Bundesministerium der Finanzen - IV A 4 - S 0338/07/0003 BStBl 2008 I S. 463

Vorläufige Steuerfestsetzung im Hinblick auf anhängige Musterverfahren (§ 165 Abs. 1 AO); Ruhenlassen von außergerichtlichen Rechtsbehelfsverfahren (§ 363 Abs. 2 AO); Aussetzung der Vollziehung (§ 361 AO§ 69 Abs. 2 FGO)

Bezug: BStBl 2007 I S. 723

Die 3. Kammer des Zweiten Senats des – die gegen das  – (BStBl 2006 II S. 178) gerichtete Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen und die Verfassungsmäßigkeit der Besteuerung der im Veranlagungszeitraum 1999 erzielten Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) bestätigt. Ferner hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des und 2 BvR 2491/04 – die unmittelbar gegen das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom (BGBl 2003 I S. 3076, 2004 I S. 69) gerichteten Verfassungsbeschwerden nicht zur Entscheidung angenommen.

Unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterung mit den obersten Finanzbehörden der Länder gilt daher Folgendes:

Die Nummern 5 (Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000), 6 (Besteuerung der Einkünfte aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG für Veranlagungszeiträume ab 2000) und 9 (Anwendung der durch das Haushaltsbegleitgesetz 2004 vom (BGBl 2003 I S. 3076, 2004 I S. 69) geänderten Vorschriften) der Anlage zum (BStBl 2005 I S. 794), die zuletzt durch (BStBl 2007 I S. 723) neu gefasst worden ist, werden mit sofortiger Wirkung gestrichen. Wegen einer behaupteten verfassungswidrigen Besteuerung der Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG oder der Einkünfte aus Termingeschäften im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG sowie wegen des behaupteten verfassungswidrigen Zustandekommens des Haushaltsbegleitgesetzes 2004 kommt ein Ruhenlassen außergerichtlicher Rechtsbehelfsverfahren nicht mehr in Betracht.

Die Anlage zum (a.a.O.) wird mit sofortiger Wirkung wie folgt gefasst:

„Festsetzungen der Einkommensteuer sind hinsichtlich folgender Punkte vorläufig vorzunehmen:

1.

Anwendung des § 9 Abs. 2 Sätze 1 und 2, Satz 3 letzter Halbsatz EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 (Entfernungspauschale)

2. a)

Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3 EStG) – für Veranlagungszeiträume vor 2005 –

2. b)

Beschränkte Abziehbarkeit von Vorsorgeaufwendungen (§ 10 Abs. 3, 4, 4a EStG) – für Veranlagungszeiträume ab 2005 –

3.

Nichtabziehbarkeit von Beiträgen zu Rentenversicherungen als vorweggenommene Werbungskosten bei den Einkünften im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG

4.

Besteuerung der Einkünfte aus Leibrenten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG für Veranlagungszeiträume ab 2005

5.

Anwendung des § 24b EStG (Entlastungsbetrag für Alleinerziehende) für Veranlagungszeiträume ab 2004

6.

Anwendung des § 32 Abs. 7 EStG (Haushaltsfreibetrag) für die Veranlagungszeiträume 2002 und 2003

7.

Nichtberücksichtigung pauschaler Werbungskosten bzw. Betriebsausgaben in Höhe der steuerfreien Aufwandsentschädigung nach § 12 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Mitglieder des Deutschen Bundestages.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 1 ist sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen sowie sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften für Veranlagungszeiträume ab 2007 beizufügen. In diesen Fällen ist abweichend von Abschnitt IV des (BStBl 2005 I S. 794) bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen auf Antrag des Steuerpflichtigen Aussetzung der Vollziehung zu gewähren (vgl. BStBl 2007 I S. 722). Der Vorläufigkeitsvermerk umfasst auch die Frage, ob die Höhe der Entfernungspauschale verfassungsgemäß ist. Er umfasst auch mittelbare Wirkungen, wie beispielsweise bei der Prüfung des Überschreitens von Einkunftsgrenzen (z. B. § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG, § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG).

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 umfasst auch die beschränkte Abziehbarkeit von Beiträgen zu Krankenversicherungen. Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 2 Buchstabe b umfasst auch die Frage, ob die angeführten gesetzlichen Vorschriften aufgrund der Neuregelung der Rentenbesteuerung durch das Alterseinkünftegesetz verfassungswidrig sind.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 3 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen für Veranlagungszeiträume vor 2005 beizufügen.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 4 erfasst sämtliche Leibrentenarten im Sinne des § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa EStG.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 5 umfasst nur die Frage, ob § 24b EStG Ehegatten in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Er ist daher Einkommensteuerfestsetzungen nur beizufügen, wenn ein Fall des § 26 Abs. 1 EStG und der Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG vorliegt.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 6 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen mit einer Prüfung der Steuerfreistellung nach § 31 EStG beizufügen. Er umfasst sowohl die Frage, ob die Abschmelzung des Haushaltsfreibetrags (§ 32 Abs. 7 EStG) verfassungswidrig ist, als auch die Frage, ob § 32 Abs. 7 EStG Ehegatten in verfassungswidriger Weise benachteiligt.

Der Vorläufigkeitsvermerk gemäß Nummer 7 ist im Rahmen der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten sämtlichen Einkommensteuerfestsetzungen sowie sämtlichen Bescheiden über die gesonderte (und ggf. einheitliche) Feststellung von Einkünften beizufügen. Aufgrund einer personellen Anweisung kann er auch Körperschaftsteuerfestsetzungen beigefügt werden.

Ferner sind Festsetzungen des Solidaritätszuschlags hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit des Solidaritätszuschlaggesetzes 1995 vorläufig vorzunehmen.”

Bundesministerium der Finanzen v. - IV A 4 - S 0338/07/0003

Auf diese Anweisung wird Bezug genommen in folgenden Verwaltungsanweisungen:



Fundstelle(n):
BStBl 2008 I Seite 463
DB 2008 S. 671 Nr. 13
DStZ 2008 S. 270 Nr. 9
EStB 2008 S. 136 Nr. 4
FR 2008 S. 439 Nr. 9
KÖSDI 2008 S. 15963 Nr. 4
StB 2008 S. 156 Nr. 5
StBW 2008 S. 9 Nr. 7
WPg 2008 S. 299 Nr. 7
UAAAC-74093