BFH Beschluss v. - V B 7/06

Steuerbefreiung für Massageleistungen

Leitsatz

Eine nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 steuerfreie Heilbehandlung muss der medizinischen Behandlung einer Krakheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Für die Umsatzsteuerfreiheit reicht es nicht aus, wenn ärztliche Behandlungen zu anderen Zwecken wie insbesondere einer Schönheitsoperation oder von Massagen aus kosmetischen Gründen oder aus Gründen des Wohlbefindens durchgeführt werden. Insbesondere für Massagen in einem Club, der einem Hotel angeschlossen ist und Sauna, Dampfbad und Swimmingpool vorhält, liegt es nahe, dass eine Vielzahlt von Massagen nicht aus Gründen einer Heilbehandlung, sondern des allgemeinen Wohlbefindens ("Wellness") druchgeführt werden.

Gesetze: UStG § 4 Nr. 14

Instanzenzug:

Gründe

I. Streitig ist die Steuerbefreiung für Massageleistungen nach § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1993).

Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist Unternehmerin in der Rechtsform einer GmbH. Sie betreibt in einem Hotel im Rahmen eines „Clubs” ein Kosmetikstudio mit Sauna, Dampfbad, Swimmingpool und erbringt Massageleistungen durch angestellte Masseurinnen an Hotelgäste und Privatpatienten.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erließ der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) für die Streitzeiträume 1996 und 1997 Änderungsbescheide, in denen er die Umsätze aus Massagen dem Regelsteuersatz unterwarf. Hiergegen wandte sich die Klägerin mit der Begründung, es handele sich ausschließlich um steuerfreie Heilmassagen i.S. des § 4 Nr. 14 UStG 1993. Da sie geprüfte Heilmasseurinnen beschäftige sei zu vermuten, dass es sich bei sämtlichen Massagen stets um Heilmassagen gehandelt habe. Zwar seien in einigen Fällen die Massagen auch aufgrund ärztlicher Verordnung vorgenommen worden, jedoch sei den vielen internationalen Kunden aus dem Umfeld des Hotels die Vorstellung fremd, Heilmassagen nur nach ärztlicher Verordnung vornehmen zu lassen.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit folgender Begründung ab: Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 UStG 1993 setze voraus, dass der Unternehmer eine ärztliche oder arztähnliche Leistung erbringe und die ausführenden Personen hierfür Befähigungsnachweise besäßen. Zwar sei es nach dem (BFHE 205, 514, BStBl II 2004, 849) im Hinblick auf den Grundsatz der Neutralität der Umsatzsteuer unschädlich, wenn eine GmbH die Leistungen durch medizinisch qualifiziertes Personal erbringe. Nicht ausreichend sei es jedoch, wenn Massagen ohne ärztliche Anordnung lediglich zur Steigerung des Wohlbefindens oder aus kosmetischen Gründen erfolgten. Nach diesen Maßstäben sei die Klage nur teilweise (zu 12 %) begründet, soweit nämlich die Klägerin nachgewiesen habe, dass sie die Massageleistungen durch geprüfte Masseurinnen aufgrund ärztlicher Anordnung oder im Rahmen einer Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme eines gesetzlichen Leistungsträgers erbracht habe.

Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, die sie erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist (am ) begründet hat. Auf Hinweis der Senatsgeschäftsstelle hat der Bevollmächtigte zunächst vorgetragen, er habe vor Ablauf der Begründungsfrist (am ) einen (beim BFH nicht eingegangenen) Fristverlängerungsantrag gestellt, der auf dem Postweg verlorengegangen sein müsse. Mit Schreiben vom hat er zudem einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt mit der Begründung, er sei vom 30. Januar bis zum aufgrund einer plötzlichen schweren fiebrigen Bronchitis „bettlägrig und aus diesem Grunde abwesend vom Büro” gewesen. Es sei ihm krankheitsbedingt nicht möglich gewesen, die notwendigen Büroarbeiten von zu Hause vorzunehmen. Die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen wegen der Rechtsfrage, ob für die Beurteilung, ob Heilbehandlungen i.S. des § 4 Nr. 14 UStG 1993 gegeben seien, ein ärztliches Attest erforderlich sei oder ob nicht vielmehr diese Beurteilung ausschließlich den eingesetzten Masseurinnen selbst vorbehalten sei. Die gegenteilige Entscheidung des FG verstoße gegen die durch Art. 12 des Grundgesetzes (GG) gewährleistete freie Berufsausübung.

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Es kann dahinstehen, ob die Beschwerde zulässig innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist begründet worden ist (§§ 56, 116 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Jedenfalls kommt der aufgeworfenen Rechtsfrage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO).

Die vom Beschwerdeführer als rechtsgrundsätzlich bezeichnete Rechtsfrage, ob dem die Leistung ausführenden in § 4 Nr. 14 UStG 1993 genannten Berufsträger die Entscheidungskompetenz über die tatsächlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung selbst zusteht, ist bereits geklärt.

Der BFH hat im vom FG genannten Urteil vom V R 27/03 (BFHE 206, 471, BStBl II 2004, 862) bereits dargelegt, dass § 4 Nr. 14 UStG 1993 einer richtlinienkonformen Auslegung dahingehend zugänglich ist, dass für die begehrte Steuerbefreiung eine Heilbehandlung i.S. des Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. c der Sechsten Richtlinie des Rates vom zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG vorausgesetzt wird und es für die Umsatzsteuerfreiheit nicht ausreicht, wenn ärztliche Behandlungen zu anderen Zwecken wie insbesondere einer Schönheitsoperation oder —was im Streitfall für die ausgeführten Massagen in Betracht kommt— aus kosmetischen Gründen oder aus Gründen des Wohlbefindens durchgeführt werden. Vielmehr muss die Maßnahme der medizinischen Behandlung einer Krankheit oder einer anderen Gesundheitsstörung und damit dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Durch Beschluss vom V B 30/05 (BFH/NV 2006, 1168) hat der BFH zudem bereits darauf hingewiesen, dass die Feststellungslast für die gesamten tatsächlichen Voraussetzungen der Steuerbefreiung (die Heilmaßnahme) nach allgemeinen Grundsätzen bei demjenigen liegt, der sich auf die Steuerbefreiung beruft, und dass das Vorliegen einer Heilmaßnahme nicht allein deshalb angenommen werden kann, weil sie von einem Arzt oder einem anderen in § 4 Nr. 14 UStG 1993 genannten Berufsträger (hier: den Masseurinnen) vorgenommen worden ist. Insbesondere für Massagen in einem Club, der einem Hotel angeschlossen ist und Sauna, Dampfbad und Swimmingpool vorhält, liegt es zudem nahe, dass eine Vielzahl von Massagen nicht aus Gründen einer Heilbehandlung, sondern des allgemeinen Wohlbefindens („Wellness”) durchgeführt werden.

Ein nach Auffassung des Beschwerdeführers vorliegender Verstoß gegen Art. 12 GG ist nicht zu erkennen. Die Berufsfreiheit ist nach dieser Verfassungsvorschrift nur im Rahmen der allgemein geltenden Gesetze gewährleistet, wozu auch die Steuergesetze zählen, die Steuerpflichtige mit Steuerpflichten belasten und Steuerbefreiungen an bestimmte Voraussetzungen knüpfen. Eine Frage von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung ist hierin nicht zu sehen.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2008 S. 122 Nr. 1
NWB-Eilnachricht Nr. 5/2008 S. 16
UR 2008 S. 428 Nr. 11
TAAAC-62522