Leitsatz
[1] a) Bei der Auslegung der Parteibezeichnung ist der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich Anlagen zu berücksichtigen. Wird daraus unzweifelhaft deutlich, welche Partei wirklich gemeint ist, so steht der entsprechenden Auslegung auch nicht entgegen, dass der Kläger irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person gewählt hat (Bestätigung von , BAG-Rep. 2004, 210).
b) Auf Antrag des Scheinbeklagten ist dieser durch eine Entscheidung des Gerichts aus dem Rechtsstreit zu entlassen, wobei gleichzeitig dem Kläger, sofern dieser die falsche Zustellung veranlasst hat, die Kosten des Scheinbeklagten aufzuerlegen sind, die zur Geltendmachung von dessen fehlender Parteistellung notwendig waren. Für eine Klageabweisung ist kein Raum.
Gesetze: ZPO § 50; ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Instanzenzug: LG Duisburg, 21 O 197/04 vom OLG Düsseldorf, I-21 U 74/06 vom
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Schadensersatz aus einem zwischen ihr und der W. GmbH (im Folgenden: GmbH) geschlossenen Vertrag über die Lieferung einer Ozonanlage. Der Streit dreht sich im derzeitigen Stadium des Prozesses darum, ob die GmbH ungeachtet des Umstandes, dass die Klägerin in der Klageschrift als Beklagte die W. AG (im Folgenden: AG) angegeben hat, Beklagte dieses Rechtsstreits geworden ist.
Im September 2001 lieferte die GmbH an die Klägerin eine Ozonanlage, die später nach dem Vortrag der Klägerin aufgrund eines Konstruktionsfehlers und einer mangelhaften Bedienungsanleitung bei der Entleerung beschädigt worden sein soll. Im Rahmen der deshalb zwischen der Klägerin und der GmbH geführten vorgerichtlichen Korrespondenz verzichtete die GmbH hinsichtlich der von der Klägerin geltend gemachten Gewährleistungsansprüche bis zum auf die Einrede der Verjährung. Am reichte die Klägerin beim Landgericht Klage ein. In der Klageschrift, welcher der Lieferungsvertrag der Parteien und ihr nach Schadenseintritt geführter Schriftverkehr beigefügt waren, ist als Beklagte die "W. AG, , vertreten durch den Vorstand" angegeben. Bei der genannten Hausnummer handelt es sich um die der GmbH. Die Anschrift der AG, der Muttergesellschaft der GmbH, lautet . Für die AG haben sich Prozessbevollmächtigte bestellt und Klageabweisung beantragt, weil die AG - wie unstreitig ist - nicht die Vertragspartnerin der Klägerin sei.
Das Landgericht hat den Antrag der Klägerin auf Berichtigung des Rubrums abgelehnt. Ihre sofortige Beschwerde ist vom Oberlandesgericht als unzulässig auf ihre Kosten verworfen worden. Das Landgericht hat sodann durch nicht selbständig anfechtbares Zwischenurteil vom festgestellt, dass die AG mit der wahren Beklagten identisch sei, und schließlich durch Endurteil vom die Klage als unbegründet abgewiesen, weil die Klägerin nicht den Schadensersatzpflichtigen - die GmbH - in Anspruch genommen habe. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt sie ihre Anträge weiter, festzustellen, dass die GmbH mit der wahren Beklagten identisch sei, und die GmbH zur Zahlung von 30.012,38 € nebst Zinsen zu verurteilen.
Gründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der vorinstanzlichen Urteile und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Nicht die AG, sondern die GmbH ist die wahre Beklagte.
I. Das Berufungsgericht hat sein anderslautendes Urteil im Wesentlichen wie folgt begründet: Eine unrichtige oder mehrdeutige Parteibezeichnung sei zwar der Auslegung zugänglich, wobei die Sicht der Empfänger maßgeblich sei. Eine Auslegung sei jedoch hier nicht möglich, weil die Bezeichnung "W. AG" eindeutig der Firmenname der jetzigen Beklagten sei. An der Eindeutigkeit der Bezeichnung ändere auch der Umstand nichts, dass sowohl das Gericht wie die AG nach Sichtung der Unterlagen alsbald hätten erkennen können, dass die AG nicht Vertragspartnerin der Klägerin und somit nicht schadensersatzpflichtig sei. Abgesehen davon könne die Berufung aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn die Bezeichnung "W. AG" mit Rücksicht auf die falsche Hausnummer als auslegungsfähig angesehen werde. Denn die dann "wahre Beklagte" sei bis zum Schluss der ersten Instanz nicht am Prozessverhältnis beteiligt gewesen, weil ihr die Klageschrift nicht zugestellt worden sei.
II. Diese Beurteilung hält der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Das Berufungsgericht hat die höchstrichterliche Rechtsprechung zu dem Unterschied zwischen einer falschen Bezeichnung des richtigen Beklagten, die der Berichtigung durch Auslegung zugänglich ist, und der Auswahl eines falschen, nämlich nicht passivlegitimierten Beklagten, die nur durch eine Klageänderung in der Form des Parteiwechsels zu beheben ist, nicht hinreichend beachtet. Im vorliegenden Fall ist eine Berichtigung der Parteibezeichnung vorzunehmen.
1. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist eine Parteibezeichnung als Teil einer Prozesshandlung grundsätzlich der Auslegung zugänglich. Dabei ist maßgebend, wie die Bezeichnung bei objektiver Deutung aus der Sicht der Empfänger (Gericht und Gegenpartei) zu verstehen ist. Es kommt darauf an, welcher Sinn der von der klagenden Partei in der Klageschrift gewählten Bezeichnung bei objektiver Würdigung des Erklärungsinhalts beizulegen ist (, BGHZ 4, 328, 334; Urt. v. - VII ZR 58/86, NJW 1987, 1946 m.w.N.). Bei objektiv unrichtiger oder auch mehrdeutiger Bezeichnung ist grundsätzlich diejenige Person als Partei anzusprechen, die erkennbar durch die Parteibezeichnung betroffen werden soll (BGH, aaO; Beschl. v. - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764 m.w.N.). Bei der Auslegung der Parteibezeichnung sind nicht nur die im Rubrum der Klageschrift enthaltenen Angaben, sondern auch der gesamte Inhalt der Klageschrift einschließlich etwaiger beigefügter Anlagen zu berücksichtigen (so ausdrücklich , BAG-Rep. 2004, 210; konkludent auch schon , NJW 1983, 2448, wo das Auslegungsergebnis, dass ein bestimmtes falsch bezeichnetes Unternehmen verklagt worden sei, mit dem Klagevortrag und der vorprozessualen Korrespondenz begründet wurde). Dabei gilt der Grundsatz, dass die Klageerhebung gegen die in Wahrheit gemeinte Partei nicht an deren fehlerhafter Bezeichnung scheitern darf, wenn diese Mängel in Anbetracht der jeweiligen Umstände letztlich keine vernünftigen Zweifel an dem wirklich Gewollten aufkommen lassen, auch dann, wenn statt der richtigen Bezeichnung irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden (juristischen oder natürlichen) Person gewählt wird, solange nur aus dem Inhalt der Klageschrift und etwaigen Anlagen unzweifelhaft deutlich wird, welche Partei tatsächlich gemeint ist (BAG aaO; so auch schon OLG Hamm, NJW-RR 1991, 188). Von der fehlerhaften Parteibezeichnung zu unterscheiden ist die irrtümliche Benennung der falschen, am materiellen Rechtsverhältnis nicht beteiligten Person als Partei; diese wird Partei, weil es entscheidend auf den Willen des Klägers so, wie er objektiv geäußert ist, ankommt (BGHZ 4, 328, 334; NJW 1987, 1946).
2. Von dieser Rechtsprechung ist das Berufungsgericht abgewichen, indem es die Ansicht vertreten hat, eine berichtigende Auslegung der Parteibezeichnung sei unmöglich, weil die Bezeichnung "W. AG" eindeutig der Firmenname der "jetzigen Beklagten" sei, und daran ändere auch der Umstand nichts, dass sowohl das Gericht als auch die AG nach Sichtung der Unterlagen alsbald hätten erkennen können, dass die AG nicht Vertragspartner der Klägerin und damit nicht schadensersatzpflichtig sei. Damit hat das Berufungsgericht zum einen nicht beachtet, dass eine berichtigende Auslegung auch dann möglich ist, wenn irrtümlich die Bezeichnung einer tatsächlich existierenden juristischen Person gewählt worden ist, und zum anderen, dass auch der Inhalt der Klageschrift nebst Anlagen für die Auslegung erheblich ist.
3. a) Das Berufungsgericht hat es unterlassen, anhand der Klageschrift nebst Anlagen zu prüfen, wen die Klägerin verklagen wollte. Diese Prüfung, die der Senat selbst nachholen kann, weil insoweit keine weitere Sachaufklärung zu erwarten ist, ergibt, dass die GmbH verklagt werden sollte.
Die Klägerin wollte ersichtlich ihren Vertragspartner in Anspruch nehmen. Denn sie hat in der Klageschrift vorgetragen, dass sie mit der Beklagten einen Werklieferungsvertrag geschlossen habe, dass diese ihr durch einen Werkmangel einen Schaden zugefügt habe, dass ihr deshalb ein Schadensersatzanspruch zustehe und dass sie dieserhalb Klage erheben müsse, weil die Beklagte die Verantwortung für den Mangel abgelehnt habe. Die gesamte Klagebegründung bezieht sich also auf den Vertragspartner der Klägerin.
Daraus ergibt sich zugleich, dass die Klägerin nicht etwa irrtümlich die AG für ihren Vertragspartner hielt. Denn die Klägerin hatte der Klageschrift den Liefervertrag, die vorgerichtliche Korrespondenz mit der Lieferantin und deren Verjährungsverzichtserklärung beigefügt, die sämtlich auf den Namen der GmbH lauteten bzw. von ihr stammten. Der Klägerin kann nicht die Ansicht unterstellt werden, statt des Unternehmens, mit dem sie kontrahiert und über Schadensersatz verhandelt hatte - der GmbH -, sei dessen Konzernmutter, die AG, ihr Vertragspartner geworden. Soweit das Berufungsgericht ohne nähere Begründung ausgeführt hat, auch die Beschreibung im Schriftsatz vom zeige, dass es sich um eine irrtümliche Benennung der AG gehandelt habe, ist dies als Begründung seiner Entscheidung nicht nachvollziehbar. In dem genannten Schriftsatz der Klägerin heißt es zudem: "Aufgrund eines bürointernen Versehens wurde die Rechtsform der Beklagten falsch bezeichnet. Aus der Klageschrift und deren Anlagen ergibt sich eindeutig, dass die W. GmbH verklagt werden sollte."
Die Auslegung der Parteibezeichnung "W. AG" ergibt daher, dass die Klägerin die GmbH verklagen wollte. Infolgedessen ist die GmbH als wahre Beklagte anzusehen. Die AG hat auch nicht durch die Zustellung der Klageschrift an sie die Stellung der beklagten Partei erlangt (, BGHZ 127, 156, 163; Beschl. v. - X ARZ 255/95, NJW-RR 1995, 764). Das Berufungsgericht hätte deshalb nicht das landgerichtliche Urteil bestätigen dürfen, in welchem die Klage mangels Aktivlegitimation der nur scheinbeklagten AG abgewiesen worden ist.
b) Hieran ändert auch die Hilfsbegründung des Berufungsurteils nichts, selbst bei angenommener Auslegungsfähigkeit der Bezeichnung "W. AG" könne die Berufung der Klägerin gegen die Klageabweisung keinen Erfolg haben, weil die GmbH mangels Klagezustellung an sie bis zum Schluss der ersten Instanz nicht am Prozess beteiligt worden sei. Auch diese Erwägungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
aa) Der Sinn dieser Erwägungen ist nicht eindeutig. Sollte dahinter die Ansicht stehen, dass die Klage gegen die GmbH mangels Zustellung abweisungsreif gewesen sei, so gibt es hierfür keine Rechtsgrundlage. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die Klage der wahren Beklagten, hier der GmbH, tatsächlich nicht zugestellt worden ist. Gegebenenfalls wäre der Zustellungsmangel nicht, wie die Klägerin meint, durch das Nichtbestreiten des tatsächlichen Zugangs der Klageschrift an die GmbH geheilt worden (§ 189 ZPO), weil das fehlende Bestreiten bislang nur von der Scheinbeklagten, der AG, stammt und daher keine Rechtswirkungen zu Lasten der GmbH erzeugen kann. Die Klage gegen die GmbH dürfte aber auch bei unterstellter fehlender Zustellung an sie nicht einfach abgewiesen werden. Vielmehr müsste die Zustellung dann nachgeholt werden (§ 271 Abs. 1 ZPO; vgl. aaO). Auf die Frage, ob die Zustellung (auch) an die GmbH erfolgt ist oder nicht, kommt es daher bis auf Weiteres nicht an, so dass an dieser Stelle offen bleiben kann, ob der Ansicht des Landgerichts Marburg (VersR 1993, 1424) beizutreten ist, wonach bei einer schwer durchschaubaren Verflechtung von Unternehmen mit gleichartigen Namen und gleicher Adresse die Zustellung an das vom Absender genannte Unternehmen schon dann erfolgt ist, wenn das Schriftstück bei einem anderen der verflochtenen Unternehmen angekommen ist, und ob gegebenenfalls die tatsächlichen Voraussetzungen dieser Rechtsprechung hier erfüllt sind.
bb) Falls das Berufungsgericht jedoch von einem Recht der AG auf die vom Landgericht ausgesprochene Klageabweisung ausgegangen ist, kann auch dieser Ansicht nicht beigetreten werden. Zwar kann ein Scheinbeklagter eine Entscheidung verlangen, durch den er aus dem Rechtsstreit entlassen wird und gleichzeitig dem Kläger, soweit dieser die falsche Zustellung veranlasst hat, die Kosten auferlegt werden, die zur Geltendmachung der fehlenden Parteistellung notwendig waren (OLG Stuttgart NJW-RR 1999, 216 m.w. Rechtsprechungsnachweisen; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 16. Aufl., § 41 Rdn. 9; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., vor § 50 Rdn. 8). Für eine Klageabweisung ist in diesem Zusammenhang jedoch jedenfalls dann kein Raum, wenn der Kläger, wie hier, selbst aufklärt oder anerkennt, dass der Zustellungsempfänger mit dem wahren Beklagten nicht identisch ist (Rosenberg/Schwab/Gottwald, aaO Rdn. 10; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., Grdz. § 50 Rdn. 11). Die Klageabweisung des Landgerichts kann auch nicht im Sinne einer bloßen Prozessentlassung der scheinbeklagten AG verstanden werden. Da das Landgericht in seiner Urteilsbegründung die AG für die wahre Beklagte gehalten und deshalb die Klage mangels Passivlegitimation der Beklagten als unbegründet abgewiesen hat, erfasst das Urteil die ganze Klage; es beendet also den vorliegenden Prozess insgesamt. Das Urteil verbietet der Klägerin zwar nicht, einen neuen Prozess gegen die GmbH zu beginnen, versagt ihr jedoch die Möglichkeit, den vorliegenden Rechtsstreit gegen die GmbH einfach fortzuführen. Für eine derart weitreichende Entscheidung fehlt es im Fall der fehlerhaften Parteibezeichnung an einer Rechtsgrundlage.
4. Nach alledem sind das angefochtene Berufungsurteil und das von ihm bestätigte Endurteil des Landgerichts mitsamt dessen Zwischenurteil aufzuheben. Zur nunmehr nachzuholenden Verhandlung und Entscheidung über die Klage gegen die wahre Beklagte, die GmbH, ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf folgenden Erwägungen:
Die Klägerin hat die außergerichtlichen Kosten der scheinbeklagten AG zu tragen, weil sie die Klagezustellung an die AG veranlasst hat. Dass die AG sich im Prozess anwaltlich vertreten ließ, war im Sinne des § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO notwendig (vgl. OLG Köln, OLGZ 1989, 236), wie sich daran gezeigt hat, dass Land- und Oberlandesgericht sie als wahre Partei behandelt haben. Ihre Kosten haben sich auch nicht dadurch erhöht, dass sie, statt sich lediglich gegen ihre Prozessbeteiligung als Scheinbeklagte zu verteidigen, unberechtigt die Feststellung, sie sei die wahre Beklagte, und Klageabweisung beantragt hat. Dadurch sind die Gebühren ihrer Prozessbevollmächtigten nicht gestiegen, da der Streitwert derselbe war, als wenn sie ihre Stellung als Scheinbeklagte anerkannt hätte.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2008 S. 453 Nr. 10
NJW-RR 2008 S. 582 Nr. 8
JAAAC-72040
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja