BGH Urteil v. - VII ZR 28/07

Leitsatz

[1] a) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, nach der der Auftragnehmer für den Fall, dass er mit der Fertigstellung des Bauvorhabens in Verzug gerät, eine Vertragsstrafe in Höhe von 0,3 % der Auftragssumme pro Werktag zu zahlen hat, benachteiligt den Auftragnehmer nicht allein deswegen unangemessen (Bestätigung von , BauR 1999, 645).

b) Eine Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Auftraggebers, die im Anschluss an die Vereinbarung einer kalendermäßig bestimmten Fertigstellungsfrist folgende Regelung enthält:

"Die Frist gilt als verbindlich und verlängert sich auch nicht durch witterungsbedingte Beeinträchtigungen.

Bei Überschreitung der Ausführungsfrist hat der Auftragnehmer eine Vertragsstrafe von 0,3 % der Auftragssumme pro Werktag des Verzuges zu zahlen, höchstens jedoch 10 % der Schlussrechnungssumme."

ist wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers unwirksam.

Gesetze: AGBG § 9 Ch

Instanzenzug: LG Lübeck 6 O 69/02 vom OLG Schleswig 5 U 154/04 vom

Tatbestand

Der klagende Insolvenzverwalter verlangt von der Beklagten eine Vertragsstrafe wegen Bauzeitüberschreitung.

Der Schuldner (im Folgenden: Kläger) beauftragte die Beklagte auf der Grundlage eines von seinem Architekten vorgehaltenen Vertragsformulars im Februar 2001 mit dem Abriss eines Einfamilienhauses und der schlüsselfertigen Erstellung einer Hotelanlage mit Wohnungen, Tiefgaragen und Stellplätzen zu einem Pauschalfestpreis von 4.550.000 DM zzgl. Mehrwertsteuer (= 2.698.598,55 € brutto). Die Geltung der VOB/B war nachrangig vereinbart. Außerdem sah der Vertrag vor, dass es auf Wunsch des Auftraggebers zu Änderungen der Vertragsleistungen kommen könne; diese könnten sich erhöhend oder mindernd auswirken. In § 3 heißt es:

"Bauzeit und Sicherheiten

Der Auftragnehmer verpflichtet sich, die Vorbereitungsarbeiten und die Bauarbeiten gem. beigefügtem Bauzeitenplan (Anlage 1) durchzuführen und bis zum fertigzustellen. Anschließend sind noch Restarbeiten und Reinigungsarbeiten zulässig.

Um eine Vermietung zu Ostern 2002 zu gewährleisten, muss ab die Möblierung durch den AG durchgeführt werden.

Die Frist gilt als verbindlich und verlängert sich auch nicht durch witterungsbedingte Beeinträchtigungen.

Bei Überschreitung der Ausführungsfrist hat der Auftragnehmer eine Vertragsstrafe von 0,3 % der Auftragssumme pro Werktag des Verzuges zu zahlen, höchstens jedoch 10 % der Schlussrechnungssumme."

Der Kläger verlangt für den Zeitraum vom 1. März bis für insgesamt 33 1/3 Werktage eine Vertragsstrafe von 6.979,13 € zzgl. Mehrwertsteuer je Werktag, insgesamt mithin 269.859,85 €. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren in vollem Umfang weiter.

Gründe

Die Revision hat keinen Erfolg.

Auf das Schuldverhältnis finden die bis zum geltenden Gesetze Anwendung (Art. 229 § 5 Satz 1 EGBGB).

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in BauR 2005, 1641 ff. veröffentlicht ist, führt aus, die Vertragsstrafenvereinbarung halte einer Inhaltskontrolle nach § 9 AGBG nicht stand. Eine Vertragsstrafe von 0,3 % je Werktag (Montag bis Samstag) bedeute eine Vertragsstrafe von 0,34 % (richtig: 0,36 %) je Arbeitstag (Montag bis Freitag). Damit liege die Einsatzvertragsstrafe über den bisher insoweit für zulässig erachteten Größenordnungen. Außerdem sei es bedenklich, dass für die Bemessung der Einsatzvertragsstrafe die Auftragssumme, für die Bestimmung der Obergrenze der Gesamtvertragsstrafe dagegen die Schlussrechnungssumme maßgeblich sei. Dadurch verringere sich bei einer nachträglichen Absenkung des Auftragsvolumens der Zeitraum, innerhalb dessen die Vertragsstrafe vollständig bis zu ihrer Obergrenze verwirkt sei und der kalkulatorische Unternehmergewinn aufgezehrt werde ("Gewinnverzehrungszeitraum").

II.

Das hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

Die Vertragsstrafenvereinbarung ist unwirksam. Sie benachteiligt die Beklagte unangemessen im Sinne des § 9 Abs. 1 AGBG. Dies folgt allerdings nicht aus der Höhe des Tagessatzes von 0,3 % pro Werktag (vgl. , BauR 1999, 645 = ZfBR 1999, 188). Die Klausel sieht jedoch unter bestimmten Voraussetzungen eine verschuldensunabhängige Vertragsstrafe vor (1.) und verstößt zudem gegen das Transparenzgebot (2.).

1. Die Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dass eine Vertragsstrafe unabhängig von dem Verschulden des Verwendungsgegners verwirkt werden kann, benachteiligt diesen unangemessen, § 9 Abs. 1 AGBG (vgl. , NJW-RR 1991, 1013, 1015; , BauR 1997, 123 = ZfBR 1997, 33). Dies trifft hier zu.

Die Klausel des § 3 des Vertrags erklärt in Absatz 3 den Fertigstellungstermin vom für verbindlich und bestimmt, dass die Ausführungsfrist sich auch nicht durch witterungsbedingte Beeinträchtigungen verlängert. In unmittelbarem Zusammenhang hiermit wird in Absatz 4 die Verwirkung der Vertragsstrafe geregelt. Da diese Absätze nicht voneinander getrennt werden können und daher die Regelung über die Verbindlichkeit der Fertigstellungsfrist in Absatz 3 auch als Einschränkung des Verschuldenserfordernisses der Vertragsstrafe zu verstehen ist, ist von einer Auslegung dahin auszugehen, dass die Vertragsstrafe auch dann verwirkt ist, wenn die Beklagte eine Überschreitung des vereinbarten Fertigstellungstermins aufgrund witterungsbedingter Beeinträchtigungen nicht zu vertreten hat. Daran ändert nichts, dass die Vertragsstrafe nur für Zeiten des "Verzuges" zu zahlen ist und ergänzend die VOB/B und damit deren § 11 Nr. 2 vereinbart ist (vgl. hierzu , BGHZ 149, 283, 287; Urteil vom - VII ZR 231/03, BauR 2004, 1611, 1612 = NZBau 2004, 613 = ZfBR 2004, 790). Denn dem kommt gegenüber der speziellen Regelung, dass sich die Fertigstellungsfrist "auch nicht durch witterungsbedingte Beeinträchtigungen" verlängert, keine entscheidende Bedeutung zu.

2. Die Klausel verstößt zudem gegen das Transparenzgebot.

a) Treu und Glauben verpflichten den Verwender Allgemeiner Geschäftsbedingungen, die Rechte und Pflichten seines Vertragspartners möglichst klar und durchschaubar darzustellen, damit dieser sich bei Vertragsschluss hinreichend über die rechtliche Tragweite der Vertragsbedingungen klar werden kann. Das Transparenzgebot schließt das Bestimmtheitsgebot ein. Dieses verlangt, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschrieben werden, dass für den Verwender keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Eine Klausel genügt dem Bestimmtheitsgebot nur dann, wenn sie im Rahmen des rechtlich und tatsächlich Zumutbaren die Rechte und Pflichten des Vertragspartners des Klauselverwenders so klar und präzise wie möglich umschreibt (, BGHZ 165, 12, 21 f. m.w.N.).

b) Diesen Anforderungen wird die Vertragsstrafenklausel nicht gerecht, weil der Begriff der Auftragssumme, nach dem die Einsatzvertragsstrafe bemessen werden soll, im Kontext der Klausel mehrere Deutungen zulässt und daher zu unbestimmt ist.

Unter "Auftragssumme" kann zunächst die nach der Abwicklung des Vertrags geschuldete Vergütung zu verstehen sein (vgl. Kniffka/Koeble, Kompendium des Baurechts, 2. Aufl., 7. Teil, Rdn. 90; Greiner, ZfBR 1999, 62, 63). Jedoch ist in der Vertragsstrafenklausel der "Auftragssumme" die "Schlussrechnungssumme" als weitere Bezugsgröße gegenübergestellt. Unter diesen Umständen kann die "Auftragssumme" auch als ein Wert verstanden werden, der sich nach der von den Parteien vor der Ausführung des Auftrags vereinbarten Vergütung der Beklagten bemisst. Daher ist die Bemessungsgrundlage für den Tagessatz der Vertragsstrafe nicht eindeutig bestimmt. Denn es bestehen hier zwei verschiedene gleichwertige Möglichkeiten, den Begriff "Auftragssumme" auszulegen. Diese Unklarheit führt dazu, dass die Rechte und Pflichten der Beklagten in der Klausel nicht so klar und präzise wie nötig umschrieben sind.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
NJW-RR 2008 S. 615 Nr. 9
WM 2008 S. 891 Nr. 19
MAAAC-70792

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja