Leitsatz
[1] Ein Schenkungsvertrag über ein Grundstück, in dem zugleich ein durch Vormerkung gesicherter Rückübertragungsanspruch für den Fall des Vermögensverfalls oder der Insolvenz des Begünstigten vereinbart wird, ist im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Begünstigten mangels objektiver Gläubigerbenachteiligung nicht anfechtbar.
Gesetze: InsO § 129
Instanzenzug: AG Gießen, 6 IN 137/03 vom LG Gießen, 7 T 216/04 vom
Gründe
I.
Mit Beschluss vom eröffnete das Amtsgericht das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners und setzte den weiteren Beteiligten, der zuvor bereits vorläufiger Insolvenzverwalter war, als Insolvenzverwalter ein. Mit Beschluss vom stellte das Amtsgericht das Verfahren gemäß § 213 InsO mit Zustimmung aller Gläubiger ein.
Der Insolvenzverwalter hat beantragt, seine Vergütung auf 27.516,41 € und den Auslagenersatz auf 2.610 € festzusetzen. Dabei hat er eine Berechnungsgrundlage von 125.922,53 €, einen Vergütungszuschlag von 25 % wegen Unternehmensfortführung und einen Abschlag von 15 % wegen vorzeitiger Verfahrensbeendigung zugrunde gelegt.
Bei der Berechnungsgrundlage hat der Insolvenzverwalter Grundbesitz des Schuldners nach Abzug von Absonderungsrechten mit 111.407,05 € berücksichtigt. Mit notariellem Vertrag vom hatten die Eltern des Schuldners diesem ein Grundstück übertragen. In dem Vertrag vereinbarten die Parteien u.a. einen Rückübertragungsanspruch für den Fall, dass der Übernehmer oder seine Rechtsnachfolger im Eigentum in Vermögensverfall geraten sollten oder über deren Vermögen das Konkurs- oder gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet bzw. mangels Masse nicht eröffnet werden sollte, sowie ein persönliches Vorkaufsrecht der Übergeber für den Fall, dass der Übernehmer beabsichtigen sollte, die an ihn übertragene Grundstücksfläche zu veräußern. Dieses Vorkaufsrecht sollte gegen Zahlung von 75 von 100 des ortsgerichtlichen Schätzwertes ausgeübt werden können. Sowohl der Rückübertragungsanspruch wie das Vorkaufsrecht waren durch Vormerkung im Grundbuch gesichert worden.
Das Amtsgericht hat die Vergütung und die Auslagen antragsgemäß festgesetzt. Die vom Schuldner hiergegen erhobene sofortige Beschwerde ist zurückgewiesen worden. Mit der Rechtsbeschwerde wendet sich der Schuldner gegen die Berücksichtigung des von den Eltern an ihn übertragenen Grundbesitzes bei der Berechnungsgrundlage und die Zubilligung eines Zuschlags von 25 % für die Betriebsfortführung.
II.
Das Rechtsmittel ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO, §§ 6, 7, 64 Abs. 3 InsO) und zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO, § 4 InsO). Es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung an das Beschwerdegericht, § 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO, § 4 InsO.
Das Beschwerdegericht hat den Wert des Grundstücks bei der Berechnungsgrundlage berücksichtigt, weil der Grundbesitz zum Vermögen des Schuldners gezählt habe. Der mit Vormerkung gesicherte Rückforderungsanspruch stehe dem nicht entgegen. Insoweit liege eine nach § 133 Abs. 1 InsO anfechtbare Gläubigerbenachteiligung vor, weil die nachteilige Vertragsklausel speziell für den Insolvenzfall vorgesehen sei.
Auch der vom Amtsgericht vorgenommene Zuschlag von 25 % für die Betriebsfortführung und der Abschlag von 15 % für die vorzeitige Verfahrensbeendigung seien sachgerecht. Deshalb ergebe sich im Ergebnis ein Zuschlag von 10 %.
Diese Ausführungen des Beschwerdegerichts halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Das Insolvenzverfahren wurde gemäß § 213 InsO vorzeitig beendet. In einem solchen Fall ist die Vergütung des Insolvenzverwalters nach dem Schätzwert der Masse zur Zeit der Beendigung des Verfahrens zu berechnen, § 1 Abs. 1 Satz 2 InsVV (vgl. , ZIP 2006, 93; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 1 InsVV Rn. 6; Haarmeyer/Wutzke/Förster, InsVV 4. Aufl. § 1 Rn. 46).
2. Das streitige Grundstück ist der Bemessungsgrundlage nicht zuzurechnen, weil es nicht in die Masse fiel.
a) Das Eigentum an dem Grundstück ist zwar mit der Eintragung des Schuldners im Grundbuch auf diesen übergegangen. An dem Grundstück bestand jedoch wegen des durch Vormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruchs ein Aussonderungsrecht der Eltern des Schuldners. Bei dem gemäß § 106 InsO mit Vormerkung gesicherten Recht handelt es sich um die Verstärkung eines schuldrechtlichen Anspruchs, um eine Sache aus der Ist-Masse als nicht zur Soll-Masse gehörend herauszulösen, also inhaltlich um Aussonderung (BGHZ 149, 1, 5; 155, 227, 236; MünchKomm-InsO/Ganter, aaO § 47 Rn. 333; Jaeger/Henckel, InsO § 47 Rn. 55). Soweit in der Literatur angenommen wird, der Schutz des § 106 InsO stehe einem Aussonderungsrecht lediglich gleich (vgl. HK-InsO/Marotzke, 4. Aufl. § 106 Rn. 20, 48; Uhlenbruck/Berscheid, InsO 12. Aufl. § 106 Rn. 2; Kübler/Prütting/Tintelnot, InsO § 106 Rn. 2) führt dies hier jedenfalls zu keinem anderen Ergebnis.
b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts war der Rückübertragungsanspruch der Eltern und die diesen vorrangig sichernde Auflassungsvormerkung nicht gemäß § 129 ff InsO anfechtbar. Deshalb fiel auch der Wert eines solchen Anfechtungsanspruchs nicht in die Masse.
aa) Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung ist eine objektive Gläubigerbenachteiligung gemäß § 129 InsO. Das Beschwerdegericht hat diese Voraussetzung nicht ausdrücklich geprüft, will sie aber offenbar bejahen. Der Vertrag als Ganzes habe die Insolvenzgläubiger zwar nicht benachteiligt. Eine Anfechtung sei aber auch dann möglich, wenn ein an sich in sich ausgewogener Vertrag gerade für den Fall der Insolvenz eines Vertragsteils nicht unerhebliche Ausnahmen festschreibe, die bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände zur Erreichung des Vertragszweckes nicht geboten seien.
Damit lässt sich im vorliegenden Fall eine objektive Gläubigerbenachteiligung nicht begründen. Sie lag nicht vor.
(1) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde war allerdings der an den Schuldner übertragene Grundbesitz dem Zugriff der Gläubiger nicht schon generell entzogen. Der Rückübertragsanspruch bestand lediglich für den Fall, dass der Schuldner in Vermögensverfall gerät oder über sein Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet wird. Vor diesem Zeitpunkt konnte er das Grundstück belasten und es konnte in das Grundstück vollstreckt werden. Erst im Zeitpunkt der materiellen Insolvenz oder der Eröffnung des Insolvenzverfahrens sollte der Rückübertragungsanspruch entstehen. Anders als in dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Fall des OLG Hamm (OLGR 2001, 187) löste nicht bereits jegliche Zwangsvollstreckung in das Grundstück den Rückübertragsanspruch aus.
(2) Anfechtbar sein könnte hier nur der Übertragungsvertrag. Dieser kann nur insgesamt angefochten werden. Die Anfechtung einzelner Bestimmungen eines Vertrages ist ausgeschlossen (BGHZ 124, 76, 83; , ZIP 2007, 1120, 1123). Die Anfechtung des Vertrages als Ganzes kann aber die Wirkung einer Teilanfechtung haben, wenn die anfechtbare Handlung das Schuldnervermögen nur in begrenztem Umfang geschmälert hat und das Rechtsgeschäft insoweit teilbar ist (RGZ 114, 206, 210; BGHZ 124, 76, 84; aaO; MünchKomm-InsO/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 18). Teilbar in diesem Sinn ist auch ein allgemein ausgewogener Vertrag, der lediglich und gezielt für den Fall der Insolvenz den späteren Schuldner bzw. dessen Gläubiger benachteiligt. In diesem Fall entfällt für die Rückabwicklung alleine die benachteiligende Klausel (BGH je aaO). Eine Benachteiligung kommt in einem solchen Fall etwa in Betracht, wenn dem späteren Insolvenzschuldner gezielt für den Fall der Insolvenz Vermögensnachteile auferlegt werden, welche über die gesetzlichen Folgen hinausgehen (vgl. MünchKomm-Inso/Kirchhof, aaO § 143 Rn. 18) und nicht zur Erreichung des Vertragszwecks geboten sind (BGHZ 124, 76, 81).
(3) Ausgewogen in diesem Sinne ist ein Vertrag, der gleichwertige Gegenleistungen vorsieht (BGHZ 124, 76, 81). In diesem Fall ist es gerechtfertigt, einer einzelnen Klausel, die die Ausgewogenheit speziell für den Fall der Insolvenz verletzt, die Wirkung zu versagen. Werden hierdurch allerdings selbst ausgewogene Verträge erfasst, kann diese Rechtsprechung erst recht auf solche Verträge angewandt werden, die zum Nachteil des Schuldners unausgewogen sind und schon dadurch die Gläubiger benachteiligen. Stets sind in diesem Zusammenhang aber Verträge gemeint, bei denen die Leistungen der Vertragsparteien in einem Gegenseitigkeitsverhältnis stehen.
Auf eine Schenkung zum Vorteil des Schuldners sind diese Grundsätze dagegen nicht anwendbar. Entscheidend ist hier, dass der Grundbesitz niemals einem unbeschränkten Zugriff der Gläubiger ausgesetzt war. Vielmehr war das Grundstück von dem Erwerb durch den Schuldner an mit dem durch vorrangige Auflassungsvormerkung gesicherten Rückübertragungsanspruch belastet. Die Übertragung des Grundstücks in dieser Form mag für die Gläubiger nur von geringem Vorteil gewesen sein oder gar keinen Vorteil gebracht haben. Eine objektive Benachteiligung zu ihren Lasten war damit aber nicht verbunden. Im Rahmen der Insolvenzanfechtung kann nicht als objektive Gläubigerbenachteiligung geltend gemacht werden, dem Schuldner hätte mehr geschenkt oder ein Geschenk ohne Belastung überlassen werden müssen.
(4) Darüber hinaus hätte selbst in einem ausgewogenen gegenseitigen Vertrag die Klausel, die als unwirksam behandelt werden soll, nicht zur Erreichung des Vertragszweckes geboten gewesen sein dürfen (BGHZ 124, 76, 81). Auch hierzu fehlen Feststellungen des Beschwerdegerichts. Die Rechtsbeschwerde weist zutreffend darauf hin, dass der Vortrag des Schuldners nicht berücksichtigt wurde, seine Eltern hätten die Schenkung ohne die fragliche Klausel nicht vorgenommen und Vertragszweck sei gerade gewesen, den Vermögenswert zu erhalten, zumal daraus eine Altenteilsrente für sie aufzubringen und eine beschränkt persönliche Dienstbarkeit eingeräumt war (Garagenbenutzung).
3. Das Amtsgericht hat entsprechend dem Antrag des Insolvenzverwalters das Grundstück nach Berücksichtigung von Absonderungsrechten mit einem Wert von 111.407,05 € in Ansatz gebracht. Der Schuldner hat mit der sofortigen Beschwerde beanstandet, dass der Verwalter im Eröffnungsverfahren in dem dort erstatteten Gutachten das Grundstück mit 91.510,84 € bewertet hatte und sich die Bewertungsgrundlagen nicht geändert hätten. Darauf ist das Beschwerdegericht nicht eingegangen. Damit hat es jedoch das Recht des Schuldners auf rechtliches Gehör nicht verletzt.
Der Insolvenzverwalter hat in seinem Vergütungsantrag die Erhöhung des Wertes schlüssig dargelegt. Sie beruht darauf, dass in dem im Eröffnungsverfahren erstatteten Gutachten sowie in dem Bericht zum Berichtstermin jeweils ein Verkehrswert von 140.000 €, im Vergütungsantrag dagegen ein solcher von 160.000 € angesetzt wurde. Aus der Vermögensübersicht nach § 153 InsO und der Stellungnahme des Insolvenzverwalters vom auf die sofortige Beschwerde des Schuldners ergibt sich, dass zunächst der Liquidationswert, später aber der Fortführungswert zugrunde gelegt wurde. Hierauf hatte der Schuldner nicht mehr erwidert. Da sein Einwand in der sofortigen Beschwerde zudem lediglich als Hinweis ausgestaltet war, musste das Beschwerdegericht hierauf nicht mehr näher eingehen.
4. Die Festsetzung eines Zuschlags für die Unternehmensfortführung durch das Beschwerdegericht in Höhe von 25 % ist mit der gegebenen Begründung rechtsfehlerhaft.
a) Wird das Unternehmen des Schuldners fortgeführt, so ist bei der für die Vergütung maßgeblichen Masse der Überschuss zu berücksichtigen, der sich nach Abzug der Ausgaben von den Einnahmen ergibt, § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV.
Ein nach § 3 Abs. 1 Buchst. b InsVV möglicher Zuschlag für eine den Regelsatz übersteigende Vergütung ist festzusetzen, wenn der Verwalter das Unternehmen fortgeführt hat und die Masse nicht entsprechend größer geworden ist. Bleibt die Erhöhung der Vergütung durch Massemehrung aufgrund Fortführung des Unternehmens hinter dem Betrag zurück, der dem Verwalter bei unveränderter Masse als Zuschlag gebühren würde, so ist ihm ein diese Differenz in etwa ausgleichender Zuschlag zu gewähren (vgl. im Einzelnen , ZIP 2007, 826 f).
Das Beschwerdegericht hat die Regelung des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV im Ergebnis zutreffend nicht angewandt. Soweit es auf die Einnahme und Überschussrechnung für die Zeit vom bis abgestellt hat, hat es zwar nicht berücksichtigt, dass der Insolvenzverwalter erst am bestellt worden ist und deshalb die Einnahme und Überschussrechnung erst ab diesem Zeitpunkt zu berücksichtigen ist.
Der Insolvenzverwalter hat jedoch unwidersprochen vorgetragen, dass der gesamte erwirtschaftete Gewinn dem Schuldner als Gegenleistung für seine eingebrachte Arbeitskraft überlassen worden ist. Dann ist im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 4 Satz 2 Buchst. b InsVV ein Überschuss nicht erzielt worden, weil diese Zahlungen an den Schuldner als Ausgaben im Sinne dieser Vorschrift anzusetzen waren (, ZIP 2006, 1307 f).
b) Bei der Bemessung des Zuschlags hat das Beschwerdegericht aber rechtsfehlerhaft auch auf die Tätigkeit des Insolvenzverwalters während des Eröffnungsverfahrens abgestellt. Für die Vergütung des Insolvenzverwalters ist aber allein die Tätigkeit in der Zeit maßgebend, in der er als solcher bestellt war. Die Tätigkeit als vorläufiger Insolvenzverwalter wurde bereits gesondert vergütet.
Im Vergütungsantrag des Insolvenzverwalters fehlt es insoweit an ausreichenden Darlegungen, da er seine gesamte Tätigkeit als vorläufiger Verwalter in die Begründung des Antrags auf Gewährung eines Zuschlags wegen Betriebsfortführung einbezogen hat. Nach Darstellung des Schuldners ist während des eröffneten Insolvenzverfahrens nur ein einziger Auftrag mit einem Werklohn von 800 € abgewickelt worden. Dieser jedenfalls würde keinen Zuschlag von 5.391,15 € netto rechtfertigen, wie ihn die Vordergerichte zugebilligt haben.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 1125 Nr. 22
DNotZ 2008 S. 518 Nr. 7
DStR 2008 S. 1930 Nr. 40
NJW-RR 2008 S. 1274 Nr. 18
NWB-Eilnachricht Nr. 23/2008 S. 2110
SJ 2008 S. 39 Nr. 21
WM 2008 S. 1034 Nr. 22
ZIP 2008 S. 1028 Nr. 22
VAAAC-79839
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja