BFH Beschluss v. - II B 13/07

Rüge mangelnder Sachaufklärung; schlüssige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache

Gesetze: FGO § 76; FGO § 115 Abs. 2

Instanzenzug:

Gründe

I. Im finanzgerichtlichen Verfahren war streitig, ob die Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), Eheleute, in den Jahren 1986 bis 1995 neben ihrem Wohnsitz in Spanien auch im Inland einen Wohnsitz i.S. des § 8 der Abgabenordnung (AO) hatten und deshalb gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Vermögensteuergesetzes unbeschränkt vermögensteuerpflichtig waren. Das Finanzgericht (FG) bejahte dies übereinstimmend mit der Ansicht des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt) mit der Begründung, die Kläger hätten sich in diesem Zeitraum zumindest einige wenige Male je Jahr für jeweils einen oder wenige Tage in einem der Klägerin gehörenden, 1985 in einem inländischen Wochenendgebiet errichteten Holzblockhaus aufgehalten, das über eine Wohnfläche von 35 qm zuzüglich Keller und Terrasse und einen Anschluss an das Stromnetz verfüge. Unerheblich sei, dass das Blockhaus nicht an eine öffentliche Wasserversorgung angeschlossen sei. Eine Hauswasserversorgung z.B. über eine Regenwassernutzungsanlage oder eine Zisterne müsse ebenso wie eine Abwasserentsorgung vorhanden gewesen sein, um die wenn auch kurzen Aufenthalte der Kläger zu ermöglichen. Es habe sich nicht um bloße Ferienaufenthalte gehandelt. Die Kläger hätten vielmehr ihren inländischen Wohnsitz aus vielerlei gewichtigen Gründen vorgehalten, insbesondere für die Gesundheitsversorgung der seit einem im Jahr 1985 erlittenen Unfall schwerbehinderten Klägerin, zur Pflege des Familienkontakts mit engen, in der Nähe des Blockhauses wohnenden Angehörigen und zur Vornahme von Bankgeschäften.

Der inländischen Vermögensbesteuerung stehe auch das Doppelbesteuerungsabkommen mit Spanien nicht entgegen. Die Kläger hätten aufgrund ihrer nach wie vor bestehenden engen Beziehungen zum Inland in Spanien nicht ihren Hauptwohnsitz gehabt und ausweislich der vorgelegten Unterlagen dies so gegenüber den spanischen Finanzbehörden erklärt.

Den Antrag der Kläger, eine Ortsbesichtigung durchzuführen, lehnte das FG in dem Urteil mit der Begründung ab, der aktuelle Zustand des Hauses lasse wegen des großen zeitlichen Abstands keinen hinreichend sicheren Rückschluss auf die Verhältnisse an den streitbefangenen Stichtagen zu.

Die Kläger stützten ihre Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision in dem ihnen am zugestellten Urteil des FG zunächst auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und einen wegen der Ablehnung des Beweisantrags nach ihrer Ansicht vorliegenden Verfahrensmangel. Mit Schriftsatz vom ergänzten sie die Beschwerdebegründung; sie machen nunmehr auch eine Abweichung der Vorentscheidung von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) geltend.

II. Die Beschwerde ist unbegründet. Die von den Klägern geltend gemachten Gründe rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht, soweit sie sie den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) entsprechend und innerhalb der in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO bestimmten Frist für die Beschwerdebegründung dargelegt haben.

1. Grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO)

Die Beschwerdebegründung entspricht insoweit nicht den gesetzlichen Begründungsanforderungen.

a) Grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO hat eine Rechtssache nach ständiger Rechtsprechung des BFH dann, wenn die Entscheidung des konkreten Rechtsstreits von der Beantwortung einer Rechtsfrage abhängt, deren Klärung im Interesse der Allgemeinheit liegt. Dies muss in der Beschwerdebegründung dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu reicht es nicht aus, die grundsätzliche Bedeutung nur zu behaupten. Vielmehr muss der Beschwerdeführer eine abstrakte Rechtsfrage formulieren und sodann erläutern, inwieweit diese Frage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und im konkreten Fall klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom I B 106/04, BFH/NV 2005, 369, und vom I B 105/06, BFH/NV 2007, 1629). Ferner muss sich der Beschwerdeführer mit der zur herausgestellten Rechtsfrage vorhandenen Rechtsprechung und Literatur auseinandersetzen (BFH-Beschlüsse vom IV B 14/04, BFH/NV 2005, 2166; in BFH/NV 2007, 1629; vom VIII B 201/06, BFH/NV 2007, 1804, und vom II B 95/06, BFH/NV 2007, 1829, ständige Rechtsprechung).

b) Die Kläger sehen folgende Rechtsfragen als klärungsbedürftig an:

Kann das FG das Besteuerungsrecht bei der Vermögensteuer dem deutschen Staat dadurch zuordnen, dass es einen Wohnsitz nach § 8 AO in einem nicht an die Wasserversorgung, nicht heizbaren und in einem unwegsamen Gelände gelegenen Holzblockhaus, also einem keinesfalls zum Wohnen geeigneten Objekt, unterstellt? Ist ein Objekt auch dann zu Wohnzwecken geeignet, wenn es in der trockenen Jahreszeit wegen des unwegsamen Geländes sehr schlecht oder bei regnerischen oder winterlichen Verhältnissen überhaupt nicht erreichbar ist?

Wird ein inländisches Gericht bereits dadurch zur Partei, dass es über das Besteuerungsrecht und somit über den Zufluss von Steuern in die „eigene” Staatskasse zu entscheiden hat, und bedeutet dies, dass die Kläger ihr Grundrecht auf einen fairen Prozess letztendlich nur vor der Instanz des „europäischen Gerichtshofs” als unparteiisches Gericht erlangen können?

c) Die Beschwerdebegründung genügt insoweit nicht den Anforderungen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

aa) Die Kläger haben sich in der Beschwerdebegründung weder mit der Rechtsprechung des BFH zur Auslegung des Wohnsitzbegriffs in § 8 AO (zusammenfassend , BFH/NV 2004, 917) noch mit der Literatur dazu auseinandergesetzt. Die Kläger machen der Sache nach lediglich ein Korrekturinteresse im Einzelfall geltend. Die grundsätzliche, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung der Rechtssache legen sie damit nicht dar (BFH-Beschlüsse vom VII B 97/06, BFH/NV 2007, 647, und vom V B 97/06, BFH/NV 2007, 1805).

Die Beurteilung der Umstände des „Innehabens” einer Wohnung liegt zudem weitgehend auf tatsächlichem Gebiet. Der BFH als Revisionsgericht ist deshalb gemäß § 118 Abs. 2 FGO grundsätzlich an die Beurteilung durch das FG gebunden (BFH-Urteil in BFH/NV 2004, 917). Die Kläger haben sich auch mit dieser revisionsrechtlichen Problematik nicht auseinandergesetzt.

Mit ihren Einwendungen gegen die Würdigung der Sach- und Rechtslage durch das FG in der Vorentscheidung machen die Kläger keinen Grund für die Zulassung der Revision geltend (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom II B 135/04, BFH/NV 2006, 306; vom XI B 178/05, BFH/NV 2007, 477; vom VII B 106/06, BFH/NV 2007, 1157; vom IX B 159/06, BFH/NV 2007, 1503, und vom III B 191/05, BFH/NV 2007, 1505). Die Kläger bringen auch nicht vor, dass ein zur Zulassung der Revision führender sog. qualifizierter Rechtsanwendungsfehler vorliege. Ein solcher Fehler ist gegeben, wenn er von erheblichem Gewicht und deshalb geeignet ist, das Vertrauen der Allgemeinheit in die Rechtsprechung zu beschädigen. Dies ist nur bei offensichtlichen materiellen oder formellen Rechtsanwendungsfehlern des FG im Sinne einer willkürlichen oder zumindest greifbar gesetzwidrigen Entscheidung der Fall. Eine bloß fehlerhafte Umsetzung von Rechtsprechungsgrundsätzen auf die Besonderheiten des Einzelfalles genügt nicht (BFH-Beschlüsse vom IV B 85/02, BFHE 203, 404, BStBl II 2004, 25; vom VII B 344/03, BFHE 206, 226, BStBl II 2004, 896, und vom IV B 111/05, BFH/NV 2007, 1146).

bb) Die Kläger machen nicht geltend, es werde in Rechtsprechung oder Literatur die Auffassung vertreten, dass über Steuerstreitigkeiten generell oder in Fällen mit Auslandsbezug wie im vorliegenden Fall nicht die dafür gesetzlich bestimmten Gerichte der Finanzgerichtsbarkeit (§§ 1, 2, 33 FGO) entscheiden dürften, sondern dass unmittelbar ein „europäischer Gerichtshof” zuständig sei. Dem Beschwerdevorbringen lässt sich auch nicht entnehmen, ob die Kläger den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als zuständig ansehen und aus welchen für diese Gerichte geltenden Rechtsnormen sie die Zuständigkeit ableiten wollen.

2. Aufklärungsrüge

a) Die Rüge, das FG habe den Antrag auf Ortsbesichtigung zu Unrecht abgelehnt, ist zulässig. Da das FG die Beweiserhebung im Urteil ausdrücklich abgelehnt hat, brauchten die Kläger die Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) nicht weiter zu begründen (, BFH/NV 2007, 1089).

b) Ein Verfahrensmangel liegt insoweit nicht vor. Das FG musste aufgrund der von ihm vertretenen materiell-rechtlichen Auffassung dem Beweisantrag nicht stattgeben, da es das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes der Kläger aufgrund der tatsächlichen Aufenthalte der Kläger in dem Holzblockhaus und deren aus verschiedenen Gründen nach wie vor bestehenden engen Beziehungen zum Inland angenommen hat. Auf die Umstände, die sich bei einer Ortsbesichtigung nach den Ausführungen der Kläger ergeben hätten, kam es danach nicht an. Der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des FG zugrunde zu legen (, BFH/NV 2007, 1623, m.w.N.).

3. Die erst durch den Schriftsatz vom geltend gemachten Gründe für die Zulassung der Revision müssen unberücksichtigt bleiben, weil die in § 116 Abs. 3 Satz 1 FGO bestimmte Frist für die Begründung der Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision von zwei Monaten nach der am erfolgten Zustellung der Vorentscheidung an die Kläger mit Ablauf des geendet hatte (§ 54 Abs. 2 FGO i.V.m. § 222 Abs. 1 der Zivilprozessordnung und § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Alternative 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Nach Ablauf dieser Frist gemachte Ausführungen können nur berücksichtigt werden, soweit es sich lediglich um ergänzende Erläuterungen und Vervollständigungen, nicht jedoch um nachgeschobene Gründe handelt (BFH-Beschlüsse vom VII B 142/06, BFH/NV 2007, 873, m.w.N., und vom X B 169/06, BFH/NV 2007, 1504).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:

Fundstelle(n):
KÖSDI 2008 S. 15925 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15931 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15931 Nr. 3
KÖSDI 2008 S. 15932 Nr. 3
XAAAC-66209