Kein Abzug von Zinsen für ein Refinanzierungsdarlehen nach Veräußerung der im Privatvermögen gehaltenen Beteiligung als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen
Gesetze: EStG § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, EStG § 17, EStG § 20, EStG § 24 Nr. 2
Instanzenzug: ,F (Verfahrensverlauf), , , ,
Gründe
I. Die als Eheleute zusammen veranlagten Kläger und Revisionskläger (Kläger) begehren die steuermindernde Berücksichtigung nachträglicher Aufwendungen für eine wesentliche, vom Kläger in seinem Privatvermögen gehaltene Beteiligung an einer GmbH in den Streitjahren 1998 und 1999.
Der Kläger war Gründungsgesellschafter der P-GmbH mit einer Beteiligung von 50 v.H. am Stammkapital. 1993 veräußerte er seine Beteiligung an der bereits im Vorjahr überschuldeten P-GmbH an den Mitgesellschafter zum Preis von 0 DM. Zusätzlich musste er sich verpflichten, eine Darlehensverbindlichkeit der P-GmbH gegenüber der Sparkasse D in Höhe von 1,2 Mio. DM zur Ablösung von betrieblichen Kreditverpflichtungen zu übernehmen.
Die für das Darlehen in der Folgezeit von ihm entrichteten Zinsen in Höhe von 61 878 DM für 1998 und von 60 904 DM für 1999 erkannte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen (Einkommensteuerbescheide vom und ) an.
Den verbleibenden Verlustabzug zum stellte das FA mit geändertem Bescheid vom für den Kläger auf 103 961 DM und für die Klägerin auf 1 564 DM fest. Die u.a. gegen die Einkommensteuerfestsetzung für 1999 und die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs nach § 10d des Einkommensteuergesetzes (EStG) zum eingelegten Einsprüche wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom als unbegründet zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1361 veröffentlichtem Urteil als unbegründet ab.
Mit der —vom FG im Hinblick auf das inzwischen durch Urteil vom VIII R 64/02 entschiedene Revisionsverfahren zugelassenen— Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
Die mit dem Darlehen des Klägers finanzierten Aufwendungen stellten Anschaffungskosten der im Jahr 1993 veräußerten wesentlichen Beteiligung des Klägers dar. Das Darlehen von 1,2 Mio. DM habe nicht durch den 0 DM betragenden Kaufpreis getilgt werden können. Die geltend gemachten Schuldzinsen beruhten aber auf diesem Darlehen und seien deshalb, wie der ausgeführt habe, als nachträgliche Werbungskosten zum Abzug zuzulassen.
Es handele sich nicht um eine Gegenleistung für die Überlassung von Kapital, welches aufgrund eines nicht steuerbaren Verlustes im privaten Vermögensbereich nicht mehr der Einkünfteerzielung diene, sondern um Folgeaufwendungen des Veräußerungsverlustes gemäß § 17 Abs. 1 und 2 EStG.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils den geänderten Bescheid über die Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zum vom sowie den geänderten Einkommensteuerbescheid für 1999 vom zu ändern und Schuldzinsen in Höhe von 61 878 DM (1998) und von 60 904 DM (1999) als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Übereinstimmend mit der rechtlichen Würdigung des angefochtenen Urteils handele es sich bei den Schuldzinsen um in den Streitjahren nicht berücksichtigungsfähige nachträgliche Werbungskosten.
Die Beteiligten haben erklärt, die während des Revisionsverfahrens erlassenen Änderungsbescheide vom berührten nicht die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffes.
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—).
Das Urteil des FG ist zwar aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Auf der Grundlage der gleichwohl fortgeltenden finanzgerichtlichen Feststellungen ist die Klage indes unverändert als unbegründet abzuweisen; denn die in den Streitjahren 1998 und 1999 geltend gemachten Schuldzinsen sind steuerlich nicht als nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen des Klägers abziehbar (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 24 Nr. 2 EStG).
Die Vorentscheidung ist aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben; denn das FG hat über die angefochtenen Bescheide —den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Einkommensteuer für den Veranlagungszeitraum 1998 und den Einkommensteuerbescheid 1999 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom — entschieden. An die Stelle dieser Bescheide traten während des Revisionsverfahrens die geänderten Bescheide vom .
Damit liegen dem FG-Urteil in ihrer Wirkung suspendierte Bescheide zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil insoweit keinen Bestand mehr haben kann (, BStBl II 2007, 568; vom IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und vom IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
Die Bescheide vom wurden nach § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 FGO Gegenstand des Revisionsverfahrens (, BFHE 190, 67, BStBl II 2000, 454, m.w.N.). Da sich hinsichtlich des Streitpunkts durch die Änderung dieser Bescheide keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keine weiter gehenden Anträge gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden vielmehr nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (BFH-Urteile in BStBl II 2007, 568, sowie in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
III.
1. Die vom Kläger in den Streitjahren 1998 und 1999 geleisteten Schuldzinsen sind nicht als Werbungskosten bei dessen Einkünften aus Kapitalvermögen abziehbar.
a) Finanzierungskosten einer im Privatvermögen gehaltenen GmbH-Beteiligung sind nach ständiger Rechtsprechung des BFH nicht den Anschaffungskosten zuzurechnen, sondern als laufende Werbungskosten im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1, § 20 EStG zu behandeln (, BFH/NV 2005, 54; vom VIII R 74/91, BFH/NV 1993, 714; BFH-Beschlüsse vom VIII B 115/97, BFH/NV 1999, 310; vom VIII B 16/95, BFH/NV 1996, 406). Der Abzug von Zinsen aus Refinanzierungsdarlehen für die Anschaffung einer im Privatvermögen gehaltenen wesentlichen Beteiligung ist allerdings nach der Veräußerung der Beteiligung —als deren entgeltlicher Übertragung (vgl. , BFH/NV 1986, 731)— oder der Auflösung der Gesellschaft als sog. nachträgliche Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen, soweit sie nicht auf die Zeit vor der Veräußerung oder Auflösung entfallen (vgl. zuletzt BFH-Urteile in BFH/NV 2005, 54, und vom VIII R 2/02, BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, sowie BFH-Beschlüsse vom VIII B 147/05, juris; vom VIII B 141/04, BFH/NV 2005, 1783).
b) Dieser Beurteilung steht nicht entgegen, dass nachträgliche Aufwendungen des Anteilseigners, soweit sie —wie der Verlust durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasster Darlehen oder Bürgschaften— zu den nachträglichen Anschaffungskosten gehören, auch noch berücksichtigt werden können, wenn sie nach Abschluss der Liquidation der Gesellschaft anfallen. Die von § 17 EStG erfassten Aufwendungen sind im Rahmen einer stichtagsbezogenen Gewinnermittlung zum Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung oder der Liquidation der Gesellschaft zu berücksichtigen und —soweit sie in diesem Zeitpunkt noch nicht vorhersehbar waren— rückwirkend in die Gewinnermittlung einzubeziehen. Die hiervon abweichende Beurteilung der Schuldzinsen zur Finanzierung der nachträglichen Anschaffungskosten oder der Veräußerungskosten ist eine Folge der gesetzlichen Regelung, nach der auch bei Beteiligungseinkünften i.S. von § 17 EStG die laufenden Aufwendungen nach den für Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen geltenden Grundsätzen zu beurteilen sind. Mit dem Wegfall der Einkünfteerzielung entfällt —ungeachtet der Veranlassung der Aufwendungen durch den Erwerb oder die Sicherung der Beteiligung— auch der erforderliche wirtschaftliche Zusammenhang der Schuldzinsen mit der Einkunftsart (BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 54, m.w.N.).
c) Die gegen diese Rechtsprechung in der Literatur und von einzelnen FG vorgetragenen Argumente hat der Senat wiederholt eingehend geprüft und als nicht gewichtig genug gewertet, um eine jahrzehntelange Rechtsprechung, zumal bei einer unveränderten Gesetzeslage —nämlich einer Wesentlichkeitsgrenze im Jahr 1993 von 25 v.H.—, aufzugeben.
d) Die vom IX. Senat des BFH in den Urteilen vom IX R 28/04 (BFHE 211, 255, BStBl II 2006, 407) und vom IX R 42/97 (BFHE 190, 165, BStBl II 2001, 528) zugelassenen Ausnahmen bei darlehensfinanzierten, als sofort abziehbare Werbungskosten zu qualifizierenden Erhaltungsaufwendungen liegen im Streitfall ersichtlich nicht vor (vgl. auch bereits , BFH/NV 1993, 654, 656 a.E.).
2. Ob der erkennende Senat an seiner Rechtsprechung zum Ausschluss des sog. nachträglichen Schuldzinsenabzugs bei im Privatvermögen gehaltenen Beteiligungen auch noch für die Zeit nach Absenkung der nach § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 1 v.H. durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) und der damit, vorbehaltlich der „Bagatellgrenze”, einhergehenden konzeptionellen Gleichbehandlung von Gewinnausschüttung und Veräußerung (vgl. , BFHE 212, 285, BStBl II 2006, 523; , BFHE 209, 275, BStBl II 2005, 436; vom IX R 15/05, BFHE 211, 273, BStBl II 2006, 171) festhält, ist im Streitfall, in dem im Zeitpunkt der Veräußerung der Beteiligung im Jahr 1993 noch die ursprünglich maßgebliche Beteiligungsgrenze von 25 v.H. gegolten hat, nicht zu entscheiden. Gleiches gilt für die Frage, ob möglicherweise bereits für die Zeit nach Absenkung der maßgeblichen Beteiligungsgrenze auf 10 v.H. durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) eine Änderung der Rechtsprechung zum nachträglichen Schuldzinsenabzug in Betracht zu ziehen wäre.
3. Auch eine „Umqualifizierung” der als Werbungskosten nicht mehr berücksichtigungsfähigen Zinsaufwendungen in nachträgliche Anschaffungskosten mit dem Ziel, die Zinsen als „Beteiligungsaufwendungen” im Rahmen des § 17 EStG abzugsfähig zu machen, ist nach der Rechtsprechung aus rechtssystematischen Gründen ausgeschlossen (BFH-Urteil in BFHE 205, 117, BStBl II 2004, 551, unter II.3.b der Gründe, m.w.N.).
4. Bei diesem Ergebnis kann offenbleiben, ob die Schuldzinsen tatsächlich —wie die Kläger entgegen der rechtlichen Beurteilung durch das FG behaupten— durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst gewesen sind. Finanzierungsmaßnahmen des Gesellschafters sind nämlich nur dann durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst, wenn und insoweit sie eigenkapitalersetzenden Charakter haben; denn nur das mit einer solchen Finanzierungsmaßnahme verbundene Haftungsrisiko rechtfertigt es, sie den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzustellen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2005, 54, m.w.N.). Im Streitfall hat der Kläger indes das Darlehen erst im Zuge der Veräußerung übernommen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 37 Nr. 1
EStB 2008 S. 15 Nr. 1
GmbHR 2007 S. 1342 Nr. 24
YAAAC-63044