BFH Beschluss v. - V B 193/06

Grundsätze zur Vorsteuerberichtigung bei fehlerhafter Beurteilung der Voraussetzungen für Vorsteuerabzug

Gesetze: UStG § 15a

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1994 und 1995 insgesamt vier Spielhallen. Weil die Buchführung der Klägerin formell und materiell unrichtig war, schätzte der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt —FA—) im Anschluss an eine Außenprüfung die Besteuerungsgrundlagen. Hiergegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage.

Nachdem der (BFHE 210, 164, BStBl II 2005, 617) entschieden hatte, dass sich der Betreiber von Geldspielgeräten auf die Steuerbefreiung der Spielautomatenumsätze nach Gemeinschaftsrecht berufen kann, änderte das FA mit Bescheiden vom die Umsatzsteuerfestsetzungen für die Streitjahre. Es ließ dabei die Umsätze aus den Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit unberücksichtigt, berichtigte aber die im Zusammenhang mit der Anschaffung solcher Geräte in den Vorjahren gewährte Vorsteuer. Diese Änderungsbescheide waren Gegenstand des Klageverfahrens.

Die Klage, mit der sich die Klägerin nunmehr nur noch gegen die Vorsteuerberichtigung wandte, hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen unter Hinweis auf die Rechtsprechung des , BFHE 182, 462, BStBl II 1997, 589) aus, eine Änderung der Verhältnisse i.S. des § 15a des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1993 liege auch vor, wenn bei tatsächlich gleichbleibenden Verwendungsumsätzen sich die rechtliche Beurteilung, die der Gewährung des Vorsteuerabzugs im Abzugsjahr zugrunde gelegen habe, in einem Folgejahr als unzutreffend erweise, wenn —wie hier— die Steuerfestsetzung für das Abzugsjahr bereits bestandskräftig und unabänderbar sei. Soweit die Klägerin vortrage, es sei in den Vorjahren tatsächlich kein Vorsteuerabzug für die Anschaffung von Geldspielgeräten mit Gewinnmöglichkeit gewährt worden, sei dies nicht nachvollziehbar.

Das FG hat die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin, mit der sie die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der FinanzgerichtsordnungFGO—) und wegen Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 1 Nr. 3 FGO) begehrt.

II. Die Beschwerde ist unzulässig. Ihre Begründung entspricht nicht den Anforderungen an die Darlegung von Zulassungsgründen i.S. von § 115 Abs. 2 i.V.m. § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO.

1. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO), wenn eine Frage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts betrifft. Es muss sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln. Diese Voraussetzungen müssen in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dazu genügt die bloße Behauptung, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht. Vielmehr muss die Beschwerde konkret auf die Rechtsfrage, ihre Klärungsbedürftigkeit und ihre über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung eingehen (, BFH/NV 2005, 337, m.w.N. zur ständigen Rechtsprechung). Insbesondere sind Ausführungen erforderlich, aus welchen Gründen, in welchem Umfang und von welcher Seite die Rechtsfrage umstritten ist (BFH-Beschlüsse vom II B 117/03, BFH/NV 2004, 1625; in BFH/NV 2005, 337, und vom X B 121/03, BFH/NV 2005, 350, jeweils m.w.N.). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.

Die Klägerin meint, grundsätzliche Bedeutung habe die Frage: „Wurde in einem Kalenderjahr ein Vorsteuerabzug rechtswidrig gewährt, weil der Ausgangsumsatz den Vorsteuerabzug nach § 15 (2) UStG ausschloss, ergibt sich daraus eine Berichtigung des Vorsteuerabzugs gemäß § 15a UStG in den Folgejahren oder unterliegt dieser Sachverhalt (fehlerhafter oder falscher Ansatz von Vorsteuer in Bescheiden bzw. Tatbestand gemäß § 14 (3) alt oder § 14c UStG) nicht den Regelungen des § 15a UStG, sondern ist nur Auf Grund von geänderten Bescheiden gemäß den Berichtigungsvorschriften der AO zu berichtigen.”

Hilfsweise sei von grundsätzlicher Bedeutung, „ob der Antrag auf Berücksichtigung eines steuerlichen Sachverhalts für die Anwendung des § 15a UStG für die ursprüngliche rechtliche Beurteilung entscheidend ist, auch wenn dieser Antrag wegen Festsetzungsverjährung nicht mehr zu einer Änderung des Bescheides führt!”. Der BFH habe „die Tatsache, dass ein Steuerbescheid fehlerhaft beziehungsweise die richtige steuerliche Behandlung des Ausgangsumsatzes wegen verspäteten oder unterlassenen Antrag unterblieben ist oder der Ausgangsumsatz sogar den Vorschriften des § 14 (3) alt oder § 14c UStG unterliegt”, noch nicht entschieden.

Eine Auseinandersetzung mit der —vom FG in Bezug genommenen—- vorhandenen Rechtsprechung zu der entscheidungserheblichen Frage fehlt.

Im Übrigen kommt auch eine Zulassung der Revision nicht in Betracht, wenn die Rechtsfrage schon durch den BFH geklärt ist und von einer erneuten Entscheidung keine weitere Klärung zu erwarten ist oder aber auch, wenn es lediglich um die Anwendung fester Rechtsgrundsätze auf einen bestimmten Sachverhalt geht (z.B. , BFH/NV 2004, 381, m.w.N.), wie hier der Grundsätze zur Vorsteuerberichtigung bei fehlerhafter Beurteilung der Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug, auf die sich das FG bezogen hat.

2. Soweit die Klägerin als Verfahrensfehler „die Nichtberücksichtigung von BFH-Rechtsprechung” durch das FG geltend macht, rügt sie sinngemäß, das FG weiche von der zitierten Entscheidung (, BFHE 185, 298, BStBl II 1998, 361) ab.

Die Darlegung dieses Zulassungsgrundes erfordert die Gegenüberstellung voneinander abweichender abstrakter, tragender Rechtssätze im angefochtenen Urteil des FG einerseits und der vermeintlichen Divergenzentscheidung des BFH andererseits (vgl. zu dieser Voraussetzung z.B. , BFH/NV 2005, 1811). Daran fehlt es.

3. Auch soweit die Beschwerde die vom FG unterlassene Aussetzung des Verfahrens im Hinblick auf das Vorabentscheidungsersuchen des (Rs. C 2/06, Kühne & Heitz) und das Revisionsverfahren vom V R 28/05 (Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 329) rügt, ist ein Verfahrensmangel nicht schlüssig dargelegt.

Nach § 74 FGO kann ein finanzgerichtliches Verfahren ausgesetzt werden, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Die Verfahrensaussetzung liegt nach § 74 FGO grundsätzlich im Ermessen des Gerichts.

Die Nichtzulassungsbeschwerde hätte deshalb schlüssig vortragen müssen, weshalb das dem FG hinsichtlich der Aussetzung eingeräumte Ermessen im Streitfall auf Null reduziert gewesen sein soll, die Aussetzung des Verfahrens also aufgrund der besonderen Umstände des Falles die einzige richtige Entscheidung gewesen wäre (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom V B 210/01, BFH/NV 2003, 1598, und vom V B 211/01, BFH/NV 2004, 57). Dessen hätte es nicht zuletzt auch deshalb bedurft, weil das FG ausdrücklich die Ablehnung der Aussetzung damit begründet hat, dem Vorlageverfahren liege ein anderer Sachverhalt zugrunde. Allein die Möglichkeit, dass in den von der Klägerin angeführten Verfahren über eine vergleichbare Rechtsfrage zu entscheiden gewesen wäre, macht jene Sache nicht vorgreiflich i.S. des § 74 FGO (vgl. zur fehlenden Anwendbarkeit des § 74 FGO auf sog. „Musterverfahren” vor den Fachgerichten , BFH/NV 2006, 1056, und , BFHE 203, 114, BStBl II 2003, 926, unter II.1.).

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2366 Nr. 12
GAAAC-62172