Vorsteuerabzug für Anzahlungen bei Ausbleiben der Leistung; Berichtigung des Vorsteuerabzugs bei Rückerstattung
Gesetze: UStG § 15, UStG § 13, UStG § 17
Instanzenzug:
Gründe
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) kaufte mit notariell beurkundetem Bauträgervertrag vom einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück mit einer noch zu errichtenden Gewerbeeinheit zum Preis von 600 000 DM zuzüglich 90 000 DM Umsatzsteuer.
Mit Rechnung vom forderte der Verkäufer (V) eine Kaufpreisrate von 200 000 DM zzgl. 30 000 DM Umsatzsteuer, sowie mit Rechnung vom eine weitere Rate von 400 000 DM zuzüglich 60 000 DM Umsatzsteuer an, die die Klägerin in den Jahren 1995 und 1996 entrichtete. Die Umsatzsteuer (Vorsteuer) 1995 und 1996 in Höhe von insgesamt 90 000 DM trat die Klägerin an V ab.
Im Jahre 1997 teilte V der Klägerin mit, dass sie das Gebäude nicht errichten könne. Aufgrund einer Bürgschaft erhielt die Klägerin die Netto-Kaufpreisraten (ohne Umsatzsteuer) am zurück.
In ihren Umsatzsteuererklärungen der Jahre 1995 und 1996 machte die Klägerin die Vorsteuerbeträge von 30 000 DM bzw. 60 000 DM geltend, da sie die Gewerberäume steuerpflichtig habe vermieten wollen.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) stimmte den Umsatzsteuererklärungen zu. Mit Bescheiden über Umsatzsteuer für 1995 und 1996 vom setzte das FA jedoch die Umsatzsteuer mit 0 DM fest, da aufgrund der Nichterrichtung des Objekts der in Anspruch genommene Vorsteuerabzug rückwirkend entfalle.
Aufgrund des (BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434) half das FA den Einsprüchen ab und gewährte mit Bescheiden über die Umsatzsteuer 1995 und 1996 vom die von der Klägerin begehrten Vorsteuerabzüge.
Mit Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr (1997) vom selben Tage berichtigte das FA den in den Jahren 1995 und 1996 vorgenommenen Vorsteuerabzug.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, dass die Berichtigung in dem Besteuerungszeitraum vorzunehmen sei, in dem die Änderung der Bemessungsgrundlage eingetreten sei. Diese Voraussetzungen seien in 1997 gegeben, weil unstreitig kein Umsatz erfolgt sei und auch nicht erfolgen werde. Die zivilrechtliche „Rückabwicklung des Kaufvertrages” ebenso wie die rechtliche Einordnung der Zahlung des Bürgen als Rückgewähr des Kaufpreises oder Schadensersatz seien ohne Bedeutung. Ebenso komme es nicht darauf an, ob eine Rechnung zurückverlangt bzw. berichtigt worden sei.
Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der vorliegenden Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geltend macht.
II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
1. Nach § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision u.a. dann zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO). Die Nichtzulassung kann mit der Beschwerde angefochten werden (§ 116 Abs. 1 FGO). In der Beschwerdebegründung müssen die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).
2. Die Revision ist nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung der von der Klägerin aufgeworfenen Rechtsfragen gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das (abstrakte) Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss klärungsbedürftig und in dem angestrebten Revisionsverfahren klärbar sein (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 84/01, BFH/NV 2003, 949; vom V B 177/02, BFH/NV 2005, 258).
a) Soweit die Klägerin der Rechtsfrage, ob eine Bürgschaftsrückzahlung als Schadensersatz zu werten ist und deshalb kein Entgelt im Sinne des Umsatzsteuerrechts darstellt, grundsätzliche Bedeutung beimisst, ist diese Rechtsfrage für die Beurteilung des Streitfalls nicht maßgeblich.
aa) Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG 1993) hat für den Fall, dass sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 UStG 1993 geändert hat, der Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt worden ist, den dafür in Anspruch genommenen Vorsteuerabzug entsprechend zu berichtigen. Diese Vorschrift gilt gemäß § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993 sinngemäß, wenn für eine vereinbarte Lieferung oder sonstige Leistung ein Entgelt entrichtet, die Lieferung oder sonstige Leistung jedoch nicht ausgeführt worden ist.
bb) Die Regelung in § 17 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1993 steht damit im Zusammenhang mit der in § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG 1993 vorgeschriebenen Besteuerung von Zahlungen vor Ausführung der Leistungen (Klenk in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 17 Rz 149). Werden nämlich Anzahlungen geleistet, bevor die Lieferung von Gegenständen oder die Dienstleistungen bewirkt sind, so entsteht der Steueranspruch zum Zeitpunkt der Vereinnahmung entsprechend dem vereinnahmten Betrag (Art. 10 Abs. 2 Unterabs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG —Richtlinie 77/388/EWG—; vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG 1993). Zu diesem Zeitpunkt entsteht auch das Recht auf Vorsteuerabzug (vgl. BFH-Urteil in BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434).
Der BFH hat daher bereits in dem Urteil in BFHE 195, 437, BStBl II 2003, 434 entschieden, dass in Fällen, in denen der Steuerpflichtige aufgrund seiner Absicht, die angezahlte Eingangsleistung für einen steuerpflichtigen Ausgangsumsatz zu verwenden, im Jahr der Anzahlung den Vorsteuerabzug erhält und diese Anzahlung später zurückerstattet wird, der Vorsteuerabzug im Jahr der Rückerstattung zu korrigieren ist. Demnach kommt es nicht darauf an, ob die Rückzahlung seitens des Bürgens zivilrechtlich als Schadensersatz zu qualifizieren ist.
b) Soweit die Klägerin die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung hinsichtlich der Frage begehrt, „wie Art. 20 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG auszulegen” sei, genügt die Beschwerde den Darlegungsanforderungen nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO nicht.
aa) Zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung ist es erforderlich, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Rechtsfrage formuliert und auf deren Klärungsbedürftigkeit und Klärbarkeit im angestrebten Revisionsverfahren sowie auf deren über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingeht. Ferner sind zur Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtsfrage Angaben dazu notwendig, inwiefern die richtige Antwort auf die im angestrebten Revisionsverfahren zu klärende Rechtsfrage zweifelhaft ist, in welchem Umfang und aus welchen Gründen sie umstritten ist und ggf. welche unterschiedlichen Auffassungen zu dieser Frage in der Rechtsprechung oder im Schrifttum vertreten werden (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 119/01, BFH/NV 2002, 1038; vom VII B 110/02, BFH/NV 2003, 659).
bb) Die Darlegung lässt insbesondere eine Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vermissen.
Nach Art. 20 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG wird der ursprüngliche Vorsteuerabzug „nach den von den Mitgliedstaaten festgelegten Einzelheiten berichtigt, und zwar insbesondere:
b) wenn sich Faktoren, die bei der Festsetzung des Vorsteuerabzugsbetrags berücksichtigt werden, nach Abgabe der Erklärung geändert haben, insbesondere bei rückgängig gemachten Käufen oder erlangten Rabatten;...”.
Hierzu hat der , Gemeente Leusden und Holin Groep (Slg. 2004, I-5337, BFH/NV Beilage 2004, 250 Randnr. 52) bereits entschieden, dass die Aufzählung der Tatbestände unter Art. 20 Abs. 1 Buchst. a und b der Richtlinie 77/388/EWG nicht abschließend ist. Daraus ergibt sich ohne weiteres, dass entgegen der Auffassung der Klägerin eine Rückgängigmachung von Käufen oder die Erlangung von Rabatten nicht denknotwendig erforderlich ist, um zu einer Berichtigung von Vorsteuerabzügen zu führen.
3. Soweit darüber hinaus die Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung geltend macht, dass nicht der Zedent gemäß § 37 Abs. 2 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) wegen eines Rückforderungsanspruchs in Anspruch genommen werden darf, sondern vielmehr der Zessionar, ist die Revision weder wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) noch wegen Erforderlichkeit einer Entscheidung des BFH zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) zuzulassen.
Beide Zulassungsgründe setzen voraus, dass eine Rechtsfrage bzw. abweichend beantwortete Rechtsfrage im künftigen Revisionsverfahren klärbar ist (vgl. BFH-Beschlüsse vom I B 152/04, BFH/NV 2005, 1214; vom V B 66/06, BFH/NV 2007, 2067). Die Frage, ob der Zessionar als Leistungsempfänger (§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO) vorrangig vor dem Zedenten (vgl. § 37 Abs. 2 Satz 3 AO) auf Rückzahlung in Anspruch zu nehmen ist, kann aber im Rahmen der im Streitfall streitgegenständlichen Festsetzung der Umsatzsteuer nicht geklärt werden. Vielmehr bleibt deren Beantwortung dem Erhebungsverfahren vorbehalten. In diesem entscheidet nach § 218 Abs. 2 Satz 2 AO die Finanzbehörde über eine Streitigkeit, die einen Erstattungsanspruch i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 2 AO betrifft, durch Verwaltungsakt. Ist eine Steuervergütung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrages. Dies gilt auch, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung später wegfällt (§ 37 Abs. 2 Satz 2 AO). Zu den Steuervergütungen gehören auch abgetretene Vorsteueransprüche. Auch in diesem Falle wird daher der Anspruch auf Rückforderung durch den Rückforderungsbescheid (§ 218 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 2 AO), der Teil des Erhebungsverfahrens ist, verwirklicht (vgl. ausführlich , BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562; Boeker in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, § 37 AO Rz 88 f., m.w.N.). Einen solchen Verwaltungsakt hat das FA bislang aber nicht erlassen.
4. Die behauptete Divergenz zu diesem Urteil (BFHE 198, 294, BStBl II 2002, 562) ist schon nicht in der erforderlichen Weise dargelegt. Macht der Beschwerdeführer geltend, dass eine Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich sei (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO), so muss er in der Beschwerdebegründung darlegen, inwiefern über eine entscheidungserhebliche Rechtsfrage unterschiedliche Auffassungen bei den Gerichten bestehen und welche sonstigen Gründe eine höchstrichterliche Entscheidung gebieten. Hierzu muss er tragende und abstrakte Rechtssätze aus dem angefochtenen Urteil des FG einerseits und aus den behaupteten Divergenzentscheidungen andererseits herausarbeiten und einander gegenüberstellen, um so eine Abweichung zu verdeutlichen (z.B. BFH-Beschlüsse vom X B 52/03, BFH/NV 2004, 80; vom VII B 20/07, BFH/NV 2008, 10). Eine solche Gegenüberstellung enthält die Beschwerdebegründung nicht.
Mit dem nicht weiter substantiierten Hinweis auf ein anhängiges Verfahren beim BFH hat die Klägerin keinen Zulassungsgrund i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 999 Nr. 6
YAAAC-78276