Leitsatz
[1] Zur Haftung eines Anlagevermittlers von Fondsanteilen aus einem stillschweigend geschlossenen Auskunftsvertrag, wenn er über deren Sicherheit und Rentierlichkeit unrichtige Angaben macht und es gewähren lässt, dass der Anleger im vom Vermittler vorbereiteten Kaufauftrag an die Kapitalanlagegesellschaft unter allen in Betracht kommenden Anlegertypen (sicherheitsorientiert, konservativ, gewinnorientiert, risikobewusst) eingeordnet wird.
Gesetze: BGB § 675 Abs. 2
Instanzenzug: LG Heidelberg 1 O 368/04 vom OLG Karlsruhe 1 U 110/05 vom
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte zu 2 aus eigenem und aus abgetretenem Recht seiner Ehefrau auf Schadensersatz mit der Behauptung in Anspruch, durch unzureichende Beratungsleistungen seit Februar 2000 zum Erwerb verschiedener Fondsanteile der Deutschen Investment-Trust Gesellschaft für Wertpapieranlagen mbH (im Folgenden: DIT) veranlasst worden zu sein, deren Wert in der Folgezeit erheblich gefallen sei. Der für die Beklagte zu 2 tätige Handelsvertreter, der frühere Beklagte zu 1, habe ihm und seiner Ehefrau zur Kündigung eines Kapitallebensversicherungsvertrags geraten und die mit dem Erwerb der Investmentfondsanteile verbundenen Risiken verschwiegen.
Nachdem der Kläger und seine Ehefrau die Investmentfondsanteile im November 2003 verkauft haben, verlangt der Kläger - jeweils mit Zinsen - Schadensersatz wegen des Verlustes aufgewendeten Kapitals in Höhe von 17.180,88 € und wegen eines Zinsverlustes bis zur Veräußerung in Höhe von 4.575,67 €. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision, die auf die gegen die Beklagte zu 2 gerichtete Klage beschränkt wurde, verfolgt der Kläger sein Begehren nur noch gegen die Beklagte zu 2 weiter.
Gründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit es die gegen die Beklagte zu 2 (im Folgenden: Beklagte) gerichtete Klage betrifft, und insoweit zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht zieht eine Haftung der Beklagten aus einem Auskunftsvertrag in Betracht, verneint sie aber im Ergebnis mit der Erwägung, eine Pflichtverletzung sei nicht erkennbar. Der für die Beklagte tätige Handelsvertreter habe die zutreffende Auskunft erteilt, dass die Lebensversicherung des Klägers kündbar sei. Im Kaufauftrag an den DIT habe der Kläger angegeben, "risikobewusst (4)" zu sein, was bedeute, dass der Anleger "nicht kalkulierbare Verlustrisiken" einzugehen bereit sei. Dies vermindere den Inhalt von Beratungspflichten des Vermittlers. Aus seinem Hinweis, dass die Kapitalanlage bei dem DIT mindestens 17 Jahre bestehen bleiben müsse, um einen höheren Gewinn als bei der Lebensversicherung zu erwarten, ergebe sich im Umkehrschluss, dass der Wert bei einer kürzeren Anlage geringer sein könne als der Auszahlungsanspruch aus der Lebensversicherung. Unter diesen Umständen habe der Vermittler seine Pflichten erfüllt.
II.
Diese Beurteilung hält den Rügen der Revision nicht stand.
1. a) In der Klageschrift hat der Kläger unter Beweisantritt vorgetragen, Ende des Jahres 1999/Anfang des Jahres 2000 habe der für die Beklagte tätige Handelsvertreter festgestellt, dass der Kläger und seine Ehefrau bei der Allianz Lebensversicherung eine Kapitallebensversicherung abgeschlossen hätten, in die bereits erhebliche Geldbeträge einbezahlt worden seien. Er habe daraufhin erklärt, dass ihr Geld dort nicht gut angelegt sei und dass er ihnen eine Anlageform empfehlen könne, bei der ihr Vermögen und weiterhin anzusparendes Geld in jedem Fall eine bessere Rendite erzielen würde als bei der Kapitallebensversicherung. Der Kläger und seine Ehefrau hätten dem Handelsvertreter mehrmals und ausdrücklich erklärt, dass sei bei ihrer Geldanlage keinerlei Risiko eingehen wollten. Aus diesem Grunde hätten sich bereits Mitarbeiter von mehreren Banken, zu denen sie Kundenbeziehungen unterhielten, vergeblich wegen der Empfehlung von risikobehafteten Aktienanlagen "die Zähne ausgebissen". Aus diesem Grund seien sie gar nicht an einer Kündigung ihres Lebensversicherungsvertrags interessiert. Daraufhin habe der Handelsvertreter erwidert, dass er Investmentfonds vorschlagen würde, bei denen keinerlei Risiko für das zu investierende Kapital bestehe und die in jedem Fall eine deutlich bessere Rendite als die momentan vorhandene Lebensversicherung erzielen würde. Als einzige Bedingung oder Einschränkung habe der Handelsvertreter erklärt, dass die Eheleute die Anlage zehn Jahre lang "nicht anschauen" dürften, dass sie sie also zehn Jahre lang liegen lassen müssten, dann würden sie aber in jedem Fall eine bessere Rendite als die Ablaufleistung der Lebensversicherung haben. Daraufhin hätten sie sich mit den Vorschlägen des Handelsvertreters einverstanden erklärt, so dass dieser ein Kündigungsschreiben an die Allianz Lebensversicherung für sie verfasst habe, welches sie nur noch hätten unterzeichnen müssen. Dieser Vortrag des Klägers ist im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils, auf den das Berufungsgericht Bezug nimmt, knapp zusammengefasst.
b) Auf der Grundlage dieses Vortrags können Schadensersatzansprüche des Klägers gegen die Beklagte, die sich beim Vertrieb der Kapitalanlage ihres Handelsvertreters als Erfüllungsgehilfen bedient hat, nicht ausgeschlossen werden. Vielmehr ist, wie auch das Berufungsgericht erwägt, eine Haftung der Beklagten aus einem zwischen ihr und den Anlageinteressenten geschlossenen Auskunftsvertrag in Betracht zu ziehen. Ein solcher Vertrag mit Haftungsfolgen kommt im Rahmen der Anlagevermittlung zumindest stillschweigend zustande, wenn der Interessent deutlich macht, dass er, auf eine bestimmte Anlageentscheidung bezogen, die besonderen Kenntnisse und Verbindungen des Vermittlers in Anspruch nehmen will und der Anlagevermittler die gewünschte Tätigkeit beginnt. Ein solcher Vertrag verpflichtet den Vermittler zu richtiger und vollständiger Information über diejenigen tatsächlichen Umstände, die für den Anlageentschluss des Interessenten von besonderer Bedeutung sind (vgl. - NJW-RR 1993, 1114 f; vom - III ZR 62/99 - NJW-RR 2000, 998; vom - III ZR 381/02 - NJW-RR 2003, 1690; vom - III ZR 122/05 - NJW-RR 2007, 348, 349 Rn. 9; vom - III ZR 218/06 - NJW-RR 2007, 925 Rn. 4; vom - III ZR 83/06 - WM 2007, 1606, 1607 Rn. 8).
Nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Klägers kann der Abschluss eines Auskunftsvertrages nicht verneint werden. Denn der Kläger und seine Ehefrau waren an einer Information über die Rentierlichkeit und Sicherheit der angebotenen Kapitalanlage interessiert, und zwar vor allem im Hinblick auf einen bestehenden Lebensversicherungsvertrag, aus dessen Kündigung anzulegende Gelder fließen sollten, sowie bei weiter folgenden Kapitalanlagen in Bezug auf Gelder, die aus frei werdenden Sparverträgen zur Verfügung standen.
Darüber hinaus kann nach dem Vorbringen des Klägers, dessen Vermögensbelange seit Jahren von Vertretern der Beklagten wahrgenommen worden sind, nicht ausgeschlossen werden, dass - weitergehend - zwischen den Parteien ein Beratungsvertrag zustande gekommen ist.
2. Die Revision rügt mit Recht, dass die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht genügen, um die Verletzung von Auskunftspflichten des Vermittlers zu verneinen.
a) Soweit das Berufungsgericht ausführt, der Vermittler habe die richtige Auskunft erteilt, dass die Lebensversicherung kündbar sei, berücksichtigt es nicht hinreichend den nach dem Klagevortrag bestehenden zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zwischen der Kündigung der Lebensversicherung und der Anlage in Investmentfonds. Es ging dem Kläger und seiner Ehefrau nicht isoliert um die Frage, ob die Lebensversicherung kündbar sei. Vielmehr sollten dem Kläger durch die Kündigung der Lebensversicherung gerade liquide Finanzmittel verschafft werden, um anderweitig angelegt zu werden. Das Berufungsgericht befasst sich in diesem Zusammenhang nicht mit dem näheren Inhalt der Beratung, der nach dem Vortrag des Klägers dahin ging, der Vermittler habe die Anlage in Investmentfonds als sicher und ungeachtet der mit einer Kündigung des Lebensversicherungsvertrags verbundenen finanziellen Nachteile als rentierlicher empfohlen. Es geht auch nicht näher auf die Frage ein, dass der Vermittler nach dem Vortrag des Klägers durch die Verwendung des Begriffs "Investmentfonds" verschleiert hat, dass es sich um Aktienfonds handele, bei denen das Aktienrisiko auf den Fonds durchschlägt, und dass unter gewissen Voraussetzungen, etwa einem Kurseinbruch, massive Verluste drohen. Feststellungen, dass der Vermittler den Kläger und seine Ehefrau über diese Zusammenhänge unterrichtet hätte, hat das Berufungsgericht nicht getroffen. Es sind auch keine Unterlagen vorgelegt worden, die den Schluss erlauben, sie hätten hierüber nicht informiert werden müssen.
b) Die Klageabweisung wird nach dem bisherigen Sachstand auch nicht durch die Erwägung getragen, der Kläger habe eine Beratung nicht benötigt, weil er sich im Kaufauftrag als "risikobewusst" bezeichnet habe. Es mag zutreffen, dass die Beratungspflichten gegenüber einem risikobewussten Anleger geringer sein können, wenn er den Eindruck erweckt, er wolle die von ihm gesehenen Risiken bewusst eingehen. Der Klägervortrag geht jedoch gerade dahin, er sei von dem Vermittler über die Risiken einer Anlage in Investmentfonds nicht richtig informiert worden.
Es kommt hinzu, dass in dem durch den Vermittler vorbereiteten Kaufauftrag nicht allein der Anlegertyp "risikobewusst" angekreuzt worden ist, sondern alle in Betracht kommenden Anlegertypen (sicherheitsorientiert, konservativ, gewinnorientiert, risikobewusst). Die Beklagte, die dies selbst als in sich widersprüchlich ansieht, hat hierzu vorgetragen, sofern ein Kunde angegeben habe, er wolle als risikobewusst eingestuft werden, seien seinerzeit vom Vermittler sämtliche Kategorien angekreuzt worden. Dies habe die Bedeutung, dass der Anleger sogar bereit sei, Fonds zu erwerben, die der (höchsten) Risikoklasse 4 zuzuordnen seien. Entsprechend sei die Angabe vom DIT auch gedeutet worden. Der DIT habe diese Lesart verstehen können, weil der hier tätige Vermittler keineswegs der einzige gewesen sei, der auf diese Weise die Eintragungen vorgenommen habe. Um Irritationen oder Missverständnisse zu vermeiden, sei man erst später übereingekommen, nur ein Kreuz zu fertigen.
Dieser Vorgang ist nicht geeignet, eine fehlerfreie Gesprächsführung durch den Vermittler zu belegen. Die Angaben zum Anlegertyp, die freiwillig erteilt werden, liegen im Interesse des Kunden, weil der Kapitalanlagegesellschaft hierdurch bei allen Aufträgen die Prüfung ermöglichst wird, ob die Anlageklasse (Risikoprofil) des gewählten Fonds noch mit dem Anlegertyp des Kunden vereinbar ist. Wenn auch die Zuordnung zu einem bestimmten Anlegertyp letztlich Sache des Kunden selbst ist, ist der Vermittler nicht der Pflicht enthoben, die Angaben über den Anlegertyp mit dem (bisherigen und in Aussicht genommenen) Anlageverhalten des Kunden in Beziehung zu setzen und bei Widersprüchen eine Klärung herbeizuführen. Dies wird durch den vorformulierten Kaufauftrag erleichtert, der Anlageziel, Risiken, Chancen und Anlagedauer beispielhaft verschiedenen Anlegertypen zuordnet und danach fragt, welche Wertpapiergeschäfte bisher getätigt worden sind und über welches für Anlagezwecke frei verfügbare Monatseinkommen und frei verfügbare Vermögen der Anleger verfügt. Wenn der Kunde unter solchen Umständen zugleich angibt, die Substanzerhaltung der Anlage stehe im Vordergrund und seine Ertragserwartungen gingen deutlich über das marktübliche Zinsniveau hinaus, dann spricht die kritiklose Übernahme solcher Anlegervorstellungen für eine unzulängliche Befragung des Anlegers und/oder für eine nur unzureichende Beschäftigung mit diesen Angaben im Verlauf des Beratungsgesprächs. Die Beklagte macht zwar geltend, dem Kläger und seiner Ehefrau sei alsbald nach den Kaufaufträgen eine Mitteilung des DIT zugegangen, in der die Vormerkung des Anlegertyps "risikobewusst" enthalten gewesen sei. Das Berufungsgericht hat sich indes nicht mit dem Vortrag des Klägers und der Aussage der Zeugin R. auseinandergesetzt, der Vermittler habe auf Nachfrage Bedenken bezüglich des Inhalts dieses Schreibens zerstreut und sie damit im Glauben gehalten, ihr Geld in eine sichere Anlage investiert zu haben.
3. Das angefochtene Urteil ist daher zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2007 S. 2766 Nr. 51
DB 2007 S. 2591 Nr. 47
NWB-Eilnachricht Nr. 3/2008 S. 131
ZIP 2008 S. 512 Nr. 11
HAAAC-63790
1Nachschlagewerk: ja; BGHZ: nein; BGHR: ja