BGH Beschluss v. - IX ZB 72/06

Leitsatz

[1] Die Wohlverhaltensphase beginnt bei Insolvenzverfahren, die vor dem eröffnet wurden, mit der Aufhebung des Insolvenzverfahrens und dauert sieben Jahre, es sei denn, der Schuldner war bereits vor dem zahlungsunfähig.

Gesetze: InsO § 287 Abs. 2 a.F.; EGInsO Art. 103a; EGInsO Art. 107 a.F.

Instanzenzug: AG Osnabrück 27 IK 7/00 vom LG Osnabrück 5 T 265/06 vom

Gründe

I.

Das für den Schuldner zuständige Finanzamt beantragte am , über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren zu eröffnen. Mit Beschluss vom erließ das Insolvenzgericht gegen den Schuldner, der eine Praxis für Allgemeinmedizin betreibt, ein allgemeines Verfügungsverbot. Gleichzeitig wurde der weitere Beteiligte zum vorläufigen Treuhänder bestellt und mit der Ausarbeitung eines Gutachtens betraut. Am stellte der Schuldner Eigenantrag und beantragte, ihm Restschuldbefreiung zu gewähren. Mit Schriftsatz vom legte er die Abtretungserklärung gemäß § 287 Abs. 2 InsO vor. Mit Beschluss vom eröffnete das Insolvenzgericht über das Vermögen des Schuldners das Insolvenzverfahren und bestellte den weiteren Beteiligten zum Treuhänder.

Mit Beschluss vom ordnete das Insolvenzgericht an, dass die Wohlverhaltensperiode sieben Jahre betrage, beginnend mit der Verfahrensaufhebung durch noch zu erlassenden Beschluss. Hiergegen legte der Schuldner Beschwerde ein und beantragte, den angefochtenen Beschluss dahingehend zu ändern, dass die Wohlverhaltensperiode fünf Jahre, hilfsweise sieben Jahre, beginnend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am , betrage. Mit Beschluss vom hat das Landgericht die Beschwerde zurückgewiesen. Dieser Beschluss wurde dem damaligen Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners am zugestellt. Der Bevollmächtigte legte mit Schriftsatz vom , am gleichen Tag beim Beschwerdegericht eingegangen, hiergegen Rechtsbeschwerde ein. Am teilte das Beschwerdegericht dem Bevollmächtigten mit, der angekündigten Begründung der Rechtsbeschwerde werde binnen einer Woche entgegengesehen. Sodann werde über eine Abhilfe/Abgabe an den Bundesgerichtshof entschieden werden. Mit Schriftsatz vom , am gleichen Tag beim Beschwerdegericht eingegangen, suchte der Verfahrensbevollmächtigte um Fristverlängerung nach, die um eine Woche verlängert wurde. Mit Verfügung vom legte das Beschwerdegericht die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung über die Rechtsbeschwerde vor. Mit Verfügung vom wurde sodann der Verfahrensbevollmächtigte des Schuldners vom Bundesgerichtshof darauf hingewiesen, dass die Rechtsbeschwerde nach Ablauf der einmonatigen Beschwerdefrist am eingegangen sei.

Der Schuldner begehrt Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einlegung der Rechtsbeschwerde und verfolgt mit der Rechtsbeschwerde seinen bisherigen Antrag, die Wohlverhaltensphase auf sieben Jahre, beginnend mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens am , festzusetzen.

II.

1. Dem Schuldner war Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsbeschwerdefrist zu gewähren. Auch wenn der Hinweis des Beschwerdegerichts in der Verfügung vom , nach Vorlage der Beschwerdebegründung werde die Frage der "Abgabe" des Rechtsbeschwerdeverfahrens an den Bundesgerichtshof geprüft, für den Verfahrensbevollmächtigten des Schuldners Anlass hätte bieten können, festzustellen, dass er die Rechtsbeschwerde nicht ordnungsgemäß eingelegt hatte, wäre die Fristversäumung bei pflichtgemäßer Weiterleitung der am beim Beschwerdegericht eingegangenen Rechtsbeschwerde an den Bundesgerichtshof im ordentlichen Geschäftsgang vermieden worden, so dass Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (vgl. BVerfGE 93, 99, 112 f.; BVerfG NJW 2005, 2137, 2138; , NJW 1998, 908; Beschl. v. - IX ZB 46/98, VersR 1999, 1170, 1171; Beschl. v. - VI ZB 75/03, NJW-RR 2004, 1655, 1656). In diesem Falle hätte die Rechtspflegerin, wie in ihrer Verfügung vom , den Schuldner darauf hingewiesen, dass eine Rechtsbeschwerde nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses ordnungsgemäß eingelegt werden kann. Diese Verfügung wäre dem Schuldner noch so rechtzeitig zugegangen, dass er innerhalb der am endenden Rechtsbeschwerdefrist eine ordnungsgemäße Rechtsmitteleinlegung hätte veranlassen können.

2. Die nach §§ 6, 7, § 289 Abs. 2 InsO in Verbindung mit § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung aufweist und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 4 InsO in Verbindung mit § 574 Abs. 2 ZPO.

Die Rechtsbeschwerde wendet sich erfolglos gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, die Laufzeit der Abtretungserklärung des Schuldners betrage sieben Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Für den von der Rechtsbeschwerde begehrten Beginn mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum ist kein Raum.

a) Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Beschluss über die Ankündigung der Restschuldbefreiung nach § 291 InsO keine Aussage zur Laufzeit der Abtretungserklärung enthalten (vgl. , ZIP 2006, 1651, 1652). Die Angabe der durch § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO vorgegebenen Laufzeit wird lediglich im Interesse der Rechtsklarheit für wünschenswert gehalten. Kommt nach Art. 107 EGInsO noch eine auf fünf Jahre verkürzte Laufzeit in Betracht, wird eine Verpflichtung des Insolvenzgerichts zur Festlegung der Laufzeit im Beschluss angenommen, weil die Gläubiger und der Schuldner einen Anspruch auf Klarheit über die Dauer der Wohlverhaltensphase hätten (vgl. MünchKomm-InsO/Stephan InsO, § 287 Rn. 67; FK-InsO/Ahrens 4. Aufl., § 291 Rn. 12). Gleiches gilt für den hier gegebenen Fall eines Verfahrens, das vor dem eröffnet wurde. Für diese Verfahren besteht ein Bedürfnis für die Feststellung, dass die Regelung des § 287 Abs. 2 InsO n.F. nicht gilt.

b) Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 287 Abs. 2 InsO, wonach die Abtretung für die Zeit von sechs Jahren nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt, eine Verkürzung der bisherigen langen Verfahrensdauer angestrebt (vgl. Begründung Rechtsausschuss, BT-Drucks. 14/6468 S. 18). Gleichwohl wurde davon abgesehen, die neue Regelung auf die Altfälle zu erstrecken. Die Überleitungsvorschrift des Art. 103 a EGInsO ordnet ausnahmslos an, dass auf Insolvenzverfahren, die vor dem eröffnet worden sind, die bis dahin geltenden gesetzlichen Vorschriften weiter anzuwenden sind. Die Verfassungsmäßigkeit des Art. 103a EGInsO ist nicht zu bezweifeln. Der Senat geht in ständiger Rechtsprechung von der Wirksamkeit dieser Vorschrift aus (vgl. , NZI 2004, 452, 453; v. - IX ZA 9/04, NZI 2004, 635; v. - IX ZB 237/04, n.v.). Dies gilt auch für § 287 Abs. 2 Satz 1 InsO in der bis zum geltenden Fassung, nach der die Laufzeit der Abtretungserklärung - die sogenannte Wohlverhaltensphase - sieben Jahre, gerechnet ab Aufhebung des Insolvenzverfahrens, beträgt (, mitgeteilt bei Ganter NZI 2007, Beilage zu Heft 5/2007 S. 19). Als der Schuldner die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über sein Vermögen und die Restschuldbefreiung beantragt hat, musste er sich darauf einrichten, dass die Wohlverhaltensphase erst mit der Verfahrensbeendigung beginnen und sieben Jahre betragen würde. Irgendwelche Erwartungen des Schuldners sind somit nicht enttäuscht worden. Es ist Gesetzesänderungen mit stichtagsbezogenen Übergangsregelungen immanent, dass vergleichbare Fälle aufgrund eines von dem Betroffenen oft nicht beeinflussbaren zeitlichen Moments unterschiedlich behandelt werden müssen. Dies stellt keine willkürliche Ungleichbehandlung dar. Auch im Schrifttum besteht angesichts dieser eindeutigen Gesetzesregelung die einhellige Ansicht, dass die Laufzeit der Abtretungserklärung bei diesen Verfahren sieben Jahre nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens betrage (FK-InsO/Ahrens aaO, § 287 Rn. 89 h; Kübler/Prütting/Wenzel, InsO § 287 vor Rn. 1; MünchKomm-InsO/Stephan, § 287 Rn. 58; Nerlich/Römermann, InsO § 287 vor Rn. 1; Uhlenbruck/Vallender aaO, § 287 Rn. 42). Eine Verkürzung der gesetzlich vorgesehenen Laufzeit im Wege richterlicher Rechtsfortbildung scheidet unter diesen Umständen aus.

3. Das Prozesskostenhilfegesuch ist mangels Erfolgsaussicht (§ 114 ZPO) unbegründet und deshalb zurückzuweisen.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
WM 2007 S. 2302 Nr. 49
HAAAC-64266

1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja