BFH Beschluss v. - X B 95/07

Glaubhaftmachung der Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

Gesetze: FGO § 56

Instanzenzug: ,F

Gründe

I. Das Finanzgericht wies die Klage, mit welcher sich der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) gegen die geänderte Einkommensteuerfestsetzung für den Veranlagungszeitraum 1991 sowie die Nichtfeststellung eines Verlustabzugs zum gewandt hat, durch Urteil vom als unbegründet ab. Die Revision wurde nicht zugelassen. Das Urteil wurde den früheren Prozessbevollmächtigten des Klägers am zugestellt. Der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers legte mit Schreiben vom , eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am , Nichtzulassungsbeschwerde ein. Nachdem der Prozessbevollmächtigte durch Schreiben des Vorsitzenden des Senats vom sowohl auf den Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am als auch auf § 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen wurde, begründete er die Nichtzulassungsbeschwerde mit Schreiben vom , eingegangen beim BFH am .

Mit Schreiben vom , ebenfalls eingegangen am , begehrt der Prozessbevollmächtigte des Klägers im Hinblick auf die versäumte Frist die Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Zur Begründung trägt er vor, aufgrund der in der Rechtsmittelbelehrung des angegriffenen Urteils aufgeführten zweimonatigen Begründungsfrist sei versehentlich der als Frist notiert worden. Wegen des Urlaubs seiner Chefsekretärin in der Zeit vom bis seien für den und Vorfristen eingetragen worden. Die Chefsekretärin sei drei Jahre in H ausgebildet worden und in der dortigen Kanzlei zusammen mit einer anderen Auszubildenden für die Eintragung und Einhaltung von Fristen zuständig gewesen, ohne dass es zu Beschwerden gekommen sei. Die Chefsekretärin sei von ihm aufgrund ihrer guten Zeugnisse angestellt worden und habe bei ihm gerade auch im Bereich der Fristenkontrolle sehr sorgfältig und äußerst zuverlässig gearbeitet.

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig.

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen (§ 116 Abs. 3 Satz 1 FGO). Im Streitfall ist die Begründungsfrist für eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen das am zugestellte Urteil am abgelaufen. Die erst am beim BFH eingegangene Begründung des Klägers war mithin verspätet, da eine Verlängerung der Begründungsfrist nicht beantragt worden war (§ 116 Abs. 3 Satz 4 FGO).

2. Die von dem Kläger begehrte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 56 FGO wegen der Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kann nicht bewilligt werden.

a) Wiedereinsetzung ist zu gewähren, wenn jemand ohne Verschulden an der Einhaltung der gesetzlichen Frist gehindert war (§ 56 Abs. 1 FGO). Dies setzt in formeller Hinsicht voraus, dass innerhalb einer Frist von einem Monat (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) nach Wegfall des Hindernisses die versäumte Rechtshandlung nachgeholt und diejenigen Tatsachen vorgetragen und im Verfahren über den Antrag glaubhaft gemacht werden, aus denen sich die schuldlose Verhinderung ergeben soll. Die Tatsachen, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen können, sind innerhalb dieser Frist vollständig, substantiiert und in sich schlüssig darzulegen (ständige Rechtsprechung, z.B. , BFH/NV 2003, 1589, m.w.N.). Hiernach schließt jedes Verschulden —also auch einfache Fahrlässigkeit— die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Beteiligte muss sich ein Verschulden seines Prozessbevollmächtigten zurechnen lassen (§ 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der ZivilprozessordnungZPO—).

b) Im Streitfall scheitert die Wiedereinsetzung daran, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers Wiedereinsetzungsgründe nicht hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht hat.

aa) Wenn —wie im Streitfall— Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen eines entschuldbaren Büroversehens begehrt wird, muss substantiiert und in sich schlüssig vorgetragen werden, wie die Fristen im Büro des Prozessbevollmächtigten überwacht werden. Der Prozessbevollmächtigte, der zur Rechtfertigung seines Wiedereinsetzungsantrags vorbringt, er habe die Notierung und Kontrolle der maßgeblichen Frist für die Einlegung bzw. Begründung eines Rechtsmittels einer zuverlässigen und erfahrenen Bürokraft überlassen, muss hiernach vortragen, durch welche Maßnahmen er gewährleistet hat, dass in seinem Büro die Fristen entsprechend seinen Anordnungen notiert und kontrolliert werden (vgl. , BFH/NV 2007, 1684; , Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2001, 297). Dazu gehört auch der Vortrag, wann und wie er seine Bürokräfte entsprechend belehrt und wie er die Einhaltung dieser Belehrungen überwacht hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom VII B 150/01, BFH/NV 2002, 795; vom III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312; in BFH/NV 2003, 1589). Dabei ist zu beachten, dass die Begründungsfristen sowohl für Revisionen als auch für Nichtzulassungsbeschwerden nicht zu den üblichen, häufig vorkommenden und einfach zu berechnenden Fristen gehören (vgl. , BFH/NV 2007, 945; Kuczynski in Beermann/Gosch, FGO § 56 15.2; Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20, Stichworte Revisionsbegründungsfrist und Nichtzulassungsbeschwerde). Der Prozessbevollmächtigte ist daher bei der Prüfung und Überwachung des Personals zu besonderer Sorgfalt verpflichtet (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 1312, m.w.N.).

Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers genügt den dargestellten Anforderungen zur Feststellung der ordnungsgemäßen Überwachung der Einhaltung der Beschwerdebegründungsfrist nicht. Es fehlt jegliche Darstellung zur regelmäßigen Handhabung der Fristenkontrolle in seinem Büro und zur Überprüfung seines Personals bei der Einhaltung der Fristen, insbesondere wenn es sich um nicht alltägliche Fristen handelt. Der Vortrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers, seine Chefsekretärin habe gute Arbeitszeugnisse gehabt und sie habe bisher zuverlässig gearbeitet, bezieht sich lediglich auf die ordnungsgemäße Auswahl einer Angestellten, nicht aber auf seine Büroorganisation und die dortige Handhabung der Fristenkontrolle. Der Senat kann aufgrund dieser unzureichenden Darstellung nicht von einem entschuldbaren Büroversehen einer Mitarbeiterin ausgehen, da ein Organisationsverschulden als Ursache der Fristversäumnis nicht auszuschließen ist.

bb) Zudem hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers die von ihm vorgetragenen Tatsachen nicht glaubhaft gemacht. Es fehlen sowohl als präsentes Beweismittel i.S. von § 155 FGO i.V.m. § 294 Abs. 2 ZPO eine Ablichtung der entsprechenden Seite des Fristenkontrollbuchs sowie als weiteres mögliches Mittel der Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung seiner Chefsekretärin zur Richtigkeit der Sachverhaltsschilderung des Prozessbevollmächtigten des Klägers (, BFH/NV 2002, 533).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 969 Nr. 6
ZAAAC-75918