BFH Beschluss v. - V B 29/06

Einfluss von Betriebsferien auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme des Empfängers an in seinen Machtbereich gelangten Schriftstücken

Gesetze: UStG § 15 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erhob nach Durchführung des Einspruchsverfahrens Klage gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1998. Streitig war u.a., ob die Klägerin Vorsteuerbeträge aus Rechnungen abziehen konnte, die im Jahr 1997 ausgestellt wurden, die die Klägerin aber erst im Jahr 1998 erhalten haben will.

In der mündlichen Verhandlung vor dem verzichteten die Beteiligten auf eine weitere mündliche Verhandlung und erklärten übereinstimmend, dass sie mit der Entscheidung des Berichterstatters als Einzelrichter einverstanden seien.

Am ging beim FG ein Schriftsatz des Beklagten und Beschwerdegegners (Finanzamt —FA—) vom als Erwiderung auf ein Schreiben der Klägerin vom ein. Diesen Schriftsatz des FA leitete das FG der Klägerin am zu.

Das FG wies die Klage mit Urteil vom durch den Berichterstatter als Einzelrichter ab.

Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt die Klägerin Vorliegen von Verfahrensmängeln (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

II. Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Verfahrensfehler i.S. von § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO liegen nicht vor.

1. Das FG hat seine Sachaufklärungspflicht nicht verletzt. Nach Ansicht der Klägerin hätte das Gericht den in ihrem Schriftsatz vom angebotenen Zeugen vernehmen müssen; dies hätte nach Auffassung der Klägerin zu dem Ergebnis geführt, dass die in 1997 ausgestellten Rechnungen ihr erst im Januar 1998 zugegangen seien, weil vorher kein Briefkasten vorhanden gewesen sei und die Klägerin im Dezember 1997 Betriebsferien gehabt habe.

Betriebsferien haben aber keinen Einfluss auf die Möglichkeit der Kenntnisnahme der Klägerin an den in ihren Machtbereich gelangten Schriftstücken (vgl. z.B. , BFHE 211, 392, BStBl II 2006, 219 zum Zugang von Postsendungen). Diese Tatsache war daher nicht entscheidungserheblich und das FG musste insoweit keinen Beweis erheben. Ferner hat das FG zu Recht unterlassen, den angebotenen Zeugen darüber zu vernehmen, ob überhaupt ein Briefkasten vorhanden war. Denn eine entsprechende Behauptung stellte die Klägerin in ihrem Schreiben vom , in dem der Beweisantritt erfolgte, nicht auf.

2. Soweit die Klägerin Verletzung des rechtlichen Gehörs rügt, entspricht die Beschwerdebegründung nicht dem Gesetz (§ 116 Abs. 3 Satz 3 FGO).

Die Klägerin ist der Auffassung, ihr sei das rechtliche Gehör dadurch verwehrt worden, dass ihr der Schriftsatz des FA vom erst mit Schreiben des (dem Tag des Urteils) übersandt worden sei. Sie habe also keine Möglichkeit gehabt, darauf zu antworten.

Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst das Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen äußern sowie in rechtlicher Hinsicht alles vortragen zu können, was sie für wesentlich halten (ständige Rechtsprechung, vgl. Nachweise in Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 119 Rz 10a).

Die Klägerin hätte somit darlegen müssen, dass der Schriftsatz des FA vom entscheidungserheblichen Inhalt hatte (vgl. , BFH/NV 2005, 1496, unter II.2.c). Hieran fehlt es im Streitfall.

3. Die Klägerin rügt ferner ohne Erfolg, sie sei ihrem gesetzlichen Richter durch die Entscheidung des Einzelrichters entzogen worden, weil sie mit Schriftsatz vom ihr Einverständnis hierzu widerrufen hatte.

Ob das in der mündlichen Verhandlung vom erklärte Einverständnis der Beteiligten mit der Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter (§ 79a Abs. 3, 4 FGO) als Prozesserklärung unwiderruflich ist oder widerrufen werden kann, wenn sich bei objektiver Betrachtung die Prozesslage nachträglich wesentlich geändert hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom IX B 34/03, BFHE 202, 408, BStBl II 2003, 858; vom VII B 83/04, BFH/NV 2005, 1592, jeweils m.w.N.), kann der Senat hier offenlassen. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht dargetan, dass sich die Prozesslage zum Zeitpunkt des von der Klägerin behaupteten Widerrufs wesentlich geändert hätte.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2007 S. 2152 Nr. 11
BFH/NV 2007 S. 2152 Nr. 11
XAAAC-57779