BFH Beschluss v. - VIII B 55/07

Nach Einstellung des Insolvenzverfahrens keine Beiladung des Insolvenzverwalters; Kostenentscheidung bei einem unselbständigen Zwischenverfahren

Gesetze: AO § 174 Abs. 4, InsO § 259, FGO § 143

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Adressatin des Einkommensteuerbescheids für 2003 sowie Schuldnerin der dadurch festgesetzten Steuer sei oder ob der Steuerbescheid an den vormaligen Insolvenzverwalter zu adressieren und die Steuerschuld aus der Insolvenzmasse zu begleichen sei.

Mit Beschluss des Amtsgerichts . vom wurde am über das Vermögen der Klägerin, einer Zahnärztin, wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren eröffnet. Zum Insolvenzverwalter wurde der Beigeladene und Beschwerdeführer (Beigeladene) bestellt. Mit Schreiben vom teilte der Beigeladene der Klägerin mit, er gebe ihre Praxis vorbehaltlich der Zustimmung der Gläubigerversammlung, die vom Amtsgericht . für den einberufen worden war, frei. Die Freigabe wurde erteilt. Die Klägerin führte die Praxis fort. Mit Beschluss vom wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben und eine Restschuldbefreiung angekündigt. Der Beklagte (das Finanzamt —FA—) setzte die Einkommensteuer für 2003 mit letztmals am geändertem Bescheid gegen die Klägerin fest. Der Steuerbescheid wurde —entsprechend der auf der von der Klägerin eingereichten Steuererklärung erteilten Empfangsvollmacht— ihrem Steuerberater bekanntgegeben. Dagegen wendete sich die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren mit der noch anhängigen Klage.

Mit —dem Beigeladenen am zugestellten— Beschluss vom 10 K 197/06 hat das Finanzgericht (FG) auf Antrag des FA den Beigeladenen als Insolvenzverwalter gemäß § 174 Abs. 5 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) zum Klageverfahren beigeladen, da die Voraussetzungen des § 174 Abs. 5 Sätze 1 und 2 i.V.m. Abs. 4 Satz 1 AO erfüllt seien.

Mit seiner Beschwerde beantragt der Beigeladene den angefochtenen Beiladungsbeschluss aufzuheben.

Die Praxis der Klägerin sei vom an nicht mehr Bestandteil der Insolvenzmasse gewesen und habe nicht mehr dem Insolvenzbeschlag unterlegen. Es habe fortan ausschließlich der Klägerin obgelegen, Steuererklärungen abzugeben und Steuern abzuführen. Der Gesetzgeber habe diese Rechtslage durch das Gesetz zur Vereinfachung des Insolvenzverfahrens auch klargestellt (vgl. BTDrucks 16/3227, S. 17).

Die Interessen der Masse und damit diejenigen des —vormaligen— Insolvenzverwalters über das Vermögen der Klägerin seien somit eindeutig nicht berührt. Seine Beiladung sei unzulässig; denn wegen fehlenden Insolvenzbeschlags sei es nicht möglich, noch rechtliche Folgerungen bei ihm als Dritten zu ziehen.

Überdies könne er nach Beendigung des Insolvenzverfahrens die streitgegenständlichen Forderungen weder anerkennen noch feststellen. Auch könne ein eventueller Leistungsbescheid des FA gegenüber der Masse nicht mehr durchgesetzt werden.

In der Phase der Restschuldbefreiung träfen ihn keine steuerrechtlichen Pflichten mehr. Er sei ex nunc selbst von der Erfüllung möglicherweise versäumter steuerlicher Pflichten befreit.

Das FA beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.

Die bloße Freigabe eines Massegegenstandes beende nicht die —hier allein streitige— Steuerschuldnerschaft des Insolvenzverwalters. Im Klageverfahren sei gerade die Frage des Insolvenzbeschlags streitig. Im Übrigen sei die Steuerfestsetzung unabhängig von deren Erhebung. Außerdem sei ggf. zu prüfen, ob ein Haftungsschuldner vorhanden sei.

II. Die Beschwerde ist zulässig. Gegen die Beiladung steht den Beteiligten gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 57 der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Beschwerde zu.

Die Beschwerde ist begründet. Der Beiladungsbeschluss des FG war aufzuheben.

1. Nach § 174 Abs. 4 Satz 1 AO können, wenn ein Steuerbescheid aufgrund irriger Beurteilung eines Sachverhalts rechtsfehlerhaft war und deshalb aufgrund eines Antrags oder Rechtsbehelfs zugunsten des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert worden ist, aus dem Sachverhalt nachträglich durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheids die richtigen Folgerungen gezogen werden. Eine solche „korrespondierende Folgeänderung” ist gemäß § 174 Abs. 5 Satz 1 AO auch einem Dritten gegenüber zulässig, wenn dieser an dem Verfahren beteiligt war, das zur Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Bescheids geführt hat. Dementsprechend ist nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO seine Hinzuziehung oder Beiladung zu diesen Verfahren zulässig. Eine Beiladung nach § 174 Abs. 5 Satz 2 AO setzt danach voraus,

a) dass ein Steuerbescheid möglicherweise wegen irriger Beurteilung eines Sachverhalts aufzuheben oder zu ändern ist,

b) dass hieraus sich möglicherweise steuerliche Folgerungen für einen Dritten durch Erlass oder Änderung eines Steuerbescheides ziehen lassen und

c) dass das FA die Beiladung veranlasst und beantragt hat (, BFH/NV 2002, 158, m.w.N.).

2. Eine Beiladung kommt indes —ausnahmsweise— dann nicht in Betracht, wenn rechtliche Interessen des Dritten durch die Entscheidung des FG über die Klage des Steuerpflichtigen eindeutig nicht berührt sein können (vgl. , BFH/NV 1999, 1443; vom X R 20/91, BFH/NV 1994, 523, m.w.N.; BFH-Beschlüsse vom I B 137/04, BFH/NV 2005, 835; vom XI B 16/00, BFH/NV 2002, 308).

3. Im Streitfall ist nach den Feststellungen des FG vom Amtsgericht . durch rechtskräftig gewordenen Beschluss vom das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin aufgehoben worden.

Nach § 259 Abs. 1 der Insolvenzordnung erlangt der bisherige Insolvenzschuldner zwingend damit die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis über sein Vermögen zurück. Insoweit handelt es sich um nicht dispositives Recht. Damit ist das Fortbestehen einer Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des vormaligen Insolvenzverwalters kraft Gesetzes ausgeschlossen (vgl. Beschluss des Oberlandesgerichts Celle vom 4 U 166/06, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht und Insolvenzpraxis 2006, 2394, m.umf.N.).

Somit kann das FA ab diesem Zeitpunkt vom Beigeladenen als vormaligem Insolvenzverwalter nicht mehr die Erfüllung steuerlicher Pflichten verlangen (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom VII R 25/94, BFH/NV 1996, 13; vom V R 46/94, BFH/NV 1995, 858).

Nicht entscheidungserheblich ist der Hinweis des FA, es sei noch zu prüfen, ob der vormalige Insolvenzverwalter ggf. als Haftungsschuldner für Steuerschulden der Klägerin in Anspruch genommen werden könne. § 174 Abs. 5 Satz 2 AO stellt einen eigenständigen Beiladungstatbestand dar. Die Aufhebung eines Steuerbescheides rechtfertigt deshalb keine Änderung eines Haftungsbescheids nach § 174 Abs. 4 und 5 AO, so dass auch aus diesem Grund eine Beiladung des Beigeladenen eindeutig nicht in Betracht kommt und der Beiladungsbeschluss deshalb aufzuheben ist (BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 158).

4. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da die Entscheidung über die Beiladung in einem unselbständigen Zwischenverfahren ergeht (§ 143 Abs. 1 FGO) und die Kosten dieses Nebenverfahrens mit denen des Hauptverfahrens eine Einheit bilden (vgl. , BFH/NV 2004, 918, m.w.N.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
GAAAC-64813