BFH Urteil v. - VI R 59/05

Geldwerte Vorteile aus Aktienoptionen als Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit auch nach Neufassung des § 34 EStG tarifbegünstigt

Gesetze: EStG § 34

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erzielte im Streitjahr (2001) als Angestellte der M-GmbH Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Zusätzlich zu ihrem regulären Gehalt wurde der Klägerin von der M-GmbH auf der Grundlage des Aktienoptionsplans vom das Recht eingeräumt, an acht halbjährlich aufeinander folgenden Zeitpunkten jeweils 1 440 Aktien der Muttergesellschaft zum Preis von 3,7422 US-$ pro Aktie zu erwerben.

Die Klägerin übte die Optionsrechte dergestalt aus, dass sie am 8 640 Aktien und am 2 880 Aktien erwarb. Hieraus ergaben sich im Streitjahr geldwerte Vorteile in Höhe von . DM, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) bei der Veranlagung für das Streitjahr dem regulären Steuersatz unterwarf. Gegen den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom legte die Klägerin Einspruch ein und begehrte die Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) auf die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Optionsrechte.

Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1776 veröffentlichten Gründen ab. Zur Begründung führte das FG im Wesentlichen aus, dass die Einstufung der geldwerten Vorteile als außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 EStG eine Zusammenballung der zufließenden Vergütungen voraussetze. Diese könne nur dann angenommen werden, wenn die Einkünfte, die sich bei normalem Ablauf des Geschehens auf mehrere Jahre verteilt hätten, dem Steuerpflichtigen vollständig in einem einzigen Veranlagungszeitraum zuflössen. An der Zusammenballung der Vergütungen fehle es im Streitfall, da die Klägerin ihre Optionsrechte in zwei Veranlagungszeiträumen ausgeübt habe.

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am den angefochtenen Einkommensteuerbescheid aus anderen Gründen geändert.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr i.d.F. vom dergestalt zu ändern, dass auf die Einkünfte der Klägerin aus der Ausübung der Optionsrechte die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG angewandt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

II. Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und der Klage stattzugeben.

1. Das angefochtene Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben, weil sich während des Revisionsverfahrens der Verfahrensgegenstand, über dessen Rechtmäßigkeit das FG zu entscheiden hatte, geändert hat (§ 127 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

Das FG hat über den Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr vom i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom entschieden. An die Stelle dieses Bescheids ist während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom getreten, der nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 FGO Gegenstand des Verfahrens geworden ist. Das angefochtene Urteil ist daher gegenstandslos (ständige Rechtsprechung, zuletzt , BFHE 212, 270, BFH/NV 2006, 1198, m.w.N.). Da sich durch den Änderungsbescheid die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs nicht geändert haben, kann der Senat über die streitigen Rechtsfragen selbst entscheiden und braucht die Sache nicht nach § 127 FGO an das FG zurückzuverweisen (BFH-Urteil in BFHE 212, 270, BFH/NV 2006, 1198).

2. Die Klage ist begründet. Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist für die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG zu gewähren.

a) Die Ausübung der Aktienoptionen führt bei der Klägerin im Streitjahr zu einem —zwischen den Beteiligten unstreitigen— Lohnzufluss in Höhe von . DM (vgl. , BFHE 195, 395, BStBl II 2001, 689).

b) Die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen unterliegen im Streitfall als Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG.

aa) Geldwerte Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionen bilden im Regelfall Anreizlohn für die Laufzeit der Option bis zu ihrer Erfüllung. Der Senat hat daher entsprechende Vorteile als Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten i.S. des § 34 Abs. 3 EStG in der bis zum Veranlagungszeitraum 1998 geltenden Fassung (a.F.) angesehen, wenn die Laufzeit zwischen Einräumung und Ausübung der Option mehr als zwölf Monate betragen hat und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war (, BFHE 216, 251, BStBl II 2007, 456; VI R 159/01, BFH/NV 2007, 696; VI R 24/01, BFH/NV 2007, 881; vom VI R 3/03, BFH/NV 2007, 1301).

Die vom Senat zu § 34 Abs. 3 EStG a.F. aufgestellten Grundsätze für die ermäßigte Besteuerung der geldwerten Vorteile aus der Ausübung von Aktienoptionen gelten in gleicher Weise für die im Streitfall maßgebliche Neuregelung der Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG (Senatsbeschluss vom VI B 82/07, BFH/NV 2008, 46; Schmidt/Seeger, EStG, 26. Aufl., § 34 Rz 40). Zur Begründung im Einzelnen wird auf das zur Veröffentlichung bestimmte Senatsurteil vom VI R 62/05 verwiesen.

bb) Nach den mit Revisionsrügen nicht angegriffenen und den Senat daher gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG betrug die Laufzeit der im Streitjahr auf der Grundlage des Aktienoptionsplans vom ausgeübten Optionsrechte zum Ausübungszeitpunkt am mehr als zwölf Monate. Die Klägerin war während der Laufzeit auch bei der M-GmbH beschäftigt. Im Gegensatz zur Auffassung des FG ist es für die Anwendung der Tarifermäßigung des § 34 Abs. 1 EStG auf die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen unschädlich, dass die Klägerin ihre Optionsrechte nicht vollständig in einem einzigen Veranlagungszeitraum ausgeübt hat (vgl. ).

c) Das FA ist im angefochtenen Steuerbescheid von anderen rechtlichen Grundsätzen ausgegangen. Die Sache ist spruchreif. Der Einkommensteuerbescheid vom ist dahingehend abzuändern, dass die Einkommensteuer auf die geldwerten Vorteile aus der Ausübung der Aktienoptionen nach § 34 Abs. 1 EStG berechnet wird. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 779 Nr. 5
DAAAC-74466