BGH Beschluss v. - V ZB 140/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 234; ZPO § 234 Abs. 1; ZPO § 236 Abs. 2; ZPO § 575 Abs. 3 Nr. 2; ZPO § 577 Abs. 2 Satz 3; BGB § 139

Instanzenzug: LG Potsdam, 1 O 542/05 vom OLG Brandenburg, 5 U 43/07 vom

Gründe

I.

Die Parteien sind Eigentümer benachbarter Grundstücke in P. . Der Kläger hat gegen die Beklagte Klage auf Zustimmung zur Absicherung einer Zufahrt über das Nachbargrundstück durch Bestellung einer Grunddienstbarkeit erhoben. Das die Beklagte zur Bewilligung verurteilt Zug um Zug gegen Übergabe einer notariellen Urkunde, in der sich der Kläger gegenüber der Beklagten zur Zahlung eines jährlichen Nutzungsentgeltes von 200 € verpflichtet und wegen dieses Anspruchs der sofortigen Zwangsvollstreckung unterwirft. Die Entscheidung ist beiden Parteien am zugestellt worden, so dass die Berufungsfrist am Dienstag nach den Osterfeiertagen, dem , ablief.

Das Urteil haben beide Parteien angefochten. Eine Berufungsschrift des Klägers, der sich als Rechtsanwalt selbst vertritt, ist am per Telefax bei dem Oberlandesgericht eingegangen. Am hat der Kläger die Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand wegen der versäumten Berufungsfrist beantragt.

Zur Begründung hat er vorgetragen, dass er am Freitag, dem , einen ordnungsgemäß adressierten und ausreichend frankierten Brief mit der Berufungsschrift zusammen mit anderen Schriftstücken seiner Bürofachangestellten zur Versendung durch die Post übergeben habe. Diese habe die Briefe, wie üblich, nach Dienstschluss um etwa 14.15 Uhr in einen Briefkasten eingeworfen. Der Brief mit der Berufungsbegründung sei auf dem Postwege verloren gegangen. Der sei sein letzter Arbeitstag vor einem Auslandsurlaub gewesen; er habe sich persönlich davon überzeugt, dass die Berufungsschrift herausgegangen sei.

Das das Wiedereinsetzungsgesuch als unzulässig zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

II.

Das Berufungsgericht meint, dass der Wiedereinsetzungsantrag unzulässig sei, weil der Kläger nicht entsprechend § 236 Abs. 2 ZPO alle tatsächlichen Voraussetzungen für die Zulässigkeit und Begründetheit seines Gesuchs vorgetragen habe. Es fehlten die für die Wahrung der Antragsfrist nach § 234 ZPO bedeutsame Angabe dazu, wann das Hindernis weggefallen sei. Es sei nicht erforderlich gewesen, den Kläger hierauf hinzuweisen, weil eine Behebung des Mangels nach dem Ablauf der Antragsfrist des § 234 ZPO nicht möglich gewesen sei.

III.

1. Die Rechtsbeschwerde ist zwar statthaft (§ 574 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist jedoch nur dann zulässig, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 1 ZPO; vgl. auch BGHZ 155, 21, 22).

2. Dass diese Voraussetzungen vorliegen, muss in der Begründung der Rechtsbeschwerde dargelegt werden (§ 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO). Daran fehlt es.

a) Die Rechtsbeschwerde macht geltend, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung habe (§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

Die dazu aufgeworfene Rechtsfrage, ob die Umstände für den Beginn des Fristablaufs auch dann darzulegen sind, wenn durch Rückrechnung vom Zeitpunkt des Eingangs des Wiedereinsetzungsantrages bei Gericht der Beginn der Antragsfrist in die noch laufende Rechtsmittelfrist fällt, ist nicht klärungsbedürftig. Sie ist bereits vom , NJW-RR 1990, 830, 831) - abweichend von der in der Rechtsbeschwerde vertretenen Ansicht - entschieden worden. Die Frist für die Wiedereinsetzung beginnt nach § 234 Abs. 2 ZPO mit dem Wegfall des Hindernisses zu laufen, und zwar auch dann, wenn dieser Umstand schon vor dem Ablauf der Frist für die vorzunehmende Prozesshandlung eintritt. Diese Auffassung wird auch im Schrifttum - ganz überwiegend - vertreten (Ball JurBüro 1992, 653, 661; Müller NJW 1993, 681, 682; HK-ZPO/Saenger, 2. Aufl., § 234 Rdn. 4; MünchKomm-ZPO/Gehrlein, 3. Aufl., § 234 Rdn. 7; Musielak/Grandel, ZPO, 5. Aufl., § 234 Rdn. 3; Stein/Jonas/Roth, ZPO, 22. Aufl., § 234 Rdn. 6; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 28. Aufl., § 234 Rdn. 5; Zöller/Greger, ZPO, 26. Aufl., § 234 Rdn. 5a). Die Umstände, die für den Fristbeginn maßgeblich sind, sind daher auch in diesem Fall darzulegen.

Die Rechtsfrage ist danach als geklärt anzusehen, zumal die Rechtsbeschwerdebegründung sich mit der Rechtsprechung und Literatur zu dieser Rechtsfrage gar nicht befasst hat und deshalb auch keine Gründe benennt, weshalb an der bisherigen Rechtsprechung nicht mehr festzuhalten sein sollte.

b) Die Rechtsbeschwerde macht ferner eine Verletzung des Gebots zur Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) geltend. Sie meint, es habe eines richterlichen Hinweises (§ 139 Abs. 1 ZPO) darauf bedurft, dass der Kläger in seinem Wiedereinsetzungsgesuch zum Wegfall des Hindernisses nichts vorgetragen hatte. Damit ist ein Gehörsverstoß nicht dargetan. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers hätte das Berufungsgericht nämlich den Vortrag des Klägers in dem nachgereichten Schriftsatz vom zu den Umständen, wann das Hindernis an einer rechtzeitigen Einreichung der Berufungsschrift behoben war und damit die Wiedereinsetzungsfrist zu laufen begann, auch dann nicht berücksichtigen dürfen, wenn dieses Vorbringen vor der Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag und die Zulässigkeit der Berufung eingegangen wäre. Auch für den zur Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs erforderlichen Vortrag, dass die in § 234 Abs. 1 ZPO bestimmte Antragsfrist eingehalten worden ist (RGZ 100, 268, 269; BGHZ 5, 157, 160; , BGHR § 236 Abs. 2 Satz 1 - Antragsbegründung 1), gilt die Antragsfrist (, NJW 1998, 2678; Beschl. v. , VI ZB 22/99, NJW 2000, 365, 366). Zwar dürfen erkennbar unklare und ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung durch das Gericht nach § 139 BGB geboten gewesen wäre, auch noch nach Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist erläutert oder vervollständigt werden (, NJW 1999, 2284). Dabei muss es sich jedoch um ergänzendes Vorbringen handeln. Eine erst nach Fristablauf eingehende, nachgeschobene Begründung, mit denen eine der Voraussetzungen der Wiedereinsetzung (hier die Einhaltung der Antragsfrist) erstmals dargelegt wird, muss dagegen unberücksichtigt bleiben (, aaO). So ist es hier, weil in dem Wiedereinsetzungsgesuch vom jedes Vorbringen zum Fortfall des Hindernisses fehlte.

3. Andere Gründe, die zur Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde führen könnten, trägt der Beschwerdeführer nicht vor.

aa) Hier ergeben sich allerdings Anhaltspunkte dafür, dass das Berufungsgericht die Anforderungen an die Begründung eines Wiedereinsetzungsgesuchs nach § 236 Abs. 2 Satz 1 ZPO überspannt und damit dem Rechtsmittelführer die Beschreitung des eröffneten Rechtsweges in einer unzumutbaren, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigenden Weise erschwert hat (Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip des Art. 20 Abs. 3 GG). Es hat den Wiedereinsetzungsantrag allein wegen eines Begründungsmangels (dem Fehlen der Angaben, wann und auf welche Weise das Hindernis behoben war) als unzulässig verworfen, ohne geprüft zu haben, ob sich nicht bereits aus den Darlegungen zu den Wiedereinsetzungsgründen und den offenkundigen Umständen (Kalender) ergibt, dass die Wiedereinsetzungsfrist unabhängig davon gewahrt wurde, wann konkret das Hindernis fortgefallen ist. Diese Prüfung drängte sich aber auf.

Das Wiedereinsetzungsgesuch ist am Montag, dem , bei dem Berufungsgericht eingegangen. Die zweiwöchige Frist für den Wiedereinsetzungsantrag nach § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO hätte unter Berücksichtigung der offenkundigen Umstände, dass der , Ostermontag, und auch der vorangegangene Karfreitag, der , gesetzliche Feiertage waren, nur dann nicht gewahrt sein können, wenn der Kläger in den davor liegenden Tagen bis Donnerstag, dem , davon erfahren hatte oder nach den Umständen hätte erfahren müssen, dass der nach seinem Vortrag am Freitag, dem , eingeworfene Brief mit der Berufungsschrift bis zum Ablauf der Berufungsfrist am nicht bei dem Berufungsgericht eingehen werde. Das kann nach den im Wiedereinsetzungsgesuch vorgetragenen Tatsachen kaum angenommen werden. Den Kläger dürften in diesem Zeitraum von einer knappen Woche von der Versendung bis zum Beginn der Feiertage keine Überwachungs- und Nachfragepflichten in Bezug auf den rechtzeitigen Eingang der Berufungsfrist bei dem Berufungsgericht getroffen haben.

bb) Den sich daraus ergebenden Zulässigkeitsgrund (Überspannung der Anforderungen an die Begründung des Wiedereinsetzungsgesuchs) hat die Rechtsbeschwerde aber nicht einmal ansatzweise geltend gemacht. Die von ihr angeführten Argumente zur Begründung der Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde betreffen andere Gesichtspunkte und lassen es selbst bei wohlwollender und die Interessen der anderen Partei weitgehend hintanstellender Betrachtung nicht zu, den möglicherweise gegebenen Zulässigkeitsgrund als dargelegt anzusehen.

Das Rechtsbeschwerdegericht darf indes nach § 577 Abs. 2 Satz 3 ZPO seine Entscheidung nur auf diejenigen Zulässigkeitsgründe stützen, die der Rechtsbeschwerdeführer in der Begründung seines Rechtsmittels gemäß § 575 Abs. 3 Nr. 2 ZPO dargelegt hat (vgl. , NJW-RR 2006, 142). Die gesetzliche Regelung der Voraussetzungen des Rechtsbeschwerdeverfahrens lässt es nicht zu, unabhängig von den Rügen des Rechtsbeschwerdeführers eine Entscheidung zu dessen Gunsten und damit zu Lasten der anderen Partei auf Grund einer Prüfung des gesamten Akteninhalts von Amts wegen zu treffen, ob nicht vorgetragene Zulässigkeitsvoraussetzungen vorliegen, selbst wenn das - wie hier - nach den Umständen nahe liegt. Eine unzumutbare Zulässigkeitshürde (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip) wird damit schon deshalb nicht errichtet, weil sich die Parteien durch bei dem Bundesgerichtshof zugelassene Rechtsanwälte vertreten lassen müssen, die mit der speziellen Materie des Rechtsbeschwerdeverfahrens vertraut sind (Senat, Beschl. v. , V ZR 251/06, NJW-RR 2007, 1435).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
YAAAC-74031

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein