BAG Urteil v. - 1 AZR 960/06

Leitsatz

[1] 1. Ein Sozialplan kann die Kürzung einer Abfindung für den Fall der Ablehnung eines zumutbaren Weiterbeschäftigungsangebots vorsehen.

2. Die Betriebsparteien haben die Wertungen des Art. 6 Abs. 1 und 2 GG zu beachten. Diese gebieten jedoch nicht, Arbeitnehmer wegen familiärer Bindungen zu bevorzugen.

Gesetze: BetrVG § 112 Abs. 1 Satz 2; BetrVG § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2; GG Art. 6 Abs. 1; GG Art. 6 Abs. 2

Instanzenzug: ArbG Berlin 74 Ca 12766/05 vom LAG Berlin 16 Sa 904/06 vom

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Höhe einer Sozialplanabfindung.

Der 1957 geborene, verheiratete und einer Tochter unterhaltspflichtige Kläger war vom bis zum als technischer Sendeverantwortlicher im B Betrieb der Beklagten tätig. Im Jahr 2004 verlagerte die Beklagte einen Teil ihres Betriebs von B nach K; davon betroffen war auch der Arbeitsbereich des Klägers. Der dazu am vereinbarte Sozialplan enthält ua. folgende Regelungen:

"Präambel

Der Arbeitgeber hat beschlossen, den Betrieb in B teilweise zu schließen und nach K zu verlegen. ... Dieser Sozialplan wird zum Ausgleich bzw. zur Milderung der wirtschaftlichen Nachteile, die den Arbeitnehmern durch diese Betriebsänderung entstehen, vereinbart. Er berücksichtigt sowohl die sozialen Belange der betroffenen Mitarbeiter als auch die wirtschaftliche Lage des Unternehmens. ...

§ 2 Zumutbarkeit von Versetzungen/Änderungsvereinbarungen

1.

Betriebsrat und Arbeitgeber sind sich darüber einig, dass Entlassungen nach Möglichkeit durch das Angebot gleichwertiger und zumutbarer Arbeitsplätze in K vermieden werden sollen.

2.

Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K ist zumutbar, wenn

- die Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes der persönlichen Qualifikation (Ausbildung, Erfahrung, bisherige Tätigkeit) des Arbeitnehmers entsprechen oder wenn dieser die erforderliche Qualifikation durch eine vom Arbeitgeber angebotene und finanzierte, fachgerechte und zumutbare Qualifizierungsmaßnahme zu erwerben in der Lage ist,

- das bisherige Jahresbruttoentgelt nicht unterschritten wird,

- die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K für den Arbeitnehmer nicht zu einem sozialen Härtefall führt. Ein sozialer Härtefall ist gegeben, wenn der Arbeitnehmer schwerbehindert ist oder er pflegebedürftige Angehörige betreuen muss.

3.

Diejenigen Arbeitnehmer, denen n einen Arbeitsplatz in K anbietet, werden eine Änderungskündigung erhalten verbunden mit dem Angebot, das Arbeitsverhältnis in K fortzusetzen. ...

...

§ 4 Abfindungsregelung

1.

Arbeitnehmer, die eine Beendigungskündigung oder eine Änderungskündigung erhalten, welche zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führt, haben einen Anspruch auf eine Abfindung. ...

...

7.

Lehnt der Arbeitnehmer ein Angebot ab, obwohl die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K nach § 2 Abs. 2 zumutbar ist, erhält er eine Abfindung in Höhe von 40 % der Abfindung nach § 4 Abs. 1 bis 6.

...

§ 6 Härtefonds

1.

Der Arbeitgeber stellt einen Betrag in Höhe von 70.000,00 EURO zur Verfügung, der als Härtefonds der Arbeitnehmer nach folgendem Verfahren verteilt wird:

2.

Der Arbeitnehmer hat Leistungen aus dem Härtefonds spätestens bis zum schriftlich beim Betriebsrat zu beantragen und die besondere Härte zu belegen. Über die Beihilfe entscheidet eine Kommission, die aus je einem Vertreter der Geschäftsleitung und Betriebsrat besteht. ...

3.

Härtefälle können sein:

...

- Zusätzliche Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern aufgrund der Trennung der Familie durch den Umzug nach K,

...

- Härten wegen nicht verlegbarer Berufstätigkeit des Ehe/Lebenspartners,

- andere vergleichbare Härtefälle.

..."

Bereits mit Schreiben vom hatte die Beklagte dem Kläger eine Änderungskündigung zum ausgesprochen, in der sie ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ansonsten unveränderten Bedingungen in K anbot. Der Kläger nahm das Angebot weder unbedingt noch unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Seine Kündigungsschutzklage wurde rechtskräftig abgewiesen. Die Beklagte errechnete für ihn gemäß § 4 Abs. 7 iVm. Abs. 1 des Sozialplans eine Abfindung in Höhe von 15.182,00 Euro brutto und zahlte den sich ergebenden Nettobetrag aus. Einen Antrag auf eine Leistung aus dem Härtefonds stellte der Kläger nicht.

Mit der Klage hat der Kläger die Zahlung weiterer 22.773,00 Euro brutto verlangt. Er hat die Auffassung vertreten, seine Abfindung habe nicht nach § 4 Abs. 7 des Sozialplans auf 40 % reduziert werden dürfen. Die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K sei ihm unzumutbar gewesen. Zum einen habe sich seine Ehefrau geweigert, ihr ordentlich unkündbares Arbeitsverhältnis in B aufzugeben und mit ihm nach K zu ziehen. Zum anderen sei seine 1986 geborene Tochter kurz vor dem Abschluss der 12. Klasse und ein Schulwechsel nach K nicht zumutbar gewesen. Schließlich sei er chronisch krank und - mittlerweile - mit einem Grad der Behinderung von 20 schwerbehindert. Die Reduzierung seines Abfindungsanspruchs verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 BetrVG und gegen Art. 6 GG.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklage zu verurteilen, an ihn 22.773,00 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab dem zu zahlen.

Das Arbeitsgericht hat entsprechend dem Antrag der Beklagten die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.

Gründe

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen. Der dem Kläger nach § 4 Abs. 7 iVm. § 4 Abs. 1 des Sozialplans zustehende Abfindungsanspruch ist erfüllt. Ein weitergehender Anspruch steht ihm nicht zu, da er ein ihm nach § 2 Abs. 2 des Sozialplans zumutbares Weiterbeschäftigungsangebot abgelehnt hat.

I. Das vom Kläger abgelehnte Angebot der Weiterbeschäftigung in K war für ihn iSv. § 4 Abs. 7 iVm. § 2 Abs. 2 des Sozialplans zumutbar. Die Anforderungen des neuen Arbeitsplatzes in K entsprachen seiner persönlichen Qualifikation. Sein bisheriges Jahresbruttogehalt wurde nicht unterschritten. Die angebotene Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K führte für ihn nicht zu einem sozialen Härtefall iSv. § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich Satz 1 des Sozialplans. Einer der beiden in § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich Satz 2 des Sozialplans genannten Fälle lag nicht vor. Der Kläger war zur Zeit der Änderungskündigung und der Ablehnung des Änderungsangebots weder schwerbehindert noch musste er pflegebedürftige Angehörige betreuen. Zur Unzumutbarkeit der Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses in K führen ausschließlich die in § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich Satz 2 des Sozialplans ausdrücklich genannten sozialen Härtefälle. Die vom Kläger behaupteten Umstände stellen keinen sozialen Härtefall im Sinne dieser Vorschrift dar. Das ergibt die Auslegung des Sozialplans.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts sind Sozialpläne als Betriebsvereinbarungen besonderer Art wegen ihrer aus § 77 Abs. 4 Satz 1, § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG folgenden normativen Wirkung wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebsparteien ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt ( - 1 AZR 163/06 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20, zu II 1 a der Gründe mwN).

2. Hiernach bestimmt § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich Satz 2 des Sozialplans abschließend, was ein "sozialer Härtefall" iSv. Satz 1 ist. Dies zeigt bereits der Wortlaut. Satz 2 bezeichnet ausdrücklich nur zwei Fälle, in denen ein sozialer Härtefall gegeben ist. Er enthält keinerlei Hinweis, dass es sich dabei nur um Beispielsfälle handelt. Zudem sprechen Systematik und Gesamtzusammenhang der Regelung für deren abschließenden Charakter. Von "Härtefällen" spricht § 6 Abs. 3 des Sozialplans. Dort sind einzelne "Härtefälle" aufgeführt, darunter "zusätzliche Aufwendungen für den Unterhalt von Kindern aufgrund der Trennung der Familie durch den Umzug nach K" und "Härten wegen nicht verlegbarer Berufstätigkeit des Ehe-/Lebenspartners". Daneben sind im letzten Spiegelstrich "andere vergleichbare Härtefälle" erwähnt. In diesen "Härtefällen" können nach § 6 Abs. 2 des Sozialplans von dem betroffenen Arbeitnehmer "Leistungen aus dem Härtefonds" beantragt werden. Daraus folgt, dass solche Härtefälle nicht zugleich "soziale Härtefälle" iSv. § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich des Sozialplans sind, sondern dessen Satz 2 abschließend ist. Das entspricht auch Sinn und Zweck der in § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich Satz 2 des Sozialplans vorgenommenen Präzisierung. Diese dient erkennbar dazu, eindeutig klarzustellen, wann eine soziale Härte vorliegt. Die Betriebsparteien wollten damit Rechtsunsicherheiten über das Vorliegen eines "sozialen Härtefalls" von vorneherein vermeiden.

II. Die Betriebsparteien durften den Abfindungsanspruch für Arbeitnehmer, die einen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, auf 40 % der vollen Abfindung beschränken. Eine solche Differenzierung ist mit dem betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz vereinbar.

1. Die Betriebsparteien haben bei Sozialplänen - wie auch sonst bei Betriebsvereinbarungen - den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz des § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zu beachten, dem wiederum der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zugrunde liegt. Dieser zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverhalten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen. Maßgeblich für das Vorliegen eines die Bildung unterschiedlicher Gruppen rechtfertigenden Sachgrunds ist vor allem der mit der Regelung verfolgte Zweck (vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20, zu I 1 der Gründe mwN).

2. Hiernach können die Betriebsparteien in Sozialplänen bei Abfindungen differenzieren zwischen Arbeitnehmern, denen kein zumutbares Angebot einer Weiterbeschäftigung gemacht wird und denjenigen, die ein solches Angebot ablehnen (vgl. - BAGE 59, 359, zu B II 2 der Gründe). Zwar erfolgt dadurch eine Gruppenbildung. Diese ist aber ausgehend von dem mit einem Sozialplan verfolgten Zweck sachlich gerechtfertigt.

a) Zweck eines Sozialplans ist es gemäß § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG, die den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile auszugleichen oder abzumildern. Bei deren Einschätzung haben die Betriebsparteien einen erheblichen Beurteilungs- und Ermessensspielraum ( - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20, zu I 2 b bb der Gründe mwN).

b) Danach ist es sachlich gerechtfertigt, wenn die Betriebsparteien bei Arbeitnehmern, die einen zumutbaren Arbeitsplatz ablehnen, den Abfindungsanspruch mindern oder auch gänzlich ausschließen.

aa) Zum einen entspricht es Sinn und Zweck eines Sozialplans, wenn die Betriebsparteien dafür sorgen, dass Beschäftigungslosigkeit vermieden wird (vgl. - BAGE 59, 359, zu B II 4 a der Gründe).

bb) Zum anderen liegt es im Beurteilungsspielraum der Betriebsparteien, wenn diese pauschalierend davon ausgehen, dass ein Arbeitnehmer, der eine zumutbare Weiterbeschäftigung ausschlägt, durch die Beendigung seines Arbeitsverhältnisses bei dem bisherigen Arbeitgeber keine oder nur geringe wirtschaftliche Nachteile erleiden wird (vgl. - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20, zu I 2 b bb der Gründe).

cc) Eine solche Differenzierung entspricht auch der Regelung in § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 BetrVG. Danach soll die Einigungsstelle beim Ausgleich der durch eine Betriebsänderung entstehenden Nachteile diejenigen Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, die in einem zumutbaren Arbeitsverhältnis im selben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens oder eines zum Konzern gehörenden Unternehmens weiterbeschäftigt werden können, die Weiterbeschäftigung jedoch ablehnen. Die Regelung gilt zwingend zwar nur für die Entscheidung der Einigungsstelle und nicht für eine einvernehmliche Vereinbarung der Betriebsparteien. Ihr kann aber der allgemeine Gedanke entnommen werden, dass ein Ausgleich von Nachteilen entbehrlich sein kann, wenn dem Arbeitnehmer ein zumutbarer anderer Arbeitsplatz angeboten wird. Dieser Grundsatz ist auch bei einer einvernehmlichen Regelung der Betriebsparteien zu berücksichtigen (vgl. -AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 126 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 103, zu 2 c dd der Gründe).

dd) Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist den Betriebsparteien in einem Sozialplan eine Gruppenbildung verwehrt, die dazu dienen soll, dem Arbeitgeber eine eingearbeitete und qualifizierte Belegschaft zu erhalten. Ein solches Ziel entspricht nicht dem Zweck eines Sozialplans. Dieser dient nach seiner ausdrücklichen gesetzlichen Bestimmung in § 112 Abs. 1 Satz 2 BetrVG dem Ausgleich oder der Abmilderung der den Arbeitnehmern durch die Betriebsänderung entstehenden wirtschaftlichen Nachteile. Betriebliche Interessen an der Erhaltung der Belegschaft oder von Teilen derselben sind daher nicht geeignet, Differenzierungen bei der Höhe von Sozialplanabfindungen zu rechtfertigen (vgl. -BAGE 115, 68, zu II 1 b bb der Gründe; - 1 AZR 163/06 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 185 = EzA BetrVG 2001 § 112 Nr. 20, zu I 2 b cc der Gründe). Soweit früheren Entscheidungen des erkennenden und des zeitweilig für die Auslegung von Sozialplänen zuständigen Zehnten Senats etwas anderes entnommen werden konnte (vgl. - BAGE 59, 359, zu B II 4 b der Gründe; - 10 AZR 281/94 - AP BetrVG 1972 § 112 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 112 Nr. 78, zu II 2 a der Gründe; - 10 AZR 885/94 - BAGE 80, 286, zu III 3 a der Gründe), wird daran nicht festgehalten.

III. Die Betriebsparteien durften die Unzumutbarkeit einer Weiterbeschäftigung ohne Rücksicht auf familiäre Bindungen ausschließlich an das Vorliegen besonderer Betreuungspflichten oder einer Schwerbehinderung knüpfen.

1. Die Betriebsparteien sind befugt, im Sozialplan zu regeln, unter welchen Voraussetzungen ein Arbeitsplatz zumutbar ist ( - BAGE 59, 359, zu B II 2 und B II 4 b der Gründe mwN). Sie haben auch insoweit einen erheblichen Beurteilungsspielraum. In dessen Rahmen sind sie nicht gehalten, auf alle Umstände Rücksicht zu nehmen, die es einem Arbeitnehmer aus persönlichen Gründen schwer machen, einen Arbeitsplatz an einem anderen Ort anzunehmen ( - aaO, zu B II 2 der Gründe).

a) Aus § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 BetrVG ergeben sich für einen einvernehmlichen Sozialplan keine zwingenden Vorgaben. Nach dieser Bestimmung soll die Einigungsstelle Arbeitnehmer von Leistungen ausschließen, wenn diese eine zumutbare Weiterbeschäftigung ablehnen. Daraus folgt nicht, dass die Betriebsparteien in einvernehmlichen Sozialplänen einen Wegfall oder eine Reduzierung der Abfindungsleistungen immer nur dann vorsehen dürften wenn die Einigungsstelle hierzu nach der Leitlinie des § 112 Abs. 5 Satz 2 Nr. 2 Satz 2 BetrVG verpflichtet wäre (vgl. - BAGE 59, 359, zu B II 3 b der Gründe).

b) Entgegen der Auffassung des Klägers ergeben sich aus § 121 SGB III keine zwingenden Schlussfolgerungen für die inhaltliche Ausgestaltung von Sozialplänen.

aa) Gemäß § 118 Abs. 1 Nr. 1, § 119 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Nr. 1 und 3, § 121 Abs. 1 SGB III hat nur derjenige arbeitslose Arbeitnehmer Anspruch auf Arbeitslosengeld, der bereit ist, eine ihm zumutbare Beschäftigung anzunehmen. § 121 SGB III enthält Regelungen über die Zumutbarkeit einer Beschäftigung. § 121 Abs. 4 SGB III bestimmt, welcher "Pendelbereich" zwischen Wohnung und angebotener Arbeitsstätte zumutbar ist. Nach § 121 Abs. 4 Satz 4 und 5 SGB III wird den Arbeitnehmern grundsätzlich auch ein Umzug zugemutet. Dies gilt aber nach § 121 Abs. 4 Satz 6 SGB III nicht, wenn dem Umzug ein wichtiger Grund entgegensteht. Ein wichtiger Grund kann sich nach § 121 Abs. 4 Satz 7 SGB III insbesondere aus familiären Bindungen ergeben.

bb) Diese sozialrechtlichen Regelungen über die Unzumutbarkeit in § 121 SGB III finden auf die Ausgestaltung von Sozialplänen weder unmittelbar noch entsprechend Anwendung (vgl. Oetker GK-BetrVG 8. Aufl. § 112, 112a Rn. 335; Fitting 23. Aufl. §§ 112, 112a Rn. 230; Richardi/Annuß BetrVG 10. Aufl. § 112 Rn. 157). Die in § 121 SGB III zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Wertungen können auf die Gestaltung von Sozialplänen nicht übertragen werden. Die Interessenlage der Betroffenen und die sich daraus ergebenden Maßstäbe für eine Regelung der Zumutbarkeit unterscheiden sich nicht unerheblich. § 121 SGB III betrifft das Verhältnis zwischen dem Staat als Träger der Daseinsvorsorge und dem Bürger in seiner Eigenschaft als Leistungsempfänger. Die Versagung des Arbeitslosengeldes im Falle der Ablehnung einer zumutbaren Beschäftigung stellt der Sache nach eine nicht unerhebliche öffentlich-rechtliche Sanktion für mangelnde eigene Leistungsbereitschaft des Leistungsempfängers beim Bezug sozialversicherungsrechtlicher Leistungen dar, die ihrerseits auf eigenen früheren Beitragsleistungen des Leistungsempfängers beruhen. Die hierbei dem Staat gesetzten Grenzen finden ua. in § 121 Abs. 4 Satz 6 und 7 SGB III ihren Niederschlag (vgl. dazu auch B 11a/11 AL 49/04 R - SozR 4-4300 § 144 Nr. 10). In Sozialplänen regeln dagegen die Betriebsparteien den Ausgleich oder die Milderung von wirtschaftlichen Nachteilen, welche die Arbeitnehmer auf Grund einer Betriebsänderung erleiden. Sie gestalten kein öffentlichrechtliches Rechtsverhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern ein privates Rechtsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmern. Es geht nicht um die Versagung von Leistungen, die letztlich auf eigenen Beitragsleistungen beruhen, sondern um die Verteilung eines vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellenden, regelmäßig nicht unbegrenzten finanziellen Volumens auf die von einer Betriebsänderung betroffenen Arbeitnehmer und um die Beurteilung der diesen Arbeitnehmern entstehenden wirtschaftlichen Nachteile.

c) Auch aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG folgt keine zwingende Verpflichtung der Betriebsparteien, in Sozialplänen die Frage der Zumutbarkeit eines Arbeitsplatzes in bestimmter Weise zu regeln. Sie dürfen zwar die familiären Verhältnisse hierbei berücksichtigen (vgl. - BAGE 59, 359), müssen dies aber nicht.

aa) Allerdings entfalten über § 75 Abs. 1 BetrVG auch die in Art. 6 GG enthaltenen Wertungen Wirkung für die Ausgestaltung von Betriebsvereinbarungen und Sozialplänen. Art. 6 GG richtet sich zwar in erster Linie an den Staat. Adressat der daraus folgenden grundrechtlichen Schutzpflicht ist aber nicht nur der Gesetzgeber. Vielmehr haben auch die Gerichte, insbesondere bei der Auslegung von Generalklauseln und der Anwendung auslegungsbedürftiger Rechtsbegriffe, wie etwa "den Grundsätzen von Recht und Billigkeit" in § 75 Abs. 1 Satz 1 BetrVG, die grundrechtlichen Wertungen zu beachten (vgl. - BAGE 103, 321, zu III 3 b der Gründe; - 1 AZR 407/02 - BAGE 108, 147, zu I 3 a der Gründe; vgl. auch - BVerfGE 103, 89, zu B I 1 und 2 a der Gründe). Regelungen in Betriebsvereinbarungen, die grundrechtlichen Wertungen widersprechen, dürfen nicht angewendet werden. Dementsprechend hat der Senat Bestimmungen in Sozialplänen, nach denen Zeiten des Erziehungsurlaubs bzw. der Elternzeit bei der Bemessung von Sozialplanansprüchen nicht als Beschäftigungszeit mitzählen, für unwirksam und unanwendbar erachtet (vgl. - BAGE 103, 321, zu III 3 b der Gründe; - 1 AZR 407/02 - BAGE 108, 147, zu I 3 a der Gründe). Durch die Nichtberücksichtigung solcher Zeiten werden Arbeitnehmer, welche die Elternzeit in Anspruch nehmen, in einer mit den Wertungen des Art. 6 GG nicht zu vereinbarenden Weise benachteiligt.

bb) Die Betriebsparteien dürfen somit zwar gemäß § 75 Abs. 1 BetrVG wegen der sich aus Art. 6 GG ergebenden Wertungen in Sozialplänen keine Regelungen treffen, die geeignet sind, Ehe und Familie zu diskriminieren und Arbeitnehmer wegen ihrer ehelichen Lebensgemeinschaft oder der Wahrnehmung von Rechten und Pflichten gegenüber Kindern zu benachteiligen. Aus Art. 6 GG ergibt sich für die Betriebsparteien aber nicht die Pflicht, verheiratete Arbeitnehmer oder solche, die mit ihren Kindern in häuslicher Gemeinschaft leben, gegenüber unverheirateten, kinderlosen Arbeitnehmern zu bevorzugen. Der grundgesetzliche Schutz von Ehe und Familie verpflichtet die Betriebsparteien nicht zu einer "positiven Diskriminierung". Sie müssen von einer Reduzierung der Abfindung nicht diejenigen Arbeitnehmer ausnehmen, die eine ihnen angebotene Weiterbeschäftigung wegen familiärer Bindungen ablehnen. Diese Arbeitnehmer werden gegenüber ungebundenen Arbeitnehmern, die ein entsprechendes Angebot ausschlagen, nicht benachteiligt. Sie werden nur nicht wegen ihrer familiären Bindung bevorzugt. Aus dem - 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 - BVerfGE 114, 316) ergibt sich nichts Gegenteiliges. Zum einen betrifft der Beschluss zur Verfassungsmäßigkeit einer Zweitwohnungsteuer das Verhältnis zwischen Staat und Bürger. Zum anderen verlangt das Bundesverfassungsgericht nicht die Privilegierung der ehelichen Lebensgemeinschaft, sondern verbietet nur deren Benachteiligung. Es hat die Zweitwohnungsteuer für Ehegatten allein deshalb für unzulässig erachtet, weil dadurch die Entscheidung, trotz des beruflichen Ortswechsels eines Ehegatten die gemeinsame Wohnung beizubehalten, erschwert werde.

2. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, dass die Betriebsparteien keine Regelung getroffen haben, nach der bei Vorliegen der vom Kläger behaupteten Umstände die Weiterbeschäftigung unzumutbar ist. Sie waren auch angesichts der sich aus Art. 6 Abs. 1 und 2 GG ergebenden grundrechtlichen Wertungen nicht verpflichtet, festzulegen, dass eine in K angebotene Weiterbeschäftigung unzumutbar ist, wenn der Ehegatte des betroffenen Arbeitnehmers - etwa im Hinblick auf ein langjähriges eigenes Arbeitsverhältnis oder auch aus anderen Gründen - nicht umzugswillig ist oder Kinder vorhanden sind, deren schulische Ausbildung durch einen Ortswechsel erschwert wird.

3. Die Regelungen in § 2 Abs. 2 dritter Spiegelstrich des Sozialplans verstoßen nicht etwa deshalb gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, weil nach ihnen bei schwerbehinderten Arbeitnehmern und solchen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen müssen, im Unterschied zu den übrigen Arbeitnehmern ein sozialer Härtefall vorliegt, der die Weiterbeschäftigung in K unzumutbar macht. Diese Gruppenbildung bei der Zumutbarkeit des Ortswechsels ist sachlich gerechtfertigt. Die typisierende Annahme der Betriebsparteien, ein Ortswechsel falle schwerbehinderten Arbeitnehmern und solchen, die pflegebedürftige Angehörige betreuen müssen, regelmäßig - noch - schwerer als anderen, ist nicht zu beanstanden. Sie knüpft an die besonderen Schutzbedürfnisse von schwerbehinderten Arbeitnehmern sowie an die gesteigerten Belastungen an, die mit der Betreuung pflegebedürftiger Angehöriger verbunden sind, und bewegt sich innerhalb des Beurteilungsspielraums, der den Betriebsparteien bei der Ausgestaltung eines Sozialplans zusteht.

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 676 Nr. 13
DB 2008 S. 356 Nr. 7
NWB-Eilnachricht Nr. 21/2008 S. 1985
ZIP 2008 S. 327 Nr. 7
VAAAC-69273

1Für die amtliche Sammlung: ja; Für die Fachpresse: nein