Leitsatz
Der Hauptpersonalrat kann nicht im Wege des Initiativantrags verlangen, dass eine Mehrbelastung der Lehrkräfte, die aufgrund einer mehrjährigen schulpolitischen Entwicklung aufgetreten ist, durch Einräumung eines allgemeinen Entlastungskontingents ausgeglichen wird.
Gesetze: BlnPersVG § 79 Abs. 4; BlnPersVG § 85 Abs. 2 Nr. 2
Instanzenzug: VG Berlin VG 62 A 18.05 vom OVG Berlin-Brandenburg OVG 60 PV 3.06 vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Nichtzulassung der Rechtsbeschwerde durch das Oberverwaltungsgericht gemäß § 91 Abs. 2 BlnPersVG in Verbindung mit § 92a Satz 1 ArbGG hat keinen Erfolg. Die allein erhobene Grundsatzrüge gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 1, § 92 Abs. 1 Satz 2 ArbGG greift nicht durch. Die in der Beschwerdebegründung aufgeworfene Rechtsfrage hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Der Antragsteller will geklärt wissen, ob das Initiativrecht des Personalrats bezogen auf den Mitbestimmungstatbestand "Hebung der Arbeitsleistung" (§ 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG) auch Maßnahmen zur Senkung bzw. Entlastung der Arbeitsleistung zum Gegenstand haben kann. Diese Frage ist bei der im vorliegenden Fall gegebenen Konstellation eindeutig zu verneinen, sodass es einer Klärung im Rechtsbeschwerdeverfahren nicht bedarf.
1. Der vom Antragsteller in den Vordergrund seiner Argumentation gerückte Gesichtspunkt des "actus contrarius" führt als solcher nicht weiter. Für den Regelfall der Mitbestimmung, in welchem es um die Zustimmung des Personalrats zu einer von der Dienststelle beabsichtigten Maßnahme geht (§ 79 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 BlnPersVG), kann die Frage, ob sich die Beteiligung des Personalrats sowohl auf begünstigende als auch auf belastende Maßnahmen der Dienststelle erstreckt, nicht pauschal, sondern nur anhand von Wortlaut, Entstehungsgeschichte, rechtssystematischem Zusammenhang sowie Sinn und Zweck des jeweiligen Mitbestimmungstatbestandes beantwortet werden.
a) Es gibt Mitbestimmungstatbestände, die bereits nach ihrem Wortlaut offen für eine Anwendung auf beide Arten von Maßnahmen sind. So bereitet es z.B. keine Schwierigkeiten, die Mitbestimmung des Personalrats bei der Gewährung von Leistungs- und Funktionszulagen nach § 87 Nr. 3 BlnPersVG als Mitbestimmung bei der Entscheidung der Dienststelle über die Gewährung der Zulagen zu verstehen, die den Bewilligungs- wie den Versagungs- und Widerrufsfall gleichermaßen erfasst. Sinn und Zweck dieser Mitbestimmung gebieten ein solches Verständnis (vgl. - BAGE 113, 265 <272>).
b) Nicht unter diese Kategorie fällt die Mitbestimmung bei den Maßnahmen zur Erleichterung des Arbeitsablaufs nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 BlnPersVG. Dieser Tatbestand, den die Vorinstanzen hier mit zutreffender, vom Antragsteller in der Nichtzulassungsbeschwerde nicht angegriffener Begründung verneint haben, ist darauf gerichtet, die von der Maßnahme Betroffenen vor Überlastung oder Überbeanspruchung zu schützen; er nimmt in den Blick, dass die rationellere Gestaltung des Arbeitsprozesses typischerweise zu einer höheren Beanspruchung der daran beteiligten Dienstkräfte führt (vgl. BVerwG 6 P 16.02 - Buchholz 250 § 78 BPersVG Nr. 19 S. 12 m.w.N.). Der belastende Akt steht hier also geradezu im Vordergrund der Mitbestimmung.
c) Die Mitbestimmung bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG erfasst alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Effektivität der Arbeit in der vorgegebenen Zeit qualitativ oder quantitativ zu fördern, also die Güte oder Menge der zu leistenden Arbeit zu steigern. Sie bezweckt, die betroffenen Dienstkräfte vor einer unnötigen oder unzumutbaren Belastung zu bewahren (vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 6 P 13.03 - BVerwGE 121, 38 <44> = Buchholz 251.0 § 79 BaWüPersVG Nr. 17 S. 3 f. und vom - BVerwG 6 P 3.04 - Buchholz 251.2 § 85 BlnPersVG Nr. 13 S. 10). Diese Mitbestimmung erstreckt sich ausschließlich auf belastende Maßnahmen der Dienststelle. Nicht darunter fallen Maßnahmen der Dienststelle, die darauf abzielen, die Arbeitsbelastung der Dienstkräfte zu senken. Wegen deren begünstigender Wirkung besteht kein Bedarf für eine Beteiligung des Personalsrats.
2. Damit ist freilich die vom Antragsteller erörterte Problematik noch nicht erschöpfend behandelt. Sinngemäß bezieht seine Argumentation die Frage ein, ob der Personalrat, gestützt auf seine Mitbestimmung bei Maßnahmen zur Hebung der Arbeitsleistung, im Wege seines Initiativrechts nach § 79 Abs. 4 BlnPersVG bei der Dienststelle Maßnahmen beantragen kann, die darauf abzielen, eine in der zurückliegenden Zeit eingetretene Mehrbelastung auszugleichen oder abzumildern.
a) Diese Frage ist nicht von vornherein zu verneinen. Immerhin ist der Senat im Zusammenhang mit der Mitbestimmung bei der Einführung technischer Überwachungseinrichtungen (vgl. § 85 Abs. 1 Satz 1 Nr. 13 BlnPersVG) einer entsprechenden Überlegung nähergetreten. Er hat erwogen, dass eine Initiative des Personalrats zur Abschaffung einer bestehenden technischen Kontrolleinrichtung zwar nicht vom Wortlaut, aber vom Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts erfasst ist, sodass es nicht fern liegt, dem Personalrat ein Initiativrecht zur Abschaffung einer derartigen Kontrolleinrichtung im Wege teleologischer Extension einzuräumen (vgl. BVerwG 6 P 4.04 - Buchholz 251.5 § 69 HePersVG Nr. 1 S. 5 unter Hinweis auf Stimmen in der Kommentarliteratur zum Bundespersonalvertretungsgesetz sowie zum Betriebsverfassungsgesetz). Die Anerkennung eines derartigen Initiativrechts setzt aber voraus, dass es dem Personalrat bei seiner Antragstellung darum geht, eine nach dem betreffenden Mitbestimmungstatbestand beteiligungspflichtige Maßnahme rückgängig zu machen, auszugleichen oder abzumildern. Nur auf diese Weise kann dem Grundsatz Rechnung getragen werden, dass die Wahrnehmung des Mitbestimmungsrechts in aktiver Form dessen Inhalt nicht erweitern darf (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 2 f.). An dieser materiellen Symmetrie fehlt es hier.
b) Mit seinem Initiativantrag vom , mit welchem ein allgemeines Entlastungskontingent für alle Schularten in Höhe von 2 % der anerkannten Unterrichtsstunden für Schulentwicklung und Qualitätssicherung vorgeschlagen wird, verfolgt der Antragsteller das Ziel, die "vielfachen Belastungen, die in den letzten 2, 3 Jahren und insbesondere seit und durch Einführung des neuen Schulgesetzes entstanden" sind, auszugleichen bzw. abzumildern. Dazu schreibt der Antragsteller in seiner zweitinstanzlichen Beschwerdebegründung vom : "Für die Lehrkräfte ergibt sich - wie in der Antragsschrift dargelegt - durch das Schulgesetz sowie der aufgrund des Schulgesetzes erlassenen Rechtsverordnungen, Ausführungsvorschriften und Rundschreiben eine Vielzahl von neuen Aufgaben. Diese, über die bisherige Funktion hinausgehenden Aufgaben führen zu einer zusätzlichen Belastung und wirken sich als Hebung der Arbeitsleistung aus."
Demnach ist das Begehren des Antragstellers nicht darauf gerichtet, im Einzelnen konkret benannte, nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG mitbestimmungspflichtige Maßnahmen des Beteiligten ganz oder teilweise rückgängig zu machen, auszugleichen oder abzumildern. Darüber greift der Initiativantrag vom weit hinaus. Er fragt nicht danach, ob und inwieweit die nach Einschätzung des Antragstellers im Vergleich zu einem nicht näher bezeichneten früheren Zeitpunkt eingetretene Situation der Mehrbelastung auf Maßnahmen des Beteiligten zurückzuführen sind, die diesem gemäß § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG personalvertretungsrechtlich zuzurechnen sind. Dafür müsste grundsätzlich jeweils feststehen, dass der Beteiligte mit seinen Maßnahmen die Mehrbelastung der Lehrkräfte bezweckt hätte. Maßnahmen, bei denen eine derartige Zielrichtung mangels entsprechender Absichtserklärung nicht ohne weiteres feststellbar ist, unterfallen nur unter bestimmten Umständen - ausnahmsweise - der Mitbestimmung (vgl. Beschluss vom a.a.O. S. 44 f. bzw. S. 4). Stattdessen knüpft der Antragsteller pauschal an einen Belastungszustand an, welcher Ergebnis einer mehrjährigen, weitgehend vom Gesetz- und Verordnungsgeber gesteuerten schulpolitischen Entwicklung ist. Konkrete, nach Maßgabe des Mitbestimmungstatbestandes identifizierbare Maßnahmen des Beteiligten sind damit trotz der beispielhaften Aufzählung der Belastungsmomente im Initiativantrag nicht benannt. Ein auf § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG gestützter Initiativantrag ist kein zulässiges und geeignetes Instrument, um einen global beschriebenen Belastungszustand zu korrigieren. Soweit eine etwaige Mehrbelastung unmittelbar kraft Gesetzes eingetreten ist, scheitert ein entsprechender Initiativantrag überdies am Gesetzesvorrang im § 85 Abs. 2 BlnPersVG.
c) Der Antragsteller ist somit darauf beschränkt, sein Mitbestimmungsrecht nach § 85 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 1 BlnPersVG gegenüber Vollzugsakten des Beteiligten zur Geltung zu bringen. Sind derartige Maßnahmen - gegebenenfalls nach ordnungsgemäßem Mitbestimmungsverfahren - durchgeführt worden, so mag ihm - namentlich bei veränderter Sachlage oder neuen Erkenntnissen - ein Initiativrecht auf Rückgängigmachung, Ausgleich oder Abmilderung zustehen.
Fundstelle(n):
XAAAC-69991