BGH Urteil v. - 4 StR 502/07

Leitsatz

[1] Die Vorschriften zur Verlängerung der Rückgewinnungshilfe und zum Auffangrechtserwerb des Staates nach § 111 i Abs. 2, 3 und 5 StPO in der Fassung des Gesetzes zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom sind auf Altfälle nicht anwendbar.

Gesetze: StPO § 111 i Abs. 2; StPO § 111 i Abs. 3; StPO § 111 i Abs. 5; StGB § 2 Abs. 3; StGB § 2 Abs. 5

Instanzenzug: LG Halle, vom

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten Klaus-Dieter L. wegen schweren Raubes in Tateinheit mit räuberischem Angriff auf Kraftfahrer, gefährlicher Körperverletzung und mit unerlaubter Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine vollautomatische Selbstladewaffe sowie wegen Betrugs und falscher Versicherung an Eides statt zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 13 Jahren und sechs Monaten verurteilt. Den Angeklagten Percy L. hat es unter Freisprechung im Übrigen wegen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe nebst Munition zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt und die Einziehung eines sichergestellten Revolvers angeordnet.

Gegen dieses Urteil wenden sich beide Angeklagten. Die Revision des Angeklagten Klaus-Dieter L. , mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt, richtet sich in erster Linie gegen die Verurteilung wegen der Raubtat. Der Angeklagte Percy L. wendet sich gegen seine Verurteilung wegen des Waffendelikts und beanstandet die Verletzung sachlichen Rechts. Die Staatsanwaltschaft hat mit ihren, vom Generalbundesanwalt vertretenen und auf die Sachrüge gestützten Revisionen, das Urteil zu Ungunsten beider Angeklagter angefochten. Bezüglich des Angeklagten Klaus-Dieter L. beanstandet sie mit ihrem wirksam auf eine unterbliebene Entscheidung zum Verfall beschränkten Rechtsmittel (vgl. Kuckein in KK 5. Aufl. § 344 Rdn. 12), die Strafkammer habe es entgegen § 111 i Abs. 2 StPO unterlassen festzustellen, dass einer Verfallsanordnung Ansprüche Verletzter entgegenstehen. Bezüglich des Angeklagten Percy L. wendet sie sich gegen dessen Freisprechung von dem Vorwurf, an dem Raubüberfall auf einen Geldtransporter am beteiligt gewesen zu sein.

Die Rechtsmittel haben keinen Erfolg.

I.

1. Das Landgericht hat zu dem Raubgeschehen Folgendes festgestellt:

a) In den Morgenstunden des überfielen der wegen ähnlicher Taten bereits vorbestrafte Angeklagte Klaus-Dieter L. und mindestens ein weiterer unbekannter Mittäter ein teilgepanzertes Geldtransportfahrzeug und erbeuteten 2.730.000 Euro. Der Geldtransporter befand sich auf dem Weg von der L. Bank in M. zur Kreissparkasse in S. . Im Werteraum des Fahrzeugs befanden sich insgesamt 3.265.000 Euro Bargeld. Fahrer war der Nebenkläger, Beifahrer der Zeuge S. .

Der Angeklagte und sein Mittäter brachten den Geldtransporter auf der Bundesstraße nahe der Ortschaft D. zum Stehen, indem sie sich mit einem zuvor gestohlenen, mit einem Dublettenkennzeichen eines typgleichen Pkw's versehenen BMW 740i vor den Transporter setzten, ihr Fahrzeug anhielten, sodann rückwärts fuhren und den Transporter rammten. Maskiert und mit Sturmgewehren des Typs AK-47, sog. Kalaschnikows, bewaffnet, verließen sie ihr Fahrzeug und zwangen die Begleiter des Geldtransportes zum Aussteigen. Als diese der Aufforderung nicht sogleich nachkamen, gab einer der Täter zwei Schüsse in die Seitenscheibe des Transporters und kurz darauf nochmals einen Feuerstoß aus der automatischen Waffe ab. Der Nebenkläger erlitt dadurch einen Durchschuss des rechten Beines. Die Begleiter des Geldtransportes wurden gezwungen, sich bäuchlings auf den Bürgersteig zu legen. Mittels eines Trennschleifers wurde zunächst innerhalb des Fahrzeugs versucht, die Tür von der Schleuse zum Werteraum zu öffnen. Als dies misslang, durchtrennte Klaus-Dieter L. , der sich dabei möglicherweise mit dem Mittäter abwechselte, mit dem Trennschleifer das Stahlblech der Heckklappe des Transporters und die dahinter montierte Sperrholzplatte. Anschließend wurde mittels eines Brecheisens das Stahlblech aufgebogen. Durch die so geschaffene Öffnung gelang es dem Angeklagten und seinem Mittäter, insgesamt sieben Sicherheitstaschen mit 2.730.000 Euro Bargeld zu erbeuten und sodann zu flüchten. Den zur Tat verwendeten Pkw BMW setzten sie später in Brand.

b) Ausgehend von den Aussagen der in der Hauptverhandlung einvernommenen Vernehmungsbeamten über die Angaben einer gesperrten Vertrauensperson (VP) der Polizei, hat sich das Landgericht nur die Überzeugung von einer Tatbeteiligung des Angeklagten Klaus-Dieter L. an dem Raubüberfall zu bilden vermocht. Bezüglich dieses Angeklagten hat es die von den Zeugen geschilderten Angaben der VP, die sich ihre Erkenntnisse ihrerseits nur mittelbar von einer weiteren Person verschafft haben soll, durch zahlreiche Indizien bestätigt gesehen. Insbesondere habe der Angeklagte Klaus-Dieter L. nach der Tat den Trennschleifer, der bei der Tat benutzt wurde, in Besitz gehabt und bei einem Bekannten untergestellt. Dieser sichergestellte Trennschleifer sei vor der Tat im August 2002 in einem Fachgeschäft unter Angabe eines falschen Namens und einer falschen Anschrift erworben worden. Mit hoher Wahrscheinlichkeit stamme eine beim Kauf des Geräts geleistete Unterschrift vom Angeklagten. Er habe ferner drei Monate vor der Tat in Tatortnähe eine Wohnung angemietet und diese kurz nach der Tat wieder gekündigt. Bei der Durchsuchung des Wohnhauses des Angeklagten seien schließlich originale Zulassungsplaketten, wie sie auch bei Herstellung der Kennzeichendubletten für das Tatfahrzeug verwendet worden seien, sichergestellt worden. Da die Strafkammer vergleichbar gewichtige Beweisanzeichen bei dem Angeklagten Percy L. , dem Sohn des Angeklagten Klaus-Dieter L. , nicht festzustellen vermocht hat, hat es diesen vom Vorwurf einer Tatbeteiligung an dem Raubüberfall freigesprochen.

2. Nach den weiteren Feststellungen des Landgerichts erlangte der Angeklagte Klaus-Dieter L. durch bewusst falsche Angaben gegenüber der zuständigen Agentur für Arbeit zu Unrecht von Januar bis November 2005 7.747 Euro Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Ferner verschwieg er im April 2005 bei Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung vor dem Amtsgericht B. u.a. vorhandenes Vermögen.

II.

Der Angeklagte Klaus-Dieter L.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft

Dem Rechtsmittel bleibt der Erfolg versagt. Das Landgericht hat zu Recht davon abgesehen, im Rahmen der Verurteilung gemäß § 111 i Abs. 2 StPO den Umfang des aus der Raubtat Erlangten zu bezeichnen und festzustellen, dass nur deshalb nicht auf (Wertersatz-)Verfall erkannt wird, weil Ansprüche nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB einer solchen Anordnung entgegenstehen. Die Strafkammer war wegen des auch für den Verfall geltenden Rückwirkungsverbots an der Anwendung der erst nach der Tat in Kraft getretenen Neuregelung des § 111 i StPO gehindert.

a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die zur Tatzeit geltenden materiell-rechtlichen Vorschriften zur Regelung des Verfalls im Vergleich zu der Neuregelung des § 111 i Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 StPO das mildere Recht im Sinne des § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB darstellen.

Durch die Neufassung des § 111 i StPO im Gesetz zur Stärkung der Rückgewinnungshilfe und der Vermögensabschöpfung bei Straftaten vom (BGBl. I 2350 ff.), in Kraft seit dem , hat der Gesetzgeber die Grundlagen für einen späteren Auffangrechtserwerb des Staates für Fälle geschaffen, in denen eine Verfallsanordnung wegen Ansprüchen Verletzter nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB ausscheidet. Zweck der Vorschrift ist es, eine im Vergleich zur bisherigen Rechtslage effektivere Vermögensabschöpfung der Täter und eine Stärkung des Opferschutzes zu schaffen. In den Fällen des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB soll durch die Neufassung des § 111 i StPO sichergestellt werden, dass das durch die Straftat Erlangte oder dessen Wert nicht an den Täter zurückfällt, wenn die Opfer ihre Ansprüche nicht geltend machen und die Zwangsvollstreckung in die vorläufig sichergestellten Gegenstände und Vermögenswerte nicht betreiben (BTDrucks. 16/700 S. 9 und 16/2021 S. 1 und 4).

Die Umsetzung dieses Gesetzesvorhabens ist zwar im Rahmen einer "prozessualen Lösung" (BTDrucks. aaO) erfolgt. Rechtsdogmatisch stellt der Auffangrechtserwerb nach § 111 i Abs. 5 i.V.m. Abs. 2 StPO jedoch eine Modifizierung der materiell-rechtlichen Regelung zum Ausschluss des Verfalls nach § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB dar und unterliegt deshalb den Grundsätzen des Rückwirkungsverbots nach § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB (vgl. Bohne/Boxleitner in NStZ 2007, 552, 555; Mosbacher/Claus in wistra 2008, 1, 3 ff.). Dass die Regelung ihren Niederschlag in der Strafprozessordnung gefunden hat, steht dem nicht entgegen. Zwar hat sich durch die Einführung eines Auffangrechtserwerbs des Staates an dem Grundsatz, dass eine Verfallsanordnung zwingend ausgeschlossen ist, wenn aus der Tat Ansprüche Verletzter herrühren, nichts geändert. Jedoch sah sich der Täter nach der bisherigen Rechtslage lediglich den Ansprüchen der durch die Tat Verletzten gegenüber. Im Rahmen der Rückgewinnungshilfe sichergestellte Vermögenswerte mussten deshalb u.U. wieder an den Täter herausgegeben werden, wenn die Geschädigten ihre Ansprüche nicht innerhalb der dreimonatigen Frist des § 111 i StPO a.F. geltend machten. Diese den Täter begünstigende Rechtsposition, die unmittelbare Folge der Ausnahmeregelung des § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB war, entfällt nunmehr, wenn der Tatrichter von der Möglichkeit des § 111 i Abs. 2 StPO Gebrauch macht und durch die dort vorgesehene Feststellung die Basis für einen späteren Auffangrechtserwerb des Staates nach § 111 i Abs. 5 StPO schafft (vgl. BTDrucks. 16/700 S. 9).

Seiner Rechtsnatur nach stellt deshalb die Feststellungsentscheidung nach § 111 i Abs. 2 StPO keine ausschließlich verfahrensrechtliche Regelung, sondern vor allem eine materiell-rechtliche Grundentscheidung für eine aufschiebend bedingte Verfallsanordnung zu Gunsten des Staats dar, die dann zum Tragen kommt, wenn die vorrangigen Ansprüche der Verletzten nicht innerhalb der Frist des § 111 i Abs. 3 StPO geltend gemacht werden. Für diese Auffassung spricht auch, dass der im Beschlusswege zu fassenden Entscheidung nach § 111 i Abs. 6 StPO über den Eintritt und den Umfang des staatlichen Rechtserwerbs nur eine deklaratorische Bedeutung zukommt. Die materiell-rechtliche Grundlage für diese Entscheidung wird deshalb bereits im Urteil mit der Feststellungsentscheidung nach Abs. 2 dieser Vorschrift getroffen (vgl. BTDrucks. 16/700 S. 18).

Mithin unterfällt die Entscheidung nach § 111 i Abs. 2 StPO, soweit sie die Grundlage für einen Auffangrechtserwerb des Staates bildet, auf Grund ihres materiell-rechtlichen Charakters dem Rückwirkungsverbot, so dass § 2 Abs. 5 i.V.m. Abs. 3 StGB zur Anwendung kommt. Danach erweist sich die frühere Gesetzeslage als das mildere Recht (vgl. BTDrucks. 16/700 S. 20; so im Ergebnis wohl auch der 1. Strafsenat in BGH NStZ 2006, 621; Mosbacher/Claus aaO S. 1, 4).

b) Soweit die Feststellung nach § 111 i Abs. 2 StPO gleichzeitig die Voraussetzung für die Anordnung einer verlängerten Rückgewinnungshilfe des Staates nach § 111 i Abs. 3 StPO bildet, kommt, worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist, der Vorschrift zwar zugleich eine verfahrensrechtliche Bedeutung zu. Dies eröffnet bei Altfällen, wie dem vorliegenden, indes nicht die Möglichkeit, im Urteil eine lediglich auf die Schaffung der Anordnungsvoraussetzungen des § 111 i Abs. 3 StPO gerichtete, beschränkte Feststellungsentscheidung zu treffen (so aber Mosbacher/Claus aaO S. 4). Entgegen der Auffassung des Generalbundesanwalts setzt nämlich die Anordnung einer verlängerten Rückgewinnungshilfe nach § 111 i Abs. 3 StPO nach dem Gesetzeszweck zwingend voraus, dass ein Auffangrechtserwerb des Staates grundsätzlich möglich ist. Nur für diese Fälle wird als flankierende prozessuale Maßnahme die schon bisher gewährte Rückgewinnungshilfe des Staates im Interesse des Opferschutzes auf drei Jahre verlängert (vgl. BTDrucks. 16/700 S. 9). Scheidet aber, wie hier, aus Rechtsgründen ein Auffangrechtserwerb des Staates aus, ist deshalb auch für die Anwendung der prozessualen Vorschrift des § 111 i Abs. 3 StPO kein Raum.

2. Die Revision des Angeklagten

Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

a) Die vom Angeklagten erhobenen Verfahrensrügen versagen.

aa) Soweit der Angeklagte mit einer Aufklärungsrüge geltend macht, die VP sei anhand der Verfahrensakten hinreichend identifizierbar und dem Angeklagten bekannt gewesen, sie hätte deshalb in der Hauptverhandlung als Zeuge vernommen werden müssen, ist diese unbegründet. Die vom Beschwerdeführer zur Begründung mitgeteilten Auszüge aus den Verfahrensakten belegen den Verfahrensverstoß nicht. Zwar steht der Ladung und Vernehmung eines Zeugen eine Sperrerklärung grundsätzlich nicht entgegen. Vielmehr kann in Fällen, in denen sich aus den Akten oder sonstigen Erkenntnisquellen Hinweise auf die Identität des Zeugen ergeben, es die Aufklärungspflicht erfordern, dass das Gericht von Amts wegen Bemühungen entfaltet, den Namen eines Zeugen festzustellen und die Vernehmung in der Hauptverhandlung zu ermöglichen (BGHSt 39, 141, 144; BGH NStZ 1993, 248). Ein solcher Fall ist hier indes nicht gegeben. Weder aus den wiedergegebenen Berichten und Aktenvermerken der Ermittlungsbeamten noch aus dem Inhalt des mitgeteilten überwachten Telefonats lassen sich Rückschlüsse auf die Identität der VP ziehen. Anders als in der Entscheidung BGHSt 39, 141, 144 hat der Angeklagte auch keine Person namhaft gemacht, die mit der Person, deren Identität die Exekutive unter Berufung auf § 96 StPO nicht preisgegeben hat, identisch sein könnte.

bb) Die ebenfalls unter Aufklärungsgesichtspunkten erhobene Rüge, es hätte ein weiteres Schriftsachverständigengutachten zur Beurteilung der Unterschriften des Angeklagten und des Käufers des Trennschleifers eingeholt werden müssen, greift nicht durch. Der Beschwerdeführer hat keine (besonderen) Umstände dargetan, wonach sich das Landgericht zu der Einholung eines weiteren Schriftsachverständigengutachtens hätte gedrängt sehen müssen. Der Generalbundesanwalt weist zu Recht darauf hin, dass die Revision keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Sachkunde des Sachverständigen aufzeigt. Dieser hat auch die ihm zur Verfügung stehenden Anknüpfungstatsachen erschöpfend behandelt. Er hat insbesondere - entgegen dem Revisionsvorbringen - Ausführungen dazu gemacht, dass und weshalb signifikante Aussagen nur anhand des gleich lautenden Anfangsbuchstabens der zu vergleichenden Unterschriften möglich sind (S. 7 und 8 des Gutachtens) und die insoweit festgestellten Besonderheiten deshalb für eine "bedingte Individualisierung" geeignet sind.

Soweit die Revision vorbringt, der Sachverständige habe sich bei der Untersuchung des Schreibdrucks keiner modernen technischen Mittel bedient, versäumt sie es, im Einzelnen nachvollziehbar mitzuteilen, welche "hochtechnischen" Untersuchungsmethoden zur Schreibdruckanalyse im konkreten Fall den angewandten physikalisch/technischen Methoden, die in der Fachliteratur als ausreichend anerkannt werden (vgl. Michel, Gerichtliche Schriftvergleichung S. 249), überlegen gewesen wären und deshalb zur Einholung eines Zweitgutachtens gedrängt hätten.

Schließlich drängte auch der Umstand, dass mit der Gutachtenerstattung ein "privater Sachverständiger" betraut war, hier nicht zur Einholung eines weiteren Schriftgutachtens. Denn anders als in dem in BGHSt 10, 116 ff. entschiedenen Fall, kam hier dem Schriftgutachten für die Bejahung der Schuldfrage, insbesondere für die "Zuordnung" des sichergestellten Trennschleifers zum Beschwerdeführer, nicht die allein entscheidende Bedeutung zu.

cc) Die Verfahrensrüge, mit der die fehlerhafte Ablehnung zweier auf die Einholung eines ergänzenden Sachverständigengutachtens gerichteter Beweisanträge gerügt wird zum Nachweis, dass der sichergestellte Trennschleifer nicht das Tatwerkzeug war, greift ebenfalls nicht durch. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Rüge zulässig erhoben ist, da die im Ausgangsantrag in Bezug genommenen Lichtbilder nicht mitgeteilt worden sind. Das Landgericht hat die Anträge mit rechtsfehlerfreier Begründung zurückgewiesen. Es hat bei der Ablehnung der Anträge auch nicht gegen die Aufklärungspflicht verstoßen (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Entscheidung 1). Bereits der Ausgangspunkt der Anträge, mit dem sichergestellten Trennschleifer könne die weiße Tür zum Werteraum nicht beschnitten worden sein, weil ausweislich des Gutachtens des Sachverständigen Dr. H. keine weißen Partikel am Trennschleifer festgestellt worden seien, ist falsch. Das Gegenteil hat der Sachverständige sowohl in seinem schriftlichen als auch in seinem mündlichen Gutachten nachvollziehbar ausgeführt. Der Sachverständige hat auch vergleichende Untersuchungen dieser weißen Spuren mit weißen Substanzen, die im Inneren des Geldtransporters vor der Wertetür gefunden wurden, durchgeführt, eine Übereinstimmung der Substanzen jedoch nicht festzustellen vermocht. Eine weitergehende Vergleichsuntersuchung der am Trennschleifer gesicherten weißen Spuren drängte sich nicht auf. Eine Klärung, ob sich diese Spuren einer Schnittführung an der Tür zum Werteraum zuordnen lassen, hätte das Vorliegen einer Vergleichsprobe des Türenmaterials vorausgesetzt. Eine solche stand der Strafkammer nicht zur Verfügung.

Soweit die Revision unter Aufklärungsgesichtspunkten beanstandet, es hätte nicht nur der Vorfilter des Trennschleifers, sondern auch der dahinter liegende Hauptfilter auf Staubpartikel untersucht werden müssen, wird aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts dargelegten Gründen nicht deutlich, weshalb sich die Strafkammer zu dieser Beweiserhebung hätte gedrängt sehen müssen.

dd) Auch die Rüge, das Landgericht habe die als wahr unterstellte Tatsache, der Lebensgefährte der Mutter des Angeklagten Percy L. sei für diesen eine vaterähnliche Bezugsperson gewesen, in den Urteilsgründen als unerheblich behandelt, greift nicht durch. Das Landgericht hat diese Tatsache nicht als tatsächlich bedeutungslos behandelt, sondern es hat sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass Percy L. mit der Bezeichnung "Alter" in dem von der VP geschilderten Gespräch auch den Lebensgefährten seiner Mutter gemeint haben könnte. Es hat aus der wahr unterstellten Tatsache allerdings nicht den vom Angeklagten gewünschten Schluss gezogen. Hierzu war es nicht gehalten. Das Gericht braucht aus einer als wahr unterstellten Indiztatsache nicht die Schlussfolgerungen zu ziehen, die der Antragsteller gezogen wissen will (BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 1).

b) Das Urteil hält auch sachlich-rechtlicher Nachprüfung stand. Die Beweiswürdigung weist auch zur Tat vom keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf.

Bei Würdigung der Angaben der einvernommenen Vernehmungs- bzw. Führungsbeamten der VP zu einem Gespräch, in welchem Percy L. seinen Vater, den Angeklagten Klaus-Dieter L. , der Tatbeteiligung an dem verfahrensgegenständlichen Raubüberfall bezichtigt haben soll, hat das Landgericht den eingeschränkten Beweiswert der Aussagen dieser "Zeugen vom Hörensagen" nicht verkannt und bedacht, dass solche Angaben den Feststellungen regelmäßig nur dann zu Grunde gelegt werden dürfen, wenn sie durch andere wichtige Beweisanzeichen gestützt werden (BGHSt 36, 159, 166 m.w.N.). Das Landgericht hat ferner gesehen, dass diese Einschränkungen in besonderer Weise gelten, wenn die VP in den polizeilichen Vernehmungen ihrerseits nur Bekundungen eines Dritten, wie hier dem Gesprächspartner des Angeklagten Percy L. , wiedergegeben hat, also selbst nur "Zeuge vom Hörensagen" gewesen ist (vgl. BGH StV 1996, 583).

Solche gewichtigen Indizien hat das Landgericht festgestellt und sich sodann im Rahmen einer umfassenden Gesamtwürdigung aller Umstände die Überzeugung von der Mittäterschaft des Angeklagten Klaus-Dieter L. an dem Raubüberfall verschafft.

Rechtsfehler sind dabei nicht zu erkennen.

aa) Das Landgericht hat bei Prüfung der Frage, ob der sichergestellte Trennschleifer dem Angeklagten "zuzuordnen" ist, nicht, wie die Revision meint, das Schweigen des Angeklagten zu seinem Nachteil verwertet. Das Landgericht hat sich mit der Möglichkeit auseinandergesetzt, dass der Angeklagte den sichergestellten Trennschleifer für eine dritte Person bei seinem Bekannten untergestellt hat. Es hat diese Möglichkeit mit der Begründung verworfen, dies sei weder vom Angeklagten behauptet worden, noch sei den hierzu vernommenen Zeugen etwas Derartiges bekannt gewesen, noch sprächen "andere" Anhaltspunkte für diese Möglichkeit.

Eine unzulässige Verwertung des Schweigens des Angeklagten liegt darin nicht. Vielmehr hat das Landgericht das Schweigen des Angeklagten zur Kenntnis genommen und lediglich zum Ausdruck gebracht, dass sich für die erwogene Möglichkeit, der sichergestellte Trennschleifer sei einem Dritten zuzuordnen, in keiner Hinsicht Anhaltspunkte gefunden haben.

bb) Die Ausführungen im Urteil lassen auch nicht besorgen, dass die Strafkammer dem Gutachten des Schriftsachverständigen zur Beurteilung der beim Kauf des sichergestellten Trennschleifers geleisteten Unterschrift einen zu hohen Beweiswert zugemessen hat. Das Landgericht hat nicht verkannt, dass nach den Darlegungen des Sachverständigen für eine Urheberschaft des Angeklagten nur eine hohe und damit eingeschränkte Wahrscheinlichkeit spricht. Die Feststellung, der Angeklagte sei Käufer des Geräts gewesen wird ersichtlich nicht ausschließlich auf das Ergebnis des Schriftgutachtens zurückgeführt, also nicht, wie die Revision meint, "absolut gesetzt". Diese Feststellung hat das Landgericht vielmehr unter Heranziehung weiterer Indizien, etwa dem Besitz des Geräts nach der Tat, getroffen, die in ihrer Gesamtheit den jedenfalls möglichen Schluss auf die Käufereigenschaft des Angeklagten zulassen.

cc) Schließlich beruht auch die Feststellung, der dem Angeklagten zuzuordnende Trennschleifer sei Tatwerkzeug gewesen, auf einer tragfähigen Tatsachengrundlage. Den Umstand, dass die an dem Trennschleifer gesicherten weißen Partikelspuren nicht zuzuordnen waren, hat die Strafkammer im Rahmen einer Gesamtbetrachtung sämtlicher Erkenntnisse zu den im Fahrzeug und am Trennschleifer gesicherten Spuren bedacht. Der Schluss, dass auf Grund einer signifikanten Übereinstimmung mehrerer Spuren der sichergestellte, zudem unter verdächtigen Umständen erworbene und aufbewahrte Trennschleifer bei der Tat verwendet wurde, ist deshalb nicht nur möglich, sondern nahe liegend.

III.

Der Angeklagte Percy L.

1. Die Revision der Staatsanwaltschaft

a) Das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft zeigt, soweit der Angeklagte vom Vorwurf einer Tatbeteiligung am Raubüberfall freigesprochen worden ist, keinen ihn begünstigenden Rechtsfehler auf. Die Beweiswürdigung hält rechtlicher Überprüfung stand. Sie weist weder Lücken noch Widersprüche auf, noch stellt sie überspannte Anforderungen an die für eine Verurteilung erforderliche Überzeugungsbildung.

Das Landgericht geht in seinem rechtlichen Ansatz zutreffend davon aus, dass die Aussagen der einvernommenen Vernehmungsbeamten über die Angaben der VP über die bereits oben (II. 2. b) dargelegten Einschränkungen hinaus auch deshalb besonders sorgfältiger Überprüfung bedurften, weil sich eine Tatbeteiligung des Angeklagten Percy L. an dem Raubüberfall - anders als beim Angeklagten Klaus-Dieter L. - nicht eindeutig, sondern nur mittelbar aus den mitgeteilten Schilderungen der VP ergibt. Mit Blick auf mögliche Übertragungsfehler des Gesprächsinhalts waren deshalb an die Überprüfung der Aussagen der "Zeugen vom Hörensagen" noch höhere Anforderungen als beim Angeklagten Klaus-Dieter L. zu stellen.

Es ist in Folge dessen nicht zu beanstanden, dass sich das Landgericht in Ermangelung aussagekräftiger Indizien, die, ähnlich wie beim Angeklagten Klaus-Dieter L. , einen direkten Bezug des Angeklagten zu der Tat vom aufweisen, nicht die Überzeugung von einer Mittäterschaft des Angeklagten Percy L. am Raubüberfall zu verschaffen vermocht hat. Das Landgericht hat dabei weder verkannt, dass sich die Angaben der Vernehmungsbeamten der VP in Bezug auf den Angeklagten Klaus-Dieter L. bestätigt haben, noch hat es gewichtige Umstände, die für eine Täterschaft des Percy L. sprechen könnten, bei seiner Wertung außer Acht gelassen. Nicht zu beanstanden ist insbesondere, dass die Strafkammer den Geldbewegungen auf den Auslandskonten des Angeklagten Percy L. keine höhere Beweisbedeutung beigemessen hat, zumal auf diese Konten bereits vor der Tat vom hohe Geldbeträge geflossen sind.

b) Eine Ergänzung der den Angeklagten Percy L. betreffenden Einziehungsanordnung in Bezug auf die sichergestellte Munition kommt wegen des Verbots der Schlechterstellung (§ 358 Abs. 2 StPO) nicht in Betracht, da das Urteil, soweit der Angeklagte verurteilt worden ist, nicht zu seinen Ungunsten angefochten ist ().

2. Die Revision des Angeklagten

Die Revision des Angeklagten ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu seinem Nachteil ergeben. Insbesondere lässt die Beweiswürdigung einen sachlich-rechtlichen Mangel nicht erkennen.

Fundstelle(n):
NJW 2008 S. 1093 Nr. 15
wistra 2008 S. 189 Nr. 5
IAAAC-72438

1Nachschlagewerk: ja