OFD Frankfurt am Main - S 2246 A - 1 - St 217

Abgrenzung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb von den Einkünften aus selbständiger Arbeit;

Feststellung der Künstlereigenschaft

1. Allgemeines

Zur freiberuflichen Tätigkeit i.S.d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört u.a. auch die selbständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des BFH (vgl. H 15.6 „Künstlerische Tätigkeit” EStH) liegt eine künstlerische Tätigkeit dann vor, wenn die Arbeiten nach ihrem Gesamtbild durch eine eigenschöpferische Leistung gekennzeichnet sind, in der die individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Beherrschung der Technik hinaus eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe erreicht. Da eine künstlerische Tätigkeit in besonderem Maße persönlichkeitsbezogen ist, kann sie als solche nur anerkannt werden, wenn der Künstler auf sämtliche zur Herstellung eines Kunstwerks erforderlichen Tätigkeiten den entscheidenden gestaltenden Einfluss ausübt.

Daneben müssen die auch für einen Gewerbebetrieb geltenden positiven Voraussetzungen Selbständigkeit, Nachhaltigkeit, Gewinnerzielungsabsicht und Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr erfüllt sein (H 15.6 „Allgemeines” EStH).

In Künstlergemeinschaften müssen alle Beteiligten – auch Ehegatten – die Künstlereigenschaft besitzen und sich ausschließlich künstlerisch betätigen (vgl. H 15.6 „Gesellschaft” EStH). Dies gilt nicht, wenn die zu beurteilende Tätigkeit gerade ein Zusammenwirken der Beteiligten voraussetzt wie z.B. in den Fällen von Musikorchestern ( BStBl 1983 II S. 7).

2. Zweckfreie Kunst

Bei frei schaffenden Künstlern, die zunächst ohne Auftrag und Weisung nach eigenen Vorstellungen eine zweckfreie Schöpfung (Bild, Skulptur, etc.) schaffen und dieses Unikat ggf. anschließend in Ausstellungen präsentieren bzw. veräußern, kann in der Regel bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen (v.a. Gewinnerzielungsabsicht) unterstellt werden, dass die Tätigkeit eigenschöpferisch ausgeübt wird und eine bestimmte künstlerische Gestaltungshöhe aufweist.

3. Gebrauchskunst

Von der zweckfreien Kunst abzugrenzen ist die Gebrauchskunst. Dazu gehören auch die Erzeugnisse aus reproduzierender, auftrags- und/oder weisungsgebundener Tätigkeit. Unter die Kategorie Gebrauchskunst fallen u.a. Fotografen, Grafik-, Mode- und Industriedesigner. In diesen Fällen kann nur aufgrund der oben genannten besonderen Kriterien nach den Verhältnissen des Einzelfalles entschieden werden, ob die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als eine künstlerische zu werten ist.

4. Verfahren zur Feststellung der Künstlereigenschaft

Die Tätigkeit des Steuerpflichtigen ist durch das Finanzamt zunächst in eigener Zuständigkeit zu prüfen. Dabei ist auf die tatsächlich ausgeübte Gesamttätigkeit abzustellen.

Die Überprüfung des Merkmals eigenschöpferische Arbeit kann durch eine Negativabgrenzung erfolgen. Gegen ein eigenschöpferisches Arbeiten sprechen z.B. ein festes Vertragsverhältnis zum Auftraggeber (Werkvertrag), ins Einzelne gehende Vorgaben/Weisungen des Auftraggebers oder die Vervielfältigung der hervorgebrachten Produkte durch den Steuerpflichtigen. Nach der Rechtsprechung des BFH (, HFR 1991 S. 146) ist eine Tätigkeit nicht bereits dann eigenschöpferisch, wenn sie lediglich einer neuen Moderichtung, einem neuen Stilgefühl folgt oder wenn die Formgebung aus dem allgemeinen Formenschatz entnommen ist oder auf bekannte Vorbilder zurückgeht.

Soweit die Tätigkeit des Steuerpflichtigen als nicht eigenschöpferisch einzustufen ist, kann eine Prüfung der künstlerischen Gestaltungshöhe unterbleiben. Falls der Steuerpflichtige nur teilweise eigenschöpferisch tätig ist, ist zu prüfen, ob eine Trennung der einzelnen Tätigkeiten möglich ist (vgl. H 15.6 „Gemischte Tätigkeit” EStH).

Die Beurteilung der künstlerischen Gestaltungshöhe erfordert im Bereich der Gebrauchskunst im allgemeinen zwar besondere Sachkunde, kann in eindeutigen Fällen jedoch durch das Finanzamt in eigener Zuständigkeit vorgenommen werden.

Indizien, die Rückschlüsse auf die künstlerische Gestaltungshöhe zulassen, sind z.B.

  • die Vorbildung des Steuerpflichtigen (z.B. abgeschlossenes Hochschulstudium der entsprechenden Kunstrichtung),

  • Presseveröffentlichungen (Kritiken) und Rezensionen in angesehenen Zeitungen und Kunstzeitschriften über die Tätigkeit des Steuerpflichtigen oder die Beteiligung an Kunstausstellungen,

  • Arbeitsproben (z.B. bisher geschaffener Werke),

  • Kunstpreise und Auszeichnungen,

  • die Mitgliedschaft in bestimmten Bünden (z.B. im Bund Freischaffender Foto-Designer e.V., Stuttgart) und Verbänden.

Die vorgenannten Indizien rechtfertigen für sich allein jedoch noch keine Anerkennung der Künstlereigenschaft. Die vom BFH geforderte künstlerische Gestaltungshöhe der Erzeugnisse ist nicht bereits dadurch gegeben, dass die Erzeugnisse eigenartig oder technisch vollendet sind und gutes oder sogar bestes handwerkliches Können zeigen (, HFR 1991 S. 146).

Wenn das Finanzamt nach der Prüfung der künstlerischen Gestaltungshöhe zum Ergebnis kommt, dass es selbst keine abschließende Entscheidung wegen bestehender Zweifel an der künstlerischen Qualität der von dem Steuerpflichtigen tatsächlich ausgeübten Tätigkeit treffen kann, ist dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit zu geben, die künstlerische Tätigkeit anhand eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Gutachten und Stellungnahmen von Kunstsachverständigen, Lehrstuhlinhabern oder Berufsverbänden können anerkannt werden, wenn sich der Gutachter mit der Tätigkeit des Steuerpflichtigen im Gutachten nachvollziehbar auseinandergesetzt und den von der Rechtsprechung festgelegten Künstlerbegriff (H 15.6 „Künstlerische Tätigkeit”) seiner Einschätzung erkennbar zugrunde gelegt hat. Die Feststellungslast für das Vorliegen einer künstlerischen Tätigkeit als eine für ihn günstige Tatsache trägt der Steuerpflichtige (, BStBl 1994 II S. 864), er hat auch die Kosten für das Gutachten zu tragen.

Bei der Durchführung von Veranlagungen und insbesondere im Rahmen von Betriebsprüfungen ist darauf zu achten, dass die von dem Steuerpflichtigen tatsächlich ausgeübte Tätigkeit den Angaben entspricht. Ändert der Steuerpflichtige seine Tätigkeit oder sind Anhaltspunkte dafür gegeben, dass der Steuerpflichtige nicht mehr ausschließlich künstlerisch tätig ist, ist die Tätigkeit des Steuerpflichtigen erneut zu überprüfen.

5. Gutachterausschüsse

Da in den letzten Jahren die Anzahl der Anträge auf Feststellung der Künstlereigenschaft an die Gutachterausschüsse für die Bereiche Unterhaltungsmusik, Industrie-Design sowie bildende und angewandte Kunst sehr stark zurück gegangen ist, werden diese in absehbarer Zeit nicht mehr zusammentreten.

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Fundstelle(n):
UAAAC-67529