BVerwG Beschluss v. - 6 PB 1.08

Leitsatz

Die Mitbestimmung des Personalrats beim Erlass einer Rechtsverordnung ist ausgeschlossen.

Gesetze: MVPersVG § 70

Instanzenzug: VG Greifswald, VG 7 A 637/06 vom OVG Greifswald, OVG 8 L 358/06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 87 Abs. 2 MVPersVG i.V.m. § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.

Der Antragsteller will geklärt wissen, ob der Erlass einer Verordnung eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme im Sinne des § 62 Abs. 1 MVPersVG darstellen kann, wenn dem Verordnungsgeber durch die Verordnungsermächtigung ein Ermessens- und Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung der Verordnung eingeräumt wird und durch den materiellen Inhalt der Verordnung - insbesondere durch einzelne in ihr enthaltene Regelungen - ein personalvertretungsrechtlicher Mitbestimmungstatbestand tangiert wird. Diese Frage ist mit dem Oberverwaltungsgericht eindeutig zu verneinen, so dass es einer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.

Die Mitbestimmung des Personalrats beim Erlass einer Rechtsverordnung ist ausgeschlossen. Dies ergibt sich, worauf bereits das Oberverwaltungsgericht zutreffend hingewiesen hat, aus § 70 Abs. 1 MVPersVG. Danach kommt die Mitbestimmung in einer hier in Rede stehenden Angelegenheit nur in Betracht, soweit eine gesetzliche oder tarifliche Regelung nicht besteht. Eine vergleichbare Formulierung findet sich jeweils im Einleitungssatz zu den Mitbestimmungskatalogen in § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2 Satz 1 BPersVG sowie in zahlreichen anderen Landespersonalvertretungsgesetzen. Dass unter "gesetzlicher Regelung" im Sinne des personalvertretungsrechtlichen Gesetzesvorrangs jedes materielle Gesetz zu verstehen ist und daher auch Rechtsverordnungen miterfasst sind, die auf gesetzlicher Ermächtigung beruhen, ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung seit langem geklärt (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 7 P 10.75 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 4 S. 24 f., vom - BVerwG 6 P 92.78 - Buchholz 238.3 A § 75 BPersVG Nr. 13 S. 74 und vom - BVerwG 6 P 8.84 - BVerwGE 75, 365 <367> = Buchholz 251.7 § 72 NWPersVG Nr. 14 S. 2 f.; - BAGE 39, 76 <84 f.>). Dies ist auch einhellige Meinung der Kommentarliteratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz (vgl. Rehak, in: Lorenzen/Etzel/Gerhold/Schlatmann/Rehak/Faber, Bundespersonalvertretungsgesetz, § 75 Rn. 109a; Altvater/Hamer/Ohnesorg/Peiseler, Bundespersonalvertretungsgesetz, 5. Aufl. 2004, § 75 Rn. 36; Ilbertz/Widmaier, Bundespersonalvertretungsgesetz, 10. Aufl. 2004, § 75 Rn. 74; Fischer/Goeres/Gronimus, in: GKÖD, Bd. V K § 75 Rn. 71; Kaiser, in: Richardi/Dörner/Weber, Personalvertretungsrecht, 3. Aufl. 2008, § 75 Rn. 214). Dafür dass der Landesgesetzgeber in § 70 Abs. 1 MVPersVG von einem abweichenden Verständnis ausgeht, fehlt es an jeglichem Anhalt (vgl. Vogelgesang, in: Vogelgesang/Bieler/Stange/ Kleffner, Landespersonalvertretungsgesetz Mecklenburg-Vorpommern, G § 70 Rn. 8).

Nach der zitierten Rechtsprechung und Literatur findet der personalvertretungsrechtliche Gesetzes- und Tarifvorrang eine Rechtfertigung darin, dass bei der gesetzlichen und tariflichen Regelung bereits ein für die Beschäftigten billiger Interessenausgleich herbeigeführt ist, der nicht zur Disposition im Mitbestimmungsverfahren stehen soll. Dieser Gedanke trifft auch auf Rechtsverordnungen zu, die auf gesetzlicher Grundlage beruhen, welche ihrerseits den rechtsstaatlichen Anforderungen nach Art. 80 GG und vergleichbarer Bestimmungen des Landesverfassungsrechts (hier Art. 57 der Verfassung des Landes Mecklenburg-Vorpommern) genügt und somit bereits Tendenz und Programm der Verordnungsregelung zu erkennen gibt. Damit ist zugleich als selbstverständlich mitgedacht, dass die Mitbestimmung des Personalrats beim Erlass die Mitbestimmung verdrängender Rechtsvorschriften auch und erst recht ausscheidet.

Nur diese Sichtweise trägt der Bewertung und Zuordnung der Rechtsquellen Rechnung, wie sie der Landesgesetzgeber mit Blick auf die Befugnisse der Personalvertretung vorgenommen hat. Wie § 66 Abs. 1 Satz 1 MVPersVG zeigt, ist klassisches Instrument der Mitbestimmung in den durch § 70 Abs. 1 MVPersVG erfassten Angelegenheiten die Dienstvereinbarung. Rechtsvorschriften und Tarifverträge einerseits und Dienstvereinbarungen andererseits haben gemein, dass sie die Arbeitsbedingungen bzw. die Beschäftigungsverhältnisse normativ gestalten. Denn die gemäß § 66 Abs. 2 MVPersVG von Dienststelle und Personalrat geschlossenen Dienstvereinbarungen schaffen als Akte dienststelleninterner Rechtssetzung - insoweit der Wirkung von Rechts- und Tarifnormen vergleichbar - für die Dienststelle und deren Dienstkräfte unmittelbar geltendes Recht, und zwar in der Weise, dass alle gegenwärtigen und künftigen in der Dienststelle beschäftigten Dienstkräfte vom Dienststellenleiter nach deren Vorschriften behandelt werden müssen (vgl. BVerwG 6 P 3.04 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 13 S. 4 m.w.N.). Beim Zustandekommen der Rechtsquelle "Dienstvereinbarung" weist der Gesetzgeber der Personalvertretung eine aktive Rolle zu. Im Gegensatz dazu stehen die höherrangigen und zugleich externen Rechtsquellen "Gesetz" und "Tarifvertrag", welche die Kompetenz der Personalvertretung in den Katalogangelegenheiten ausschließen oder einschränken.

Angesichts dessen geht die Erwägung des Antragstellers, mit dem mitbestimmungsfreien Erlass einer Rechtsverordnung in einer Katalogangelegenheit werde die Mitbestimmung umgangen, schon im Ansatz fehl. Vielmehr macht der Verordnungsgeber auch in diesen Fällen nur von dem Gestaltungsauftrag Gebrauch, den ihm der Gesetzgeber erteilt hat. Hingegen steht das Mitbestimmungsrecht nach § 70 Abs. 1 MVPersVG von vornherein unter dem Vorbehalt einer Regelung durch Rechtsvorschrift. Ergeht eine solche, so verliert der Personalrat keine Rechtsposition, die zu seinem gesetzlichen Bestand zählt.

Für seine abweichende Auffassung kann sich der Antragsteller keinesfalls auf § 71 MVPersVG berufen. Diese Vorschrift schränkt die Beteiligung des Personalrats ein, wie sie nach den vorhergehenden Bestimmungen gegeben ist, sie erweitert sie dagegen nicht. Da die Mitbestimmung beim Erlass von Rechtsverordnungen nach § 70 Abs. 1 MVPersVG ausgeschlossen ist, kann der Ausschluss der Mitbestimmung nach § 71 MVPersVG nur beim Erlass von Verwaltungsvorschriften zum Zuge kommen. Der vom Antragsteller zitierte Senatsbeschluss vom - BVerwG 6 P 10.04 - (Buchholz 251.0 § 84 BaWüPersVG Nr. 1) besagt nichts Abweichendes, weil es dort um die Mitbestimmung bei der Änderung einer Verwaltungsvorschrift ging.

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Fundstelle(n):
QAAAC-78753