Nicht unterschriebene strafbefreiende Erklärung ist unwirksam
Leitsatz
1. Ist eine Steueranmeldung entgegen der gesetzlichen Anordnung nicht eigenhändig unterschrieben, ist sie unwirksam, steht deshalb einer Steuerfestsetzung nicht gleich und führt mit ihrem Eingang bei der Finanzbehörde nicht zum Beginn der Einspruchsfrist.
2. Wenn die Finanzverwaltung eine strafbefreiende Erklärung trotz fehlender —aber innerhalb einer vom FA gesetzten Frist nachgeholter— Unterschrift allgemein als von Anfang an wirksam behandelt, so kann dies ohne Rechtsgrundlage jedenfalls nicht zu Lasten des Erklärenden die Einspruchsfrist auslösen.
Gesetze: AO §§ 167, 168AO § 150 Abs. 3 Satz 1AO § 355 Abs. 1 Satz 2StraBEG § 1StraBEG § 3 Abs. 1 Satz 2StraBEG § 10 Abs. 2 Satz 1
Instanzenzug: (EFG 2007, 545) (Verfahrensverlauf), ,
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Einspruch gegen eine strafbefreiende Erklärung rechtzeitig eingelegt wurde.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist als Versicherungsvertreter gewerblich tätig und erzielt ferner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung. Er reichte am eine strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz (StraBEG) beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ein, in der er Einnahmen aus dem Verkauf von Wertpapieren im Jahr 1998 in Höhe von 13 254,01 € erklärte. Die Erklärung war nicht unterschrieben. Die sich aus ihr ergebende Abgabe von 3 313,72 € zahlte der Kläger am . Am reichte er ein von ihm unterschriebenes Exemplar der Erklärung ein. Er legte am Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung ein, den er mit der Verfassungswidrigkeit der Einkünfte aus Spekulationsgewinnen nach dem (BStBl II 2005, 56) begründete.
Das FA verwarf den Einspruch als unzulässig, weil der Kläger die Einspruchsfrist nicht eingehalten habe. Nach der Textziffer 12.5 des Merkblatts zum Strafbefreiungserklärungsgesetz (, BStBl I 2004, 225) sei die strafbefreiende Erklärung von Anfang an wirksam, wenn der Erklärende —wie hier der Kläger— den formalen Mangel —hier das Fehlen der Unterschrift— innerhalb der ihm gesetzten Frist behoben habe. Deshalb stehe bereits die am eingegangene Erklärung nach § 10 Abs. 2 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich, so dass der Einspruch am verspätet eingegangen sei.
Das Finanzgericht (FG) bestätigte diese Entscheidung und wies die Klage als unbegründet ab. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 545 veröffentlichten Urteil hielt es überdies eine Zustimmung des FA i.S. von § 168 Satz 2 der Abgabenordnung (AO) nicht für erforderlich und § 356 Abs. 2 Satz 1 AO mit seiner einjährigen Einspruchsfrist bei fehlender oder unrichtiger Rechtsbehelfsbelehrung nicht für anwendbar. Wiedereinsetzung wegen Irrtums über die Verfassungswidrigkeit der materiellen Steuernorm nach § 110 AO sei nicht zu gewähren. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen das Strafbefreiungserklärungsgesetz bestünden nicht.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf Verletzung materiellen Rechts stützt. § 356 AO mit seiner einjährigen Einspruchsfrist sei anzuwenden.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II.
Die Revision ist begründet und führt nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage.
1. Das FG hat unzutreffend den Einspruch gegen die strafbefreiende Erklärung als nicht fristgerecht beurteilt und damit § 355 Abs. 1 Satz 2 AO verletzt.
Nach dieser Vorschrift ist der Einspruch innerhalb eines Monats nach Eingang der Steueranmeldung bei der Finanzbehörde einzulegen. Auch die strafbefreiende Erklärung nach § 1 StraBEG ist eine Steueranmeldung i.S. des § 150 Abs. 1 Satz 3 AO, denn der Erklärende muss nach § 3 Abs. 1 StraBEG den gemäß § 1 StraBEG zu entrichtenden Betrag selbst berechnen.
Weil die am beim FA eingegangene Erklärung nicht unterschrieben und damit unwirksam war, begann die Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 AO im Streitfall erst mit dem Eingang der unterschriebenen Erklärung am und ist mit dem am eingelegten Einspruch ersichtlich eingehalten.
a) Die Erklärung vom war nicht wirksam; sie war nicht unterschrieben.
Steuererklärungen müssen nach § 150 Abs. 3 Satz 1 AO eigenhändig unterschrieben werden, soweit dies nach einem Steuergesetz vorgesehen ist. Das ist hier der Fall. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 StraBEG ist die strafbefreiende Erklärung eigenhändig zu unterschreiben. Das Strafbefreiungserklärungsgesetz ist ein Steuergesetz; denn es regelt eine Steuer (§ 1 Abs. 1 AO). Gemäß § 10 Abs. 1 StraBEG gilt der zu entrichtende Betrag als Einkommensteuer.
Fehlt die Unterschrift, ist die Erklärung unwirksam. Sie wird erst mit der eigenhändigen Unterschrift autorisiert und authentifiziert und ist nur unter dieser Bedingung dem Erklärenden zuzurechnen (vgl. zum Zweck der Unterschrift auch Bundesfinanzhofs —BFH—, Urteil vom VI R 208/83, BFHE 148, 47, BStBl II 1987, 77; Tipke in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 150 AO Rz 22, m.w.N.). Mit einer nicht unterzeichneten und damit nicht wirksamen Steuererklärung beginnt die Festsetzungsfrist gemäß § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO (, BFHE 185, 111, BStBl II 1999, 203) ebenso wenig wie die Einspruchsfrist nach § 355 Abs. 1 Satz 2 AO.
Zwar ist der Mangel der Form unbeachtlich, wenn auf eine solche unwirksame Steuererklärung ein wirksamer Steuerbescheid ergeht (, BFHE 198, 27, BStBl II 2002, 642). Indes steht nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG die strafbefreiende Erklärung einer Steuerfestsetzung nur gleich; sie ist kein Steuerbescheid. Einer Zustimmung des FA gemäß § 167 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 168 Satz 2 AO, die ein Verwaltungsakt i.S. des § 118 Satz 1 AO ist (, BFHE 179, 248, BStBl II 1996, 660, und in BFHE 198, 27, BStBl II 2002, 642), bedurfte es nicht. Überdies hat eine nicht unterzeichnete Erklärung steuerrechtlich keine Wirkungen und steht damit auch keiner Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung nach § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG gleich.
b) Ist dementsprechend erst die vom Kläger unterschriebene strafbefreiende Erklärung vom wirksam, löst sie die Rechtsfolge des § 10 Abs. 2 Satz 1 StraBEG wie auch des § 355 Abs. 1 Satz 2 AO aus. Eine Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs der nicht unterschriebenen Erklärung —hier auf den — sieht das Gesetz nicht vor.
Zwar behandelt die Finanzverwaltung die strafbefreiende Erklärung als von Anfang an wirksam, wenn der Erklärende innerhalb der vom FA gesetzten Frist den beanstandeten Formmangel behebt und z.B. —wie hier— die Unterschrift nachholt (so a.a.O., Tz. 12.5). Der Senat kann unerörtert lassen, ob man dieser Selbstverpflichtung mit Seer (in Tipke/Kruse, a.a.O., § 3 StraBEG Rz 3) eine den Erklärenden schützende Präklusionswirkung zuerkennt, um etwa in Bezug auf die Erklärungsfrist des § 1 Abs. 6 StraBEG die Straffreiheit durch den persönlichen Strafaufhebungsgrund nicht zu gefährden. Jedenfalls kann sich diese „Rückwirkung” oder Heilung ohne Rechtsgrundlage nicht zu Lasten des Erklärenden auswirken, und zwar insbesondere dann nicht, wenn er die positiven Wirkungen der Selbstverpflichtung nicht für sich in Anspruch genommen hat.
c) Nach diesen Maßstäben ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die einmonatige Einspruchsfrist des § 355 Abs. 1 Satz 2 AO begann erst mit dem Eingang der vom Kläger unterschriebenen strafbefreienden Erklärung am und war demgemäß am noch nicht abgelaufen. Deshalb durfte das FA den Einspruch nicht als unzulässig verwerfen, sondern musste zur Sache entscheiden.
2. Die Sache ist spruchreif; der Senat entscheidet in der Sache selbst. Er kann gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO durcherkennen, obwohl der Kläger im Revisionsverfahren nur die Zurückverweisung der Sache beantragt hat (, BFH/NV 1995, 557, m.w.N.). Der Senat gibt der Klage statt und hebt die strafbefreiende Erklärung vom auf. Das Begehren des Klägers hat auch in der Sache Erfolg; denn die Voraussetzungen für eine strafbefreiende Erklärung liegen ersichtlich nicht vor. Der Kläger hatte keine unrichtigen oder unvollständigen Angaben i.S. des § 1 Abs. 1 StraBEG gemacht, als er es unterließ, für das Jahr 1998 Verkäufe von Wertpapieren zu erklären. Denn die Steuernorm, auf der derartige Angaben beruhen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes in der für die Veranlagungszeiträume 1997 und 1998 geltenden Fassung vom , BGBl I, 821 —EStG—) ist vom a.a.O. für nichtig erklärt worden. Anhaltspunkte dafür, dass die in der Erklärung aufgeführten Verkäufe einer anderen, vorrangigen Einkunftsart zuzuordnen sind (vgl. § 23 Abs. 2 EStG), bestehen nicht; hiervon gehen auch die Beteiligten nicht aus.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2007 II Seite 857
AO-StB 2007 S. 287 Nr. 11
BB 2007 S. 2163 Nr. 40
BFH/NV 2007 S. 2156 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2156 Nr. 11
BStBl II 2007 S. 857 Nr. 18
DB 2007 S. 2127 Nr. 39
DStR 2007 S. 1726 Nr. 39
DStRE 2007 S. 1347 Nr. 20
DStZ 2007 S. 713 Nr. 22
DStZ 2008 S. 218 Nr. 7
GStB 2007 S. 45 Nr. 12
HFR 2007 S. 1076 Nr. 11
NWB-Eilnachricht Nr. 39/2007 S. 3403
SJ 2007 S. 12 Nr. 21
StB 2007 S. 405 Nr. 11
StuB-Bilanzreport Nr. 24/2007 S. 956
wistra 2007 S. 476 Nr. 12
TAAAC-58401