BFH Beschluss v. - I R 39/04

Wiedereinsetzung bei Versäumung der Antragsfrist; anwaltliche Ausgangskontrolle bei Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Telefax

Gesetze: FGO § 56, FGO § 90a Abs. 2, ZPO § 85

Instanzenzug:

Gründe

I. Der erkennende Senat hatte die Revision der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gegen das (Entscheidungen der Finanzgerichte 2001, 1553) durch Gerichtsbescheid vom als unbegründet zurückgewiesen. Der zurückweisende Gerichtsbescheid wurde dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am zugestellt. Am erreichte den Bundesfinanzhof (BFH) über die beim FG München abgeholte Sammelpost der ausweislich der Faxeingangsbestätigung dort am um 15.36 Uhr eingegangene Faxausdruck des Prozessbevollmächtigten vom , mittels dessen der Prozessbevollmächtigte die Durchführung der mündlichen Verhandlung beantragte.

Der Vorsitzende des Senats wies den Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom , zugestellt am , auf die Fristversäumnis und die Möglichkeit hin, einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu stellen.

Den hiernach am gestellten Wiedereinsetzungsantrag begründet der Prozessbevollmächtigte wie folgt: Ein vorwerfbares Organisationsverschulden liege nicht vor. Die mit der Führung der —in kopierten Auszügen vorgelegten— Fristenkontrollbücher sowie dem Versenden von Faxschreiben betrauten Bürokräfte seien mit den Abläufen vertraut und entsprechend geschult. Die Fristenkontrolle sei organisatorisch gesichert. Er habe deswegen seinerseits darauf vertrauen dürfen, dass seinen Anweisungen gefolgt werde. In einer beigefügten eidesstattlichen Versicherung bestätigt und erklärt die zuständige Rechtsanwalts- und Notarfachangestellte des Prozessbevollmächtigten die Verfahrensabläufe in der Kanzlei. Sie habe irrtümlich auf der ersten Seite des Schreibens vom die vermeintlich richtige Telefax-Nummer des BFH vermerkt. Dass es sich tatsächlich um die Nummer des FG München gehandelt habe, müsse an einem Übertragungsfehler liegen. Offensichtlich habe sie sich durch die Ortsanschrift „München” und die Straße „Ismaninger Straße” sowie durch die Vorwahl von München fehlleiten lassen. Jedenfalls habe sie den Sendebericht nach Übermittlung des Schreibens per Fax mit der darauf angegebenen Nummer nochmals abgeglichen und Entsprechendes im Postausgangsbuch vermerkt.

II. 1. Der Antrag auf mündliche Verhandlung ist wegen Versäumung der Antragsfrist gemäß § 90a Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) als unzulässig abzulehnen. Er ist erst am und damit nicht, wie erforderlich, innerhalb von einem Monat nach Zustellung des Gerichtsbescheides des Senats vom am beim BFH eingegangen.

2. Dem als solchen gemäß § 56 Abs. 2 FGO fristgerecht erhobenen und begründeten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht zu entsprechen. Der Antrag ist unbegründet, weil der Prozessbevollmächtigte der Klägerin nicht ohne sein Verschulden verhindert war, den Antrag auf mündliche Verhandlung rechtzeitig zu stellen. Der Steuerpflichtige muss sich dieses Verschulden nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung (ZPO) wie eigenes Verschulden zurechnen lassen (Stapperfend in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 8, m.w.N.).

Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu versagen, wenn den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers ein Verschulden an der Versäumung der Frist trifft (§ 56 Abs. 1 FGO). Ein solches Verschulden ist dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Streitfall vorzuhalten, ohne dass die an die Sorgfaltspflichten des Anwalts zu stellenden Anforderungen überspannt würden.

a) Es ist nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), dem sich der erkennende Senat anschließt, gesichert, dass der Anwalt die Telefax-Übermittlung eines fristwahrenden Schriftsatzes im Rahmen einer die Sicherheit gewährleistenden Büroorganisation einer ausreichend ausgebildeten, zuverlässigen und —wenn nötig— hinreichend überwachten Anwaltsgehilfin überlassen darf und die von dieser verwendete Fax-Nummer auch dann, wenn sie vor der Unterzeichnung des Schriftsatzes in diesen eingefügt wurde, nicht selbst auf ihre Richtigkeit überprüfen muss. Es entspricht ebenso ständiger Rechtsprechung, dass ein Anwalt grundsätzlich verpflichtet ist, für eine Büroorganisation zu sorgen, die eine Überprüfung der durch Telefax übermittelten fristgebundenen Schriftsätze auch auf die Verwendung der zutreffenden Empfängernummer hin gewährleistet. Dazu muss bei der erforderlichen Ausgangskontrolle in der Regel ein Sendebericht ausgedruckt und auch auf die Richtigkeit der verwendeten Empfängernummer überprüft werden (vgl. z.B. BGH, Beschlüsse vom VI ZB 14/04, Versicherungsrecht —VersR— 2005, 573; vom XII ZB 267/04, BGH-Report 2006, 1121, m.w.N.); auch dem schließt sich der Senat an.

b) Es liegt allerdings auf der Hand, dass eine Überprüfung hinsichtlich der Telefax-Nummer, die sich nach Einsetzen der Nummer auf dem zu übermittelnden Schriftsatz darauf beschränkt, dass die auf dem Schriftsatz eingesetzte Nummer mit der zur Versendung angegebenen Nummer übereinstimmt, einen Fehler beim Einsetzen der Nummer auf dem Schriftsatz nicht aufzeigen kann. Ein bei der Ermittlung der Telefax-Nummer aufgetretener Fehler kann sich in der Folge fortsetzen, wenn nicht anhand anderer Verzeichnisse gesondert überprüft wird, ob es sich bei der verwendeten Telefax-Nummer um diejenige des zuständigen Gerichts handelt. Aus diesem Grund ist in ständiger Rechtsprechung anerkannt, dass sich die im Rahmen der Ausgangskontrolle gebotene Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze per Telefax jedenfalls dann auch darauf zu erstrecken hat, ob die zutreffende Fax-Nummer des Empfangsgerichts angewählt wurde, wenn die Fax-Nummer des zuständigen Gerichts, an welches der betreffende Schriftsatz zu richten war, von einer Büroangestellten aus einem amtlichen Verzeichnis selbständig zu ermitteln war (zuletzt z.B. BGH, Beschluss in BGH-Report 2006, 1121, m.w.N.).

Der BGH hat davon zwar den anders gelagerten Fall abgegrenzt, in dem die zur Übermittlung verwendete Fax-Nummer unmittelbar aus einem Schreiben der Vorinstanz in der Akte zu entnehmen und in den zu versendenden Schriftsatz einzufügen war. In einem solchen Fall sei das besonders hohe Verwechslungsrisiko, das bei der Auswahl aus elektronischen oder buchmäßig erfassten Dateien besteht, erheblich verringert. Das gestatte es, die Sorgfaltsanforderungen an die Ausgangskontrolle zu verringern und eine Überprüfung der verwendeten Fax-Nummer auf Übereinstimmung mit der aus der Akte entnommenen, im Schriftsatz festgehaltenen Telefax-Nummer zu beschränken. In solchen Fällen reiche es deshalb aus, mögliche Eingabefehler zu korrigieren, indem die gewählte Empfänger-Nummer mit der zuvor in den Schriftsatz eingefügten Nummer abgeglichen werde (vgl. BGH, Beschluss in VersR 2005, 573).

So lagen die Dinge im Streitfall indes nicht: Der Begründung des Wiedereinsetzungsantrags ist nicht zu entnehmen, welchen Quellen die mit dem Versenden des fristwahrenden Schriftsatzes betraute Kanzleiangestellte die unrichtige Fax-Nummer des FG München entnommen hat. Dies ist aber ersichtlich nicht aus den Streitakten, sondern aus einem externen Register oder Verzeichnis oder aus einer anderen Akte geschehen; denn bei dem FG München handelte es sich weder um die zur Entscheidung berufene Vorinstanz noch war dieses Gericht in anderer Weise in den Rechtsstreit einbezogen. In einem derartigen Fall des Rückgriffs auf externe Erkenntnisquellen hinsichtlich der Fax-Nummer greift aber der erwähnte Rechtsgrundsatz, dass sich die Überprüfung des Sendeberichts bei einer Übermittlung fristgebundener Schriftsätze auch auf die Richtigkeit der gewählten Fax-Nummer zu erstrecken hat. Auch diesbezüglich genügt der Rechtsanwalt seiner Pflicht zur wirksamen Ausgangskontrolle fristwahrender Schriftsätze nur dann, wenn er seine Angestellten anweist, nach einer Übermittlung per Telefax anhand des Sendeprotokolls zu überprüfen, ob die Übermittlung vollständig und zudem an den richtigen Empfänger erfolgt ist. Erst danach darf die Frist im Fristenkalender gestrichen werden (BGH, Beschlüsse vom XII ZB 68/05, Zeitschrift für das gesamte Familienrecht —FamRZ— 2005, 1534 f., und in BGH-Report 2006, 1121; vom XI ZB 27/05, Neue Juristische Wochenschrift —NJW— 2007, 601 f.; vom XII ZB 32/07, NJW 2007, 2778; vgl. auch Oberlandesgericht Oldenburg, Beschluss vom 15 U 70/06, NJW 2007, 1698). Diese zwingend notwendige Ausgangskontrolle muss sich entweder —für alle Fälle— aus einer allgemeinen Kanzleianweisung oder —in einem Einzelfall— aus einer konkreten Einzelanweisung ergeben. Fehlt es an einer allgemeinen Kanzleianweisung, muss sich die Einzelanweisung, einen Schriftsatz sogleich per Telefax an das Rechtsmittelgericht abzusenden, in gleicher Weise auf die Ausgangskontrolle erstrecken. Die Kanzleiangestellte ist dann zusätzlich anzuweisen, die Frist erst nach einer Kontrolle der vollständigen Übermittlung anhand des Sendeprotokolls zu streichen. Eine diesen Anforderungen genügende Anordnung der Ausgangskontrolle hat weder der Prozessbevollmächtigte des Klägers noch dessen Kanzleiangestellte vorgetragen oder glaubhaft gemacht. Denn eine Anweisung, die Frist im Kalender erst nach einer Überprüfung des Sendeberichts zu löschen, ergibt sich weder aus einer allgemeinen Kanzleianweisung noch aus einer konkreten Anweisung des Prozessbevollmächtigten.

3. Bleibt es damit dabei, dass der Antrag auf mündliche Verhandlung gegen den Gerichtsbescheid des Senats vom verspätet beim BFH eingegangen ist, war in entsprechender Anwendung von § 126 Abs. 1 FGO durch Beschluss festzustellen, dass der Gerichtsbescheid gemäß § 90a Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 FGO als Urteil wirkt und dass das Revisionsverfahren beendet ist (vgl. , BFHE 103, 138, BStBl II 1971, 812; s. auch Beschluss vom VI B 90/02, BFH/NV 2003, 336; Ruban in Gräber, a.a.O., § 90a Rz 25).

Fundstelle(n):
BB 2008 S. 19 Nr. 1
BFH/NV 2008 S. 81 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15847 Nr. 1
KÖSDI 2008 S. 15927 Nr. 3
UAAAC-62513