BGH Beschluss v. - IX ZB 234/06

Leitsatz

[1] a) Die Verwertung von Mobiliarvermögen ist regelmäßig keine Sonderaufgabe, welche die Einschaltung eines gewerblichen Verwerters auf Kosten der Masse rechtfertigt.

b) Die Verwertung kann jedoch als Sonderaufgabe angesehen werden, wenn sie von dem Insolvenzverwalter nicht oder nur unzureichend bzw. mit wesentlich ungünstigeren Erfolgsaussichten als von einem gewerblichen Verwerter vorgenommen werden kann.

c) Die Übertragung der Verwertung auf einen gewerblichen Verwerter kann einen Abschlag von der Insolvenzverwaltervergütung rechtfertigen.

d) Auch die Erledigung von Regelaufgaben, die besondere Anforderungen an den Insolvenzverwalter stellt und ihn außergewöhnlich belastet, kann zu einer Erhöhung der Regelvergütung führen.

Gesetze: InsO § 63; InsVV § 3 Abs. 1 Buchst. a; InsVV § 3 Abs. 2; InsVV § 4 Abs. 1 Satz 3

Instanzenzug: AG Chemnitz 1017 IN 2247/99 vom LG Chemnitz 3 T 402/06 vom

Gründe

I.

Der weitere Beteiligte wurde am zum Insolvenzverwalter in dem am selben Tage eröffneten Verfahren über das Vermögen der S. (fortan: Schuldnerin) bestellt. Er hat beantragt, seine Vergütung auf 30.207,65 € zuzüglich Umsatzsteuer und pauschalen Auslagenersatz festzusetzen. Dem liegen eine bereinigte Teilungsmasse von 79.395,49 € und ein 1,65-facher Satz der Regelvergütung zugrunde. Unter anderem hat er einen Zuschlag von 10 v.H. für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten geltend gemacht.

Das Amtsgericht - Insolvenzgericht - hat die Vergütung auf 21.386,28 € zuzüglich Umsatzsteuer festgesetzt. Den beantragten Zuschlag für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten hat es nicht anerkannt. Die aus der Masse bezahlten Kosten eines Verwerters in Höhe von 6.690,63 € hat es vergütungsmindernd berücksichtigt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht die sofortige Beschwerde des Insolvenzverwalters zurückgewiesen. Dagegen wendet sich dieser mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Das statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 567 Abs. 2, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) Rechtsmittel ist zulässig (§ 574 Abs. 2 ZPO). Es führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.

1. Das Landgericht hat den Abzug der Kosten für die Einschaltung eines Verwerters unzutreffend behandelt.

a) Der Insolvenzverwalter hat mit seiner sofortigen Beschwerde beanstandet, dass das Insolvenzgericht die Kosten für die Einschaltung eines Verwerters in Höhe von 6.690,63 € (netto) von seiner Vergütung abgezogen hat. Das Landgericht hat sich in dem angefochtenen Beschluss ausdrücklich seiner Auffassung angeschlossen, dass die Einschaltung des Verwerters erforderlich und der Insolvenzverwalter demgemäß berechtigt gewesen sei, die angefallenen Kosten aus der Masse zu begleichen. Es hat weiter ausgeführt, dass eine Kürzung der Vergütung um diesen Betrag unzulässig gewesen wäre, indes im vorliegenden Fall nicht erfolgt sei; das Insolvenzgericht habe lediglich "die Zuschlagshöhe niedriger angenommen", was nicht zu beanstanden sei.

Diese Auffassung steht im Widerspruch zu dem Beschluss des Insolvenzgerichts und verletzt den Anspruch des Beschwerdeführers auf ein objektiv willkürfreies Verfahren (Art. 3 Abs. 1 GG). Das Insolvenzgericht hat den an den Verwerter gezahlten Betrag von 6.690,63 € in vollem Umfang von der Vergütung abgezogen. Bei einer angenommenen Teilungsmasse von 79.395,49 € beträgt die Regelvergütung gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 InsVV 18.307,68 € (netto). In Verbindung mit einem Regelsatz von 1,55 folgt daraus eine Vergütung von (aufgerundet) 28.376,92 €. Abzüglich des Betrages von 6.990,63 € ergibt sich eine Vergütung von 21.386,28 €. Dies entspricht dem vom Insolvenzgericht festgesetzten Betrag.

b) Dieser Rechtsfehler ist auch entscheidungserheblich.

aa) Allerdings ist die Einschaltung eines gewerblichen Verwerters für die Verwertung von Mobiliarvermögen nicht in jedem Fall als Sonderaufgabe im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 und 3 InsVV anzuerkennen. Soweit in der Literatur generell die gegenteilige Ansicht vertreten wird (Hess, Insolvenzrecht 2007 § 4 InsVV Rn. 10), ist dieser nicht zu folgen. Grundsätzlich gehört die Verwertung zu den Regelaufgaben des Insolvenzverwalters (, ZIP 2005, 36, 37; MünchKomm-InsO/Nowak, 2. Aufl. § 4 InsVV Rn. 14; Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, InsO § 4 InsVV Rn. 41; Keller, Vergütung und Kosten im Insolvenzverfahren 2. Aufl. Rn. 191).

Allerdings werden in der Praxis nicht selten Ausnahmen zu machen sein. Solche sind etwa dann anzuerkennen, wenn die Verwertung im Einzelfall von dem Insolvenzverwalter nicht oder nur unzureichend bzw. mit wesentlich geringerem Erfolg bewerkstelligt werden kann. So wird es sich insbesondere dann verhalten, wenn Kunstgegenstände oder sonstige Objekte verwertet werden müssen, für die ein besonderer Markt besteht, oder wenn die Verwertung im Ausland erfolgen muss (Kübler/Prütting/Eickmann/Prasser, InsO § 4 InsVV Rn. 41, 45). Für eine Ausnahme reicht es ferner aus, dass deutlich bessere Erlösaussichten bestehen, wenn die Masse von einem speziell dafür ausgerüsteten gewerblichen Verwerter und nicht von dem Insolvenzverwalter verwertet wird. Ausschlaggebend hierfür können etwa das überlegene Fachwissen des Verwerters, seine Vertrautheit mit dem Markt, bessere Geschäftsbeziehungen oder das Vorhandensein eines auf diese Aufgabe spezialisierten, eingearbeiteten Mitarbeiterstabes sein.

Sind hingegen nur einige wenige Gegenstände zu verwerten, deren Veräußerung auch Laien geläufig ist - etwa Kraftfahrzeuge in geringer Zahl -, wird die Einschaltung eines gewerblichen Verwerters auf Kosten der Masse ausscheiden.

Nach den Darlegungen des Insolvenzverwalters hat die Verwertung des Anlage- und Umlaufvermögens der Schuldnerin 136 Einzelpositionen betroffen. Zwei Einzelpositionen hätten ihrerseits diverses Material und Kleinwerkzeuge umfasst. Die Verwertung sei teils im Einzel-, teils im Paketverkauf erfolgt. Wenn das Beschwerdegericht deshalb die Beauftragung eines professionellen Verwerters für gerechtfertigt angesehen hat, ist diese - im Rechtsbeschwerdeverfahren von niemandem beanstandete - Auffassung hinzunehmen.

bb) Allerdings kann die Auslagerung der Verwertung zu einem Abzug bei der Verwaltervergütung führen, wenn nämlich der normalerweise von dem Insolvenzverwalter zu leistende Aufwand erheblich verringert worden ist (§ 3 Abs. 2 InsO). Die externe Erledigung einer Aufgabe, die nur wegen der außergewöhnlichen Umstände des Einzelfalles als Sonderaufgabe anzusehen ist, hat dem Insolvenzverwalter eine Regelaufgabe erspart. Für die Instanzgerichte hat sich diese Frage - wegen des dort eingenommenen grundlegend anderen Ausgangspunkts - nicht gestellt. Die Bemessung eines etwaigen Abschlags ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Die Zurückverweisung gibt diesem Gelegenheit, diese Prüfung nachzuholen. Dabei wird auch darauf Rücksicht genommen werden müssen, dass der Insolvenzverwalter durch die Einschaltung des Verwerters nicht nur entlastet worden ist, sondern - über die erhöhte Berechnungsgrundlage seiner Vergütung - auch von dessen Verwertungserfolg profitiert hat.

2. Auch die Ablehnung eines Zuschlags von 10 v.H. für die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten (§ 3 Abs. 1 Buchst. a InsVV) leidet unter Rechtsfehlern.

a) Der Insolvenzverwalter hat zu der Berechtigung des Zuschlags geltend gemacht, dass er in aufwändiger Weise die Reichweite der Zubehörhaftung mit der Grundpfandgläubigerin habe klären müssen. Außerdem habe er eine die §§ 166 ff InsO modifizierende Vereinbarung über die Einziehung der von einer Globalzession erfassten Forderungen in Höhe von nominal 336.237,72 € getroffen. Vorab habe er der Frage nachgehen müssen, inwiefern die Globalzession mit dem verlängerten Eigentumsvorbehalt eines Lieferanten kollidiere. Der damit verbundene erhebliche Mehraufwand sei nicht durch die letztlich erzielten, die Berechnungsgrundlage der Vergütung erhöhenden Massezuwächse ausglichen worden.

b) Das Beschwerdegericht hat sich mit diesem Vortrag nur unzureichend befasst, weil es gemeint hat, die Klärung von - selbst schwierigen - Rechtsfragen, etwa bezüglich der Zubehöreigenschaft, gehöre "zu den originären Aufgaben des Insolvenzverwalters". Damit hat es verkannt, dass auch die Erledigung von Regelaufgaben, die besondere Anforderungen an den Insolvenzverwalter stellt und ihn außergewöhnlich belastet, zu einer Erhöhung der Regelvergütung führen kann (, NZI 2007, 45; Haarmeyer/Wutzke/Förster, Insolvenzrechtliche Vergütung 4. Aufl. § 2 Rn. 24, § 4 Rn. 30; Keller, aaO).

c) Das Landgericht wird sich deshalb mit den Fragen, ob die Bearbeitung von Aus- und Absonderungsrechten einen erheblichen Teil der Tätigkeit des weiteren Beteiligten ausgemacht hat (vgl. dazu , NZI 2007, 40, 41 f) und ob ein entsprechender Mehrbetrag nach § 1 Abs. 2 Nr. 1 InsVV angefallen ist, erneut befassen müssen.

3. Da das Rechtsmittel des weiteren Beteiligten zu einer Erhöhung der festzusetzenden Regelvergütung führen kann, wird nach der Zurückverweisung auch die - von der Rechtsbeschwerde außerdem angestrebte - Anpassung des nach § 8 Abs. 3 InsVV in Anspruch genommenen pauschalen Auslagenersatzes zu prüfen sein (vgl. , ZIP 2007, 188, 189 r. Sp.).

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2705 Nr. 50
NJW 2008 S. 662 Nr. 10
ZIP 2007 S. 2323 Nr. 49
BAAAC-64725

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja