BSG Urteil v. - B 6 KA 27/07 R

Leitsatz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: SGB V § 140a; SGB V § 140b; SGB V § 140d

Instanzenzug: SG Gotha, S 7 KA 2784/05 vom

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Voraussetzungen für den Einbehalt von Gesamtvergütungsanteilen zur Finanzierung eines Vertrages der integrierten Versorgung erfüllt sind.

Die beklagte Ersatzkasse schloss mit der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG) e.G. und der Marketinggesellschaft Deutscher Apotheker mbH (MGDA) im Dezember 2004 einen - bundesweit geltenden - "Vertrag zur Integrierten Versorgung durch Hausärzte und Hausapotheken ('Integrationsvertrag') gem. §§ 140a ff. SGB V". Der Vertrag (im Folgenden: Barmer Hausarztvertrag <BHV>) regelt nach seiner Präambel die zur Etablierung und Umsetzung einer solchen "Integrierten Versorgung durch Hausarzt- und Hausapotheken" notwendigen Voraussetzungen und Instrumente. Die Versicherten der Beklagten erhalten nach § 4 BHV die Möglichkeit, sich freiwillig an dem Vertrag zu beteiligen, aus einer von der Beklagten zu erstellenden Liste einen Hausarzt auszuwählen und Fachärzte nur auf Überweisung durch diesen in Anspruch zu nehmen. Zur Gewährleistung der vertraglich angestrebten Arzneimittelsicherheit verpflichtet sich der Patient, verordnete Arzneimittel und solche der Selbstmedikation ausschließlich in der gewählten Hausapotheke abzunehmen. Für die Mitwirkung an dem Vertrag erhält der teilnehmende Hausarzt eine Einschreibepauschale von 15,30 Euro, eine Integrationspauschale I von 5,10 Euro pro Quartal im ersten Jahr der Teilnahme des Versicherten, eine Integrationspauschale II von 20,40 Euro für jedes weitere Jahr der Teilnahme des Versicherten sowie 35,70 Euro für einen jährlichen Präventions-Check und 16,32 Euro im Falle der Anforderung und Auswertung des Medikationskontos der Krankenkasse. Die teilnehmende Apotheke erhält eine "Apothekenintegrationspauschale" von 8 Euro pro Quartal für jeden Fall der Kommunikation mit einem teilnehmenden Hausarzt, wobei die Abrechnung dieser Leistung auf 10 % der in der Apotheke am letzten Tag des Quartals eingeschriebenen Versicherten beschränkt ist (weitere Details der Regelungen des BHV bei Rieser/Rabbata, DÄ 2007, A 2466). Im Übrigen sollen die teilnehmenden Hausärzte und Apotheken an den realisierten Einsparungen für Arzneimittel und andere veranlasste Leistungen nach § 13 des Vertrages ab dem zweiten Jahr der Teilnahme des Versicherten beteiligt werden.

Die Beklagte legte den Vertrag der klagenden Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) vor und teilte mit, sie werde auf der Grundlage des § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V zur Finanzierung der Kosten dieses Vertrages ab dem Quartal I/2005 einen Anteil von 0,58 % der an die Klägerin zu entrichtenden Gesamtvergütung einbehalten. Die Klägerin sah den BHV nicht als einen Vertrag zur integrierten Versorgung iS von § 140a Abs 1 SGB V an und bestritt der Beklagten das Recht, Anteile der Gesamtvergütung zur Finanzierung dieses Vertrages einzubehalten. Die Beklagte nahm gleichwohl in den streitbefangenen Quartalen I/2005 bis I/2006 Einbehalte in Höhe von 407.886,46 Euro vor.

Die Klägerin hat Klage auf Zahlung der ausstehenden Gesamtvergütungsanteile in Höhe von 407.886,46 Euro erhoben. Das Sozialgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt (Urteil vom - MedR 2006, 497). Das Landessozialgericht (LSG) hat deren Berufung zurückgewiesen. Es ist der Auffassung der Klägerin gefolgt, der BHV sei kein Integrationsvertrag iS des § 140a SGB V. Offen könne bleiben, ob Apotheken bzw Gemeinschaften von Apotheken oder deren Verbände gemäß § 140b Abs 1 SGB V überhaupt Partner eines Integrationsvertrags sein könnten. Nach § 140d SGB V stehe die Anschubfinanzierung jedenfalls nur für die Finanzierung von zulässigen Integrationsverträgen zur Verfügung. Dazu gehöre der BHV nicht, weil weder eine interdisziplinär-fachübergreifende noch eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung gestaltet werde. Eine interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung liege nicht vor, weil der fachärztliche Versorgungsbereich nicht einbezogen worden sei; der BHV erfasse von vornherein nur die hausärztliche Versorgung. Auch eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung werde nicht organisiert. Daran ändere die Einbeziehung der Apotheken nichts. Apotheken seien nicht dem ambulanten, stationären oder rehabilitativen Sektor der Versorgung zuzurechnen, sondern als eigener Leistungssektor anzusehen. Zwischen ihnen und den anderen Sektoren sei eine Verzahnung nicht möglich, weshalb die Beteiligung von Apotheken den Vertrag nicht zu einem der integrierten Versorgung mache. Aus § 129 Abs 5b SGB V sei zu schließen, dass Apotheken an Integrationsverträgen lediglich beteiligt werden könnten. Mit der Einführung und finanziellen Förderung der Integrationsversorgung habe der Gesetzgeber das Ziel verfolgt, Schnittstellenprobleme des Gesundheitsversorgungssystems der gesetzlichen Krankenversicherung partiell zu überwinden und insbesondere die ambulante und die stationäre Versorgung unter Einschluss der medizinischen Rehabilitation besser zu verzahnen. Dazu leiste allein die Einbeziehung von Apotheken in einen Vertrag über die hausärztliche Versorgung der Versicherten keinen Beitrag. Anders als Vertragsärzte und Krankenhäuser seien die Apotheken an der Aufbringung der Mittel für die Anschubfinanzierung nach § 140d SGB V nicht beteiligt (Urteil vom - MedR 2007, 746).

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung der §§ 140a, 140b und 140d SGB V. Das Berufungsgericht verkenne, dass die Schnittstelle von ambulanter und stationärer Versorgung zwar möglicherweise der wichtigste Überschneidungsbereich sei, den der Gesetzgeber bei Schaffung und auch bei späteren Änderungen der Vorschriften über die Integrationsversorgung im Blick gehabt habe, dass aber nach den gesetzlichen Bestimmungen auch Integrationsverträge zulässig seien, die sich nur auf den ambulanten Bereich beschränkten. Die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln sei ein gegenüber der vertragsärztlichen Behandlung eigenständiger Leistungssektor; die Verkoppelung beider Bereiche könne Gegenstand einer integrierten Versorgung sein. Die Verbesserung der Qualität der Arzneimittelversorgung sei zudem ein wichtiges gesundheitspolitisches Anliegen. Der Gesetzgeber habe den Vertragspartnern iS des § 140b SGB V ausdrücklich freigestellt, diesem Anliegen durch den Abschluss eines Integrationsvertrages Rechnung zu tragen. Der BHV leiste einen wichtigen Beitrag dazu, Doppelverordnungen auszuschließen, und diene der Qualitätssicherung der Arzneimittelversorgung. Die Schnittstellenproblematik im Regelversorgungssystem sei entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht auf die Versorgungsbereiche "ambulant" und "stationär" beschränkt; vielmehr gebe es Schnittstellenprobleme ebenso zwischen Ärzten und Apotheken. Auch insoweit könne das Versorgungsmanagement zugunsten der Versicherten verbessert werden. Dazu diene der hier betroffene Vertrag. Deshalb müsse die Klägerin hinnehmen, dass sie - die Beklagte - zur Finanzierung dieses Vertrages auf der Grundlage des § 140d SGB V Gesamtvergütungsanteile einbehalte.

Die Beklagte beantragt,

die Urteile des Thüringer Landessozialgerichts vom und des Sozialgerichts Gotha vom aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend, insbesondere, weil die Zusammenarbeit von Hausärzten und Apotheken keine leistungssektorenübergreifende Versorgung darstelle. Leistungssektoren seien lediglich die ambulante und die stationäre Versorgung. Die Arzneimittelversorgung sei untrennbarer Bestandteil der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung.

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Das Berufungsgericht hat zutreffend entschieden, dass die Klägerin gegen die Beklagte Anspruch auf Zahlung einbehaltener Gesamtvergütung in Höhe von 407.886,46 Euro hat.

Die Beklagte war nicht berechtigt, diesen Betrag auf der Grundlage des § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V in der hier maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG vom , BGBl I 2190) "zur Förderung der integrierten Versorgung" von der an die Klägerin gemäß § 85 Abs 1 SGB V zu entrichtenden Gesamtvergütung einzubehalten. Nach § 140d Abs 1 Satz 3 SGB V dürfen die nach Satz 1 einbehaltenen Mittel ausschließlich zur Finanzierung der nach § 140c Abs 1 Satz 1 SGB V vereinbarten Vergütungen verwendet werden. Nach dieser Vorschrift legen die Verträge zur integrierten Versorgung die Vergütung der in diesem Rahmen erbrachten Leistungen fest. Bei dem hier zu beurteilenden BHV handelt es sich jedoch nicht um einen Vertrag zur integrierten Versorgung im Sinne dieser Vorschrift.

Die Regelung des § 140d Abs 1 SGB V über die Anschubfinanzierung der integrierten Versorgung ist seit ihrem Inkrafttreten zum mehrfach geändert worden. Durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG vom , BGBl I 3439) ist die ursprünglich bis Ende 2006 befristete Anschubfinanzierung bis Ende 2008 verlängert und die Pflicht zur Rückzahlung nicht zweckentsprechend verbrauchter Mittel bis zum aufgeschoben worden. Durch das Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG vom , BGBl I 378) sind zum die Sätze 2 bis 4 eingefügt worden. Danach dürfen die Mittel der Anschubfinanzierung nur noch für voll- und teilstationäre Leistungen der Krankenhäuser und für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwendet werden, soweit nicht "Aufwendungen für besondere Integrationsaufgaben" betroffen sind. Danach wäre die Verwendung der Anschubfinanzierung für den BHV zumindest teilweise unzulässig, weil damit (auch) Leistungen bezahlt werden, die nicht vertragsärztliche Leistungen sind, etwa solche der Apotheken. Diese gesteigerten Anforderungen gelten jedoch nach § 140d Abs 1 Satz 3 SGB V nicht für Verträge, die vor dem abgeschlossen worden sind. Für den im Dezember 2004 vereinbarten BHV ist daher § 140d Abs 1 SGB V idF des GMG maßgeblich.

Auf der Grundlage des § 140d Abs 1 Satz 1 SGB V sind Krankenkassen nur berechtigt, wie das Berufungsgericht zu Recht dargelegt hat, Gesamtvergütungsanteile zur Finanzierung konkreter Integrationsverträge einzubehalten. Das ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus der Wendung der Vorschrift, "soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140b geschlossenen Verträgen erforderlich sind". Mit dieser Regelung wäre es nicht vereinbar, dass Krankenkassen pauschal und ohne näheren Hinweis auf Inhalt und finanzielles Volumen von Integrationsverträgen zunächst Gesamtvergütungsbestandteile einbehielten und allenfalls auf der Grundlage des § 140d Abs 1 Satz 5 SGB V nach drei Jahren (ganz oder anteilig) zurückerstatteten (zutreffend Felix/Brockmann, NZS 2007, 623, 630). Ihre noch im Berufungsrechtszug unter Hinweis auf einen KA ER - MedR 2005, 62) vertretene gegenteilige Auffassung hat die Beklagte im Revisionsverfahren nicht mehr aufrechterhalten.

Der von der Beklagten mit der HÄVG und der MGDA geschlossene BHV ist kein Vertrag zur integrierten Versorgung iS des § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V. Integrationsverträge können nach dieser Vorschrift nur über eine "interdisziplinär-fachübergreifende" oder über eine "verschiedene Leistungssektoren übergreifende" Versorgung geschlossen werden. Interdisziplinär-fachübergreifend ist die durch den BHV organisierte hausärztliche Versorgung schon deshalb nicht, weil an ihr ausschließlich dem hausärztlichen Versorgungsbereich zugehörige Ärzte, nämlich Hausärzte, beteiligt sind und insofern keine im Sinne des Gesetzes interdisziplinär-fachübergreifende Versorgung vorliegt. Die Erfüllung dieses Merkmals (näher Baumann/Motz in: Wannagat, Sozialgesetzbuch, § 140a SGB V RdNr 8) durch den BHV nimmt die Beklagte zu Recht auch selbst nicht in Anspruch.

Ob der BHV eine leistungssektorenübergreifende Versorgung organisiert, ist fraglich, bedarf aber keiner abschließenden Entscheidung. Denn der BHV stellt sich jedenfalls deshalb nicht als Vertrag zur integrierten Versorgung dar, weil er mit seinen integrativen Elementen im Wesentlichen innerhalb der Regelversorgung verbleibt und damit die aus Zielsetzung und gesetzlicher Ausgestaltung der integrierten Versorgung abzuleitende Voraussetzung nicht erfüllt, dass Leistungen der Regelversorgung ersetzt werden.

Der Begriff der Leistungssektoren iS des § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V ist gesetzlich nicht definiert (so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks 15/1525, S 129, Zu Nr 113 <§ 140a>, Zu Buchst a). Sein Inhalt ist deshalb nur durch eine am Zweck der integrierten Versorgung orientierte Auslegung zu bestimmen (Beule, Rechtsfragen der integrierten Versorgung, 2003, S 25). Die Zielrichtung dieser Versorgungsform besteht zunächst darin, die starren Grenzen zwischen ambulanter und stationärer Versorgung zu durchbrechen und den Krankenkassen die Möglichkeit zu eröffnen, außerhalb der bisherigen Regelversorgung eine alternative Versorgungsstruktur zu entwickeln. Es soll eine Verzahnung der verschiedenen Leistungssektoren stattfinden, zum einen, um eine wirtschaftlichere Versorgung zu ermöglichen, zum anderen aber auch, um für die Versicherten die medizinischen Behandlungsabläufe zu verbessern, Wartezeiten, Doppeluntersuchungen und Behandlungsdiskontinuitäten zu vermeiden (vgl Baumann, jurisPK SGB V, § 140a RdNr 2).

Ausgehend von dieser allgemeinen Zielsetzung des Gesetzes ist der Begriff der "Leistungssektoren übergreifenden Versorgung" funktionell zu bestimmen. Ausgangspunkt ist jeweils das Leistungsgeschehen und dessen inhaltlicher Schwerpunkt. "Übergreifend" ist dementsprechend eine Versorgung, die Leistungsprozesse, die in der traditionellen Versorgung inhaltlich und institutionell getrennt sind, nunmehr verknüpft. Behandlungsansatz und Ausrichtung des einzelnen Leistungsprozesses (zB hausärztliche Versorgung, ambulante Versorgung insgesamt, operative Behandlung, medizinische Rehabilitation) geben den entscheidenden Hinweis darauf, ob einzelne Behandlungsmaßnahmen Teil desselben Leistungssektors sind oder unterschiedlichen Sektoren angehören. Eine Operation (zB Implantation eines neuen Gelenks) und die anschließende Rehabilitation (zB Mobilisierung) dienen unterschiedlichen medizinischen Zwecken und sind in der Regelversorgung auch institutionell getrennt. Insoweit betreffen sie (auch) verschiedene Leistungssektoren iS des § 140a Abs 1 SGB V.

Wichtigster Anwendungsfall einer die verschiedenen Leistungssektoren übergreifenden Versorgung ist eine Versorgung, die ambulante und stationäre Behandlungen umfasst. Die Verzahnung von ambulanter und stationärer Versorgung wird bei der Erläuterung der Ziele der Integrationsversorgung bereits in der Überschrift besonders hervorgehoben (Gesetzentwurf der Regierungsfraktionen zur GKV-Gesundheitsreform 2000 <GKV-Gesundheitsreform 2000>, BT-Drucks 14/1245, S 55). Die integrierte Versorgung soll "Brücken über die Gräben der Versorgung schlagen"; neben das mehr als 100 Jahre bestehende Versorgungssystem alter Art soll eine Innovation gestellt werden, in der eine bessere, effektivere, die Angebote der Sektoren integrierende und die Ressourcen schonende Versorgung der Versicherten bewirkt wird (von Schwanenflügel, NZS 2006, 285, 287).

Daraus kann allerdings nicht abgeleitet werden, nur solche Verträge seien von § 140a Abs 1 SGB V erfasst, die Leistungen aus den beiden "Hauptsektoren" anbieten. Vielmehr sind unter Zugrundelegung eines funktionellen Ansatzes sowohl innerhalb des ambulanten als auch innerhalb des stationären Hauptsektors weitere Leistungssektoren zu unterscheiden, die Gegenstand von Integrationsverträgen sein können. Beispiel für ein integriertes Versorgungsangebot ohne Einbeziehung des stationären Sektors ist etwa die Verzahnung von ambulanten Operationen und anschließender Versorgung der Patienten in ambulanten Rehabilitationseinrichtungen. Die Ziele der integrierten Versorgung, nämlich ua die Vermeidung unnötiger Doppeluntersuchungen, von Koordinationsproblemen im Behandlungsablauf und von Wartezeiten, können durch ein derartiges Angebot erreicht werden. Auch innerhalb des stationären Behandlungsbereichs ist eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende Versorgung möglich und bisweilen vom Regelungszweck der Vorschriften über die integrierte Versorgung geboten. So kann etwa die Verknüpfung der Akutbehandlung in einem Krankenhaus - zB Durchführung einer Operation oder Behandlung eines Schlaganfalls - mit der anschließenden medizinischen Rehabilitation in stationären Einrichtungen Gegenstand eines Integrationsvertrages sein. Auch zwischen dem Akutkrankenhaus und dem Träger einer stationären Rehabilitationseinrichtung bestehen im traditionellen Versorgungssystem Schnittstellenprobleme, die im Interesse der betroffenen Patienten durch ein Versorgungsangebot aus einer Hand überwunden werden können.

An diesem funktionellen Verständnis des Begriffs "Leistungssektor" ist die Prüfung auszurichten, ob ein Vertrag, der Regelungen über die hausärztliche Versorgung und die Versorgung der Versicherten mit Arzneimitteln trifft, verschiedene Leistungssektoren erfasst. Dass in einem solchen Vertrag eine sektorenübergreifende Versorgung organisiert werden kann, wird nicht schon dadurch ausgeschlossen, dass ein Apothekenverband von vornherein nicht Partner eines Integrationsvertrages sein könnte. Nach den Vorgaben für die vertragsärztliche Versorgung können Apotheken als "sonstige" Leistungserbringer und deren Gemeinschaften nach § 140b Abs 1 Nr 5 SGB V Partner von Verträgen zur integrierten Versorgung sein. Für die Apotheken ergibt sich das zusätzlich aus der Spezialregelung in § 129 Abs 5b SGB V. Danach können Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen beteiligt werden. Nach Satz 3 der Vorschrift kann in der integrierten Versorgung in Verträgen nach Satz 1 das Nähere über Qualität und Struktur der Arzneimittelversorgung für die an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten auch abweichend von Vorschriften des SGB V vereinbart werden. § 129 Abs 5b SGB V ist durch das GMG zum eingeführt worden. Die Fraktionen von SPD, CDU/CSU und Bündnis 90/Die Grünen haben diese Regelung im Gesetzentwurf damit begründet, dass Krankenkassen oder deren Einrichtungen Apotheken an vertraglich vereinbarten Versorgungsformen beteiligen können. In der integrierten Versorgung sollten auch abweichend von den Vorschriften für die Regelversorgung mit Apotheken besondere Regelungen zu Qualität und Struktur der Arzneimittelversorgung der an der integrierten Versorgung teilnehmenden Versicherten vereinbart werden können. Zur Verbesserung der Qualität der Versorgung sollten Vereinbarungen zur pharmazeutischen Betreuung durch Vertrags-, insbesondere Hausapotheken getroffen werden dürfen (BT-Drucks 15/1525, S 122, Zu Nr 92 Buchst c). Aus dem Umstand, dass Apotheken oder ihre Gemeinschaften Partner von Integrationsverträgen sein können, kann aber nicht im Umkehrschluss hergeleitet werden, dass jeder Vertrag, den eine Krankenkasse mit Ärzten bzw Ärzteverbänden und Apotheken oder Apothekenverbänden schließt, ein leistungssektorenübergreifender Vertrag ist. Entscheidend ist weniger, ob die Arzneimittelversorgung generell ein eigener Leistungssektor iS des § 140a Abs 1 Satz 1 SGB V sein kann (in diesem Sinne Beule, aaO, 40; aA: Bohle, Integrierte Versorgung, 2. Aufl 2007, S 13), sondern ob der konkrete Vertrag, an dem Apotheken oder ihre Gemeinschaften beteiligt sind, einen Beitrag zur sektorenübergreifenden Versorgung der Versicherten leistet. Das hängt maßgeblich von dem vertraglich definierten Versorgungsauftrag und dessen Ausgestaltung ab.

Neben dem Erfordernis der leistungssektorenübergreifenden Versorgung sind Verträge der in § 140b Abs 1 SGB V idF des GMG genannten Vertragspartner jedoch nur dann solche der integrierten Versorgung, wenn durch sie auch Leistungen, die bislang Gegenstand der vertragsärztlichen Versorgung sind, künftig ersetzt werden. Das ergibt sich aus der Konzeption der Integrationsversorgung als einer Alternative zur Regelversorgung, wie sie den Vorschriften der §§ 140a bis 140d SGB V seit ihrer Neufassung durch das GMG zugrunde liegt.

Die Ausgangsfassung der Regelungen über die integrierte Versorgung in den §§ 140a bis 140h SGB V idF der GKV-Gesundheitsreform 2000 war noch durch eine enge Verzahnung von Regel- und Integrationsversorgung gekennzeichnet. Der Sicherstellungsauftrag der KÄV sollte durch die integrierte Versorgung unberührt bleiben (Begründung des Gesetzentwurfs der Regierungsfraktionen, BT-Drucks 14/1245, S 92, Zu § 140b, Zu Abs 6). Deshalb mussten nach § 140b Abs 6 SGB V idF der GKV-Gesundheitsreform 2000 die KÄVen Integrationsverträgen zustimmen, soweit Vertragsärzte daran beteiligt waren. Diese "Verschränkung zwischen dem Sicherstellungsauftrag und der einzelvertraglichen Absprache zur integrierten Versorgung" (Begründung des Gesetzentwurfs zum GMG, BT-Drucks 15/1525, S 129, Zu Nr 113, Zu Buchst a) hat der Gesetzgeber durch das GMG beseitigt. Nach § 140a Abs 1 Satz 2 SGB V (seit der Neufassung durch das GKV-WSG zum Satz 3) ist der Sicherstellungsauftrag der KÄV eingeschränkt, "soweit die Versorgung der Versicherten nach diesen Verträgen durchgeführt wird". Integrierende Versorgungsformen umfassen nach der Konzeption des Gesetzes regelmäßig die ambulante Versorgung durch Vertragsärzte und die voll- oder teilstationäre Behandlung im Krankenhaus. Das rechtfertigt die Beteiligung der KÄVen und der Krankenhäuser an der Bereitstellung der Mittel der Anschubfinanzierung nach § 140d Abs 1 SGB V. Für Verträge, die nach dem geschlossen werden, gilt sogar, dass die Finanzierungsmittel nur für voll- und teilstationäre Leistungen der Krankenhäuser sowie für ambulante vertragsärztliche Leistungen verwandt werden dürfen (§ 140d Abs 1 Satz 2 und 3 SGB V). Eine derart strikte Zweckbindung der Mittel der Anschubfinanzierung für Leistungen, die von denen erbracht werden, die die Finanzmittel bereitstellen, hat in der hier maßgeblichen Zeit vom bis zum nicht bestanden. Die Partner der Integrationsverträge sollten in der Anfangsphase mehr Spielraum für den unbürokratischen Einsatz der Mittel der Anschubfinanzierung haben (Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100, S 152, Zu Nr 121, Zu Buchst a, Zu Doppelbuchst aa). Daraus ist jedoch nicht zu schließen, dass es für die Beurteilung der Frage, ob ein Vertrag den Anforderungen des § 140a Abs 1 SGB V entspricht, auch in den Jahren 2005 und 2006 ohne Bedeutung war, wie sich die vertraglich vereinbarte Versorgung zur Regelversorgung verhält. Dem steht schon die erwähnte Vorschrift über die Einschränkung des Sicherstellungsauftrages der KÄV entgegen.

Die integrierte Versorgung soll sich nach der Intention des Gesetzgebers zu einer "zweiten Säule der Regelversorgung entwickeln" (von Schwanenflügel, NZS 2006, 285, 288). In der Begründung der Bundesregierung zur Änderung der Vorschriften über die integrierte Versorgung durch das GKV-WSG wird zusammenfassend von einem "Wettbewerb zwischen verschiedenen Versorgungsformen für eine patienten-, bedarfsgerechtere und effizientere Versorgung" (BT-Drucks 16/3100, S 152, Zu Nr 120 <§ 140b>, Zu Buchst b) gesprochen. Ein derartiger Wettbewerb setzt voraus, dass in der Regelversorgung und in der neuen integrierten Versorgung prinzipiell derselbe Versorgungsumfang gewährleistet ist. Der Versicherte, der von einer Erkrankung bedroht oder betroffen ist, soll alternativ zur - regelmäßig in einzelne Sektoren unterteilten - Regelversorgung von seiner Krankenkasse ein Versorgungsangebot erhalten, in dem seine Behandlung unabhängig "vom sektorenabhängigen Denken" organisiert wird (von Schwanenflügel, aaO, 288). An die Stelle einer vom Vertragsarzt auf der Grundlage des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM-Ä) gegenüber der KÄV abzurechnenden ambulanten Behandlung, die im Bedarfsfall (§ 39 Abs 1 Satz 2 SGB V) durch eine auf der Grundlage des Krankenhausentgeltgesetzes von der Krankenkasse zu vergütende stationäre Behandlung ergänzt wird, soll fakultativ ein einheitliches Versorgungsangebot treten können, das insgesamt auf der Grundlage des § 140c Abs 1 SGB V nach vertraglichen Vereinbarungen vergütet wird. Dieses alternative Versorgungs- und Vergütungskonzept beruht begrifflich wie systematisch auf dem Prinzip der Substitution: Vertragsärztliche Leistungen, die in der Regelversorgung aus der Gesamtvergütung iS des § 85 Abs 1 SGB V zu honorieren sind, werden durch Leistungen (auch, aber nicht notwendig) von Vertragsärzten im Rahmen eines vertraglich gesteuerten Versorgungsmanagements ersetzt und nicht mehr aus der Gesamtvergütung, sondern ausschließlich einzelvertraglich honoriert. Das schließt nicht aus, dass Gegenstand eines Integrationsvertrages und der Vergütung iS des § 140c Abs 1 SGB V auch Leistungen sein können, die im Rahmen der ambulanten vertragsärztlichen Versorgung (noch) nicht beansprucht werden können. Diese Möglichkeit folgt mittelbar aus § 140b Abs 3 Satz 4 SGB V, wonach nur ambulante Leistungen in der Integrationsversorgung ausgeschlossen sind, über deren Eignung der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) bereits eine ablehnende Entscheidung getroffen hat. § 135 Abs 1 SGB V erfordert im Rahmen der Regelversorgung für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden dagegen eine positive Empfehlung des GBA. Ein Wettbewerb um Versorgungsmodelle bedingt jedoch, dass Leistungen der traditionellen Versorgung durch solche der integrierten Versorgung ersetzt werden. Wenn Gegenstand der integrierten Versorgung ausschließlich Leistungen sind, die zusätzlich zur Regelversorgung erbracht werden, ist ein bewertender Vergleich beider Versorgungssysteme von vornherein unmöglich.

23 Die Beziehung zwischen Regel- und Integrationsversorgung findet ihren Niederschlag auch in den Vorschriften über den Leistungsumfang der integrierten Versorgung nach § 140b Abs 4 SGB V. Gemäß Satz 1 dieser Vorschrift können die Verträge nach § 140a Abs 1 SGB V ua von den Vorschriften im 4. Kapitel des SGB V abweichen, soweit das Sinn und Eigenart der integrierten Versorgung entspricht. Auch die Bindung der an den Verträgen beteiligten Leistungserbringer an den Zulassungsstatus ist bei der Durchführung der Versorgung gelockert (§ 140b Abs 4 Satz 3 sowie BT-Drucks 15/1525, S 130 zu § 140b). Der in einem zugelassenen Krankenhaus (§ 108 SGB V) angestellte Arzt kann damit im Rahmen eines von seinem Krankenhaus abgeschlossenen Integrationsvertrages ambulante Leistungen erbringen, für die er im Rahmen der Regelversorgung einer Ermächtigung (§ 116 SGB V) bedürfte. Diese Abweichungen von der Regelversorgung müssen vereinbart werden, weil und soweit im Rahmen der integrierten Versorgung prinzipiell dieselben Erkrankungen behandelt werden (sollen und müssen) wie in der Regelversorgung, nur eben auf der Basis abweichender rechtlicher Vorgaben.

Schließlich lassen die Vorschriften über die Bereinigung der Gesamtvergütungen erkennen, dass Gegenstand von Integrationsverträgen zumindest ganz überwiegend Leistungen sind, die bisher in der Regelversorgung erbrachten wurden. Nach § 140d Abs 2 SGB V idF des GMG haben die Gesamtvertragspartner die Gesamtvergütungen zu bereinigen, wenn die von Krankenkassen "zur Förderung der integrierten Versorgung aufgewendeten Mittel" das Volumen der Anschubfinanzierung nach Abs 1 übersteigen. Das setzt zwingend voraus, dass die vertraglich geregelte Versorgung nach § 140a Abs 1 SGB V Leistungen erfasst, die in der Regelversorgung durch die Gesamtvergütung abgegolten werden. Sachgrund für die große Zahl von Bereinigungsvorschriften im SGB V (zB § 73b Abs 7, § 73c Abs 6, § 85 Abs 2 Satz 8) ist die Verhinderung von Doppelleistungen durch die jeweilige Krankenkasse. Was diese einzelvertraglich vergütet bzw vergüten muss, soll sie nicht auch noch über die Gesamtvergütung honorieren. Bereinigungsvorschriften setzen immer eine (partielle) Identität der Leistungen voraus, die zu vergüten sind; andernfalls könnte sich das Problem der Doppelzahlung nicht stellen. Auch die in § 140d Abs 3 SGB V vorgeschriebene Bereinigung der Arznei- und Heilmittelbudgets iS des § 84 Abs 1 SGB V für den Fall, dass die integrierte Versorgung die Gewährung von Arznei- und Heilmitteln an die Versicherten mit einschließt, verweist zwingend auf die Substitution der Regelversorgung durch die Integrationsversorgung.

Aus dieser Gesamtbetrachtung ist abzuleiten, dass Behandlungsleistungen, die im Rahmen der integrierten Versorgung erbracht werden, solche der Regelversorgung in der vertragsärztlichen oder in der stationären Versorgung zumindest überwiegend ersetzen müssen. Finden die Behandlungsleistungen, die vertraglich näher geregelt werden, hingegen weiterhin im Rahmen der bisherigen Regelversorgung statt, ergibt sich im Gegenschluss daraus, dass kein Fall der integrierten Versorgung vorliegt. Ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer Versorgung außerhalb der Regelversorgung ist es, wenn den Leistungserbringern eine verschiedene Vergütungsregime überschreitende Budgetverantwortung obliegt, sie also zB für die Gesamtbehandlungsmaßnahmen eine Vergütungspauschale erhalten. Die unterschiedlichen Regelungen über die Vergütung etwa in der vertragsärztlichen und in der stationären Versorgung kommen dann nicht zur Anwendung.

Nach diesem Maßstab erfüllt der BHV die Anforderungen des § 140a Abs 1 SGB V an einen Integrationsvertrag nicht. Dieser setzt vollständig auf die vertragsärztliche Regelversorgung auf. Jeder Fall, in dem nach diesem Vertrag der Hausarzt eine zusätzliche Vergütung erhält, wird als vertragsärztlicher Behandlungsfall erbracht. Alle Behandlungen rechnet der Arzt gegenüber der KÄV ab; alle Arzneimittelverordnungen werden im System der Regelversorgung abgewickelt (dazu näher BSGE 94, 273 = SozR 4-2500 § 106 Nr 9, jeweils RdNr 13 ff). Der BHV regelt lediglich zusätzliche hausärztliche Leistungen in den Bereichen Dokumentation und Koordination, die im Kern aber schon Bestandteil der hausärztlichen Regelversorgung sind (§ 73 Abs 1 Satz 2 Nr 2 bis 4 SGB V). Ausgeweitet werden im Vergleich mit der Regelversorgung nicht nur die Leistungen für die Versicherten, sondern auch Vergütungsmöglichkeiten der teilnehmenden Ärzte. Der Vertragsarzt, der sich am BHV beteiligt, erhält für jeden Versicherten, der sich einschreibt, die Vergütung seiner Leistungen von der KÄV aus der Gesamtvergütung; zusätzlich zahlt die Beklagte Einschreibe- und Integrationspauschalen. Weder der Vertragsarzt noch der Versicherte steht vor einer nach Wettbewerbs- oder Qualitätsgesichtspunkten zu treffenden Entscheidung für oder gegen ein bestimmtes Versorgungsmodell. Eine starke Beteiligung an dem BHV signalisiert nicht einen Vorzug der dort geregelten Versorgung, weil diese nicht an die Stelle der vertragsärztlichen Versorgung im hausärztlichen Versorgungsbereich tritt, sondern sie nur partiell ausweiten und optimieren soll. Aus der Perspektive des Hausarztes erschöpft sich der Vertrag in der zusätzlichen Vergütung bestimmter hausärztlicher Koordinierungsaufgaben und der Kooperation mit der vom Versicherten gewählten Apotheke. Eine Gesamtverantwortung des Hausarztes für die Behandlung der Versicherten und ihre Versorgung mit Arzneimitteln wird nicht vereinbart, und die Arzneimittelversorgung in der fachärztlichen Behandlung des Versicherten oder bei und nach Krankenhausbehandlungen hat der BHV von vornherein nicht im Blick.

Die einzige Verbindung zwischen der Versorgung nach dem BHV und der Regelversorgung stellt der Präventions-Check iS des § 12 Abs 2 Buchst a Regelung 4 BHV dar. Diese Leistung kann der teilnehmende Hausarzt einmal im Jahr bei Versicherten ab Vollendung des 35. Lebensjahres "in medizinisch begründeten Einzelfällen" als Grundlage der Präventionsberatung erbringen; der Ansatz der Nr 160 EBM-Ä in der bis zum geltenden Fassung gegenüber der KÄV ist insoweit ausgeschlossen. Dieses singuläre, auf medizinisch begründete Einzelfälle begrenzte Ersetzen einer in der vertragsärztlichen Versorgung ebenfalls - allerdings nur alle zwei Jahre - vorgesehenen Leistung durch eine einzelvertragliche Regelung prägt den BHV nicht. Sie verbleibt im Übrigen vollständig im hausärztlichen Sektor. Wenn sich der BHV darauf beschränkt hätte, wäre das Merkmal "Leistungssektoren übergreifend" iS des § 140a Abs 1 SGB V ersichtlich nicht erfüllt worden.

Der Bindung von Integrationsverträgen an das zumindest partielle Ersetzen von Leistungen der Regelversorgung aus unterschiedlichen Versorgungsbereichen steht nicht entgegen, dass die Mittel der Anschubfinanzierung auch zum Aufbau von Versorgungsstrukturen dienen dürfen, die in § 140d Abs 1 Satz 2 Halbsatz 2 SGB V als "besondere Integrationsaufgaben" bezeichnet werden. Damit ist die Koordinierung von Leistungen bzw das sog case management angesprochen (Begründung des Gesetzentwurfs zum GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100, S 153, Zu Buchst a, Zu Doppelbuchst aa). Der BHV wird - wenngleich nicht explizit - als ein "Case Management Vertrag" eingestuft (von Schwanenflügel, NZS 2006, 289), ohne dass damit in rechtlicher Hinsicht für die Zuordnung zu § 140a Abs 1 SGB V etwas ausgesagt wäre. Der Case Management Vertrag, der sich als einer von vier Vertragstypen im Bereich der integrierten Versorgung entwickelt hat, unterscheidet sich dadurch von den drei anderen Typen, dass ihm jede inhaltliche Kontur fehlt. Allein der Umstand, dass ihn Krankenkassen "zumeist mit Gruppen von Vertragsärzten geschlossen" haben (von Schwanenflügel, aaO, 289), besagt nur, dass die Parteien solcher Verträge der Ansicht sind, die Anforderungen des § 140a Abs 1 SGB V seien erfüllt. Ob das tatsächlich bei Verträgen der Fall ist, die lediglich auf eine Verbesserung der Organisation der hausärztlichen Behandlung zielen und nur wegen der begrenzten Einbeziehung von Apotheken zumindest theoretisch als "Leistungssektoren übergreifend" bezeichnet werden können, ist damit nicht geklärt. In Kenntnis der darüber bestehenden Kontroverse hat sich auch der Gesetzgeber des GKV-WSG dazu nicht klar geäußert. Er hat vielmehr mit der Erhöhung der Anforderungen an Integrationsverträge in § 140a Abs 1 Satz 2 SGB V ("bevölkerungsbezogene Flächendeckung der Versorgung") zu erkennen gegeben, dass sein Ziel strikt auf die Etablierung einer eigenständigen, neben der Regelversorgung stehenden Versorgungsorganisation ausgerichtet bleibt. Dem entspricht der BHV nicht, der an keiner Stelle die Regelversorgung verlässt, sondern nur zusätzliche Vergütungsanreize für die beteiligten Hausärzte und Apotheken gibt.

Danach ist der BHV nicht als Vertrag über eine integrierte Versorgung iS des § 140a Abs 1 SGB V zu bewerten. Für seine Finanzierung dürfen nach § 140d Abs 1 SGB V keine Bestandteile der Gesamtvergütung einbehalten werden (zur flankierenden Finanzierung des BHV über Arzneimittel-Rabattverträge mit Generikaunternehmen vgl Schmidt in: Ulrich/Ried <Hrsg>, Effizienz, Qualität und Nachhaltigkeit im Gesundheitswesen, Festschrift zum 65. Geburtstag von E. Wille, 2007, 593, 614). Das bedeutet nicht, dass mit dem Vertrag keine sinnvollen und gesundheitspolitisch wichtigen Ziele verfolgt würden. Gerade die Vorgaben für die Medikationsliste zielen auf eine Verbesserung der Versorgung der Versicherten in einem kostenintensiven Bereich. Das Instrument der Integrationsversorgung und die Anschubfinanzierung nach § 140d Abs 1 SGB V stehen jedoch nach der Konzeption des Gesetzes für die Realisierung dieses wichtigen Ziels derzeit nicht zur Verfügung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung von § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach hat die Beklagte die Kosten des von ihr erfolglos geführten Rechtsmittels zu tragen.

Fundstelle(n):
UAAAC-76413