BFH Beschluss v. - XI B 194/06

Keine Prozessführungsbefugnis einer vollbeendeten Sozietät; Verstoß gegen § 96 Abs. 1 FGO

Gesetze: FGO § 48 Abs. 1 Nr. 1, FGO § 96

Instanzenzug:

Gründe

1. Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin zu 1. (Klägerin zu 1.) ist mangels Prozessführungsbefugnis unzulässig.

Die Klägerin zu 1. ist eine Sozietät, die nach der Realteilung des Betriebsvermögens vollbeendet ist. Mit der Vollbeendigung ist die Prozessführungsbefugnis der Klägerin zu 1. i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) erloschen. Die Klagebefugnis gegenüber den Gewinnfeststellungsbescheiden ist uneingeschränkt auf die bisherigen Gesellschafter, den Kläger und Beschwerdeführer zu 2. (Kläger zu 2.) und H übergegangen (vgl. , BFHE 170, 320, BStBl II 1994, 607).

2. Die vom Kläger zu 2. eingelegte Beschwerde ist unbegründet.

a) Soweit die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) sowie zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung des BFH (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) begehrt wird, genügt die Beschwerde nicht den Begründungserfordernissen des § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO. Denn es fehlen konkrete Ausführungen zu den geltend gemachten Zulassungsgründen.

Materiell-rechtliche Fehler der angegriffenen Entscheidung rechtfertigen grundsätzlich nicht die Zulassung der Revision nach § 115 Abs. 2 FGO (vgl. , BFH/NV 2007, 1343, m.w.N.). Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) derart schwerwiegende Fehler bei der Auslegung revisiblen Rechts aufweist, dass sie objektiv willkürlich erscheint oder auf sachfremden Erwägungen beruht und unter keinem denkbaren Gesichtspunkt rechtlich vertretbar ist (vgl. , BFH/NV 2007, 969, m.w.N.). Derartig gravierende Mängel hat der Kläger zu 2. nicht substantiiert dargelegt.

b) Ein Verfahrensmangel i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO, auf dem die Entscheidung des FG beruhen könnte, liegt nicht vor.

Die hinsichtlich aller Streitpunkte erhobene Rüge des Klägers zu 2., das FG habe gegen den klaren Inhalt der Akten verstoßen und seine Entscheidung nicht aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens getroffen, greift nicht.

Nach § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO hat das FG seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens, also den gesamten konkretisierten Prozessstoff zugrunde zu legen; insbesondere ist der Inhalt der vorgelegten Akten und das Vorbringen der Prozessbeteiligten vollständig und einwandfrei zu berücksichtigen (vgl. , BFH/NV 2007, 70, m.w.N.).

aa) Umlagen T-GmbH

Der Kläger zu 2. trägt insoweit vor, hinsichtlich der vom Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) bei der Klägerin zu 1. aktivierten Umlagen sei das FG von einer entsprechenden Vereinbarung zwischen der Klägerin zu 1. und der T-GmbH über die Vergütung der von der T-GmbH erbrachten Leistungen ausgegangen, ohne Anhaltspunkte hierfür festzustellen. Zudem seien Ansprüche der Klägerin zu 1. gegenüber der T-GmbH am bzw. am verjährt. Nach dem Eintritt der Verjährung hätten Umlagen durch die Betriebsprüfung nicht mehr aktiviert werden dürfen. Die Nichtberücksichtigung der Verjährung etwaiger Umlageforderungen durch das FG sei ein schwerwiegender Rechtsfehler.

Die Ausführungen im angegriffenen Urteil zu dem Streitpunkt „Umlagen T-GmbH” lassen indes nicht erkennen, dass das FG gegen den klaren Akteninhalt verstoßen hat. Das FG hat im Einzelnen dargelegt, aus welchen Gründen es eine erfolgswirksame Erfassung der Umlagen bei der Klägerin zu 1. für die Streitjahre bejaht hat (Tz. 6 der Entscheidungsgründe). Maßgebend hierfür waren die Sachbehandlung bei der Klägerin zu 1. und bei der T-GmbH in den Vorjahren, die von den Mitarbeitern der Klägerin zu 1. tatsächlich erbrachte Arbeitsleistung für die T-GmbH und das Entstehen vertraglicher oder —bei Fehlen einer Vereinbarung— gesetzlicher Ansprüche auf eine Vergütung. Die geltend gemachte Verjährung der Ansprüche wirke sich steuerlich nicht in den streitigen Feststellungszeiträumen 1984 und 1985, sondern erst in den Veranlagungszeiträumen aus, in denen die Durchsetzung der Ansprüche unmöglich geworden sei (Eintritt der Verjährung lt. Kläger zu 2. am und am ).

Diese Würdigung war rechtlich möglich, wobei unschädlich ist, dass das FG im Urteil nicht auf jedes klägerische Vorbringen im Einzelnen eingegangen ist, insbesondere sich nicht ausdrücklich damit befasst hat, dass der Kläger zu 2. in der von ihm erstellten Bilanz für die Klägerin zu 1. die Umlagen —abweichend von der Sachbehandlung durch H— nicht bilanziert hat. Im Allgemeinen ist davon auszugehen, dass das FG das von ihm entgegengenommene Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (vgl. , BFH/NV 2007, 949). Dem entgegenstehende Anhaltspunkte sind aus dem Urteil nicht zu entnehmen.

Ein Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO liegt nicht bereits deshalb vor, weil das FG den ihm vorliegenden Akteninhalt nicht entsprechend den klägerischen Vorstellungen gewürdigt hat oder die Würdigung fehlerhaft erscheint. Insoweit könnte allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler vorliegen, nicht indes ein Verfahrensverstoß (vgl. , BFH/NV 2006, 803, m.w.N.).

bb) Teilfertige Arbeiten

Hierzu wendet der Kläger zu 2. ein, das FG sei in der Entscheidung von teilfertigen Arbeiten ausgegangen, obwohl weder die Betriebsprüfung noch das FG teilfertige Arbeiten festgestellt und diese auch zum und zum nicht vorgelegen hätten. Er, der Kläger zu 2., habe insbesondere im Rahmen der dreijährigen Betriebsprüfung die Existenz von teilfertigen Arbeiten immer bestritten. Das FG hätte daher anhand der Gerichtsakten und des Vortrags der Beteiligten prüfen müssen, ob teilfertige Arbeiten vorgelegen hätten.

Nach den Ausführungen im Urteil waren die teilfertigen Arbeiten dem Grunde und der Höhe nach zu aktivieren, und zwar unabhängig von einer Abrechnung. Die Einwendungen des Klägers zu 2. gegen die Höhe der teilfertigen Arbeiten wurden gemäß § 79b Abs. 3 FGO als verspätet zurückgewiesen.

Das FG hat mit seiner Entscheidung nicht gegen den klaren Akteninhalt verstoßen. Anlässlich der Betriebsprüfung sind entgegen der Auffassung des Klägers zu 2. Feststellungen zu teilfertigen Arbeiten getroffen worden. Denn der Betriebsprüfer hat lt. Tz. 19 des Prüfungsberichts die Prüfung der teilfertigen Arbeiten auf Stichproben beschränkt. Dies setzt das Vorhandensein teilfertiger Arbeiten voraus. Nach dem Akteninhalt kann deshalb nicht angenommen werden, dass das Nichtvorliegen von teilfertigen Arbeiten eine klar feststehende Tatsache gewesen ist. Der Ansatz für die teilfertigen Arbeiten wurde der Höhe nach geschätzt, wobei der Betriebsprüfer aufgrund der Angaben des Klägers zu 2. sogar einen Betrag in Höhe von 74 500 DM nachaktiviert hat.

Im Klageverfahren hatte der Kläger zu 2. sein Klagebegehren hinsichtlich der teilfertigen Arbeiten bis zum Ablauf der hierfür gesetzten Ausschlussfrist zunächst dahin konkretisiert, dass er noch weiter aufklären müsse, ob wegen der Realteilung der Klägerin zu 1. eine doppelte Versteuerung erfolgt sei. Diesen Vortrag hat er lt. Sitzungsprotokoll in der mündlichen Verhandlung nicht mehr aufrechterhalten. Mit den kurz vor der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätzen vom 6. und hat der Kläger zu 2. weiter geltend gemacht, den Zeitaufwand für die Bearbeitung der Mandate X nicht gegenüber den Mandanten abgerechnet zu haben, mit der Folge, dass ein Ansatz halbfertiger Arbeiten nicht in Betracht komme. Diesen Vortrag hat das FG in seiner Entscheidung in Bezug auf die Aktivierung teilfertiger Arbeiten für unmaßgeblich gehalten und sich hierfür auf das (BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788) bezogen. Damit hat das FG das Gesamtergebnis des Verfahrens berücksichtigt.

Soweit der Kläger zu 2. darüber hinaus sinngemäß rügt, das FG habe gegen seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO) verstoßen, fehlt es insbesondere an einer Darlegung, aus welchen Gründen sich dem FG —unter Zugrundelegung seiner materiell-rechtlichen Auffassung— eine weitere Sachaufklärung hätte aufdrängen müssen und inwiefern dies zu einer anderen Entscheidung hätte führen können (vgl. , BFH/NV 2004, 978, m.w.N.).

cc) Abarbeitung des Vorschusses X

Der Kläger zu 2. behauptet, das FG habe nicht berücksichtigt, dass den Mandanten Firma A GmbH und X die Tätigkeiten der Klägerin zu 1. in 1984 und 1985 unstreitig nicht in Rechnung gestellt worden sind. Dies habe die Betriebsprüfung ausweislich ihrer Handakte festgestellt. Weiter habe das FG nicht die geltend gemachte Verjährung und die hierfür maßgebenden Umstände beachtet.

In Tz. 8 der Entscheidungsgründe des Urteils wurde ausdrücklich zur Abrechnung der Leistungen für die Mandate X Stellung genommen. Das FG hat —unter nochmaligem Hinweis auf das BFH-Urteil in BFHE 147, 8, BStBl II 1986, 788— eine Abrechnung für die erfolgswirksame Erfassung der Honoraransprüche nicht für erforderlich gehalten. Soweit der Kläger zu 2. mit der Beschwerde rügt, dieses Urteil sei nicht auf —wie im Streitfall— verjährte Honoraransprüche anwendbar, liegt allenfalls ein materiell-rechtlicher Fehler in der Rechtsanwendung vor, der eine Zulassung der Revision nicht rechtfertigen könnte. Im Übrigen hat das FG den in den Schriftsätzen vom 6. und enthaltenen neuen Vortrag des Klägers zu 2. gemäß § 79b Abs. 3 FGO als verspätet zurückgewiesen. Eine begründete Verfahrensrüge hat der Kläger zu 2. insoweit nicht erhoben.

3. Die Kosten des Verfahrens waren, soweit das Beschwerdeverfahren die Klägerin zu 1., eine bereits voll beendete GbR, betrifft, den Prozessbevollmächtigten nach § 135 Abs. 2 FGO aufzuerlegen. Denn sie haben für einen nicht mehr existenten Beteiligten Beschwerde eingelegt (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 135 Rz 4). Im Übrigen trifft die Kostenpflicht nach § 135 Abs. 2 FGO den Kläger zu 2.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 87 Nr. 1
XAAAC-63014