Rechtsmissbräuchlichkeit eines Befangenheitsantrags gegen sämtliche Mitglieder des Spruchkörpers; Begründung einer Anhörungsrüge
Gesetze: FGO § 51, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 133a
Instanzenzug:
Gründe
I. 1. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) zeigte dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) die Veräußerung seines Taxiunternehmens an. Da er keine Steuererklärung abgab, erließ das FA einen Schätzungsbescheid, in dem es auch die Umsätze aus der Veräußerung des Taxiunternehmens erfasste. Hierbei beachtete es jedoch nicht die Vorschrift des § 1 Abs. 1 a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) über die fehlende Steuerbarkeit einer Geschäftsveräußerung im Ganzen.
Nachdem der Bescheid bestandskräftig geworden war, lehnte das FA und im Anschluss daran nach Klageerhebung auch das Finanzgericht (FG) eine Änderung des Bescheides nach § 173 der Abgabenordnung (AO) wegen neuer Tatsachen ab, weil dem FA der entscheidungserhebliche Sachverhalt bekannt gewesen sei und diese Vorschrift bei Rechtsanwendungsfehlern nicht greife. Zudem sei die Frist für einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand versäumt worden. Den zuvor im Verfahren vor dem FG schriftsätzlich gestellten Antrag auf Feststellung einer Amtspflichtverletzung beschied das FG nicht, weil der Kläger in der mündlichen Verhandlung diesen Antrag nicht mehr aufrechterhalten habe. Einen Antrag auf Tatbestands- und Protokollberichtigung lehnte es ab, weil das FG im Sitzungsprotokoll den Antrag so wiedergegeben habe, wie er tatsächlich gestellt worden sei.
2. Die hiergegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde hat der als unbegründet zurückgewiesen. Ein Verfahrensfehler liege nicht vor, weil das FG die Anträge auf Tatbestands- und Protokollberichtigung unanfechtbar zurückgewiesen habe. Zudem sei der zuvor schriftsätzlich gestellte Feststellungsantrag nach dem maßgeblichen Sitzungsprotokoll in der mündlichen Verhandlung bei Aufnahme der Anträge nicht gestellt worden. Die Revision sei auch nicht wegen Divergenz zuzulassen, weil sich die Änderungsvorschrift des § 173 AO nur auf die Änderung der tatsächlichen Grundlagen eines Steuerbescheides beziehe, nicht aber auf Rechtsanwendungsfehler.
3. Hiergegen hat der Kläger Anhörungsrüge und Gegenvorstellung erhoben.
a) Die Richter, die den angegriffenen Beschluss vom V B 6/06 gefasst hätten, seien wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, weil sie offenkundig „Tatsachen und Beweise negiert” hätten und damit Rechtspolitik betrieben. Die Richter hätten nicht beachtet, dass § 173 AO den „Prinzipienwiderspruch zwischen Bestandskraft und Rechtmäßigkeit eindeutig zu Gunsten der Rechtmäßigkeit” gelöst habe. Zudem ergebe sich die Besorgnis der Befangenheit daraus, dass die Richter im Beschluss V S 10/07 wegen Unzulässigkeit von Gegenvorstellungen „in Mindermeinung zu den anderen Senaten des BFH” mitgewirkt hätten.
b) Mit der Anhörungsrüge nach § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO) werde Verletzung des rechtlichen Gehörs geltend gemacht. Diese ergebe sich daraus, dass der BFH nicht berücksichtigt habe, dass der Antrag auf Feststellung der Amtspflichtverletzung schriftlich gestellt worden sei. Weiterhin habe der BFH nicht beachtet, dass „der Beschwerdeführer die erstmalige Aussage des Finanzbeamten in der Einspruchsentscheidung als Beweis im Sinne von § 173 AO für die Tatsache der falschen Rechtsanwendung und die Änderung der Schätzungsgrundlagen” gerügt habe. Wenn der Senat dies beachtet hätte, würde er die Revision gegen die Willkürentscheidung des FG zugelassen haben. Der BFH habe sich zu der entscheidenden Rechtsfrage nicht geäußert, ob ein erstmaliges Geständnis des Sachbearbeiters, er habe einen „steuerfreien” Umsatz der Umsatzsteuer unterworfen, eine neue Tatsache i.S. des § 173 AO sei. Weiterhin habe der Senat nicht zur Kenntnis genommen, dass
„das erstmalige Geständnis des Sachbearbeiters, erkennbar in der Einspruchsbegründung, er habe den steuerfreien Veräußerungserlös abzüglich der darin enthaltenen Umsatzsteuer als Schätzungsgrundlage genommen, ein neuer Beweis für die Tatsache eines qualifizierten Rechtsanwendungsfehlers ist, der sowohl die Divergenz nach § 115 Abs.2 Nr.2 FGO, als auch einen gravierenden Rechtsanwendungsfehler nach § 115 Abs.2 Nr.2 Alt.2 FGO, als auch einen Verfahrensmangel wegen Verstoß gegen § 76 Abs.1 FGO beinhaltet und zugleich gegen Art.103 Abs.1 GG i.V. § 96 Abs.2 FGO verstößt und einen weiteren Verfahrensmangel im Sinne von § 115 Abs.3 Nr.3 FGO” beinhalte.
c) Zudem erhebe er Gegenvorstellung. Aus der Begründung der Anhörungsrüge ergebe sich, dass die Entscheidung des BFH mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sei. Die Willkürschätzung werde nur deshalb aufrechterhalten, um dem Kläger seine Einkommensteuererstattung nicht auszahlen zu müssen und eine widerrechtliche Aufrechnung zu erklären. Die Erhebung einer unzulässigen Steuer stelle einen enteignungsgleichen Eingriff entgegen Art. 14 des Grundgesetzes dar.
II. 1. Der Senat entscheidet in seiner geschäftsplanmäßigen Besetzung ohne Einholung von dienstlichen Stellungnahmen, da der Befangenheitsantrag gegen sämtliche Richter, die den angegriffenen Beschluss vom V B 6/06 gefasst haben, gerichtet ist, rechtsmißbräuchlich und daher unzulässig ist. Der Kläger hat keine konkreten Anhaltspunkte vorgetragen, die auf eine Befangenheit aller Mitglieder des Spruchkörpers deuten würden. Er begründet seinen Befangenheitsantrag gegen die Mitglieder des Senats vielmehr im Kern damit, dass sie unrichtig entschieden hätten. Eine (vermeintlich) unrichtige Entscheidung führt jedoch nicht zu dem Schluss, dass der Senat gegenüber dem Kläger unsachlich oder parteilich eingestellt ist (vgl. , BFH/NV 2003, 930). Zudem ergibt sich die Besorgnis der Befangenheit auch nicht aus der Mitwirkung der beteiligten Richter an dem Beschluss V S 10/07 zur Unzulässigkeit der Gegenvorstellung nach Ablehnung eines Antrags auf Prozesskostenhilfe, dem mittlerweile alle Senate des BFH zugestimmt haben.
2. Der Senat weist die Anhörungsrüge des Klägers als unbegründet zurück. Gemäß § 133a FGO ist das gerichtliche Verfahren fortzusetzen, wenn das Gericht den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör verletzt hat. Dies ist nicht der Fall. Der Senat hat sich mit den vom Kläger vorgebrachten Gründen für die Zulassung der Revision auseinandergesetzt. Mit dem Vorbringen, der Senat habe fehlerhaft entschieden, kann eine Anhörungsrüge nach § 133a FGO nicht begründet werden (vgl. auch , BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614). Insbesondere dient eine Anhörungsrüge nicht dazu, die angegriffene Entscheidung nochmals einer vollen inhaltlichen Überprüfung zuzuführen. Ebenso wenig kann mit der Anhörungsrüge eine Begründungsergänzung herbeigeführt werden (BFH-Beschluss in BFHE 209, 419, BStBl II 2005, 614; , Zeitschrift für das gesamte Familienrecht 2006, 408, m.w.N.).
3. Es kann dahinstehen, ob die erhobene Gegenvorstellung unzulässig ist. Denn die Entscheidung des Senats mit Beschluss vom V B 6/06 ist nicht mit der Rechtsordnung schlechthin unvereinbar.
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 133a Abs. 4 Satz 2 FGO).
5. Für die Entscheidung über die Anhörungsrüge wird eine Gebühr in Höhe von 50 € erhoben (vgl. Anlage 1 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz i.d.F. von Art. 1 des Gesetzes zur Modernisierung des Kostenrechts vom , BGBl I 2004, 718; Teil 6 Gebühr Nr. 6400 i.d.F. von Art. 11 Nr. 7 Buchst. h des Gesetzes über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör vom ; vgl. , BFH/NV 2006, 1483).
Fundstelle(n):
IAAAC-68116