BVerwG Beschluss v. - 9 B 8.07

Leitsatz

Die dauerhafte Gewährleistung der Lärmminderung, die mit der Anordnung des besonders überwachten Gleises verbunden sein muss ( BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <376 f.>), verlangt nicht, dass zu jedem Zeitpunkt des Schleifzyklus ein Abstand von mindestens 3 dB(A) zum Grundwert von 51 dB(A) eingehalten werden muss, sondern vielmehr, dass dieser Durchschnittswert dauerhaft und im Mittel auf einen um 3 dB(A) niedriger liegenden Wert abgesenkt werden muss.

Gesetze: BImSchG § 41; 16. BImSchV Tab. C der Anlage 2

Instanzenzug: VGH München VGH 22 A 01.40089 u.a. vom Fachpresse: ja BVerwGE: nein

Gründe

Die auf den Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrunde liegenden Einzelfall hinausgehenden klärungsbedürftigen Rechtsfrage des revisiblen Rechts ist von dem angestrebten Revisionsverfahren nicht zu erwarten.

1. Die Beschwerde wirft zunächst folgende Fragen auf:

"Kann eine Zugart, die in Deutschland verkehrt, bei dem Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung im Sinne der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV unbeachtet bleiben?"

"Unter welchen Voraussetzungen kann eine Zugart, die in Deutschland verkehrt, bei dem Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung im Sinne der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV unbeachtet bleiben?"

Soweit diese Fragen nicht bereits höchstrichterlich geklärt sind, werfen sie Tatsachenfragen auf, die der revisionsgerichtlichen Klärung entzogen sind (vgl. § 137 Abs. 2 VwGO) und die Zulassung der Revision deswegen nicht begründen können.

Wie der Senat bereits entschieden hat, lässt die das besonders überwachte Gleis betreffende Fußnote zur Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV eine am Mittelwert orientierte Betrachtung des zwischen den Schleifzyklen bestehenden Lärmminderungseffekts zu ( BVerwG 9 B 49.02 - juris Rn. 13 unter Hinweis auf das BVerwG 11 A 42.97 - BVerwGE 110, 370 <379>). Damit soll insbesondere zum Ausdruck gebracht werden, dass der Korrekturwert nicht insofern "auf der sicheren Seite" liegen muss, als er an der ungünstigsten Zugart auszurichten ist (a.a.O., Rn. 8). Um einen bestimmten Korrekturwert in Abzug zu bringen, ist es deswegen ausreichend, dass dieser nicht bei jeder Zugart, sondern gemittelt über alle Zugarten erreicht wird. Das schließt jedoch nicht aus, das besonders überwachte Gleis als Schutzvorkehrung mit einem höheren als dem generell nachgewiesenen Lärmminderungseffekt auf Strecken einzusetzen, für die der konkrete Nachweis geführt werden kann, dass bestimmte, den Lärmminderungseffekt nachteilig beeinflussende Faktoren - etwa der Einsatz besonders lauter Zugarten - nicht wirksam werden können. Von dieser Möglichkeit ist der Senat in seiner Rechtsprechung stets ausgegangen (vgl. etwa Urteile vom , a.a.O. S. 376, 379 f. und vom - BVerwG 9 A 22.01 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 55 S. 35 f.). Sie setzt allerdings wegen des Gebots hinreichender Problembewältigung voraus, dass der Ausschluss der genannten Faktoren tatsächlich sicher oder zumindest rechtlich abgesichert ist. Davon ist hier auszugehen. Denn der Verwaltungsgerichtshof hat festgestellt, dass spätestens ab dem Jahr 2010 keine - die Einhaltung eines Abschlages von 3 dB(A) in Frage stellenden - klotzgebremsten Nahverkehrszüge planmäßig mehr verkehren und bis zu diesem Zeitpunkt solche Züge nur noch in einem Umfang eingesetzt werden, der eine Unterschreitung des angesetzten Gleispflegeabschlags von 3 dB(A) nicht befürchten lässt. Verfahrensrügen hat die Beschwerde gegen diese - mithin bindenden - Feststellungen nicht erhoben.

2. Darüber hinaus will die Beschwerde folgende Fragen geklärt wissen:

"Kann eine dauerhafte Lärmminderung nach der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV beim besonders überwachten Gleis (BÜG) auch unter Anwendung einer Mittelung von Pegeln nachgewiesen werden, so dass es zeitweise zu einem Überschreiten, zeitweise zu einem Unterschreiten des der Lärmminderung entsprechenden Korrekturwertes kommt ('zeitliche Mittelung')?"

"Gilt dies auch dann, wenn zwischen den Schleifzyklen Zeiträume von mehreren Jahren (sieben Jahren oder mehr) liegen, so dass aufgrund einer zeitlichen Mittelung über den Zeitraum mehrerer Jahre hinweg die Lärmminderung, die als zusätzlicher Korrekturwert nach der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV berücksichtigt werden soll, unterschritten wird?"

Auch diese Fragen rechtfertigen die Zulassung der Revision nicht. Sie lassen sich auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts - bejahend - beantworten, ohne dass es hierzu der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf.

Aus der bereits erwähnten Aussage des Senats, die das besonders überwachte Gleis betreffende Fußnote zur Tabelle C der Anlage 2 der 16. BImSchV lasse eine am Mittelwert orientierte Betrachtung des zwischen den Schleifzyklen bestehenden Lärmminderungseffekts zu, ist nicht lediglich zu folgern, dass ein solcher Korrekturwert über alle Zugarten zu mitteln ist. Die Mittelwertbetrachtung gilt vielmehr auch in zeitlicher Hinsicht und bezieht sich insoweit auf die Veränderungen, denen der Lärmminderungseffekt im Verlauf eines Schleifzyklus unterliegt. Denn die sich beim besonders überwachten Gleis ergebende Schwankungsbreite der auftretenden Lärmimmissionen ist in gleicher Weise für ein nicht besonders gepflegtes Gleis charakteristisch, für das in Diagramm I der Anlage 2 der 16. BImSchV ein sog. Grundwert von 51 dB(A) festgelegt wird, der "hinsichtlich der Lärmveränderung durch Riffelbildung einen mittleren Wert" darstellt (vgl. die Begründung des Regierungsentwurfs der 16. BImSchV, BRDrucks 661/89, S. 47). Ein "Abschlag", wie ihn der Korrekturwert für das besonders überwachte Gleis darstellt, kann auf dieser Grundlage nur auf eine entsprechende Verschiebung des Schwankungsbereichs gerichtet sein. Deswegen verlangt die dauerhafte Gewährleistung der Lärmminderung, die nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom , a.a.O S. 376 f.) mit der Anordnung des besonders überwachten Gleises verbunden sein muss, nicht, dass zu jedem Zeitpunkt des Schleifzyklus ein Abstand von mindestens 3 dB(A) zum Grundwert von 51 dB(A) eingehalten werden muss, sondern vielmehr, dass dieser Durchschnittswert dauerhaft und im Mittel auf einen um 3 dB(A) niedriger liegenden Wert abgesenkt werden muss. Dies wird nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs durch die gleispflegebedingte Absenkung auf einen Anfangspegel von 45 dB(A) und bei Anordnung einer Eingriffsschwelle von 50 dB(A) unter Einbeziehung möglicher Mess-, Rechen- und Zeitungenauigkeiten erreicht.

Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass in dem unmittelbar vor dem Zeitpunkt des erneuten Schleifens gelegenen Zeitraum faktisch kein Lärmschutz gegenüber der durch ein nicht besonders gepflegtes Gleis gekennzeichneten Normalsituation besteht. Denn der an den Grundwert von 51 dB(A) angenäherte ungünstigste Zustand des Schleifzyklus eines besonders überwachten Gleises kann nicht mit diesem Durchschnittswert, sondern allein mit dem entsprechenden Zustand innerhalb der Schwankungsbreite eines nicht besonders gepflegten Gleises verglichen werden, für den, wie der Senat in seiner Rechtsprechung (Urteil vom , a.a.O. S. 374) bereits dargelegt hat, wesentlich höhere Pegel kennzeichnend sind. Auf die Länge der Schleifzyklen und die sich dadurch ergebende Dauer der Zeiträume, in denen die durchschnittliche Pegelabsenkung durch die wieder zunehmende Verriffelung der Gleise weniger als 3 dB(A) beträgt, kommt es bei dieser Betrachtungsweise nicht an. Zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass auch der Grundwert von 51 dB(A), der durch das wenn auch in erster Linie anderen als Lärmschutzzwecken dienende Oberbauschleifen beeinflusst wird, ähnlich langen Schleifzyklen unterliegt und der Verordnungsgeber somit längere Zeiträume mit Pegeln oberhalb des Grundwertes und mithin auch oberhalb des abgesenkten Durchschnittswertes für das besonders überwachte Gleis in Kauf genommen hat.

3. Grundsätzliche Bedeutung misst die Beschwerde schließlich folgenden Fragen zu:

"Kann der Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung im Sinne der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV durch die Messung des Pegelanstiegs bei einer Zugart (IC) geführt werden?"

"Entspricht es einer zugarten- und streckenparameterunabhängigen Schallkontrollmessung zum Nachweis einer dauerhaften Lärmminderung im Sinne der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV, wenn dieser Nachweis nur durch Messung des Pegelanstiegs bei einer Zugart (IC) geführt wird?"

"Kann durch Schallkontrollmessungen nur durch eine Zugart (IC) der Nachweis dauerhafter Lärmminderung im Sinne der Amtl. Anm. zu Tabelle C der Anlage 2 zu § 3 der 16. BImSchV auch dann geführt werden, wenn die Pegelanstiege je nach Zugart derart unterschiedlich verlaufen, dass die Eingriffsschwelle je nach Wahl der Zugart zu unterschiedlichen Zeitpunkten erreicht wird?"

Auch diese Fragen können die Zulassung der Revision nicht begründen, denn sie sind bereits höchstrichterlich geklärt. Wie der Senat dargelegt hat, sind die Schallkontrollmessungen zugarten- und streckenparameterunabhängig vorzunehmen, weil sie als Voraussetzung des erforderlichen Nachweises eines dauerhaften Lärmminderungseffekts durch das besonders überwachte Gleis keinen anderen Anforderungen unterliegen können als dieser selbst ( BVerwG 9 B 49.02 - juris Rn. 15). Demzufolge genügt für die Kontrollmessungen die Verwendung einer Zugart, da die so gewonnenen Messergebnisse den jeweils verbleibenden Lärmminderungseffekt der akustischen Gleispflege für die anderen Zugarten entsprechend repräsentieren. Da auch insoweit der gemittelte Lärmminderungseffekt in Frage steht, besteht die - im Übrigen auch vom Umweltbundesamt anerkannte - "Repräsentation" der anderen Zugarten durch den Schallmesswagen nicht darin, dass die Einhaltung des Eingriffsschwellenwertes beim Schallmesswagen die Einhaltung dieses Wertes bei allen anderen Zugarten einschließt. Deswegen kann - abgesehen davon, dass es sich insoweit um Fragen der Beweiswürdigung handelt, die eine Zulassung der Grundsatzrevision nicht rechtfertigen - gegen die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs nicht eingewandt werden, der Lärmminderungseffekt nehme bei den unterschiedlichen Zugarten einen unterschiedlichen Verlauf.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1, § 162 Abs. 3 VwGO, § 100 Abs. 1 ZPO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 Halbs. 2 GKG.

Fundstelle(n):
YAAAC-59124