsfrist vorgetragenen Gründe rechtfertigen keine Wiedereinsetzung.
Das Vorbringen rechtfertigt nicht die Annahme, dass es dem Prozessbevollmächtigten nicht möglich gewesen sein sollte, den Schriftsatz noch bis zum Ablauf der verlängerten Beschwerdebegründungsfrist dem BFH zu übersenden. Es ist bereits nicht nachvollziehbar, weshalb der sachkundige Prozessbevollmächtigte zur Begründung der Beschwerde auf die Ausführungen des Klägers angewiesen und es ihm nicht möglich gewesen sein sollte, auch ohne dessen inhaltliche Vorgaben eine Beschwerdebegründung zu fertigen. Ebenso wenig schlüssig ist das Vorbringen, dem Personal des Prozessbevollmächtigten sei es nicht möglich gewesen, einen 15-seitigen handschriftlichen Schriftsatzentwurf des Klägers binnen kurzer Zeit in die Textverarbeitung einzugeben. Nach eigenem Vorbringen ist der von dem Kläger vorbereitete handschriftliche Entwurf einer Beschwerdebegründungsschrift bereits um 11.00 Uhr des letzten Tages der Beschwerdebegründungsfrist in seinem, des Prozessbevollmächtigten, Büro eingegangen. Es bestand deshalb ausreichend Zeit, den Schriftsatz in die elektronische Datenverarbeitung zu übernehmen, ihn zu überarbeiten und noch am selben Tag dem BFH mittels Fax zu übersenden.
Die erhebliche Arbeitsüberlastung der Bürokräfte kann ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten nicht entkräften. Denn die Büroorganisation muss so beschaffen sein, dass die Schriftsätze vom Büropersonal nicht nach ihrem Eingang, sondern nach ihrer Dringlichkeit abgearbeitet werden. Auch stellt Arbeitsüberlastung grundsätzlich keinen entschuldbaren Hinderungsgrund dar (, BFH/NV 2004, 358; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20, Stichwort Arbeitsüberlastung, m.w.N.).
Die Kläger hatten auf ihr mehrfach geäußertes Ersuchen mehr als drei Monate Zeit, die geltend gemachten Wiedereinsetzungsgründe zu vervollständigen bzw. zu ergänzen. Zudem ist aufgrund des Inhalts des Schriftsatzes vom , mit dem neben einer weiteren Fristverlängerung im Wesentlichen die Aussetzung des Verfahrens begehrt wird, jedenfalls zweifelhaft, ob die Kläger überhaupt noch Ausführungen zu dem Vorliegen eines Wiedereinsetzungsgrundes machen wollen. Ein weiteres Zuwarten mit der Entscheidung des Verfahrens hält der Senat auch deshalb nicht mehr für geboten.
3. Die beantragte Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das beim Bundesgerichtshof anhängige Anhörungsrügeverfahren kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil die vorliegende Beschwerde, wie ausgeführt, bereits aus anderen Gründen unzulässig ist (vgl. z.B. Gräber/Koch, a.a.O., § 74 Rz 17).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 1189 Nr. 7
GAAAC-80274