Leitsatz
[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Gesetze: StPO § 98 Abs. 2 Satz 2; StPO § 169 Abs. 1 Satz 2; StPO § 304 Abs. 1; StPO § 304 Abs. 4 Satz 1; StPO § 304 Abs. 5; GVG § 74 a Abs. 1 Nr. 4; GVG § 120 Abs. 1 Nr. 6; GVG § 142 a Abs. 1 Satz 1; StGB § 12 Abs. 1; StGB § 22; StGB § 23 Abs. 1; StGB § 30; StGB §§ 129 ff.; StGB § 129 a; StGB § 129 a Abs. 2; StGB § 129 a Abs. 2 Nr. 2; StGB § 306; GVG § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1
Instanzenzug: BGH 1 BGs 145/07 vom BGH 1 BGs 341/07 vom
Gründe
Der Generalbundesanwalt führt gegen den Beschwerdeführer und 16 weitere Beschuldigte ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Bildung einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB) sowie anderer Straftaten.
Den Beschuldigten wird vorgeworfen: Sie hätten sich an einer terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Ziel es gewesen sei, durch Brandanschläge (§ 306 StGB) und Sachbeschädigungen (§ 303 StGB) gewaltbereite Gesinnungsgenossen zu mobilisieren, um den Weltwirtschaftsgipfel (G 8) vom Frühsommer 2007 in Heiligendamm durch Gewalttaten erheblich zu stören oder zu verhindern. Die Straftaten seien dazu bestimmt gewesen, die in der Bundesrepublik Deutschland bestehende Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung zu erschüttern. Sie seien auch geeignet gewesen, die Bundesrepublik Deutschland, insbesondere ihre internationale Position als verlässlicher Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen, erheblich zu schädigen. Der Vereinigung seien zwölf gewalttätige Aktionen zuzurechnen, die im Zeitraum Juli 2005 bis März 2007 durchgeführt worden seien. Es habe sich im Wesentlichen um Brandanschläge auf Kraftfahrzeuge mehrerer Wirtschaftsunternehmen und deren Repräsentanten sowie eines Staatssekretärs und um Sachbeschädigungen an Gebäuden gehandelt. Insgesamt sei ein Schaden von ca. 2,6 Mio. € entstanden; davon entfalle der größte Teil auf einen Brandanschlag auf ein im Bau befindliches Gästehaus des Auswärtigen Amtes ("Villa Borsig").
Auf Antrag des Generalbundesanwalts hat der Ermittlungsrichter des ) die Durchsuchung der Wohn- und Nebenräume, des Arbeitsplatzes, der Person sowie der Kraftfahrzeuge des Beschwerdeführers zur Sicherstellung im Einzelnen näher bezeichneter Beweismittel angeordnet. Auf weiteren Antrag des Generalbundesanwalts hat er mit Beschluss vom (1 BGs 165/2007) die Entnahme von Körperzellen im Wege einer Speichel- oder einer Blutprobe sowie deren molekulargenetische Untersuchung angeordnet und mit der Untersuchung einen Sachverständigen beauftragt.
Am wurden im Rahmen einer gegen eine Vielzahl von Beschuldigten und Dritten durchgeführten, koordinierten Aktion auch die gegen den Beschwerdeführer angeordneten Zwangsmaßnahmen ausgeführt. Bei der Durchsuchung wurden mehrere Gegenstände beschlagnahmt und zum Zwecke der Durchsicht vorläufig sichergestellt. Mit Beschluss vom (1 BGs 341/2007) hat der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs auf Antrag des Generalbundesanwalts die Beschlagnahme und die vorläufige Sicherstellung bestätigt.
Gegen die Beschlüsse des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs sowie gegen die Art und Weise der Durchsuchung wendet sich der Beschwerdeführer mit seinen Beschwerden.
I. Die Beschwerden sind zulässig, soweit sie sich gegen die Durchsuchungsanordnung und die Bestätigung der Beschlagnahme sowie der vorläufigen Sicherstellung richten. Die Durchsuchungsanordnung hat sich nicht erledigt, weil die Durchsuchung wegen der nicht abgeschlossenen Durchsicht der vorläufig sichergestellten Gegenstände noch andauert (vgl. BGH NStZ 2003, 670, 671; Meyer-Goßner, StPO 50. Aufl. § 110 Rdn. 6). Im Übrigen würde die Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung - wegen der mit dieser Maßnahme verbundenen tief greifenden Grundrechtseingriffe - auch bei einer etwaigen Erledigung die Nachprüfung durch den Senat eröffnen, weil dies zur Gewährleistung eines effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erforderlich ist (vgl. BVerfG NJW 1997, 2163; BGH NJW 2000, 84, 85; Meyer-Goßner aaO vor § 296 Rdn. 18 a).
Soweit der Beschwerdeführer die Art und Weise des Vollzugs der Durchsuchungsanordnung beanstandet, entscheidet der Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs entsprechend § 169 Abs. 1 Satz 2, § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO (vgl. BGH NJW 2000, 84, 86; NJW 2002, 215, 216).
II. Die zulässigen Beschwerden haben in der Sache Erfolg. Denn für die angeordneten Zwangsmaßnahmen fehlt es an der erforderlichen Strafverfolgungskompetenz des Generalbundesanwalts und damit an der Zuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs (§ 74 a, § 120, § 142 a GVG, § 169 StPO).
1. Die Zuständigkeit ergibt sich nicht aus § 120 Abs. 1 Nr. 6 GVG (Zuwiderhandlung gegen das Vereinigungsverbot des § 129 a StGB), § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO. Eine etwaige Beteiligung der Beschuldigten an den Anschlägen kann nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen nicht den strafrechtlichen Vorwurf der mitgliedschaftlichen Betätigung in einer terroristischen Vereinigung (§ 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB) begründen. Dies gilt auch dann, wenn es sich bei ihrem Zusammenschluss um eine Vereinigung im tatbestandlichen Sinne handelt. In diesem Fall ist ihre Tätigkeit - ausweislich sowohl der bereits begangenen Anschläge als auch der hierzu veröffentlichten Bekennerschreiben - zwar auf die Begehung von in dieser Norm genannten Straftaten, nämlich Brandstiftungen gemäß § 306 StGB, gerichtet. Jedoch fehlt es an der in § 129 a Abs. 2 Nr. 2 StGB enthaltenen zusätzlich vorausgesetzten Eignung "einen Staat erheblich zu schädigen".
a) Diese gesetzliche Voraussetzung kann nach allen maßgeblichen Auslegungsgesichtspunkten - Wortlaut, systematischer Zusammenhang, Sinn und Zweck, Entstehungsgeschichte und Wille des Gesetzgebers - nur bejaht werden, wenn die von der Vereinigung begangenen oder intendierten Straftaten geeignet sind, die Bevölkerung oder einen größeren Teil der Bevölkerung erheblich einzuschüchtern, eine Behörde rechtswidrig mit Gewalt oder Drohung mit Gewalt zu nötigen oder die politischen, verfassungsrechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Grundstrukturen des Staates erheblich zu beeinträchtigen (vgl. ). Dies hat - entsprechend dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers - im Vergleich zur früheren Rechtslage eine deutliche Einschränkung der Strafbarkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Abs. 2 StGB zur Folge.
b) Die Straftaten, auf deren Begehung die Zwecke und die Tätigkeit der nach Einschätzung des Generalbundesanwalts von den Beschuldigten gebildeten Vereinigung zielen, sind weder nach der Art ihrer Begehung, d. h. nach ihrer Frequenz und Intensität, noch nach ihren Auswirkungen geeignet, die Bundesrepublik Deutschland in diesem Sinne erheblich zu schädigen. Die in einem Zeitraum von 20 Monaten durchgeführten zwölf Anschläge mit einem Gesamtschaden von ca. 2,6 Mio. €, die der Generalbundesanwalt der Vereinigung zurechnet, richteten sich - was selbstverständlich an der Notwendigkeit, sie nachhaltig zu verfolgen und zu ahnden, nichts ändert - ausschließlich gegen Sachen und sind dem Bereich der mittleren Kriminalität zuzuordnen. Die Gefährdung von Menschen war ausgeschlossen und sollte erklärtermaßen ausgeschlossen sein. Eine nennenswerte Behinderung der Tätigkeit des Staates oder staatlicher Organe sowie der betroffenen Unternehmen und Privatpersonen ist nicht eingetreten und war auch nicht zu erwarten.
Auch mit Blick auf das Fernziel, durch die Anschläge Gesinnungsgenossen für Proteste anlässlich des Weltwirtschaftsgipfels zu mobilisieren, kann die von § 129 a Abs. 2 StGB vorausgesetzte Eignung zur erheblichen Schädigung des Staates nicht bejaht werden. Dies gilt auch, soweit in den Bekennerschreiben zu gewalttätigen Aktionen wie Brandanschlägen und Sachbeschädigungen aufgefordert wurde. Denn mittelbare Tatfolgen, die sich erst durch eigenständiges Handeln Dritter ergeben könnten, zählen nicht mehr zu den Auswirkungen der Tat und haben daher bei der Prüfung der Schädigungseignung außer Betracht zu bleiben (vgl. Tröndle/Fischer aaO § 129 a Rdn. 5). Dem Ermittlungsergebnis lassen sich auch keine Anhaltspunkte dafür entnehmen, dass die Vereinigung in der verbleibenden Zeit bis zum Weltwirtschaftsgipfel ihre Strategie in Abkehr von ihrer bisherigen Vorgehensweise dahin hätte ändern wollen, Art, Intensität oder Frequenz der Taten in einem Umfang zu steigern, der eine abweichende Bewertung ihrer Eignung zur Schädigung des Staates rechtfertigen könnte.
c) Soweit der Generalbundesanwalt meint, die Eignung der in Rede stehenden Straftaten zur erheblichen Schädigung des Staates ergebe sich aus der konspirativen Arbeitsweise der von ihm angenommenen Vereinigung, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Mitglieder der von §§ 129, 129 a StGB erfassten Vereinigungen arbeiten, wenn auch nicht notwendiger-, so doch typischerweise konspirativ zusammen. Schon deshalb kann dem Gesichtspunkt der konspirativen Arbeitsweise bei der Prüfung, ob das die Strafbarkeit beschränkende Merkmal der Eignung zur erheblichen Schädigung des Staates vorliegt, keine Bedeutung zukommen.
d) Den Beschuldigten kann auf der Grundlage des Sachverhalts, den ihnen der Generalbundesanwalt zur Last legt, auch nicht der Vorwurf gemacht werden, sich der versuchten mitgliedschaftlichen Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung gemäß § 129 a Abs. 2 Nr. 2, § 12 Abs. 1, §§ 22, 23 Abs. 1 StGB schuldig gemacht zu haben. Dabei kann offen bleiben, ob eine solche Versuchstat überhaupt in der Weise vorstellbar ist, dass sich der Täter subjektiv eine Schädigungseignung der von der Vereinigung intendierten Taten im Sinne des § 129 a Abs. 2 StGB vorstellt (so Tröndle/Fischer aaO § 129 a Rdn. 17); denn eine solche Vorstellung der Vereinsmitglieder ist jedenfalls nicht belegt. Gegen sie sprechen nicht nur der Inhalt der Selbstbezichtigungsschreiben, sondern vor allem die Anzahl und die Qualität der Anschläge, denen in Verbindung mit den Bekennerschreiben vornehmlich eine propagandistische und mobilisierende Wirkung in der linksextremistischen Szene zukommen sollte.
2. Die Zuständigkeit des Generalbundesanwalts folgt auch nicht aus § 120 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 GVG, § 74 a Abs. 1 Nr. 4 GVG (kriminelle Vereinigung), § 142 a Abs. 1 Satz 1 GVG, § 169 Abs. 1 Satz 2 StPO. Es fehlt an der besonderen Bedeutung des Falles im Sinne der genannten Vorschriften.
a) Diese kann nur dann angenommen werden, wenn es sich bei der Tat unter Beachtung der Zielrichtung der Vereinigung und deren objektiven Gefährlichkeit um ein staatsgefährdendes Delikt von erheblichem Gewicht handelt, welches den Gesamtstaat in einer derart spezifischen Weise angreift, dass ein Einschreiten des Generalbundesanwalts und eine Aburteilung durch ein Bundesgerichtsbarkeit ausübendes Gericht geboten ist. An die Bejahung einer besonderen Bedeutung sind strenge Anforderungen zu stellen, weil durch die Übernahmeerklärung nicht nur der gesetzliche Richter (Art. 101 GG) bestimmt, sondern auch in die verfassungsrechtliche Kompetenzverteilung zwischen Bund und Ländern eingegriffen wird.
Erforderlich ist eine Gesamtwürdigung der Tat- und Schuldschwere, d. h. der Umstände und Auswirkungen der Tat unter besonderer Berücksichtigung des Gewichts des Angriffs auf das jeweils betroffene Rechtsgut des Staates. Dabei sind in erster Linie die konkreten Tatfolgen für die innere Sicherheit der Bundesrepublik, insbesondere die Auswirkungen auf das Sicherheitsgefühl der Bevölkerung, daneben aber auch die mögliche Signalwirkung auf potentielle Nachahmungstäter sowie die Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes der Bundesrepublik Deutschland in solchen Staaten, die ihr durch gemeinsame Wertvorstellungen verbunden sind, in Betracht zu ziehen (vgl. BGHSt 46, 238, 253 f.; BGH NStZ 2002, 447 f.). Darüber hinaus ist auch die Gefährlichkeit der Vereinigung in den Blick zu nehmen, die wiederum davon abhängig ist, wie schlagkräftig sie organisiert ist. Ein für die Abwägung erheblicher Umstand kann auch die Größe des Aktionsraumes sein, in dem die Vereinigung tätig wird. Entfaltet sie ihre Aktivitäten überregional oder gar bundesweit, wird dies eher für die Annahme besonderer Bedeutung sprechen als im Falle von örtlich oder regional beschränkten Taten. Insgesamt muss der in Frage stehende Fall deutlich aus den Durchschnittsfällen herausragen (vgl. BGH NStZ aaO; Siolek in Löwe/Rosenberg, StPO 25. Aufl. § 74 a GVG Rdn. 12; Welp NStZ 2002, 1, 7 und 609 f.).
Bei der Beurteilung der besonderen Bedeutung des Falles steht dem Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren mit dessen sich häufig verändernden Erkenntnisstand grundsätzlich ein Beurteilungsspielraum zu, so dass sie im Beschwerdeverfahren regelmäßig nur einer eingeschränkten Überprüfung auf Vertretbarkeit unterliegt (vgl. BGHR GVG § 120 Abs. 2 Besondere Bedeutung 3). Allerdings engt sich der Beurteilungsspielraum im Laufe des Ermittlungsverfahrens mit dem Vorliegen gesicherter Erkenntnisse immer mehr ein.
b) Zur Begründung der besonderen Bedeutung des Falles hat der Generalbundesanwalt im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
"... Das Ausmaß der Individualrechtsverletzungen ist erheblich. ... Der durch die vollendeten Anschläge eingetretene Gesamtschaden ist mit insgesamt 2,6 Millionen € zu beziffern.
Hinzu kommen die seinerseits zu erwartenden gravierenden Folgen für die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland: Insoweit ist zu berücksichtigen, dass die Vereinigung die ihr zugerechneten Anschläge gezielt zu dem Zwecke begangen hat, eine militante Mobilisierung (großen Ausmaßes) gewaltbereiter Autonomer zur Verhinderung des Weltwirtschaftsgipfels ... zu erreichen. Die Anschläge der Vereinigung sollten damit eine erhebliche Signalwirkung hinsichtlich potentieller Nachahmungstäter entfalten. Angesichts dessen war bei Erlass der angegriffenen Beschlüsse berechtigter Weise zu besorgen, dass die militante Mobilisierungskampagne in einer den Weltwirtschaftsgipfel gefährdenden Weise würde Erfolg haben können. Die Verwirklichung des Fernziels der Vereinigung, nämlich die Verhinderung, vorzeitige Beendigung oder zumindest erhebliche Schädigung des Gipfeltreffens hätte ganz erhebliche Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Bundesrepublik Deutschland im Ausland gehabt. Die Wahrnehmung ihrer außen- und wirtschaftspolitischen Belange wäre erheblich beeinträchtigt gewesen, weil die internationale Position der Bundesrepublik Deutschland als verlässlicher Partner im Verbund der acht wichtigsten Wirtschaftsnationen geschwächt worden wäre.
... Zudem konnte durch die Anschläge das Sicherheitsgefühl weiter Teile der Bevölkerung beeinträchtigt werden. Die Vereinigung hat nicht nur staatliche Einrichtungen, sondern auch exponierte Personen des Wirtschaftslebens, der Politik, der Wissenschaft und der öffentlichen Verwaltung als Repräsentanten eines vermeintlich (weltweiten) ausbeuterischen kapitalistischen Systems angegriffen. Die Anschläge waren damit geeignet, in diesen Kreisen Angst und Unsicherheit zu erzeugen und damit die Wahrnehmung verfassungsrechtlich geschützter Positionen und Aufgaben erheblich zu beeinträchtigen.
Schließlich sprechen auch die Umstände der Anschlagstaten für eine besondere Bedeutung des Falles. Die Vereinigung hat äußerst konspirativ agiert, länderübergreifende Strukturen in Hamburg, Berlin und Brandenburg gebildet und aus diesen heraus überregional Straftaten in vier Bundesländern (Hamburg, Berlin, Brandenburg und Niedersachsen) begangen. Daher ist eine zentrale Strafverfolgung, die die Zusammenführung der in Bund und Ländern anfallenden Erkenntnisse in besonderer Weise gewährleistet, geboten. ..."
c) Mit diesen Erwägungen ist - gemessen an den dargestellten Anforderungen - die besondere Bedeutung des Falles nicht belegt.
Das Schädigungspotential der begangenen und intendierten Anschläge für die Schutzgüter des Gesamtstaates, insbesondere die demokratische Grundordnung und die innere Sicherheit, waren aus den bereits dargestellten Gründen (II.1.b) - Angriffe ausschließlich gegen Sachen, die der mittleren Kriminalität zuzuordnen sind; keine Gefährdung von Menschen; keine erhebliche Einschüchterung der Bevölkerung; keine nennenswerte Beeinträchtigung der Tätigkeit der Geschädigten - relativ gering. Für die Funktionsfähigkeit des Staates wichtige Infrastruktur oder für die öffentliche Sicherheit notwendige Einrichtungen wurden nicht beschädigt. Anzeichen für eine wegen ihrer inneren Struktur und guten Organisation besonders schlagkräftige und gefährliche Vereinigung lagen nach dem Ermittlungsergebnis nicht vor. Bis zur öffentlichkeitswirksamen Durchführung der Durchsuchungen am hatten die Taten in der Bevölkerung und in den Medien kein besonderes Aufsehen hervorgerufen. Deshalb ging von ihnen für potentielle Nachahmungstäter - ausgenommen ohnehin schon gewaltbereite Gesinnungsgenossen - allenfalls ein schwacher Anreiz zur Begehung vergleichbarer Taten aus.
Die konspirative Arbeitsweise der Gruppierung, auf die der Generalbundesanwalt verweist, ist für die Beurteilung der besonderen Bedeutung des Falles ohne Belang, weil es sich um ein typisches Verhalten von Mitgliedern einer kriminellen Vereinigung handelt. Die überregionalen Täterstrukturen und Aktivitäten sind zwar bei der Abwägung zu berücksichtigende Gesichtspunkte. Ihnen kommt jedoch angesichts der Gesamtumstände, insbesondere wegen der geringen Auswirkungen der Anschläge auf die Interessen des Staates, keine wesentliche Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als die Aktionen sich hier auf wenige, benachbarte Bundesländer beschränken; zudem sind überregionale Täterstrukturen nicht selten auch in Fällen der allgemeinen Schwerkriminalität gegeben, und die dann zuständigen Ermittlungsbehörden der Bundesländer sind regelmäßig ebenfalls in der Lage, unter solchen erschwerten Bedingungen erfolgreich zu ermitteln.
Die besondere Bedeutung des Falles kann auch nicht mit dem Fernziel der nach Ansicht des Generalbundesanwalts bestehenden Vereinigung begründet werden. Zwar lehnen die dem linksradikalen Spektrum angehörenden Personen, die für die Anschläge verantwortlich sind, aus ideologischen Gründen die politische und wirtschaftliche Ausrichtung der Bundesrepublik Deutschland innerhalb der globalen Wirtschaftsordnung ab und setzen strafbar Gewalt gegen Sachen als Mittel des politischen Meinungskampfes ein. Ihr Ziel war jedoch auf die Mobilisierung von Gesinnungsgenossen beschränkt, aus eigenem Entschluss an einer militanten Protestkampagne teilzunehmen, um den Weltwirtschaftsgipfel durch Blockaden von Zufahrten, Angriffe auf Gebäude und ähnliche Aktionen empfindlich zu stören oder seine vorzeitige Beendigung herbeizuführen. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung oder gar Beseitigung der verfassungsmäßigen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bezweckten sie damit nicht.
Auch der Umstand, dass sich die Aktivitäten der Beschuldigten gegen ein weltpolitisches Großereignis richteten, rechtfertigt bei einer Gesamtbetrachtung keine andere Beurteilung. Die angestrebte Mobilisierung gewaltbereiter Gesinnungsgenossen konnte die bestehende Gefahr nicht nachhaltig erhöhen. Angesichts des Gewaltpotentials, das regelmäßig bei Weltwirtschaftsgipfeln und vergleichbaren politischen Großveranstaltungen zu erwarten ist, waren ohnehin umfangreiche staatliche Absicherungsmaßnahmen erforderlich. Unter diesen Umständen waren die angestrebten militanten Proteste auch nicht geeignet, den Gipfel tatsächlich zu verhindern oder schwerwiegend zu stören. Auch konnten sie das Ansehen Deutschlands bei befreundeten Staaten nicht ernsthaft gefährden, weil gewalttätige Aktionen inzwischen typische Begleiterscheinungen solcher politischer Treffen sind, unabhängig davon, in welchem Staat sie stattfinden.
Unter den gegebenen Umständen lag die Bejahung der besonderen Bedeutung auch nicht mehr im Rahmen des dem Generalbundesanwalt im Ermittlungsverfahren grundsätzlich zustehenden Beurteilungsspielraums. Zum Zeitpunkt der Anträge auf Erlass der angefochtenen Entscheidungen war ein solcher Beurteilungsspielraum allenfalls noch sehr eingeschränkt gegeben. Das Ermittlungsverfahren gegen den Beschwerdeführer und die weiteren Beschuldigten lief bereits über ein Jahr (Einleitung: ). Da die Anschläge regelmäßig nach dem gleichen Muster begangen worden waren und ihre Zielrichtung durch die Bekennerschreiben bekannt war, lagen seit längerer Zeit gesicherte Erkenntnisse über die begangenen und intendierten Straftaten vor, die eine zuverlässige Bewertung der besonderen Bedeutung des Falles ermöglichten.
3. Da es an der besonderen Bedeutung der Sache fehlt, kommt es nicht mehr darauf an, ob zum maßgeblichen Zeitpunkt der Anordnung der Zwangsmaßnahmen überhaupt der erforderliche Verdacht bestand, dass sich eine Vereinigung gebildet hatte, der die Brandanschläge zugerechnet werden können. Auch daran fehlt es indes, weil bei der gegebenen Verdachtslage die tatsächlichen Anhaltspunkte dafür nicht ausreichen, dass der Beschwerdeführer sich mit den anderen Beschuldigten zu einer Gruppierung zusammenschloss, die die für die Annahme einer Vereinigung erforderlichen Strukturen aufweist. Dies gilt unabhängig davon, welche Anforderungen an die Regeln der Willensbildung und das Maß an Organisation der in Frage stehenden Gruppierung zu stellen sind.
a) Nach ständiger Rechtsprechung kann als Vereinigung im Sinne der §§ 129, 129 a StGB nur ein auf eine gewisse Dauer angelegter, freiwilliger organisatorischer Zusammenschluss von mindestens drei Personen angenommen werden, die bei Unterordnung des Willens des Einzelnen unter den Willen der Gesamtheit gemeinsame Zwecke verfolgen und untereinander derart in Beziehung stehen, dass sie sich als einheitlicher Verband fühlen (BGHSt 28, 147, 202, 204 f.; 31, 239; 45, 26, 35; BGH NJW 2005, 2668; 2006, 1603). Für die Existenz einer solchermaßen durchorganisierten Gruppierung lagen hier zum maßgeblichen Zeitpunkt im Sinne des erforderlichen Verdachts (vgl. BGH NJW 2000, 84, 85; Nack in KK 5. Aufl. § 102 Rdn. 1) keine ausreichenden Indizien vor. Entsprechende Erkenntnisse sind allem Anschein nach - worauf es aber letztlich nicht ankäme - bislang auch nicht durch die beanstandete Durchsuchungsaktion zu Tage getreten.
So ist bereits nicht belegt, dass die zwölf Anschläge überhaupt von einer Organisation begangen worden sind. Dagegen spricht, dass sich unter verschiedenen Bezeichnungen ("August 2005"; "fight 4 revolution crews"; "Unheilige Allianz Dammbruch"; "AG Kolonialismus und Krieg in der militanten Anti-G8-Kampagne"; "AG Herz-infarkt"; "Militante Antimilitaristische Initiative ("M.A.M.I.")"; "Revolutionäre Antimilitaristische AktivistInnen Butter bei die Fische"; "autonome gruppen/militant people (mp)"; "Autonome Gruppen") auftretenden Gruppierungen zu den Taten bekannt haben und die Bekennerschreiben selbst deutliche Unterschiede aufweisen. Weiterhin ergibt sich aus den Formulierungen in einigen der Selbstbezichtigungsschreiben, dass die für den jeweiligen Anschlag verantwortlichen Personen sich selbst nicht als Teil der die "Kampagne" organisierenden Gruppe ansahen, sondern ihre Tat als Anregung verstanden, bestimmte für sie wichtige politische Themen in die Proteste gegen den G8-Gipfel einzubringen.
Der Ansicht des Generalbundesanwalts, der Verdacht für das Bestehen einer Vereinigung ergebe sich aus den bei den Analysen der Bekennerschreiben vorgefundenen Übereinstimmungen in thematischer (Themen wie Globalisierung, Gentechnik, Imperialismus u.a.), stilistischer (Begriffe wie Intervention, "rund um den Globus", Prekariat, Euromayday u.a.) und textgestalterischer (Textgliederung durch Leerzeichen, willkürliche Ein- und Ausrückungen, uneinheitliche Verwendung von Abkürzungen, Ausschreibung von Zahlwörtern, Rechtschreibunsicherheiten in Bezug auf "ß" und "ss" u.a.) Hinsicht, der schlüssigen Auswahl der Anschlagsziele sowie der zeitlichen Abfolge der Taten, vermag der Senat nicht zu folgen. Es handelt sich insoweit um Indizien mit einem allenfalls äußerst geringen Beweiswert.
Selbst wenn man aufgrund einer Gesamtschau aller Indizien noch annehmen wollte, dass die Anschläge von zueinander in Verbindung stehenden Tätern begangen worden sind, ergeben sich aus dem bisherigen Ermittlungsergebnis keinerlei tatsächliche Anhaltspunkte für das nach der ständigen Rechtsprechung erforderliche Maß an Struktur und Organisation des Willensbildungsprozesses.
b) Allerdings wird in der neueren Literatur zum Teil gefordert, im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1 Satz 1 des Rahmenbeschlusses des Rates der Europäischen Union vom zur Terrorismusbekämpfung (Abl. EG Nr. L 164/3) den der Rechtsprechung zugrunde liegenden Vereinigungsbegriff weiter zu fassen. So soll - weil der Rahmenbeschluss die Willensbildung innerhalb einer Vereinigung nicht anspricht - statt der Bildung eines Gesamtwillens und der Unterwerfung der Mitglieder unter diesen Willen nur noch eine irgendwie regelhafte Willensbildung ausreichend sein (Kress JA 2005, 220, 224 m. w. N.). Ebenso sollen im Hinblick auf die im Rahmenbeschluss (Abl. EG Nr. L 164/4) gegebene Definition des Begriffes "organisierter Zusammenschluss", nach der förmlich festgelegte Rollen für die Mitglieder, eine kontinuierliche Zusammensetzung oder eine ausgeprägte Struktur nicht erforderlich sind, keine anspruchsvollen Anforderungen mehr an die Organisationsstruktur der Vereinigung zu stellen sein, sondern jedwede rudimentäre Organisation den Tatbestand der Vereinigung erfüllen (Kress aaO 227; ähnlich Altvater NStZ 2003, 179, 184, der von einer "europafreundlichen" Auslegung des Vereinigungsbegriffs spricht).
Auch bei einer solchen "europarechtskonformen" oder "europafreundlichen" Auslegung des Vereinigungsbegriffs lässt sich hier der Verdacht einer vom Beschwerdeführer und den weiteren Beschuldigten gebildeten Vereinigung nicht begründen. Denn selbst eine "irgendwie regelhafte Willensbildung" oder eine "rudimentäre Organisation" in dem Personenzusammenschluss, von dem der Generalbundesanwalt ausgeht, ist durch das Ergebnis der mehr als ein Jahr andauernden Ermittlungen, die umfangreiche Telekommunikationsüberwachungen und Observationsmaßnahmen umfassten, nicht belegt. Über den Umstand hinaus, dass der Beschwerdeführer und vier weitere Beschuldigte zu den Autoren des Buches "Autonome in Bewegung" gehören, in dem sie Gewalt gegen Sachen als Mittel des politischen Meinungskampfes für legitim erachten und sich auch weiterhin der linksautonomen/linksradikalen Szene zugehörig fühlen, beruht die Annahme, sie hätten sich mit anderen zur Begehung der Anschläge zusammengeschlossen, im Wesentlichen nicht auf Tatsachen, sondern auf bloßen Vermutungen. Dass sich der Beschuldigte mehrfach mit anderen Gegnern des Weltwirtschaftsgipfels getroffen hat, gibt angesichts der gesellschaftlichen Breite der Protestbewegung ebenso wenig einen Hinweis auf einen organisatorischen Zusammenschluss zur Begehung von Straftaten wie seine fortbestehenden Kontakte zu den anderen Buchautoren.
c) Da im Sinne des erforderlichen Verdachts die Mindestanforderungen an das Bestehen einer Vereinigung nicht erfüllt sind, kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der neueren Literaturmeinung gefolgt werden kann. Der Senat sieht jedoch Anlass, seine Zweifel zum Ausdruck zu bringen, ob die - ausschließlich auf die terroristische Vereinigung im Sinne des § 129 a StGB diskutierte - "europafreundliche" ausweitende Auslegung des Tatbestandsmerkmals "Vereinigung" rechtlich möglich ist. Jedenfalls für kriminelle Vereinigungen im Sinne des § 129 StGB, um die es hier geht, dürfte für sie im geltenden Recht kein Raum sein.
aa) Für den Begriff der (kriminellen) Vereinigung im Sinne des § 129 StGB begegnet eine extensive Auslegung, die auf die von der bisherigen ständigen Rechtsprechung aufgestellten strengen Anforderungen an Organisationsstruktur und geregelte Willensbildung verzichtet, aus mehreren Gründen Bedenken:
Sie würde zum einen den Rechtsanwender bei der Abgrenzung von Vereinigungen einerseits und Banden oder nur mittäterschaftlichen Zusammenschlüssen andererseits vor kaum zu bewältigende Probleme stellen. Diese Abgrenzung ist aber erforderlich und muss trennscharf möglich sein. Denn die Mitgliedschaft in einer Bande ist als solche nicht strafbar und führt zur (verschärften) Strafbarkeit erst dann, wenn sich das Mitglied an einer konkreten Bandentat beteiligt, die vollendet wird oder jedenfalls die Grenze zum strafbaren Versuch (§ 22 StGB) oder zur gegebenenfalls strafbaren Vorbereitung (§ 30 StGB) überschreitet. Demgegenüber ist die mitgliedschaftliche Betätigung in einer (kriminellen) Vereinigung unabhängig davon strafbar, ob konkrete Taten in strafbarer Weise vollendet, versucht oder vorbereitet werden.
Aus dieser Abstufung und der ihr zugrunde liegenden Systematik ergibt sich zugleich das zweite Bedenken: Das Strafgesetzbuch stellt im Grundsatz konkrete, die geschützten Rechtsgüter unmittelbar verletzende oder gefährdende Handlungen unter Strafandrohung. Strafbar macht sich, wer ein Delikt vollendet. Wenn er es nur versucht, ist er nur strafbar, wenn es sich um ein Verbrechen handelt oder die Strafbarkeit ausdrücklich bestimmt ist (§ 23 Abs. 1 StGB). Wird auch die Schwelle zum Versuch nicht überschritten, kommt eine Strafbarkeit nur bei Verbrechen und nur für bestimmte Vorbereitungshandlungen in Betracht (§ 30 StGB). Wer sich etwa mit anderen zur Begehung von Diebstählen verabredet bleibt straflos, solange kein Vorhaben in das Versuchsstadium eintritt.
Dieses abgestufte System der Strafbarkeit von Tatvollendung, Versuch und Vorbereitungshandlung darf bei der Bestimmung der Anforderungen an den Vereinigungsbegriff nicht aus dem Blick geraten. Sollen nämlich die Begrenzungen der Strafbarkeit, die sich aus diesem System ergeben, nicht ihre Wirkung verlieren, so kann nicht jeder Zusammenschluss von Tätern, die Straftaten (etwa Diebstähle) planen, schon als solcher die Strafbarkeit begründen. Vielmehr kann die Strafbarkeit wegen des Zusammenschlusses nur dann angenommen werden, wenn dieser schon für sich ein strafwürdiges Gefährdungspotential für geschützte Rechtsgüter enthält. Das setzt aber voraus, dass sich für die in Frage stehende Gruppierung mehr als nur rudimentäre Organisationsformen feststellen lassen. Vielmehr sind eine ausgeprägte Organisationsstruktur und grundsätzlich bindende Regeln über die Bildung des Gruppenwillens erforderlich. Nur unter dieser Voraussetzung ist auch gewährleistet, dass für den Normadressaten voraussehbar ist, dass er schon durch den bloßen Zusammenschluss mit anderen zur Begehung zukünftiger Taten die Grenze zum strafbaren Verhalten überschreitet.
Die ausweitende Auslegung wäre schließlich auch mit Blick auf die prozessualen Folgewirkungen bedenklich. Denn die Strafprozessordnung knüpft an den Verdacht einer Tat nach § 129 StGB die Berechtigung zu weit reichenden Ermittlungsmaßnahmen wie etwa zur Telefonüberwachung (§ 100 a Abs. 1 Nr. 1 c StPO) und damit zu erheblichen Eingriffen in die Grundrechte der Betroffenen, woraus umgekehrt folgt, dass die materiellrechtlichen Anforderungen an die Annahme einer Vereinigung nicht zu weit abgesenkt werden können.
bb) Der Senat verkennt nicht, dass bezogen auf terroristische Gruppierungen die Enge des herkömmlichen Vereinigungsbegriffes mit Blick auf den Rahmenbeschluss und die Notwendigkeit einer europafreundlichen Auslegung Schwierigkeiten bereitet und im Interesse einer effektiven Bekämpfung von Terrorismus mit strafrechtlichen Mitteln wenig befriedigend erscheint. Indes könnte die - wie dargelegt - notwendigerweise restriktive Auslegung des Vereinigungsbegriffes in § 129 StGB zur Folge haben, dass sich eine extensive Auslegung auch für § 129 a StGB verbietet. Dafür spricht, dass derselbe Begriff in einer Qualifikationsnorm grundsätzlich nicht anders ausgelegt werden kann als im Grundtatbestand.
Einen Weg aus dem Dilemma wird möglicherweise nur der Gesetzgeber weisen können, der gegebenenfalls auch zu entscheiden haben wird, ob die Umsetzung des Rahmenbeschlusses systematisch verträglicher durch eine Änderung der §§ 129 ff. StGB oder durch eine Ergänzung des § 30 StGB vollzogen werden kann.
III. Die gegen den Beschluss des Ermittlungsrichters des mit dem die Entnahme von Körperzellen sowie deren molekulargenetische Untersuchung angeordnet worden ist, gerichtete Beschwerde ist gemäß § 304 Abs. 4 Satz 1, § 304 Abs. 5 StPO unstatthaft. Ausnahmen vom Grundsatz der Unanfechtbarkeit von Entscheidungen des Bundesgerichtshofs gelten nach § 305 Abs. 5 StPO nur für Verfügungen des Ermittlungsrichters, wenn sie die Verhaftung, einstweilige Unterbringung, Beschlagnahme oder Durchsuchung betreffen. Bei dieser den Grundsatz der Unanfechtbarkeit durchbrechenden Bestimmung handelt es sich um eine die Anfechtungsmöglichkeiten abschließend regelnde Ausnahmevorschrift, die restriktiv auszulegen und einer analogen Anwendung nicht zugänglich ist. Die Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung zur Feststellung des DNA-Identifizierungsmusters einer Person kann auch bei weitestem Verständnis des Wortsinns nicht mehr unter eine der in § 305 Abs. 5 StPO aufgezählten Maßnahmen subsumiert werden. Allein die Schwere des Eingriffs in Rechte des Betroffenen stellt kein Kriterium dar, das eine Erweiterung des Katalogs dieser Vorschrift über den möglichen Wortlaut hinaus rechtfertigen könnte, weil der Gesetzgeber nicht alle, sondern nur bestimmte eingriffsintensive Maßnahmen der Anfechtung unterstellt hat (vgl. BGH NJW 2002, 765). Außerdem ist die Anordnung der Entnahme von Körperzellen und deren molekulargenetische Untersuchung keine besonders intensive Eingriffsmaßnahme; sie kommt im Hinblick auf die restriktiven gesetzlichen Regelungen zum Umgang mit dem Zellmaterial und zum zulässigen Untersuchungsbereich der DNA (vgl. § 81 a Abs. 2, § 81 e Abs. 1, § 81 f Abs. 2 StPO) nur der Abnahme eines Fingerabdrucks gleich (vgl. BVerfG NStZ 2001, 328, 329). Die Beschwerde kann auch nicht ausnahmsweise im Hinblick auf die Unzuständigkeit des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs als statthaft angesehen werden (vgl. BGH NStZ 1999, 414).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
TAAAC-67431
1Nachschlagewerk: nein