BGH Beschluss v. - VII ZB 31/07

Leitsatz

[1] Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.

Gesetze: ZPO § 178 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 180 Satz 1; ZPO § 189

Instanzenzug: AG Werl 4 C 550/06 vom LG Arnsberg 3 S 6/07 vom

Gründe

I.

Der Beklagte wendet sich dagegen, dass das Berufungsgericht seine Berufung wegen Versäumung der Berufungsfrist verworfen und seinen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen hat.

Der erstinstanzlich anwaltlich nicht vertretene Beklagte ist vom Amtsgericht zur Zahlung von 2.956,33 € für Installationsarbeiten des Klägers verurteilt worden. Am hat die mit der Zustellung des Urteils beauftragte Postbedienstete versucht, das Urteil dem Beklagten an dessen Wohnanschrift in W., unter der er verklagt worden war, zu übergeben; sie hat es, weil die Übergabe nicht möglich war, in den zu dieser Wohnung gehörenden Briefkasten eingelegt.

Der Beklagte hat am (Montag) Berufung eingelegt. Nachdem das Landgericht darauf hingewiesen hatte, dass der Beklagte die Berufungsfrist versäumt habe, hat dieser die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung hat er vorgetragen, er sei im Oktober 2006 aus der Wohnung in W. aus- und in eine Wohnung in B. eingezogen. Ein Freund, den er mit der Nachsendung seiner Post beauftragt habe, habe ihm das Urteil übersandt und mitgeteilt, es sei am zugestellt worden. Der von ihm am beauftragte Rechtsanwalt habe eine Büroangestellte angewiesen, durch einen Anruf bei der zuständigen Geschäftsstelle des Amtsgerichts abzuklären, ob die Zustellung des Urteils tatsächlich am erfolgt sei. Die Büroangestellte habe diese Anweisung nicht ausgeführt, sondern die Berufungsfrist nach dem von dem Beklagten angegebenen Zustelldatum berechnet.

Das Landgericht hat den Antrag des Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung verworfen. Das Berufungsgericht ist der Auffassung, der Beklagte habe die Berufungsfrist aufgrund eines Verschuldens seines Prozessbevollmächtigten versäumt. Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde des Beklagten.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§ 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 in Verbindung mit §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO). Sie ist auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).

2. Das Rechtsmittel hat in der Sache Erfolg. Es führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Berufungsgericht durfte die Berufung des Beklagten nicht mit der Begründung als unzulässig verwerfen, die Berufungsfrist sei am abgelaufen.

a) Das Berufungsgericht hätte von Amts wegen klären müssen, ob die Behauptung des Beklagten zutrifft, dass er vor dem seine Wohnung in W. aufgegeben habe und nach B. umgezogen sei. Eine Ersatzzustellung durch Einlegen in den Briefkasten gemäß § 180 Satz 1 ZPO setzt voraus, dass der Zustellungsempfänger die Wohnung, in der der Zustellungsversuch unternommen wird, tatsächlich innehat, also dort seinen Lebensmittelpunkt hat (vgl. , NJW 1988, 713; Urteil vom - XI ZR 248/03, NJW-RR 2005, 415). Legt man den Vortrag des Beklagten zugrunde, konnte ihm daher das Urteil des Amtsgerichts nicht am durch Einlegen in den Briefkasten der Wohnung in W. gemäß § 180 Satz 1 ZPO in Verbindung mit § 178 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zugestellt werden. Anhaltspunkte dafür, dass dieser Zustellungsmangel vor dem gemäß § 189 ZPO geheilt worden ist, bestehen nicht.

b) Der Senat, der die Zulässigkeit der Berufung selbst von Amts wegen in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht überprüfen kann (vgl. , NJW-RR 1992, 1338, 1339), sieht hier davon ab, zu klären, zu welchem Zeitpunkt die Zustellungswirkungen eingetreten sind. Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Beklagten nicht im Hinblick auf die Frage der Wirksamkeit der Zustellung geprüft. Auch hat es bisher dem Kläger nicht Gelegenheit gegeben, zu diesem Vortrag Stellung zu nehmen. Daher erscheint es angebracht, die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird von Amts wegen zu prüfen haben (vgl. , NJW 2000, 814), ob der Beklagte am noch die Wohnung in W. innehatte und gegebenenfalls auch wann ihm das Urteil des Amtsgerichts tatsächlich zugegangen ist (vgl. § 189 ZPO). Dabei ist das Gericht nicht von einem Beweisantritt der Parteien abhängig und nicht auf die gesetzlichen Beweismittel beschränkt (vgl. , NJW 2007, 1457).

3. a) Aus diesen Überlegungen zur Zulässigkeit der Berufung folgt, dass das Berufungsgericht den Wiedereinsetzungsantrag derzeit nicht zurückweisen durfte. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den Verfahrensstand vor Versäumung der Berufungsfrist ist bei verständiger Würdigung nur für den Fall gestellt, dass der Beklagte die Berufungsfrist versäumt haben sollte (vgl. , NJW 2007, 1457, 1458). Über den Wiedereinsetzungsantrag ist daher erst und nur dann zu entscheiden, wenn nicht festgestellt werden kann, dass der Beklagte die Frist zur Einlegung der Berufung gewahrt hat (vgl. , NJW 2003, 2460).

b) Für den Fall, dass das Berufungsgericht wiederum zu dem Ergebnis gelangt, die Berufungseinlegung sei verspätet erfolgt, weist der Senat darauf hin, dass der Beklagte nach seinem Vortrag die Berufungsfrist nicht unverschuldet versäumt hätte. Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass es für den Prozessbevollmächtigten des Beklagten nahe gelegen hätte, eine schriftliche Auskunft über den Zustellungszeitpunkt einzuholen. Jedenfalls hätte er dafür Sorge tragen müssen, dass er die Ausführung seiner Anweisung anhand eines schriftlichen Erledigungsvermerkes hätte kontrollieren können (vgl. , Tz. 7, bei juris veröffentlicht).

Fundstelle(n):
UAAAC-62993

1Nachschlagewerk: nein; BGHZ: nein; BGHR: nein