BFH Beschluss v. - VII B 89/07

Zustellung eines Haftungsbescheids durch Einlegen in den Briefkasten

Gesetze: AO § 191, AO § 69, FGO § 76, FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war alleinvertretungsberechtigter Vorstand einer zwischenzeitlich nach Insolvenzantrag wegen Vermögenslosigkeit beendeten AG, für deren Lohn- und Umsatzsteuerrückstände der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) ihn haftbar macht. Gegen den Umsatzsteuer-Haftungsbescheid klagte der Kläger beim Finanzgericht (FG) mit der Begründung, ihm sei dieser Bescheid nicht wirksam zugestellt worden. Das FG wies den Antrag auf Aufhebung des Haftungsbescheids als unzulässig und den Hilfsantrag auf isolierte Anfechtung der Einspruchsentscheidung als unbegründet ab. Unzulässig sei die Klage, weil der Kläger trotz Aufforderung des Gerichts das Klagebegehren nicht bezeichnet habe. Das Gericht könne nicht erkennen, in welchen Rechten sich der Kläger durch den Haftungsbescheid verletzt sehe. Allein die vermeintlich unwirksame Zustellung mache den Bescheid nicht rechtswidrig. Unbegründet sei die Klage auf Aufhebung der Einspruchsentscheidung, weil der Kläger die Einspruchsfrist gegen den ihm wirksam zugestellten Haftungsbescheid versäumt habe und Wiedereinsetzungsgründe nicht glaubhaft gemacht seien.

Mit der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision rügt der Kläger fehlerhafte Anwendung materiellen Rechts und mangelnde Sachverhaltsaufklärung.

II. Die Beschwerde ist unzulässig, da der Kläger einen Zulassungsgrund i.S. von § 115 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) nicht hinreichend i.S. des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO dargelegt hat.

1. Wird mangelnde Sachverhaltsaufklärung durch das FG gerügt (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO), so ist genau anzugeben, welche konkreten Tatsachen das FG hätte aufklären sollen bzw. welche entscheidungserheblichen Tatsachen sich bei einer weiteren Sachaufklärung oder Beweisaufnahme voraussichtlich ergeben hätten und inwiefern eine solche Aufklärung auf der Grundlage der insoweit maßgebenden, ggf. auch unrichtigen materiell-rechtlichen Auffassung des FG zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. z.B. , BFH/NV 2005, 1329).

Daran fehlt es hier. Der Kläger hat keinerlei aufklärungsbedürftige Tatsachen bezeichnet. Sollte das Beschwerdevorbringen, es habe am früheren Firmensitz der AG keinen Briefkasten mit dem Namensschild des Klägers gegeben, so dass eine Zustellung durch Einlegen in einen Briefkasten nicht möglich gewesen sei, dahin zu verstehen sein, dass das FG das Vorhandensein eines Briefkastens mit dem Namen des Klägers hätte aufklären müssen, wäre auch damit kein Verfahrensmangel bezeichnet. Denn nach der Rechtsauffassung des FG war die Zustellung des Haftungsbescheids mit Einlegen des Briefes in den unstreitig vorhandenen Briefkasten der AG bewirkt, weil gewährleistet sei, dass an ihn adressierte Schriftstücke ihn als den einzigen Vorstand dieser AG auch dort erreichen und er selbst diese Anschrift dem FA in seinem Einspruch ohne Einschränkung angegeben habe. Dass das FG im Übrigen das Vorhandensein eines solchen persönlichen Briefkastens des Klägers aufgrund der Beurkundung des Postbediensteten in der Postzustellungsurkunde als erwiesen angesehen und den Nachweis der Falschbeurkundung wegen insoweit bereits unschlüssigen Vortrags und untauglicher Beweismittel verworfen hat, war deshalb für den Verfahrensausgang nicht entscheidungserheblich; diesbezügliche vermeintliche Verfahrensfehler geben daher keinen Anlass für eine Revisionszulassung.

2. Die Rüge der fehlerhaften Anwendung materiellen Rechts rechtfertigt die Zulassung der Revision regelmäßig nicht. Zwar eröffnet § 115 Abs. 2 Nr. 2 2. Alternative FGO die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nach der Rechtsprechung des BFH auch dann, wenn das Urteil des FG an einem derart schwerwiegenden Fehler leidet, dass es willkürlich und unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar erscheint. Eine Entscheidung ist nur dann (objektiv) willkürlich in diesem Sinn, wenn die fehlerhafte Rechtsanwendung bei verständiger Würdigung nicht mehr verständlich ist und sich daher der Schluss aufdrängt, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruht. Greifbare Gesetzeswidrigkeit ist anzunehmen, wenn das Urteil jeglicher gesetzlichen Grundlage entbehrt oder auf einer offensichtlich Wortlaut und Gesetzeszweck widersprechenden Gesetzesauslegung beruht (, BFH/NV 2006, 1116, m.w.N.).

Anhaltspunkte dafür bietet die Beschwerde nicht, sie sind auch nicht ersichtlich. Abgesehen davon hat der Senat —anders als offenbar, wenn auch ohne Begründung, der Kläger— keine Bedenken gegen die Auffassung des FG, dass eine Zustellung bewirkt ist, wenn der Brief ausweislich der Postzustellungsurkunde in einen Briefkasten an der vom Zustellungsempfänger selbst angegebenen Adresse eingelegt wird, auch wenn der Briefkasten nicht den Namen des Zustellungsempfängers, sondern den der Gesellschaft trägt, deren alleinvertretungsberechtigter Vorstand der Zustellungsempfänger war.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 741 Nr. 5
WAAAC-74477